Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Bremische Bürgerschaft hat den Senat am 16. Mai 2001 aufgefordert, den Gedanken, Zielen und Prinzipien des Gender Mainstreaming in allen Verantwortungsbereichen bremischer Politik die notwendige Bedeutung und Geltung zu verschaffen.
Noch einmal zum Begriff Gender Mainstreaming! Im Amsterdamer Vertrag, der am 2. Oktober 1997 unterzeichnet wurde und am 1. Mai 1999 in Kraft trat, haben die Unterzeichnerstaaten die Gleichstellung von Frauen und Männern als ein hochrangiges politisches Ziel und grundlegendes Prinzip des gesellschaftlichen Zusammenlebens in der Europäischen Union bekräftigt. Regierungen von Bund, Ländern und Gemeinden stehen damit also in der Verpflichtung zur Umsetzung des Gender Mainstreaming.
Ziel und Bedeutung des Gender Mainstreaming ist es, soziale Aspekte und Fragen geschlechterspezifischer Denk- und Verhaltensweisen und der Chancengleichheit von Frau und Mann in alle Felder politischer Gestaltung und Entscheidung grundsätzlich, selbstverständlich und von vornherein einzubeziehen. Gender Mainstreaming fordert von politisch Verantwortlichen und Handelnden insofern, Fragen und Aspekte der Chancengleichheit, der Gleichstellung und der unter Umständen geschlechtsspezifisch unterschiedlichen Interessenlagen und Voraussetzungen nicht nur punktuell, sondern prinzipiell und durchgängig zu berücksichtigen.
Dabei ist die Arbeits- und Berufswelt ein wichtiges Handlungsfeld mit dem Ziel, insbesondere in diesem Bereich geschlechterbedingte Nachteile abzubauen, die Möglichkeiten insbesondere der Frauen
zu stärken und Chancengerechtigkeit herzustellen. Die Regierungsparteien im Land Bremen haben durch die Koalitionsvereinbarung des Jahres 1999 der Gleichstellungspolitik eine hohe Bedeutung und Priorität zugemessen und sehen in dem Prozess des Gender Mainstreaming einen wichtigen Beitrag, dieser Zielsetzung näher zu kommen und in konkretes politisches Denken und Handeln zu überführen. Anspruch und Prämisse des Gender Mainstreaming sollen zukünftig auch zum Beispiel im politischen Handeln der Bürgerschaft verstärkt zum Ausdruck kommen.
Die Bremische Bürgerschaft hat also am 16. Mai 2001 erstmals dieses Thema debattiert und den Senat aufgefordert, den Gedanken des Gender Mainstreaming eben in allen Verantwortungsbereichen der Politik zu verankern. Die Bürgerschaft hat dazu verschiedene Einzelmaßnahmen vorgeschlagen. Ich brauche das hier jetzt nicht noch einmal alles vorzutragen, wir haben den Beschluss ja gemeinsam gefasst. Es ging dort unter anderem um die Fortbildung von Führungskräften, denn das Gender Mainstreaming wird als eine Strategie nicht nur der Politik, sondern auch innerhalb der Verwaltung im Sinne einer Top-down-Strategie verstanden. Die Führungskräfte müssen also den Gedanken aufgreifen und propagieren, damit er dann auch bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auf den verschiedenen Hierarchiestufen irgendwann ankommt und umgesetzt wird.
Außerdem hatte die Bürgerschaft vorgeschlagen, eine geschlechterdifferenzierte Erhebung, Auswertung und Veröffentlichung von Daten durch die bremische Landesregierung vorzunehmen, dass also bei Statistiken der Gedanke Berücksichtigung finden muss und entsprechende Erhebungen aufgenommen werden. Weiterhin hatte die Bürgerschaft den Senat gebeten, dass eben im Zusammenwirken auch mit Unternehmen, Verbänden und Kammern im Lande Bremen Ziele und Prinzipien des Gender Mainstreaming in der gesamten Arbeitswelt umgesetzt werden sollen. Ich meine, hier liegt noch einiges im Argen.
