Ich möchte nur, auch im Lichte der vorangegangenen Diskussion, ganz herzlich darum bitten, wenn der gemeinsame Wille besteht, etwas zu verändern, gehen wir diesen Weg! Wenn es nur darum geht, die Zeit irgendwie herumzubringen, dann lassen Sie uns das nicht machen! Ich habe es jetzt so verstanden, dass wir das gemeinsam wollen. Dann gehen wir auch diesen etwas ungewöhnlichen Weg mit dem
Umweg über den Verfassungs- und Geschäftsordnungsausschuss. Vielleicht können wir da auch gut eine Anhörung zu den auch von Ihnen aufgeworfenen Fragen machen. Gern, aber ich bitte darum, dass wir das zeitnah hier wieder bekommen und da auch wirklich positiv etwas zusammen machen.
Meine Damen und Herren, es ist beantragt worden, die erste Lesung zu unterbrechen und das Gesetz zur Änderung der Volksgesetzgebung im Land Bremen zur Beratung und Berichterstattung an den Verfassungs- und Geschäftsordnungsausschuss zu überweisen.
Wer der Unterbrechung der ersten Lesung und der Überweisung des Gesetzesantrags, Drucksache 15/1128, an den Verfassungs- und Geschäftsordnungsausschuss zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wenn im Mai nächsten Jahres Bürgerschaftswahl ist, im Mai 2003 wird ja die Bremische Bürgerschaft neu gewählt, dann, schlagen wir vor, sollen auch Schülerinnen und Schüler zur Juniorwahl an die Wahlurnen gerufen werden. Dafür haben wir einen Antrag formuliert mit dem Ziel, das hat der Bürgerschaftspräsident eben noch einmal vorgelesen, mit den Juniorwahlen einen Betrag zu leisten, die demokra––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.
tische und politische Bildung in Bremen zu fördern. Wir wollen mit diesem Vorschlag auch der ständig wachsenden Nichtwählerfraktion – so kann man es nennen – Paroli bieten, und dazu liegt Ihnen der Antrag heute vor.
Ich war ganz erfreut, dass Herr Eckhoff sich so positiv über unseren Vorschlag geäußert hat, allerdings bin ich ganz betrübt, weil ich gehört habe, dass sich SPD und CDU nicht einig werden konnten, hier heute zuzustimmen. Vielleicht können wir darauf im Verlauf der Debatte noch eingehen. Ich denke, der Antrag ist eigentlich nicht so kompliziert, dass die große Koalition heute an diesem Ort ihre Zustimmung verweigern müsste.
Politikerverdrossenheit nimmt auch bei Jugendlichen zu, das Stichwort ist eben bei der vorherigen Debatte bei Frau Hannken schon gefallen. Auch in Bremen ist 1999 die Wahlbeteiligung gerade von jungen Menschen auf ein Rekordtief gesunken. Es gab die niedrigste Wahlbeteiligung seit dem Zweiten Weltkrieg, und alarmierend waren auch die Zahlen von jugendlichen Wählern in Bremerhaven, die gerade in der Altersgruppe der Achtzehn- bis Vierundzwanzigjährigen sich nur mit 50 Prozent an der Bürgerschaftswahl beteiligt haben.
Wir meinen, ein sinnvolles Instrument, um zu zeigen, dass Politik und Wahlen für eine demokratische Gesellschaft wichtig sind, sind eben diese Juniorwahlen. Juniorwahlen können meines Erachtens die Herabsetzung des Wahlalters auf 16 Jahre nicht ersetzen. Dafür haben wir hier in der Bürgerschaft schon gestritten und sind auch immer noch der Meinung, dass es eigentlich richtig ist, das Wahlalter auf 16 Jahre herabzusetzen. Juniorwahlen sind aber ein wichtiger Teil der politischen Bildung.
Was sind denn nun die Ziele, die dieses Modell verfolgt? Erstens soll politische Bildung von Jugendlichen gefördert und erlebbar gemacht werden. Zweitens wird der souveräne Umgang mit Wahlprogrammen bei solchen Juniorwahlen erlernt. Es wird über Politik auch zu Hause geredet und Interesse an Demokratie geweckt. Bei der Juniorwahl werden im Schulunterricht symbolisch Wahlen abgehalten. Die Schüler dürfen dabei ihren Wunschkandidaten beziehungsweise ihre Partei ankreuzen, einziger Unterschied zur richtigen Wahl ist, dieses Ergebnis fließt nicht ins amtliche Endergebnis ein.
