Protocol of the Session on March 21, 2002

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) beschließt entsprechend.

(Einstimmig)

Vertrauensschutz bei Hochschul-Reformen gewährleisten

Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 5. März 2002 (Drucksache 15/1084)

Dazu als Vertreter des Senats Senator Lemke.

Meine Damen und Herren, die Beratung ist eröffnet.

Als erster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dr. Kuhn.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Meine Kollegin weist mich darauf hin, dass wir mit großen Schritten auf die Verkleinerung des Parlaments hin marschieren. Schauen wir einmal, mit welchen Ergebnissen!

Zuerst die gute Nachricht! Mit der fünften Novelle zum Hochschulrahmengesetz und der Novelle des Beamtenrechts, meine Damen und Herren, ist dem Bundestag endlich der Durchbruch in dem längst überfälligen Projekt gelungen, die Personalstrukturen an den deutschen Hochschulen und den Wissenschafts- und Forschungsinstitutionen zu modernisieren. Ich weiß noch genau, wie wir unseren ersten Antrag hier schon vor fünf oder sechs Jahren debattiert haben, seit dem – –.

(Abg. Frau B e r k [SPD]: Da waren wir noch nicht in der Koalition zusammen!)

Nein, vor fünf oder sechs Jahren gab es schon die große Koalition. Da habe ich den Antrag hier eingebracht.

(Abg. Frau B e r k [SPD]: Auf Bundes- ebene!)

Damals war es schon so, dass Sie uns hier nicht folgen wollten, weil die CDU von Anfang an nicht wusste, was sie wollte.

(Abg. Frau S t r i e z e l [CDU]: Können wir uns gar nicht vorstellen!)

Können Sie sich nicht vorstellen? Wir erleben das jeden Tag, Frau Kollegin!

(Heiterkeit beim Bündnis 90/Die Grünen)

Wir haben in unserem heutigen Antrag festgehalten, wo für uns die großen Fortschritte der jetzt verabschiedeten Reform liegen: in der klareren Gliederung und Struktur der Qualifikationsphase, in der Juniorprofessur, die dazu führen wird, dass die bisher lange und vor allen Dingen zu lange unselbständige Qualifikationsphase zur Professur verkürzt wird und dass das Eintrittsalter in eine eigenständige, selbständige wissenschaftliche Arbeit auf internationales Niveau gebracht, also gesenkt wird; in der einheitlichen Besoldungsphase für Fachhochschulen und Universitäten und vor allen Dingen in der Schaffung einer eigenen so genannten W-Besoldung für Professorinnen und Professoren, bei der nicht nur Lebensalter, sondern eben auch Leistung und Belastung eine Rolle spielen sollen. Alle diese Punkte begrüßen wir ausdrücklich, weil wir überzeugt sind, dass sie einem Beitrag für das Ziel einer besseren, auch internationalen Mobilität zugute kommen werden. Soweit der gute und sehr vernünftige, zukunftsfähige Kern dieser Reform! Es gibt aber einen Haken. Das ist die schlechte Nachricht, die auch für uns der Auslöser der heutigen Debatte und des Antrags ist. Bei der Regelung des Übergangs von dem alten, bis gestern geltenden System zu dem neuen System gibt es, das muss man einfach festhalten, Unklarheiten. Es gibt Schwächen und, wie wir finden, auch Versäumnisse. Ich halte es für selbstverständlich, dass diejenigen, die, wie die Grünen als Teil der rotgrünen Koalition in Berlin, für diese Schwächen verantwortlich sind, auch die Ersten sind, die an der Beseitigung solcher Schwächen arbeiten. Das tun wir mit dem heutigen Antrag.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Meine Damen und Herren, nach der Verabschiedung des Gesetzes und keineswegs vorher – die Kritiker haben sich alle erst hinterher gemeldet, das gilt für alle – haben sich eine sehr heftige Debatte und Unruhe an den Hochschulen über die Befristungsregelungen des Gesetzes entwickelt. Da hat sich eine richtige Lawine entwickelt. Wenn man einmal ins Internet sieht, ist das ziemlich heftig, was sich da angesammelt hat. Das muss man einfach zur Kenntnis nehmen. Die neuen Befristungsregelungen sehen kurzgefasst so aus: Während der zwölfjährigen Qualifikationsphase, sechs Jahre bis zur Promotion, sechs weitere nach der Promotion, ist jederzeit jede Art von befristeten Anstellungen für Angestellte möglich. Sie sind in dieser Phase sozusagen das Normale. Nach den zwölf Jahren, so die Philosophie des Gesetzes, soll die unbefristete Anstellung das Normale werden. Darüber hinaus sind nur noch Befristungen nach den Bestimmungen des allgemeinen Teilzeitund Befristungsgesetzes möglich. Nun kommt das Problem! Die Kritiker weisen darauf hin, die Universitäten und Forschungseinrich

