Protocol of the Session on February 20, 2002

Die Bundesregierung ist den Forderungen des Bundesrates nicht gefolgt und hat den Gesetzentwurf dem Bundestag zugeleitet, der nach der vorgesehenen Tagesordnung am 21. Februar dieses Jahres in zweiter und dritter Lesung darüber beraten und beschließen wird. Der Verkehrsausschuss des Bundestages hat dem Gesetz zugestimmt und empfiehlt einen entsprechenden Beschluss im Bundestag. Der Senat hält an seiner Ablehnung fest. Da die Bundesregierung eine Zustimmungsnotwendigkeit des Bundesrates entgegen der Auffassung der Länderkammer verneint hat, muss der Bundesrat prüfen, ob

er gegebenenfalls den Vermittlungsausschuss anrufen wird. – Soweit die Antwort des Senats!

Haben Sie eine Zusatzfrage, Herr Kollege?

(Abg. K a s t e n d i e k [CDU]: Nein!)

Eine weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Günthner! – Bitte, Herr Kollege!

Herr Senator, wir sind ja beide immer der Auffassung, dass Arbeitsprozesse vereinfacht werden müssen und unnütze Doppelungen vermieden werden sollten. Teilen Sie denn meine Einschätzung, dass es eher unnütz ist, diese Anfrage hier zu beantworten, nachdem sich erstens Ihr Ressort bereits im Landeshafenausschuss umfangreich zu dieser Thematik geäußert hat und wir zweitens auch einen gemeinsamen Antrag der CDU, der SPD und der Grünen zu dieser Thematik hier vorliegen haben?

Bitte, Herr Senator!

Die Nützlichkeit von Anfragen will ich nicht beurteilen. Ich habe zu antworten. Das ist mein Job, das habe ich getan. Im Übrigen glaube ich, dass der Anlass hinreichend ist, um noch einmal darauf hinzuweisen, welche Position wir haben.

Zusatzfrage? – Bitte sehr!

Aber wir weisen ja auch in der Debatte zu diesem Thema sicher noch einmal darauf hin.

Bitte, Herr Senator!

Auch das, ja!

Eine weitere Zusatzfrage des Kollegen Kastendiek! – Bitte sehr!

Herr Senator, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass der Kollege Günthner die zeitliche Terminologie bei der Intention seiner Nachfrage ein wenig durcheinander bekommen hat, nämlich, dass der Antrag, der hier gestern interfraktionell in die Bürgerschaft eingebracht worden ist, erst weit nachdem wir hier die Anfrage für die Fragestunde eingereicht haben, zustande gekommen ist?

(Abg. Frau L i n n e r t [Bündnis 90/Die Grünen]: Klärt das doch unter euch!)

Sind Sie auch bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass die CDU-Position hier sehr stark insistiert, weil doch

offensichtlich aufgrund der unterschiedlichen Äußerungen der Fachverbände ein hohes Defizit aufgrund der Beschlusslage der rotgrünen Bundesregierung entsteht?

Bitte, Herr Senator!

Die Antwort des Senats zeigt die Bereitschaft. Aufgeschlossen wie immer bin ich natürlich bereit!

(Heiterkeit)

Weitere Zusatzfragen liegen nicht vor.

Damit ist Fragestunde für heute beendet.

Aktuelle Stunde

Für die Aktuelle Stunde ist von den Fraktionen kein Thema beantragt worden.

Zukunft der Europäischen Strukturfonds

Große Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 4. Dezember 2001 (Drucksache 15/1007)

D a z u

Mitteilung des Senats vom 5. Februar 2002

(Drucksache 15/1055)

Dazu als Vertreter des Senats Bürgermeister Dr. Scherf, ihm beigeordnet Frau Staatsrätin Dr. Kießler.

Gemäß Paragraph 29 unserer Geschäftsordnung hat der Senat die Möglichkeit, die Antwort auf die Große Anfrage in der Bürgerschaft mündlich zu wiederholen.

Frau Staatsrätin, ich gehe davon aus, dass Sie davon keinen Gebrauch machen wollen.

Meine Damen und Herren, wir treten dann in die Aussprache ein.

