Protocol of the Session on March 20, 2002

Die Qualifizierungsprogramme des Arbeitsressorts muss ich Ihnen nicht vorstellen, die haben wir hier häufig debattiert, die sind gut. Wir diskutieren auch häufiger in der Arbeitsdeputation darüber. Ich glaube, Bremen kann davon profitieren. Mit einem guten Bildungsangebot für Kinder, für Berufstätige, auch für Arbeitslose und für Zugewanderte kann Bremen sich in der Bundesrepublik und in Europa als Wissenschafts- und Bildungsstandort profilieren. Wir wollen das weiter unterstützen und freuen uns über eine Debatte, ich habe es vorhin schon einmal gesagt, über den Bereich der Kindergärten und das Thema Erziehung und Bildung. Da wünschen wir uns eine ganz große, offene Bildungsdebatte, an der sich hier alle Fraktionen im Haus beteiligen. – Danke!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Das Wort erhält Herr Senator Lemke.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! In der Tat habe ich nicht sehr viele Widersprüche in den Debattenbeiträgen feststellen können. Das ist ja auch einmal ganz gut, wenn es um Bildung geht und es ansonsten in diesen Fragen ja manchmal sehr hoch hergeht.

(Präsident W e b e r übernimmt wieder den Vorsitz.)

Ich habe allerdings dennoch zu fünf Punkten aus meiner Sicht etwas hinzuzufügen. Ich finde, und da stimme ich Frau Stahmann zu, das lebenslange Lernen muss bereits im Elementarbereich beginnen. Wir können gar nicht früh genug anfangen, den Kindern und Jugendlichen das selbstverantwortliche Lernen beizubringen.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Wenn die Kinder und Jugendlichen das möglichst früh mitbekommen, zehren sie dann, wenn es gut läuft, das ganze Leben davon. Wie wichtig das gerade jetzt ist, wissen wir alle, da wir täglich mit diesen schweren Arbeitsmarktproblemen konfrontiert sind und erleben, wie schnell neue Berufe entstehen und auf einmal wieder überhaupt nicht weiter existieren. Das erfordert von unseren Schülern, den späteren Erwerbstätigen, natürlich eine hohe Flexibilität und eine hohe Mobilität, sowohl im Geistigen

als auch im Tatsächlichen, dass man sich nicht abschrecken lässt, wenn der Arbeitsplatz, der einem angeboten wird, etwas weiter entfernt ist, sondern dass man sagt, jawohl, ich habe gelernt, noch die Dinge hinzuzulernen, die ich lernen muss, um diesen Arbeitsplatz zu bekommen, und ich lasse mich auch nicht abschrecken, wenn dieser Arbeitsplatz nicht in der für mich bequemen Erreichbarkeit vorhanden ist, wie ich das vielleicht gewohnt bin! Diese Flexibilität und Mobilität der Menschen ist für mich auch zusätzlich zu erlernen und unter dem großen Begriff des lebenslangen Lernens zu üben.

Es ist auch, das ist ein ganz wesentliches Problem, die Vernetzung aller Beteiligten angesprochen worden. Es ist von der Wirtschaft gesprochen worden. Natürlich sind alle Bildungsträger gemeint. Natürlich sind auch die Behörden, die einzelnen Ressorts gemeint: Soziales, was den Elementarbereich angeht, die Jugendhilfe, der Bildungsbereich, aber auch die Kooperation zwischen der Schule und der Hochschule sind sehr wesentlich. Frau Stahmann, Sie haben das eben ausdrücklich gelobt. Ich will das auch ausdrücklich positiv darstellen.

Als ich vor zweieinhalb Jahren im allerersten Gespräch mit den Rektoren der Universität und Hochschulen zusammengekommen bin, haben sie die mangelhafte Ausbildungsfähigkeit unserer Studenten beklagt. Ich habe beklagt, dass es eine sehr mangelhafte Kooperation zwischen unseren Schulen und der Universität und den Hochschulen gibt. Wenn Sie heute beobachten, über was wir informiert werden, zum Beispiel über die Tageszeitungen oder die anderen Medien, über Kooperationsmodelle zwischen den Hochschulen und den Schulen, und wenn Sie dann gleichzeitig zur Kenntnis nehmen, dass die Anwahl zum Beispiel im Bereich der Naturwissenschaften, der Leistungskurse in der gymnasialen Oberstufe im letzten Schuljahr deutlich höher liegt als in den Vorjahren, dann glaube ich, dass die Hochschulen und die Universität, wenn sie die Schulen im Bereich Chemie, Physik, Mathematik, in all dem, was jetzt um das Universum an attraktiven Angeboten für die Schüler entstanden ist, betrachten, dass wir in der Tat auf einem guten Weg sind.

