Protocol of the Session on September 18, 2002

Als nächster Redner erhält das Wort der Abgeordnete Dr. Kuhn.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will mit der Bemerkung des Kollegen Böhrnsen über den Stil beginnen! Darüber habe ich natürlich nachgedacht. Ich glaube aber, Herr Böhrnsen, man kann nicht beides zugleich haben: Man kann nicht als Präsident sich beteiligen an der Verabschiedung einer ausgesprochen hoch politischen Entschließung, also man kann nicht auf der einen Seite gemeinsam mit den anderen Präsidenten Politik machen, und zwar ausdrücklich Politik machen, und dann hier in der Bürgerschaft den Unberührbaren spielen. Beides zusammen geht, glaube ich, nicht. Dann muss sich dieser Präsident der politischen Debatte und Auseinandersetzungen, die ich doch, glaube ich, ohne Ansehen der Personen hier politisch geführt habe, auch stellen. Das finde ich, ehrlich gesagt, kein Problem. Dieses Recht müssen wir haben. Wer Politik macht, muss sich auch politischer Kritik stellen. So einfach, finde ich, ist das!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Das Zweite ist, es geht nicht, Herr Kollege Neumeyer, um irgendwelche Abstimmungsprobleme im Vorstand. Es geht um die Tatsache, dass seit zwei Jahren die CDU, und die SPD folgt dabei, verhindert, dass die Beschlüsse der Landtagspräsidenten hier der Bürgerschaft als Drucksache mitgeteilt werden. Ich hoffe, Sie sagen da endlich einmal etwas dazu, dass das ein Ende hat. Das ist doch ein Irrsinn! Das ist doch wie ein Aberwitz, dass die Beschlüsse der Landtagspräsidenten hier als Geheimpapiere behandelt und sie nicht zur Drucksache werden! Das ist doch das Mindeste, was wir für das Ansehen dieses Hauses tun können, oder?

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen – Abg. N e u m e y e r [CDU]: Sie hätten die An- träge ja schon vor zwei Jahren stellen kön- nen! Das ist doch Quatsch, so etwas!)

Ich denke, darüber sollten Sie vielleicht einmal nachdenken, das machen fast alle! Es ist doch wirklich nicht in Ordnung, dass man hier zu einem Trick greifen muss, dass wir als Fraktion unserem Antrag dieses Papier voranstellen müssen. Soll das denn einreißen? Das kann doch wohl nicht das richtige Verfahren sein!

Jetzt zu den politischen Kontroversen! Herr Böhrnsen hat vor allem darauf abgehoben, dass ursprünglich, so sagt es auch der Artikel 30, einmal in einem Satz ausgedrückt, es eigentlich so gewesen sein sollte, die Länder halten sich den Bund. Das ist ja die landläufige Ausdrucksweise. Die Ländergesetzgebung ist sozusagen eigentlich vorrangig, ist die Grundlage, und der Bund tritt nur ein, wenn es ausdrücklich anders ist. Wir müssen doch, glaube ich, ehrlich eingestehen, dass sich die Verhältnisse geändert haben. Wir müssen uns doch irgendwann einmal ehrlich eingestehen, dass dies im Verhältnis zwischen Bund und Ländern nicht mehr so ist, sondern dass wir zu einem tatsächlich sehr austarierten, wie Sie es ja dargestellt haben, Gefüge von Machtteilung und Machtbalance gekommen sind. Sie haben gesagt, das muss neu austariert werden. Das ist gut, dafür bin ich auch, nur, zu einer grundsätzlichen Änderung des ganzen Aufbaus, um den Föderalismus zu retten, zu kommen, das sehe ich in der Tat nicht. Wenn man das einmal im Einzelnen durchgeht, kommt man auch schnell dazu, dass das nicht der Fall ist. Im Einzelnen bin ich da gern bereit.