Als erster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dr. Kuhn.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich muss mit einem Geständnis beginnen: Ich habe mich geirrt. Ich habe gedacht, dass ein Senat, dessen Präsident keine Gelegenheit auslässt, ziemlich vollmundig und mit schon Stoiberscher Deftigkeit europäische Institutionen zu kritisieren, dass eine solche Landesregierung sich an zentralen europäischen Debatten mit öffent

lich dargelegten und auch nachprüfbaren Positionen, das betone ich, beteiligen würde. Ich muss einräumen, ich habe mich geirrt.

Wir hatten nach der politischen Position des Senats zur Zukunft der Europäischen Strukturfonds nach 2006 gefragt. Wir haben mit der vorliegenden Antwort keine Antwort erhalten. Dass die Zukunft der Strukturfonds eine zentrale Frage ist, können Sie zum einen aus der Tatsache ersehen, dass für den gegenwärtig laufenden Siebenjahreszeitraum das Land Bremen 230 Millionen Euro aus diesen Fonds erhält. Sie können es daraus ersehen, dass ein ganzes Drittel des europäischen Haushalts für diese Politik des Zusammenhalts vorgesehen ist. Sie können es auch daraus ersehen, dass die zukünftige Gestaltung der Strukturfonds, sowohl die Höhe als auch die Ausgestaltung und die Förderkriterien, ganz wesentlich für die Chancen und den Fortgang der Integration der jetzt vor der Tür stehenden Beitrittsländer sein wird.

Genau wegen dieses Beitritts weiterer Staaten müssen die Strukturfonds nach dem Jahre 2006 geändert werden, denn blieben die Kriterien so, wie sie jetzt sind, würden 60 Prozent der Mittel nur in die rückständigen Regionen der neuen Mitgliedsstaaten fließen, und viele der heute geförderten Regionen der alten Europäischen Union würden herausfallen, darunter auch fast alle Regionen Deutschlands.

Was ist also zu tun? Das sind die Fragen, die wir gestellt haben: Soll das so gemacht werden, dass es nur dort und allein auf die bedürftigsten, die neuen Beitrittsstaaten konzentriert wird? Soll es verschiedene Kriterien geben, zum einen solche für die alten Mitgliedsstaaten, zum anderen solche für die neuen Mitgliedsstaaten? Soll es nur lange Übergangsfristen und Auslaufregelungen geben für die Regionen der alten EU, oder muss man die Mittel der Strukturfonds erhöhen, womöglich zu Lasten der Agrarsubventionen, oder – und das ist eine ganz radikale Alternative – sollten Strukturfonds insgesamt abgeschafft werden zugunsten eines ganz anderen Modells, des so genannten Nettofonds, in den die Geberländer der EU nur noch ihren Überschuss für die Ärmsten, Bedürftigsten oder Rückständigsten einzahlen und im Gegenzug dann mit den eingesparten Geldern machen können, was sie wollen, ohne jeden Einfluss der Europäischen Kommission und Politik? Das ist das Modell der Ministerpräsidenten Clement und Stoiber, und darauf werde ich noch zurückkommen. Nach der Meinung des Senats zu diesen Punkten hatten wir gefragt. Er hat uns die Antwort verweigert, er sagt, es sei dafür zu früh.

Meine Damen und Herren, es ist leicht verständlich, dass die wesentliche Triebkraft der Debatte über die Zukunft der Strukturfonds aus eben der Erweiterung kommt. Ich glaube auch, es ist schwer vorstellbar, und das sieht man aus den gegenwärtigen Diskussionen, dass die Beitrittsverhandlungen ab

geschlossen werden, ohne dass eine gemeinsame Vorstellung, und zwar sowohl hier in den alten Staaten der Europäischen Union als auch in den Beitrittsstaaten, darüber besteht, wie es denn nach 2006 weitergeht. Das ist sowohl bei den Strukturfonds als auch bei den Agrarfonds eigentlich nicht vorstellbar.

Weil das so ist, wird die Debatte bereits heute geführt. Es ist ja nicht so, als wäre hier die Fraktion der Grünen in Bremen diejenige, die da eine vorzeitige Debatte auf das Tapet bringt. Nein, die Debatte wird geführt! Die Kommission hat im vergangenen Jahr ihren umfangreichen zweiten Kohäsionsbericht vorgelegt und darin auch schon mögliche Optionen dargelegt. Sie hat ein großes Forum veranstaltet und kürzlich auch einen Zwischenbericht veröffentlicht, den der Senat übrigens nicht erwähnt. Man könnte nämlich daraus auch sehen, wie viele der Mitgliedsstaaten schon richtig offiziell, politisch Stellung bezogen haben, was der Senat ja nicht will.