Dennoch, insofern haben Sie durchaus Recht, kann man stets besser werden, und wir dürfen uns darauf nicht ausruhen, gar keine Frage. Ich denke aber, dass wir in diesem Bereich, und das hat ja eigentlich auch die Debatte ergeben, nicht so schlecht sind. Wir sind da ganz gut positioniert.

In der Tat wünschte ich mir aber eine noch größere Verzahnung, eine größere Vernetzung, und ich wünsche mir daraus ableitend natürlich auch eine bessere Information und Beratung der Betroffenen, damit sie die vielfältigen Angebote auch wirklich wahrnehmen, denn die Angebote sind ohne Frage vorhanden. Ich sehe allerdings nicht, dass sie auch

wirklich so angenommen und umgesetzt werden, wie ich mir das wünsche.

Ein letzter Punkt! Die neuen Medien sind angesprochen worden. Für mich ist einer der ganz wichtigen Punkte, es hier nicht zu einer digitalen Spaltung im Lande Bremen kommen zu lassen. Hier brauchen Sie keine Sorge zu haben, meine Damen und Herren! Durch das vom Parlament zur Verfügung gestellte und von uns im LernMIT-Projekt umgesetzte Programm erreichen wir genau das, was Sie gefordert haben.

Wir haben jetzt mittlerweile über 30 Webpunkte. Wenn es entsprechende Hinweise gibt, dass die nur bis 14 Uhr geöffnet sind, informieren Sie mich bitte, dann gehe ich in die Schulen! Das lasse ich nicht zu, denn das ist ja genau der Ansatz, dass wir gesagt haben, wenn wir modernst ausgestattete Räume haben, wirklich freundlich einladende Webpunkte, unter anderem auch mit der Unterstützung eines großen Telekommunikationssponsors, wenn wir diese Möglichkeit haben, dann dürfen diese Räume natürlich nicht um 13 Uhr oder 14 Uhr geschlossen werden, sondern die sollen natürlich für den Stadtteil bis in die Abendstunden geöffnet werden. Wie ich weiß, wird das auch sehr gut wahrgenommen. Ich bekomme das jedenfalls auch immer wieder so mitgeteilt.

Das erreicht, meine Damen und Herren, genau all die vielen Bürgerinnen und Bürger, angefangen vom Grundschulbereich, die in die Sek-I-Schule gehen, um nachmittags dort von den Scouts, von den Schülern der neunten und zehnten Klassen dann eine Einführung in die Arbeit mit dem Computer zu bekommen, das geht ja soweit, dass die Scouts die Senioren unterrichten. Eine großartige Geschichte, die ich nicht nur unter dem Begriff lebenslanges Lernen sehe, sondern auch hinsichtlich sozialer Kontakte, die dann endlich wieder zwischen Jung und Alt hergestellt werden. Da brauchen die Rentner keine Angst zu haben, wenn die Deutschrussen ihnen irgendwo auf der Straße begegnen. Die kennen sie dann und sagen, hallo, Igor, hallo, Vladimir! Genau das finde ich Klasse, und deshalb stehe ich auch hundertprozentig hinter diesem Projekt, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Damit ist die Aussprache geschlossen.

Die Bürgerschaft (Landtag) nimmt von der Antwort des Senats, Drucksachen-Nummer 15/1073, auf die Große Anfrage der Fraktion der CDU Kenntnis.

Konsequenzen aus der internationalen PisaVergleichsuntersuchung für Bremen ziehen

Große Anfrage der Fraktion der SPD vom 24. Januar 2002 (Drucksache 15/1045)

D a z u

Mitteilung des Senats vom 12. März 2002

(Drucksache 15/1094)

Wir verbinden hiermit:

Konsequenz aus Pisa – Schule ohne Sitzenbleiben

Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 12. Februar 2002 (Drucksache 15/1062)

Dazu als Vertreter des Senats Senator Lemke.

Gemäß Paragraph 29 unserer Geschäftsordnung hat der Senat die Möglichkeit, die Antwort auf die Große Anfrage in der Bürgerschaft mündlich zu wiederholen.

Herr Senator, ich gehe davon aus, dass Sie darauf verzichten.

Meine Damen und Herren, wir treten dann in eine Aussprache ein.

Als erste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Hövelmann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Pisa zeigt, dass unsere Schulen im internationalen Vergleich nicht mithalten können. Wir sind, wie Sie alle wissen und wie wir es hier auch schon diskutiert haben, nicht nur erschreckend ungerecht, sondern wir sind auch nur mittelmäßig. Damit können wir uns natürlich nicht zufrieden geben. Wir Sozialdemokraten stellen uns den Ergebnissen dieser Studie. Wir verlangen Konsequenzen.