Wir sind uns sowieso im Großen und Ganzen einig, glaube ich, in der Frage der Gemeinschaftsfinanzierung, das habe ich so verstanden. Der Beschluss der Landtagspräsidenten ist da aber anders. Ich meine, das muss man auch zur Kenntnis nehmen! Wir setzen dem jetzt in der Diskussion etwas anderes entgegen. Der Kollege Neumeyer hat in dieser Frage nur die Forschungsförderung vergessen, ansonsten haben Sie alle Punkte aufgezählt und haben gesagt, Sie stimmen uns da zu. Ich glaube nicht,

dass Sie in der Forschungsförderung eine andere Meinung haben. Ich glaube, die haben Sie nur vergessen. In der Forschungsförderung hat Bremen nun wirklich ganz groß einen Vorteil gehabt, dass wir gerade da aussteigen wollen, kann ich mir, ehrlich gesagt, nicht vorstellen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Die Beiträge waren zum Teil sehr allgemein. Sie haben noch einmal, Herr Neumeyer, sehr ausführlich das Prinzip der Subsidiarität dargestellt, warum wir das machen. Das ist ja alles richtig, nur, sowohl die bundesstaatliche Entwicklung als auch die europäische Einigung ist doch Ausdruck der Tatsache, dass verantwortliche Politiker und nicht irgendwo „die da oben“ zu der Überzeugung gekommen sind, dass die Interessen der Bürgerinnen und Bürger nicht mehr nur im Rahmen eines Bundeslandes oder einer Nation geregelt werden können. Das ist doch der Gang der Dinge gewesen. Ich sehe auch bei Fragen des Verbraucherschutzes, des Naturschutzes, der Zusammenarbeit mit Forschung, zunehmend auch Bildung, dass das noch geht. Ich sehe es wirklich nicht! Deswegen finde ich es vernünftig, nicht mit ideologischen Scheuklappen hinzugehen und zu sagen, Bildung darf nur Ländersache sein, es darf keine nationale Kompetenz geben. Wenn die Interessen der Schüler das nahe legen, dass man das besser macht als auf dieser Kultusministerkonferenzebene, dann sollte man das doch machen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Was Sie zur europäischen Ebene gesagt haben, das ist jetzt nicht direkt Thema, ich will es doch aufnehmen: Ich habe den Eindruck, die Diskussion im europäischen Verfassungskonvent rauscht völlig an Ihnen vorbei. Sie sagen, Subsidiarität ist das Prinzip. Lesen Sie einmal den Entwurf Ihres Kollegen Brok aus dem Europäischen Parlament durch! Der sagt deutlich, wir denken gar nicht daran, die Kompetenzverteilung materiell wieder aufzumachen, neu zu sortieren. Davon steht darin kein Wort! Sie soll klarer werden, deutlicher, geordneter, aber eine Rückverlagerung? Ihre Kollegen der Christdemokraten im Europäischen Parlament denken überhaupt nicht daran, und die Diskussion im Konvent geht überhaupt nicht in die Richtung! Nehmen Sie das doch einfach einmal zur Kenntnis, anstatt gebetsmühlenartig Aufsätze wiederzugeben, wie es im Prinzip sein müsste!

Die Wirklichkeit ist zu Recht weitergegangen, weil die gesellschaftliche Verflechtung einfach so zugenommen hat. Das hat nichts mit Zentralismus zu tun, sondern hat etwas mit dem Anerkennen der Tatsache zu tun, dass Handlungsmöglichkeiten auf dieser Ebene mit anderen Ebenen neu austariert werden müssen. Dass es im Einzelfall auch wirklich Fra

gen gibt, die sich auf Bundesebene erübrigt haben, wo es sinnvoll ist, sie zurückzunehmen, völlig richtig, nur, glauben Sie nicht, dass wir zu einer völlig neuen Ordnung kommen! Glauben Sie bloß nicht, dass Sie ernsthaft die Gemengelage von vermischten Politikebenen, wo Bund und Länder gemeinsam zuständig sind, aufgeben werden! Dazu werden wir nicht kommen!

