Unter den Pisa-Teilnehmern haben nur Österreich, die meisten Bundesländer der Bundesrepublik Deutschland, einige Schweizer Kantone eine vierjährige Grundschule. Neuseeland hat eine fünfjährige, und alle anderen Länder haben eine sechs- bis neunjährige Gesamtschulphase, so will ich das einmal nennen. In den Pisa-Spitzenländern, und an denen sollten wir uns orientieren, Südkorea, Kanada, Japan und Finnland gehen die Schülerinnen und Schüler erst nach der achten Klasse oder später in unterschiedliche Schulen, deshalb, und das erkläre ich sehr selbstbewusst und sicher für die SPD-Fraktion, darf es als Konsequenz aus Pisa keinen Rückfall in veraltetes Denken, nämlich ein frühstmögliches Sortieren in unterschiedliche Kästchen und Stufen, geben.
Die Orientierungsstufe, meine Damen und Herren, hat mehr Reibungsverluste als Gewinn gebracht. Sie hat die in sie gesetzten Erwartungen nicht erfüllt, vielleicht, das sage ich, auch nicht erfüllen können. Die SPD plädiert deshalb dafür, sie zugunsten eines Systems europäischer Qualität abzuschaffen. Hier befinden wir uns im guten Einklang mit dem runden Tisch Bildung und übrigens auch mit so unverdächtigen Interessenvertretern wie dem Badenwürttembergischen Handwerkerverband. Dieses System ist als mindestens sechsjährige Grundschule oder Basisschule weit mehr als vier plus zwei.
Ein einfaches Aufstocken ist natürlich nicht die Lösung, so schlicht ist doch die Welt auch nicht. Das gelingt unter anderem durch die Umsetzung der zahlreichen guten Empfehlungen des runden Tisches Bildung für eine deutliche Stärkung des Vorschulbereichs und der Grundschule. Die SPD-Fraktion begrüßt daher ausdrücklich, dass der Senat auch in seiner Antwort, meine Damen und Herren, auf die Große Anfrage eindeutige und mit finanziellen Mitteln spürbar und solide unterlegte Schwerpunkte gesetzt hat. Das hat übrigens der Senat insgesamt gemacht, Herr Eckhoff, und die Grundlage war der Koalitionsausschuss. Ich erinnere mich, dass Sie beteiligt waren. Ich weiß nicht, ob Sie mit diesem Ergebnis nicht mehr zufrieden sind!
Allein fünf Millionen Euro stehen zur Verfügung, um unter anderem – und zwar rede ich von 2003 – Sprachstandsüberprüfungen und verpflichtende Fördermaßnahmen schon vor dem Schulbeginn, eine Stundentafelerhöhung um zwei Unterrichtsstunden in der Klassenstufe eins bis zwei, Deutschkurse für Migrantinnen und Migranten, Kurse zur Minderung der Lese-, Rechtschreib- und Rechenschwäche, Leseintensivkurse und Leseclubs zusätzlich zu bezahlen. Das ist ein sehr positives, gutes Ergebnis des Koalitionsausschusses.
Es reicht nämlich nicht, wenn man gute Konzepte entwickelt, man muss sie auch finanzieren. Das erkläre ich hier ja seit eineinhalb Jahren.
Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen des Koalitionspartners, wir müssen uns dringend von alten ideologischen Grabenkämpfen verabschieden. Ich predige das hier ja seit eineinhalb Jahren. Sie haben inhaltlich nämlich nicht viel Positives gebracht, sondern sie haben den Schulen eher geschadet als genutzt. Entscheidend, meine Damen und Herren, ist es, was in den Schulen passiert, entscheidend sind die Qualität der Abschlüsse und die Bildungsbeteiligung, entscheidend sind die soziale Integration und das individuelle Fördern und Fordern.
Ich habe mich deshalb sehr gefreut, diese Haltung auch in der Antwort des Senats wiederzufinden. So führt der Senat in seiner Antwort auf die Frage, was die Stelle der OS einnehmen soll, aus, ich zitiere mit Genehmigung des Präsidenten: „Bis zum Sommer 2003“ – natürlich liegt dazwischen eine Wahl, das ist ein Einschub von mir, so steht es nicht in der Antwort des Senats – „sollen Vorschläge entwickelt werden, mit welcher Organisationsform die orientierenden und fördernden Aspekte in den Jahrgangsstufen fünf und sechs besser als bisher erreicht werden können,“ und jetzt der wichtige Zusatz, „ohne den sozialen Zusammenhalt zu gefährden.“ Ich glaube, da ist der Senat ein ganzes Stück weitergegangen, als mancher CDU-Kollege das erwartet hat.
Pisa hat bundesweit deutlich gezeigt, dass wir die größten Defizite im unteren Leistungsbereich haben, Ursache ist auch die starke Selektion. Dieser unbestrittenen Tatsache muss unsere besondere Aufmerksamkeit auch bei der Organisation der Schulen ab Klasse sieben gelten. Die SPD-Fraktion spricht sich deutlich für einen weiteren Ausbau der integrierten Stadtteilschulen aus und begrüßt in diesem Zusammenhang ausdrücklich die Absicht, an drei Standorten diese Schulen mit Oberstufen zu ergänzen.