tungen werden auch weiterhin nicht im großen Maßstab zu unbefristeten Verträgen übergehen. Befristete Verträge werden aber mit denjenigen, die schon in dieser Phase sind, nur sehr eingeschränkt abgeschlossen werden, weil jede Hochschule die Gefahr des Einklagens auf unbefristete Verträge sehr hoch einschätzt und, ich glaube, auch realistisch einschätzt, wenn man sich die Urteile der Arbeitsgerichte in Deutschland ansieht.

Wer also nach den bisherigen Gesetzen schon etliche Jahre in befristeten Arbeitsverträgen gewesen ist, wer am Ende des Qualifikationsweges der alten Ordnung, der alten Gesetzeslage ist, ohne dabei schon in eine jetzt etwa frei werdende Professur hineingekommen zu sein, dem droht möglicherweise, so ist die Befürchtung, das Aus, obwohl er oder sie hochqualifiziert ist und in anspruchsvollen, vor allen Dingen drittmittelfinanzierten Projekten arbeitet. Auf diese Befürchtung und reale Gefahr müssen wir eingehen. Das gilt vor allem für die naturwissenschaftlichen Fachbereiche.

In Vorbereitung unseres Antrags habe ich mit einer Reihe von Fachbereichen, auch Instituten, dem AWI, dem Fraunhofer-Institut, gesprochen. Aus all diesen Bereichen kommt eine sehr gute Resonanz auf unseren Antrag. Es gibt einen offenen Brief an den Senator aus dem Bereich der Geowissenschaften. Von hier kommen übrigens auch die meisten Stimmen, ob auf Dauer für den Wissenschaftsbereich die Philosophie richtig ist, befristete Verträge als Ausnahme anzusehen. Es gibt inzwischen offensichtlich so etwas wie eine drittmittelfinanzierte Karriere über ein längeres Wissenschaftlerleben hinweg.

Der Kern der Kritik ist, wer heute am Ende seines Qualifikationsweges nach alten Regeln steht, hat von der Zwölfjahresfrist ja nichts wissen können. Dem Wissenschaftler oder der Wissenschaftlerin droht aber durch die zwangsläufige und absehbar restriktive Handhabung der Universitäten die berufliche Sackgasse. Wir meinen, dass wir das vermeiden müssen, sowohl um der Menschen willen, aber auch um des Qualifikationspotentials, der Fähigkeiten und des Wissens dieser Menschen willen müssen wir die Schwierigkeiten, die sich daraus ergeben könnten, erkennen, abmindern und die Sache auf einen vernünftigen Weg bringen. Deswegen schlagen wir Grünen in unserem Antrag vor, durch Übergänge und Übergangsregelungen einen Vertrauensschutz zu schaffen für diejenigen, die heute schon unterwegs sind. Wer heute nach dem neuen Weg beginnt, wird diese Probleme in der Regel nicht haben. Wer heute darin ist, muss einen Schutz haben.

Wir haben diese Vorschläge auch mit der Universitätsverwaltung, mit Personalräten und den Verbänden besprochen und schlagen in Übereinstimmung mit denen folgendes vor:

Erstens: Das Land Bremen soll durch Klarstellungen im Gesetz die Möglichkeit schaffen, dass jemand

als Beamter, also nicht als Angestellter, sondern als Beamter, weiterhin befristete Stellen nach C 1 und C 2 einnehmen kann, wenn er sich gerade habilitiert oder gerade fertig ist, aber eben noch keine Lebenszeitstelle hat.