Wir wollen die Idee der elektronischen Wahl hiermit aufgreifen und elektronische Wahlgeräte bei Juniorwahlen einsetzen. Das haben Köln, Berlin, Baden-Württemberg auch schon mit großem Erfolg und großer Begeisterung gemacht. Natürlich sind das symbolische Wahlen, und das ist kein Allheilmittel gegen die Politikverdrossenheit. Wir meinen aber, durch die inhaltliche Vorbereitung und die prakti
Wir sind dabei auch ein bisschen durch die USA inspiriert worden. Dort nennt sich dieses Modell Kids Voting und wird schon seit vielen Jahren durchgeführt. Es wird dort wissenschaftlich begleitet. Mittlerweile wurde das an 6000 amerikanischen Schulen durchgeführt, fünf Millionen Schülerinnen und Schüler haben daran teilgenommen. Eine sehr spannende Sache bei diesem Modell ist, dass gerade in den bildungsfernen Schichten die Wahlbeteiligung zugenommen hat, dass auch die Eltern dieser Jugendlichen mehr gewählt haben und dass insgesamt über Jahre hinweg diese jungen Leute, die sind wissenschaftlich begleitet worden, auch nicht aufgehört haben zu wählen, sondern begriffen haben, dass sie mit ihrer Stimme doch etwas bewirken können, was sie vorher manchmal nicht geglaubt haben.
Wir als Politikerinnen und Politiker meinen, dass wir nicht tatenlos zusehen dürfen, wenn sich immer weniger Menschen an den Wahlen beteiligen. So verliert nämlich die Demokratie ihre Legitimation. Zahlreiche Diskussionen mit Schülern und die Erfahrung mit dem Projekt Jugend im Parlament zeigen, dass sich Jugendliche für Politik interessieren. Das haben diejenigen von uns, die daran teilgenommen haben, hier ja auch alle selbst gesehen, wie ernsthaft sich die Jugendlichen über die Themen streiten, wie sie sich beteiligen und auch in die Ausschüsse gekommen sind, um dort ihre Interessen zu vertreten. Wir meinen, dass das mit diesem Instrument eine sinnvolle Sache ist, um Demokratie am eigenen Leib auszuprobieren.
Wir schlagen vor, dass das Bildungsressort sich mit der Landeszentrale für politische Bildung zusammentut. Die Landeszentrale für politische Bildung tut das auch in anderen Bundesländern, stellt die Materialien zur Verfügung, berät Schulen und bereitet das Ganze dann mit dem Bildungsressort vor. Das hat in anderen Ländern hervorragend geklappt. Ich war auch bei der Pressekonferenz, die wir gemacht haben, ganz zuversichtlich, dass der Bildungssenator Willi Lemke der ganzen Idee aufgeschlossen gegenübersteht. So habe ich ihn bisher erlebt. Ich bin gespannt, wie das hier laufen soll. Ich habe gehört, dass es schon Vorgespräche gegeben hat, auch bevor wir diesen Antrag gemacht haben, das habe ich aber erst hinterher gehört, und von daher bin ich ganz zuversichtlich, dass das etwas wird.
Die Wahlen sollen von den Schülern selbst vorbereitet und durchgeführt werden. Die Schüler legen auch selbst Wahlverzeichnisse an, so wurde das in Berlin gemacht, die Schüler haben selbst die Computer aufgestellt, haben ihre Mitschüler dann offiziell zur Wahl mit einem Wahlbrief eingeladen, da
wurde völlig die Form gewahrt. Wir meinen, dass es gerade in Bremen – ich habe es vorhin angesprochen – total gut wäre, wenn wir uns an dieser Idee beteiligen würden, dass man mit elektronischen Wahlgeräten wählt, da Bremen an einem europäischen Modellversuch teilnimmt, der Cybervote heißt. Wir glauben, dass es gut ist, wenn die jungen Leute dieses Wahlmedium der Zukunft ausprobieren.
Wir sind auch oft gefragt worden, wie viel Zeit dabei in der Schule verloren geht, obwohl ich finde, dass es eigentlich keine verlorene Zeit ist. In Berlin habe ich einmal einen Lehrer angerufen, der da mitgemacht hat. Dort hat man etwa acht Unterrichtsstunden dafür eingeplant. Der hat das Ganze unter dem Motto „Hohle Sprüche oder kluge Inhalte?“ gestaltet. Er hat dann aktuelle Wahlplakate analysiert. Es ist ja einmal interessant, dass das so geprüft wird. Er hat Politiker eingeladen, Herr Thierse war dann in der Schule, die Bildungsministerin wurde eingeladen. Den Schülern hat es Spaß gemacht, das hat er mir auch versichert. Es wurde auch noch ein Planspiel durchgeführt, und die Wahlbeteiligung war sehr gut. Die Schüler haben also nicht gesagt, das ist hier jetzt Beschäftigung, sondern das ist schon eine sinnvolle Sache.