Übrigens, die überdurchschnittlich guten Ergebnisse, die dem Vernehmen nach zum Beispiel die integrierte Stadtteilschule Leibnizplatz bei den PisaE-Untersuchungen erreicht hat, bestärken hierbei unsere Einschätzung: überdurchschnittlich gute Leistungen am Leibnizplatz an dieser integrierten Stadtteilschule! Hier ist dann also auch der Platz, um diesen Schulen einmal ausdrücklich für ihre inhaltliche und konzeptionelle Arbeit, die sie geleistet haben, zu danken.
Herr Präsident, meine Damen und Herren, ich weiß natürlich, dass die CDU ein anderes Modell präferiert. Aber auch unser Koalitionspartner wird nicht einen Kahlschlag in der bremischen Schullandschaft veranstalten. In den Schulen werden nach und nach die Einzelergebnisse von Pisa bekannt werden und diskutiert. Es gibt Pisa-Moderatoren, und die werden hierbei Unterstützung anbieten. Die einzelnen Schulen werden sich mit den Ergebnissen auseinander setzen und ihre Konsequenzen ziehen, denn der nächste Pisa-Test, meine Damen und Herren, kommt bestimmt.
Die Vergleichsarbeiten, die mittlerweile in Bremen flächendeckend zentral in Klassen drei, sechs und neun geschrieben werden, bringen auch einen Schwung, einen neuen Schwung, in die Qualitätsentwicklung. Die verbesserte Zusammenarbeit der Lehrkräfte in verbindlichen Jahrgangsteams ist hier genauso wichtig wie die Überarbeitung der Lehrpläne bei Orientierung an bundesweiten Standards. Wir müssen ja hier nicht überall in Bremen für alles das Rad neu erfinden.
Für die SPD gibt es eine zentrale Konsequenz, die sich aus Pisa ergibt: Wir brauchen mehr Zeit für Schule! Ich spreche vom Fall der deutschen Dreizehn-Uhr-Mauer und vom Weg in die Ganztagsschule. Seit Sommer 2002 haben wir auf Betreiben der SPD-Fraktion, das war nämlich unser Schwerpunkt bei den Haushaltsberatungen, der Koalitionspartner hat ja einen ganz anderen Schwerpunkt gesetzt, in Bremen sieben Schulzentren mit einem Ganztagsangebot. Das läuft gut an, es reicht aber nicht aus. Ich empfehle jedem, sich das einmal anzuschauen, weil ja auch baulich sehr viel passiert ist, und es gibt einen Riesenschwung in den einzelnen Schulen.
Nun hat der Koalitionsausschuss für sechs Grundschulen und fünf S-I-Standorte weitere 2,8 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Meine Damen und Herren, ich kenne mindestens 25 Schulen in Bremen, die ich Ihnen hier alle eine nach der anderen aufzählen könnte, die dringend auf ein Startsignal warten und Ganztagsschule werden wollen, sowohl im Primarbereich als auch in der Sekundarstufe I.
Hier setze ich auf die Mittel, die die rotgrüne Bundesregierung unter Einhaltung ihrer Wahlaussage in ihrer Koalitionsvereinbarung vorgesehen hat. Nach bisherigen Erkenntnissen wären das für Bremen zirka zusätzlich 28 Millionen Euro für die nächsten vier Jahre. Mit diesem Geld könnten wir einen gewaltigen Schritt in der Schulentwicklung machen, denn ganztags bedeutet für die Schulen und den Stadtteil einen großen inhaltlichen Schub.
Ich komme zum Antrag vom Bündnis 90/Die Grünen! Wir werden diesen Antrag, den ich inhaltlich für richtig halte, der auf die richtigen Schwerpunkte setzt, an die Bildungsdeputation überweisen. Dort werden wir ihn weiter beraten, und dann wird dieser Antrag auch wieder, meine Damen und Herren, in das Parlament zurückkommen. Ich könnte jetzt eigentlich Pisa, Pisa und kein Ende wieder anführen, aber wir werden diesen Antrag unter Einbeziehung der Ergebnisses des runden Tisches Bildung und unter Einbeziehung der Ergebnisse weiterer PisaUntersuchungen beraten, natürlich auch unter Einbeziehung der Beschlüsse des Koalitionsausschusses und der Koalitionsvereinbarungen. Nur, Herr Rohmeyer, weil Sie ja hier immer so vergnügt in diesem Parlament sitzen, ich sage Ihnen deutlich:
Am 25. Mai 2003 werden die Karten neu gemischt, und ich habe gelegentlich und gerade heute, das will ich Ihnen auch sagen, durchaus Neigung, mich aus dieser Koalition zumindest im bildungspolitischen Bereich zu verabschieden. – Ich danke Ihnen!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Hövelmann, wenn man Ihnen zuhört, kann man nur vergnügt sein. Ich finde, das, was Sie hier dargeboten haben, ist schon wieder eine reife Leistung der Verabschiedung des Senators Willi Lemke, den Sie ja mit in die Wüste schicken wollen, denn er hat diese Koalitionsbeschlüsse mit dem CDU-Landesvorsitzenden Bernd Neumann erarbeitet.