Diese Konsequenzen, das mit einem freundlichen Lächeln zum Koalitionspartner, werden natürlich auch als Ergebnis des runden Tisches Bildung gezogen, der gebildet wird. Wir begrüßen sehr, dass der Senator hierzu Bildungsexperten, Wissenschaftler und gesellschaftlich relevante Kräfte eingeladen hat. Trotzdem dürfen wir keine Zeit vertun und sagen, ein halbes Jahr, ein dreiviertel Jahr ist hier Stillstand der pädagogischen Debatte.

Herr Rohmeyer, ich weiß, Sie werden sagen, wir müssen die Pisa-E-Studie abwarten et cetera.

(Abg. R o h m e y e r [CDU]: Das sagt der Senat, Frau Hövelmann!)

Nichtsdestoweniger sagt der Senat allerdings auch, dass er Maßnahmen ergriffen hat. Das haben wir

übrigens auch schon in guter Eintracht in der Bildungsdeputation beschlossen.

(Abg. R o h m e y e r [CDU]: Die waren ja auch unstrittig!)

Die Punkte, die für mich heute im Zentrum der Debatte stehen, sind im Prinzip drei: der erste, die Verbindung der vorschulischen Bildung und Erziehung, der zweite, besondere Fördermaßnahmen in der Grundschule, und der dritte Punkt ist, das wird hier im Hause und auch außerhalb des Hauses niemanden verwundern, die Einrichtung von Ganztagsgrundschulen jetzt auch in Bremen.

Meine Damen und Herren, ich habe es gesagt, die Pisa-Studie wird die Gesellschaft verändern, und die Pisa-Studie betrifft nicht nur die Schulen. Unsere gerade gewählte Jugendsenatorin Karin Röpke hat in einem „Weser-Report“-Interview ja bereits deutlich gemacht, dass sie hier einen Schwerpunkt setzen wird. Die SPD-Fraktion hat gerade auch für diesen Punkt, für die, Frau Stahmann, notwendige engere Verbindung dieser beiden Bereiche, eine Große Anfrage an den Senat gerichtet, damit die Probleme und Erfordernisse der vorschulischen Bildung und Erziehung angesprochen werden, damit wir ein durchgängiges Curriculum entwickeln können und damit der Elementarbereich besser mit den pädagogischen Konzepten der KTH und der Grundschulen verknüpft wird.

Was im ersten Schuljahr nicht wirklich geleistet wird, ist später nicht mehr aufzuholen, meine Damen und Herren. Um soziale Unterschiede auszugleichen, müssen wir zukünftig viel früher, nämlich schon vor dem Eintritt in die Grundschule, ansetzen.

Zur Sprachförderung, Herr Rohmeyer, haben wir in der Bildungsdeputation ja schon Entscheidungen getroffen.

(Abg. R o h m e y e r [CDU]: Auf unseren Vorschlag!)

Ich finde es sehr erfreulich, Herr Senator, dass der Senat jetzt schon im Herbst 2002 ein Verfahren einsetzen wird, um festzustellen, was die Kinder an deutschen Sprachkenntnissen mitbringen, was sie also können. Das ist richtig und wichtig, denn Pisa hat uns gezeigt, dass ohne ausreichende Sprachkenntnisse der Lernprozess sehr verzögert ist.

Die Punkte, die mich besonders bedrücken, sind die Ungerechtigkeit unseres Schulsystems und die Integrationspolitik, die ihr Ziel bisher verfehlt hat. Ich möchte es an dieser Stelle noch einmal sagen, damit wir auch alle wissen, wie hoch wir in der Verantwortung stehen, nirgends sonst ist das Leistungsniveau derart stark von der sozialen Herkunft bestimmt. Ich habe es in der letzten Debatte gesagt,

und ich werde es möglicherweise auch noch einmal in der nächsten Debatte sagen: In keinem anderen Land ist der Lebensweg so abhängig vom Elternhaus. Ein Kind, das in einer Arbeiterfamilie ist, hat bei gleicher Leistung die viermal geringere Chance, das Abitur zu machen, als ein Kind aus einem bürgerlichen Umfeld. Das können wir nicht hinnehmen!

(Beifall bei der SPD)

Die frühe Verteilung und Aufteilung im Schulsystem, und hier, Herr Mützelburg, binde ich Ihren Antrag ein, verstärkt die Chancenungleichheit noch weiter. Das bei deutschen Lehrern und bei deutschen Schulen augenscheinlich so beliebte Sitzenbleiben ist nicht nur sehr teuer – ich habe nachgelesen, das Sitzenbleiben kostet pro Jahr 850 Millionen Euro in Deutschland, ich bin sicher, das Geld kann man sehr viel besser für individuelle Förderung anlegen –,