Zweitens: Das Land Bremen soll über den Bundesrat darauf hinwirken, dass in der nächsten, in der sechsten Hochschulreformgesetz-Novelle Übergangsbestimmungen für die Befristungsregelungen geschaffen werden, die für einige Jahre – wir haben hineingeschrieben etwa vier Jahre – weiterhin die Anwendung des alten Rechts neben dem neuen Recht ermöglichen, wenn es bestehende Beschäftigungsverhältnisse sind.

Drittens: Das Land Bremen soll dafür eintreten, dass die Länder ihre Blockadehaltung gegen den Abschluss eines gesonderten Tarifvertrages für den Wissenschaftsbereich aufgeben. Dort wäre dann sicherlich auch der Ort, an dem man dann noch einmal generell darüber nachdenkt, ob die Regelung, die wir bisher über das Verhältnis von Sicherheit von Lebensplanung und Flexibilität im Auge hatten, jetzt das letzte Wort ist. Möglicherweise kann man da im Wissenschaftsbereich zu anderen Vorschlägen kommen, vor allen Dingen was den so genannten Drittmittelbereich angeht.

Wir finden, dass es heute wichtig ist, dass wir den Hochschulen und den Forschungseinrichtungen zeigen, dass ihre Kritik hier angekommen ist und dass wir bereit sind, Konsequenzen daraus zu ziehen, auch wenn wir das nur im Konzert mit den anderen Ländern und vor allen Dingen dem Bund machen können. Die Grünen haben im Bund signalisiert, dass sie dazu bereit sind und auch wollen, dass in die sechste HRG-Novelle entsprechende Bestimmungen aufgenommen werden. Die Länder müssen ihren Teil dazu beitragen. Ich freue mich, dass die Koalitionsfraktionen signalisiert haben, dass wir das heute überweisen, und hoffe, dass wir dann sehr schnell zu einvernehmlichen vernünftigen Lösungen kommen. – Danke schön!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Jäger.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir können dieses hochschulpolitische Thema kurz behandeln, was nicht ganz so häufig stattfindet. Dafür muss ich dreimal zitieren, ich muss auf eine politische Bemerkung eingehen und eine machen, um als Zweites dann inhaltlich noch einmal zu Herrn Dr. Kuhn zu kommen.

Meine Damen und Herren, die Grünen schreiben in ihrem Antrag, ich zitiere mit Genehmigung des ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

Präsidenten: „Nach Verabschiedung der Gesetze hat sich allerdings gezeigt, dass bei einem Teil der wissenschaftlich Beschäftigten in Hochschulen und Forschungseinrichtungen, die ihre wissenschaftliche Karriere unter den bisher geltenden Voraussetzungen begonnen und geplant haben, Unsicherheiten über die Überleitung ins neue Verfahren entstanden sind.“ Also, entweder wusste Rotgrün in Berlin nicht, was man da tut, oder die Koalition hat nicht auf die Kritik der CDU gehört, denn ich sage Ihnen, es sind bereits im September 2001 diese Dinge in einer Debatte von Herrn Rachel angesprochen worden. Das ist das Erste.

Das Zweite: Es heißt, so entnehme ich es ebenfalls einer Rede aus dem Ressort, dass im Bundesrat die entsprechenden Minister und Staatssekretäre nicht anwesend waren, als nämlich genau über diese Dienstrechtsreform debattiert und bereits auf Unsicherheiten und Unklarheiten eingegangen wurde. Insofern finde ich das ganz einfach ignorant, so zu tun, wir sind jetzt lernfähig, wir haben etwas Gutes getan, und nun wollen wir noch einmal so ein bisschen gemeinsam nachbessern.