Im Ausschuss für die Gleichberechtigung der Frau hatten wir kürzlich das Thema Frauenförderung in der Privatwirtschaft auf der Tagesordnung und haben uns zum Beispiel mit der Umsetzung der Vereinbarung befasst, die die Bundesregierung mit den Spitzenverbänden der Wirtschaft geschlossen hat, und zwar schon im Juli 2001, im letzten Jahr, in der es also auch darum geht, dass die Privatfirmen verstärkt den Gedanken des Gender Mainstreaming aufgreifen und spezielle Mentoringprogramme für Frauen entwickeln. Es war interessant, dass diese Vereinbarung bei der bremischen Handelskammer noch wenig präsent war. Wir haben Vertreter der Kammer noch einmal zu einer Sitzung für April ein
Die Bundesregierung hatte mit den Spitzenverbänden der Wirtschaft vereinbart, dass bis zum Ende des Jahres 2003 auch ein Bericht für das ganze Bundesgebiet vorgelegt werden soll, der dann alle zwei Jahre aktualisiert wird. Wir hoffen natürlich als SPDFraktion, dass weiterhin die gleiche Bundesregierung amtiert, damit dieser Beschluss nicht irgendwann wieder in der Schublade verschwindet.
Um noch einmal auf unseren Bürgerschaftsbeschluss vom Mai letzten Jahres zurückzukommen: Wir hatten also den Senat gebeten, auch Indikatoren und Prüfinstrumente zu entwickeln, damit dieses etwas schwierige, komplexe Thema auch für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Verwaltung handhabbar wird, damit sie also konkrete Prüfkriterien haben, anhand derer sie feststellen können, inwieweit eine Umsetzung überhaupt stattfindet. Außerdem hatten wir den Senat gebeten, bis Ende des Jahres 2001 einen Bericht vorzulegen. Heute liegt uns nun ein Bericht vor, den der Senat also nun am 19. Februar 2002 dem Parlament zugeleitet hat. Nachdem wir auch schon seitens der SPD-Fraktion eine Anfrage in der Fragestunde dazu eingebracht hatten, haben wir jetzt nun diesen Bericht endlich bekommen.
Jetzt noch einmal zu dem Inhalt des Berichts! Ich persönlich muss sagen, dass ich etwas enttäuscht bin, da der Senat doch ein dreiviertel Jahr gebraucht hat, um bestimmte Dinge, die wir schon im Mai gefordert haben, jetzt endlich aufzugreifen. Es ist schön, dass es aufgegriffen wird, aber dass es ein dreiviertel Jahr gebraucht hat, ist eigentlich schon recht lange. Ich hoffe, dass sich jetzt unsere neue Senatorin, die ja eine gute Ausbildung in der Verwaltung genossen hat, diesen Gedanken verschärft zu Eigen machen und der Verwaltung genau auf die Finger schauen wird. Ich bin da guten Mutes, dass das klappen könnte.