Beide haben über die Stellung dieses Parlaments zur Landesregierung geredet, vor allem Herr Neumeyer, vor allen Dingen in den Bereichen, in denen der Senat nicht öffentlich agiert. Bundesrat ist ja noch verhältnismäßig einfach. Da muss sich dieses Haus vielleicht einmal mehr trauen, vielleicht auch mehr Rechte haben, aber schwierig ist es natürlich bei den Fachkonferenzen und bei den Ministerpräsidentenkonferenzen, wo versucht wird, Politik vor allen Dingen auf der Einstimmigkeitsschiene zu machen. Da haben wir so gut wie gar keinen Einfluss. Dazu haben Sie viel gesagt. Das finde ich auch richtig, da bin ich mit Ihnen einer Meinung. Ich sehe diesen Punkt aber gar nicht in Ihrem Entschließungsantrag, der fehlt da völlig!

In der Tat, wenn wir über die Erosion der Möglichkeiten und der Macht und des Ansehens unserer Landtage reden, Herr Böhrnsen hat das an der Gesetzgebung gemacht, ich glaube nicht, dass wir das dadurch hinbekommen, dass wir die Gesetzgebungspunkte wieder verdoppeln und verdreifachen, sondern wir müssen unsere Rolle in dem jetzt gewachsenen föderalen System neu definieren. Da müssen wir eben auch mehr Zeit damit verbringen, das Handeln dieser Landesregierung auf nationalen über anderen Ebenen zu kontrollieren, zu diskutieren, Vorgaben zu geben. Das hat sich nun einmal geändert, dem müssen wir uns stellen. Darauf wollen wir auch in unserem Antrag das Schwergewicht legen. Wir sagen überhaupt nicht, dieser Konvent ist schlecht, wir warnen nur davor, übertriebene Hoffnung zu haben. Wir finden, dass man hier vor Ort viel machen muss.

Wenn ich mir die beiden Diskussionsredner angehört habe, vor allen Dingen auch Sie, Herr Böhrnsen, Sie haben gesagt, wir könnten nach dem Beginn dieser Diskussion, nach einem Verständigungsprozess möglicherweise zu einer Position Bremens kommen, dann liegt es doch eigentlich sehr nahe, wenn beide Anträge an den zuständigen Ausschuss überwiesen würden. Wo anders als dort kann man weiterberaten, dass man tatsächlich zu einer einheitlichen Haltung kommt? Wir beantragen also die Überweisung dieser beiden Anträge an den Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Beratung ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Herr Dr. Kuhn, Sie haben die Überweisung beider Anträge beantragt.

Dann lasse ich zuerst über den Überweisungsantrag abstimmen.

Wer dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Überweisung des Antrags mit der Drucksachen-Nummer 15/1229 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür Bündnis 90/Die Grünen)

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen SPD und CDU)

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) lehnt den Überweisungsantrag ab.

Nun lasse ich über den Antrag auf Überweisung des Antrags der Fraktionen der CDU und der SPD mit der Drucksachen-Nummer 15/1245 abstimmen.

Wer dieser Überweisung seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür Bündnis 90/Die Grünen)

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen SPD und CDU)

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) lehnt den Überweisungsantrag ab.

Nun lasse ich über den Antrag insgesamt abstimmen.

Wer dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit der Drucksachen-Nummer 15/1229 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür Bündnis 90/Die Grünen)

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen SPD und CDU)

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) lehnt den Antrag ab.

Jetzt lasse ich über den Antrag der Fraktionen der CDU und der SPD abstimmen.

Wer dem Antrag der Fraktionen der CDU und der SPD mit der Drucksachen-Nummer 15/1245 seine Zu

stimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür SPD und CDU)

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen Bündnis 90/Die Grünen)

Stimmenthaltungen?