(Beifall bei der CDU – Zurufe vom Bünd- nis 90/Die Grünen)

Meine Damen und Herren, trotzdem hat Herr Dr. Kuhn natürlich Recht, dass jetzt nachgebessert werden muss. Sie wissen, dass wir gegen die Juniorprofessur sind, wenn an gleicher Stelle die Habilitation abgeschafft wird, jetzt zwar mit Übergangsregelungen, aber dass wir da grundsätzliche Bedenken haben, nicht gegen die Juniorprofessur als zusätzliches Qualifikationsinstrument oder als Möglichkeit, dass uns aber einiges an dieser Reform missfällt.

Es hat natürlich alles sehr lange gedauert. Jetzt versuchen Sie, es noch kurz vor Ende der Regierungszeit durchzuziehen. Das werden Sie natürlich dann auch wahrscheinlich nach dem Motto „Augen zu und durch“ machen, eben deshalb muss jetzt auch nachgebessert werden,

(Zuruf des Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/ Die Grünen])

weil es eben nicht vollständig durchdacht wurde. Diese Nachbesserungen müssen aber stattfinden. Deshalb verweigern wir uns natürlich nicht den einzelnen Anliegen, die Sie dort aufgezählt haben, in denen es darum geht, jetzt in der Tat den jeweiligen Betroffenen eine Planungssicherheit zu geben, zu sagen, wie es weitergeht.

Es gibt in der Tat Handlungsbedarf. Es gibt einen Braindrain, die wissenschaftliche Elite wandert ab. Das ist alles hausgemacht, auch wenn man Teile dieser Dienstrechtsreform sieht, und das muss abgestellt werden. Wir wollen uns daran beteiligen, und des

halb wollen wir die Überweisung in die Deputation. – Herzlichen Dank!

(Beifall bei der CDU)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Berk.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich wende mich erst einmal dem Kollegen Dr. Kuhn zu. Ähnlich wie bei der Bildungsdebatte gestern ist natürlich auch hier die größere Übereinstimmung mit der Fraktion der Grünen möglich.

(Abg. B o r t t s c h e l l e r [CDU]: Wieso natürlich?)

Herr Jäger hat einige Punkte angeschnitten, auf die ich gleich auch noch zu sprechen komme. Man kann sich schon ohne Weiteres kritisch damit auseinander setzen. Erst einmal, Herr Dr. Kuhn, erkläre ich hier ganz eindeutig, dass es die fünfte und nicht die sechste HRG-Novelle ist, und das sollten Sie in Ihren Antrag, den wir heute in die Deputation überweisen wollen, aufnehmen! Die sechste HRG-Novelle ist die, die jetzt in Arbeit ist. Die, von der Herr Jäger meint, dass sie nun ordentlich durchgeboxt werden muss, ist schon in Kraft getreten. Herr Jäger, diese fünfte HRG-Novelle ist schon am 23. Februar 2002 in Kraft getreten. Insofern brauchen Sie uns da im Moment nicht zu helfen, das durchzuboxen, das hat die Bundesregierung selbst gemacht.

(Beifall bei der SPD)

Ich glaube, dass wir mit dieser Gesetzgebung die Struktur des wissenschaftlichen Mittelbaus deutlich vereinfachen durch die Einführung selbständigen und eigenverantwortlichen Arbeitens und der Weiterqualifikation in Juniorprofessuren bei gleichzeitigem Bedeutungsverlust der Habilitation. Wenn es nach den Sozialdemokraten gehen würde – jedenfalls nach Teilen, wir waren uns da auch nicht ganz einig –, hätten wir die Habilitation auch gern ganz abgeschafft. Wir haben die Juniorprofessur und finden es richtig, dass sie kommt. Ich bin froh, dass die Bundesregierung diesen wichtigen Schritt auf den Weg gebracht hat. Herr Jäger, man kann sagen, dass es alles lange gedauert hat, das gebe ich zu, nur, Sie haben es in 16 Jahren gar nicht in Angriff genommen.

(Beifall bei der SPD)

Wir sind tätig geworden und haben hier etwas auf den Weg gebracht. Zugegebenermaßen, da bin ich ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.