Manche mögen jetzt einwenden, das Thema Wahlen sei nichts Neues in der Schule, aber wir meinen, durch diesen handlungsorientierten Unterricht gewinnt das Ganze noch eine neue Qualität. Die Erfahrungen von Berlin und Baden-Württemberg – ich kann es nur immer wiederholen – sind ermutigend.
Bremen sollte diesem Beispiel folgen. Ich fordere Sie auf, heute unserem Antrag zuzustimmen! Wir als Grüne lehnen eine Überweisung ab, auch wenn sich mancher in Ihren Fraktionen vehement dafür eingesetzt hat, dass unser Antrag hier nicht gleich abgelehnt wird, aber wir finden es ein bisschen kikimäßig, dass Sie sich darüber streiten, die einen wollen noch etwas anderes damit erreichen. Wir haben eine ganz simple Sache vorgeschlagen. Wir wollen Juniorwahlen im Mai 2003 durchführen, und wir finden das nicht kompliziert, dass die Bremische Bürgerschaft das heute hier beschließen soll. Ich weiß, Herr Eckhoff ist gegen die Herabsetzung des Wahlalters auf 16 Jahre, aber er hat diesen Antrag sehr befürwortet.
Vielleicht müssten Sie mir das jetzt einfach an dieser Stelle noch einmal begründen, warum Sie meinen, dass das Ganze in irgendwelchen Ausschüssen – ich habe gehört, es sollen sogar gleich mehrere Ausschüsse sein – diskutiert werden soll. Sind Sie sich irgendwie nicht einig? Das an dieser Stelle!
Herr Präsident, meine Damen, meine Herren! Ich habe hier jetzt schon eine rote Lampe, ist das richtig?
Frau Stahmann hat in das Thema eingeführt, im Wesentlichen das berichtet, was im Antrag steht, was wir in der Zeitung „Die Zeit“ lesen konnten, was in Berlin und Baden-Württemberg und aus Amerika kommend hier versucht worden ist. Wir freuen uns immer, wenn die Grünen Ideen aus den USA übernehmen. Das ist eher selten, meistens wird alles abgelehnt, was von da kommt. Wenn die Ideen dann noch in Baden-Württemberg und Berlin unter CDURegierungen als Erstes umgesetzt und erprobt worden sind und Sie dann darauf springen und sagen, das machen wir hier auch, dann ist das erst einmal eine ganz überraschende Wendung, die wir hier gern zur Kenntnis nehmen, das will ich deutlich sagen.
Ja, Überraschungen sind immer gut, das ist schon wahr. Wir werden uns bei Gelegenheit wieder daran erinnern.
Wir sind uns ganz sicher einig, alle miteinander, dass wir demokratische und politische Bildung im Lande Bremen fördern wollen. Darüber kann man lange diskutieren, das kann möglicherweise auch mit dem Baustein Juniorwahlen 2003 erfolgen, aber eben nur als ein Baustein, das ist völlig klar. Einmal alle vier Jahre eine Scheinwahl durchzuführen, davon verspreche ich mir keine großen Wirkungen.
(Abg. Frau S t a h m a n n [Bündnis 90/Die Grünen]: Deshalb wollen wir auch das Wahl- alter herabsetzen!)
Warten Sie einen kleinen Moment, Frau Stahmann! Davon verspreche ich mir keine großen Erfolge für die demokratische und politische Bildung im Land Bremen. Das ist ja sozusagen der Ansatz Ihres Antrags, alles andere wäre ja blanker Populismus, und das will ich Ihnen mindestens zu Beginn meiner Rede nicht unterstellen.
Wir sind im Ziel einig, und Herr Hattig hat heute Morgen im Parlament – ich zitiere ihn nicht so oft, aber da hat er Recht – gesagt, das Parlament liest Zeitung. Ich weiß nicht, welche Erkenntnisse Sie haben, aber ich habe leider die Erkenntnis, dass die Bevölkerung insgesamt nicht annähernd so viel Zeitung liest wie wir hier im Parlament und wir daher einen riesigen Nachholbedarf in den Familien haben. Wenn in der Familie keine Zeitung ist, können
die Kinder und die Jugendlichen auch keine Zeitung lesen. Wir müssen also dafür werben, dass man sich politisch und auch sonstwie informiert durch mindestens eine Tageszeitung. Wenn es hoch kommt, gibt es dann die „Bild-Zeitung“, die ja auch viel gelesen wird, aber vielleicht doch nicht den gleichen Informationsgehalt hat.
Ja, die lesen wir auch, das ist nicht das Problem. Wir lesen ja auch mehr als eine Zeitung. Selbst Sie, Frau Stahmann, lesen mehr als eine Zeitung.