Pisa und kein Ende! Das ist auch gut so, denn wir haben hier viel aufzuarbeiten, was es aufzuarbeiten gilt, meine Damen und Herren. ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
Herr Mützelburg hat gesagt, das, was der Senat vorlegt, sind keine adäquaten Antworten auf Pisa, weil sie sich viel zu sehr am bremischen Schulsystem orientieren –
ich bin nicht nervös, Frau Lemke-Schulte, keine Sorge! –, aber gar nicht an dem, was nach dem internationalen Pisa-Vergleich zu tun wäre. Ich sage Ihnen ganz deutlich, Herr Mützelburg, im bremischen Schulsystem ist so viel aufzuarbeiten, dass wir hier genau die richtigen Antworten geben, damit das bremische Schulwesen besser wird und die Leistungen der Kinder im Unterricht besser werden. Darum muss Schule insgesamt besser werden, meine Damen und Herren!
Das haben wir mit den Antworten, die der Koalitionsausschuss vorberaten hat, die der Senat in seiner Sitzung übernommen hat, getan. Das hängt damit zusammen, dass wir zum Beispiel in Zukunft die Grundschule stärken werden. Das ist etwas, was die SPD mit uns zusammen in den letzten Haushaltsberatungen nicht machen wollte. Wir hatten ganz konkret gesagt, wir wollen in der Grundschule mehr Unterricht, Sie haben gesagt, Sie wollen mehr Ganztagsschule. Wir konnten uns Ihnen gegenüber leider nicht ganz durchsetzen, immerhin erreichen wir es jetzt, dass der Grundschulbereich gestärkt wird, weil der Primarbereich heutzutage eine viel stärkere Ausprägung in den Bereichen Mathematik und der deutschen Sprache braucht. Wir haben ihn gestärkt mit der Einführung von Englisch in Klasse drei, meine Damen und Herren.
Ich kann gar nicht glauben, wie elegant Sie über einen weiteren wesentlichen Bereich hinweggegangen sind, Frau Hövelmann. Dass Sozialdemokraten in Bremen beschließen, die Orientierungsstufe hat den unterschiedlichen Begabungen höchst unzureichend Rechnung getragen und wird deshalb abgeschafft, das hätte ich, als ich in der Orientierungsstufe war, nicht für möglich gehalten.
In den letzten Jahren ist meine Hoffnung geschwunden. Ich freue mich aber, dass Sie lernfähig sind, denn Sie haben ja Recht. Die Orientierungsstufe hat in den letzten Jahrzehnten Bremer Schülerinnen und Schüler zwei Jahre aufgehalten und sie in keiner Weise orientiert oder gefördert, meine Damen und Herren.
Das Bremer Schulsystem muss übersichtlicher und logischer werden, meine Damen und Herren. Wir haben hier einen weiteren Schritt getan, wir werden in Zukunft in Bremen nur noch das Abitur nach zwölf Jahren an den allgemeinbildenden Schulen der Gymnasien haben. Es gibt zwei Ausnahmen, die finde ich auch vernünftig, nämlich an den beruflichen Gymnasien und an drei Standorten, an denen es zu Veränderungen kommen wird, an denen nämlich Sekundarstufen II auf Gesamtschulen aufgepfropft werden. Hier muss der Senator für Bildung allerdings dann auch mit seinen Regionalteams entsprechend beraten, welche bisherigen Schulzentren der Sekundarstufe II hier betroffen sind.
Es ist für uns auch ganz klar, meine Damen und Herren, dass es keine neuen Schulzentren geben wird. Dies muss im Bereich der bisherigen Schulzentren gelöst werden, wie der Senator das auch schon entsprechend in den Sitzungen angekündigt hat.
Es ist notwendig, und da unterscheiden wir uns ganz erheblich, und ich finde es gut, dass die Wählerinnen und Wähler am 25. Mai 2003 hier die Auswahl haben,
wen sie unterstützen wollen, ob sie wollen, dass es ein gleichmacherisches System geben soll oder ein System, das die Kinder gezielt ihren Begabungen entsprechend fördert, wie wir es wollen, meine Damen und Herren.
Dies ist tatsächlich eine Entscheidung, die den Menschen jedes Mal übertragen wird, die aber dieses Mal zugespitzt sein wird, weil Bildung ein wichtiges Thema im Bürgerschaftswahlkampf, so sieht es auf jeden Fall jetzt aus, sein wird.
Das hat nichts mit Pfeifen im Walde zu tun! Ich zitiere auch nur das, was Ihre Kollegin gerade gesagt hat, Frau Hammerström! Ich würde mich einfach freuen, wenn Sie zuhören würden, das hat nämlich auch etwas mit Lernkompetenz zu tun, und nicht andauernd versuchen würden, immer dazwischen zu reden.
Es ist auf die Dauer, das kann ich nun nach drei Jahren sagen, nicht unbedingt erbaulich, was von Ihrer Seite immer kommt, meine Damen und Herren!