Wenn ich noch etwas Redezeit habe, Herr Präsident, möchte ich noch einmal ein positives Beispiel anführen! Das Land Sachsen-Anhalt, also eines der neuen Bundesländer, hat bereits im Mai 2000 einen wichtigen Beschluss zur Anwendung des Gender Mainstreaming gefasst. Ich kann Ihnen gern, wenn Sie Interesse haben, eine Broschüre zur Verfügung stellen, die das federführende Ministerium dort herausgegeben hat. Das ist eine sehr hilfreiche Broschüre, in der Fragenkataloge, Kriterienkataloge und sogar ein Quiz für die Mitarbeiterinnen der Verwaltung entwickelt wurde, damit sie sich dann auch mit
Anwendung finden sollte die Idee, ich nenne nur einmal ein Beispiel, damit das etwas konkreter wird, zum Beispiel in der Gesundheitspolitik. Dort haben wir ja in Bremen im Prinzip den Ansatz schon verfolgt. Sie wissen, dass der Senat im Jahr 2001 einen Frauengesundheitsbericht für das Land Bremen vorgelegt hat. In diesem Fall ist der Gedanke schon aufgegriffen worden, und das betrifft auch andere Bereiche der Politik, aber meine Redezeit erlaubt es jetzt nicht, dass ich noch einmal Details anführe. Wir werden das aber im Gleichstellungsausschuss weiter begleiten, da setzen wir das Thema immer wieder auf die Tagesordnung und werden verfolgen, wie weit denn die angekündigten Maßnahmen in dem Bericht des Senats, unter anderem zum Beispiel die Benennung von Verantwortlichen in den Ressorts, dann auch klappen. Das soll ja spätestens bis zum 30. Juni 2002 alles umgesetzt und das Fortbildungskonzept vorgelegt werden. Das werden wir natürlich als Parlamentarierinnen sehr genau verfolgen. – Danke schön!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist gut, dass wir endlich die Strategie des Gender Mainstreaming in unsere Landespolitik aufnehmen und, wie ich hoffe, auch fest verankern. Viele Bundesländer haben diesen Schritt schon getan und können auch schon erste Ergebnisse vorweisen. Doch bevor ich inhaltlich auf die Senatsmitteilung zur Durchsetzung des Prinzips Gender Mainstreaming eingehe, nämlich ich auf die Chancengleichheit von Männern und Frauen, möchte ich noch einige Vorbemerkungen machen, die verdeutlichen, wie konstruktiv hier die Fraktion der Grünen mitarbeitet.
Die Fraktion der Grünen hat im Februar 2001 einen Antrag zum Gender Mainstreaming eingebracht mit der Überschrift „Gender Mainstreaming gezielt und konsequent umsetzen“. Das Ziel war die überfällige Umsetzung auch hier in die Landespolitik. Wir Frauen aus den Fraktionen der Grünen, der SPD und auch der CDU wollten einen gemeinsamen Antrag auf den Weg bringen. Nun können Sie einmal raten, was passiert ist! Den gemeinsamen Antrag gab es nicht, den Herren der SPD und der CDU war unser Antrag zu gezielt und auch zu konsequent, sie bevorzugten Gender Mainstreaming light. Die verbale Vernebelungsmaschine wurde also wieder einmal in Gang gesetzt, es wurden Formulierungen vorgeschlagen wie „der Senat wird gebeten“, „Füh––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.
rungskräfte sollen mit dem Prinzip vertraut gemacht werden“ oder „es soll angemessen berücksichtigt werden“. Das konnten wir beim besten Willen nicht akzeptieren, denn wir stehen hinter der Strategie des Gender Mainstreaming, und das muss man auch deutlich machen.
und klare Aufforderungen an den Senat, erstens zur Umsetzung, zweitens zur Verantwortlichkeit und drittens zur Evaluation. Es gab also keine interfraktionelle Einigung. Das ist schade. Die große Koalition machte einen eigenen Antrag mit der gleichen Überschrift „Gender Mainstreaming konsequent umsetzen, Gender Mainstreaming als Strategie im politischen Handeln verankern“. Ich denke, er ist etwas light und nicht konsequent genug.
Doch wir wollen nach vorn schauen! Gender Mainstreaming muss jetzt in der Bremer Landespolitik gestaltet, begleitet und evaluiert werden. Das ist eine Aufgabe, die nicht von heute auf morgen im Sauseschritt erledigt werden kann. Ich denke, das muss allen klar sein. Das besonders Spannende ist, meine Damen und Herren, dass wir alle an diesem Prozess teilnehmen und teilnehmen müssen. Das ist ein Gestaltungsraum, der zu nutzen ist. Soziale und kulturelle Geschlechterrollen sind wohl historisch gewachsen, aber sie sind aktiv politisch gestaltbar. Darum finden wir Grünen es auch so wichtig, diesen Schritt zur tatsächlichen Gleichstellung von Frauen und Männern auch hier im Land Bremen zu machen.
Rechtlich gesehen sind Frauen und Männer natürlich schon lange gleichgestellt, doch die Lebensrealität sieht anders aus. Frauen verdienen noch immer weitaus weniger als Männer, sie haben schlechtere berufliche Aufstiegschancen.