Auch der Ausschuss der Regionen hat sich damit befasst und unter anderem – und zwar einstimmig – erstens eine Anhebung der Mittel für die Strukturfonds beschlossen. Zweitens besteht er darauf, dass die europäische Regionalpolitik Integrationspolitik bleiben muss, die, ich darf aus dem Beschluss zitieren, „zur Schaffung eines Unionsbewusstseins tendenziell allen Regionen der EU ein Angebot unterbreiten muss“. Ich finde diesen Standpunkt des Ausschusses der Regionen richtig. Ich frage Sie nur, Frau Staatsrätin, wieso Bremen dem im Ausschuss der Regionen zustimmt, der Senat hier aber so tut, als könnte er noch kein politisches Wort dazu sagen. Das verstehe ich nicht. Sie wollen mir nicht erzählen, dass ausgerechnet Herr Bettermann dort als Privatmann gesprochen oder abgestimmt hat! Das glaube ich mit Sicherheit nicht.

Die Debatte um die Zukunft der Strukturfonds ist in vollem Gange, und ich werde Ihnen auch ein Beispiel geben, wie andere Länder diese Sache behandeln. Ich teile die Ansicht nicht, die ich gleich referieren werde, aber ich kann damit erheblich mehr anfangen als mit solchen verschwurbelten Nichtantworten, die wir jetzt vom Senat bekommen haben.

Der Ministerpräsident des Landes NordrheinWestfalen, Herr Clement, hat am 23. Januar 2002 in einer Erklärung vor dem Landtag auch zur Frage der Kompetenzverteilung zwischen Bund, Ländern und Europa geredet und als Kernpunkt selbstverständlich auch zu den Strukturfonds Stellung genommen. Ich darf zitieren mit Genehmigung des Präsidenten: „Das Geld, das unser Land heute für seine Ziel-zwei-, also Strukturgebiete, erhält, stammt letztlich von den nordrhein-westfälischen Steuerzahlern. Ein solcher Geldfluss von Düsseldorf über Berlin und Brüssel zurück nach NRW beschäftigt zwar eine große Verwaltungsmaschinerie, bringt aber fiskalisch nichts und strukturpolitisch zu wenig. Er engt die Spielräume der deutschen Länder eher ein.“

Das ist nämlich genau der springende Punkt, sowohl bei Herrn Stoiber als auch bei Herrn Clement, möglicherweise aber auch bei Herrn Dr. Scherf. Mit der Abschaffung der Strukturfonds, mit der Beseitigung der Idee, den verschiedensten Regionen der Europäischen Union ein Angebot zu machen, egal in welchen Schwierigkeiten diese Regionen vor allen Dingen sind, verbindet sich auch der Anspruch, dass in der regionalen Strukturpolitik den Ländern weder Bund noch Kommission hineinreden können sollen, schon gar nicht mit solchen „störenden“ Rahmenbedingungen der EU, nämlich Umweltschutz, Raumordnungsgesichtspunkte, Gender Mainstreaming und Antidiskriminierungsbestimmungen.

Wir Grünen finden diesen europäischen Rahmen überhaupt nicht störend, im Gegenteil, er hat einen Gewinn an Innovationen und einen großen und sichtbaren Gewinn an politischem Zusammenhalt der Europäischen Union gebracht und bringt ihn weiterhin.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Deswegen sind wir unbedingt dafür, dass die regionale Strukturpolitik eine gemeinsame Aufgabe gibt, bei der Europa einen Rahmen setzt, allerdings die Länder, und das ist ja auch heute so, viele Möglichkeiten von individueller Ausgestaltung behalten.

Da sind wir auch mitten in der spannenden Debatte über die zukünftige Verteilung von Kompetenz und Macht im europäischen Integrationsprozess, die mit der Erklärung von Laeken, mit der Bestellung eines Konventes, angestoßen worden ist. Hier müssten ja die Länder und auch die Landtage Stellung beziehen. Es ist schon ziemlich absonderlich, wenn in solchen zentralen Fragen der Kompetenzverteilung heute der Senat die Antwort verweigert, aber in zwei Wochen die Europaminister und die Ministerpräsidenten einen Beschluss fassen wollen, mit dem genau dazu vermutlich auch Stellung bezogen wird. Ich meine, was ist das für eine Behandlung des Parlaments?

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)