Das ist richtig! Sie haben bessere Schul- und Ausbildungsabschlüsse. Das muss hier dringend geändert werden. Dafür ist Gender Mainstreaming eine gute Strategie, um von der formalen Gleichberechtigung der Geschlechter zu einer realen Gleichberechtigung zu kommen, denn was uns bis heute gefehlt hat, war eine Gesamtsicht auf alle Bereiche und Aspekte, die die Gleichstellung betreffen. Es fehlte ein umfassendes Konzept für die Entwicklung von Maßnahmen zur Umsetzung der tatsächlichen Gleichstellung und auch zur professionellen Kontrolle.
Dabei geht es hier nicht darum, Frauen als defizitäre Wesen zu fördern, sondern es geht darum, struk
turelle Hindernisse und Diskriminierungen zu beseitigen. Dafür sind Veränderungsprozesse in der Organisation und in der Struktur notwendig. Das heißt aber auch, es muss eine Kompetenz zur Veränderung von Strukturen, zur Überprüfung von Entscheidungsprozessen und von Planungen, das heißt gezielte Fortbildungen, vorhanden sein. Dabei geht es nicht nur um ein Verstehen von Gender Mainstreaming, besonders wichtig sind die Akzeptanz und der Wille der Umsetzung.
Gender Mainstreaming muss gelebt werden, und, da wollen wir uns doch nichts vormachen, bei der richtigen Umsetzung von Gender Mainstreaming geht es auch um Umverteilung von Macht, Einfluss und Verantwortung, und das nicht nur auf der politischen Bühne der Darstellung, sondern auch auf dem Schnürboden der Entscheidung.
Ich möchte es noch einmal sagen, ich bin froh, dass wir den Anstoß zu Gender Mainstreaming hier in Bremen gegeben haben. Ob jedoch das Prinzip auch richtig verstanden wird, da quälen mich doch wirklich Zweifel. Ich will Ihnen auch sagen, warum: In der Fragestunde am 24. Oktober letzen Jahres hat die Abgeordnete Frau Linnert unseren Herrn Bürgermeister Perschau gefragt, mit welchen Instrumenten der Senat dafür sorgt, dass das Prädikat „Total E-Quality“ auch von den in Bremen gegründeten Gesellschaften umgesetzt wird.
„Der Senat sorgt dafür mit Instrumenten des Gender Mainstreaming. Wir haben natürlich in unseren Controllingberichten zur Frauenförderung Ihnen sehr viel Informationen dazu an die Hand gegeben. Wir bemühen uns natürlich auch darum, dass wir den Unternehmen das, was hinter dem Gender Mainstreaming steht, was ja sehr viel umfassender ist als ,Total E-Quality’, auch umzusetzen. Das tun wir über unsere Instrumente der Frauenförderung, das tut der Senat über die Gleichstellungsstelle, das tun wir über unsere Frauenbeauftragte.“ Herr Senator Perschau weiter: „Wir haben heute auch in den Führungsetagen der Verwaltung und der Gesellschaften ganz andere Prozentsätze. Das ist exakt das Ergebnis der Anwendung von Gender Mainstreaming.“
Meine Damen und Herren, ich habe damals lange und wohlwollend diese Aussagen zu verstehen versucht. Deshalb möchte ich hier noch einmal eines deutlich klarstellen: Der gestiegene Anteil von Frauen in Führungspositionen ist ein Ergebnis der Frauenförderpläne und des Ausscheidens von Männern durch Frühverrentung. Der Senator behauptete im Oktober jedoch, es sei das Ergebnis exakt von
Gender Mainstreaming in der perfekten Anwendung, bevor wir hier Gender Mainstreaming beschlossen haben! Entweder war Herr Perschau damals seiner Zeit weit voraus,
Es drängt sich mir der Verdacht auf, dass sich Herr Perschau hier als Vorreiter profilieren wollte. Doch dann gilt die alte Weisheit: Benutze als Vorreiter nie ein Pferd, das du nicht kennst!