Protocol of the Session on December 13, 2001

Da ist nicht nur die sozialdemokratische Partei in der Verpflichtung, sondern hier ist die bremische Bildungspolitik mit einem Prozent an den Pisa-Ergebnissen beteiligt. Das ist hier keine Abrechnung,

aus einigen Zwischenrufen habe ich das so vernommen, mit der sozialdemokratischen Bildungspolitik. Es ist auch völlig gleichgültig, meine Damen und Herren, ob es hier um CDU-Bildungspolitik oder Bildungspolitik der Grünen geht. Es geht um die Kinder in unserem Land, darüber diskutieren wir!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Das muss im Vordergrund stehen!

Es gibt keine übereilten Beschlüsse, aber, meine Damen und Herren, es ist notwendig, sehr nüchtern die Ergebnisse zu analysieren und zu sagen, wie es eigentlich dazu gekommen ist. Wie konnte es dazu kommen, dass sich einige Dinge wirklich so fehlentwickelt haben? Frau Hövelmann hat das in aller Deutlichkeit gesagt. Es ist für mich eigentlich der Schock überhaupt, weil gerade wir Sozialdemokraten, und das seit Jahrzehnten, einfordern, Chancengleichheit herzustellen, und wir jetzt feststellen müssen, dass es uns offensichtlich in Deutschland nicht gelungen ist, diese Chancengleichheit herzustellen. Wenn wir uns vorstellen, dass die Lehrerinnen und Lehrer nicht in der Lage sind, wertfrei zu analysieren, welches Kind leistungsstark und welches Kind nicht leistungsstark ist, die Quote von etwa 80 Prozent der Lehrer hat Herr Mützelburg zitiert, und ich kann es hier nur bestätigen, weil es eigentlich unvorstellbar ist, und insofern muss ich Ihnen absolut widersprechen, Herr Rohmeyer! Es wäre ja fatal, wenn wir jetzt den Lehrerinnen und Lehrern mehr Vertrauen schenken und sagen würden, sie haben schon Recht mit ihrer Zuweisung. Das wäre der völlig falsche Weg, dann haben Sie aus den Ergebnissen der Pisa-Untersuchung nichts verstanden!

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. R o h m e y e r [CDU])

Wir müssen, wenn es darum geht, entsprechende Übergänge zu schaffen, mit den Eltern stärker diskutieren, wir müssen sie verstärkt beraten. Wir dürfen nicht zulassen, dass die Eltern nur eine Unterschrift machen und sagen, mein Kind kommt mit fünf Fünfen auf das Gymnasium. Das ist ein völlig falscher Weg. Wir müssen sie aber beraten, wir müssen mit ihnen über das Kind reden, was es für das Kind bedeutet, wenn es vom Gymnasium in die Realschule und anschließend in die Hauptschule herunterselektiert wird. Da müssen wir handeln!

Es ist aber der völlig falsche Weg, jetzt zu glauben, den Elternwillen zu reduzieren. Herr Rohmeyer, bitte schauen Sie sich die Pisa-Ergebnisse noch einmal an! Sie sind so atemberaubend schlecht, dass es ein völlig falscher Weg wäre, dies zu sagen bei solchen Lehrerinnen und Lehrern, die offensichtlich nicht in der Lage sind, sauber zu differenzieren und die unseren Kindern aus den Unterschichten oder

aus den bildungsbenachteiligten Schichten nicht die gleichen Chancen einräumen. Damit kann ich nicht leben, meine Damen und Herren! Das macht mich krank!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Ein ganz klarer Punkt, und den möchte ich auch nachdrücklich unterstützen, Herr Rohmeyer, den Sie hier vorgetragen haben, ist die Tatsache, dass wir offensichtlich in den letzten Jahren oder Jahrzehnten den Fehler begangen haben, Kinder einzuschulen, auch die Quereinsteiger einzuschulen, ohne dass sie dem Unterricht in der deutschen Sprache folgen können. Ich denke, das ist ein ganz klarer Fehler gewesen. Wir haben das seit einem Jahr begonnen, im Sek-I-Bereich ist das schon vorgenommen worden. Ich habe unmittelbar nach Kenntnis der PisaErgebnisse die Anweisung gegeben zu überprüfen, wie wir mit den Kindern der Grundschule sofort nachholen können, dass kein Kind im Grundschulalter in die Schule kommt, das sprachlich nicht so gezielt gefördert worden ist, dass es auch dem Unterricht folgen kann. Ich bin sehr dankbar, dass Sie das genauso sehen, Herr Rohmeyer, und werde das auch entsprechend der Deputation so vorschlagen, dass wir das konsequent weiter umsetzen.

Eine ganz klare Feststellung ist auch, Frau Hövelmann möchte ich damit nachträglich unterstützen, in Herrn Mützelburgs zweitem Beitrag habe ich das ebenfalls gehört, die Tatsache, dass wir die Grundschule nicht stark genug fördern. Es geht nicht an, dass wir hier, Sie haben es gesagt, Frau Hövelmann, im letzten Drittel sind, was die Finanzierung der Grundschulen angeht. Es kann auch nicht sein, dass ich auf die bremische Stundentafel schaue und sehe, dass wir, glaube ich, an drittletzter Stelle sind, was die Ausweisung von Stunden für die ersten, zweiten, dritten und vierten Klassen angeht. Es kommt mir dabei nicht darauf an, die Quantität der Stunden unbedingt zu steigern, aber das Entscheidende ist die Qualität des Angebots.

Auch in der verlässlichen Grundschule müssen wir Verbesserungen herbeiführen. Wir müssen nicht nur von den berufstätigen Müttern gelobt werden, dass jetzt ihre Kinder in der Zeit von acht bis 13 Uhr betreut und unterrichtet werden, sondern wir müssen auch die Qualität in dieser Zeit deutlich verbessern. Wir haben entsprechende Maßnahmen vor, und wir werden es konsequent weiterbetreiben.

(Beifall bei der SPD)

Ich habe einen wichtigen Punkt noch abschließend zu sagen. Das ist eigentlich in mehreren Wortbeiträgen auch schon gesagt worden, ich möchte es aber noch einmal nachdrücklich unterstützen. Es ist völlig falsch, jetzt gezielt nach Schuldigen zu suchen.

In dieser sehr sachbezogenen Diskussion habe ich es, Gott sei Dank, kaum so empfunden, dass das die Diskussionsrichtung in den nächsten Wochen und Monaten in Bremen sein wird. Ich finde, wir müssen sehr sachbezogen nach Lösungen und nicht nach Schuldigen suchen, wie wir für Bremen das umsetzen können, was das Deutschlandergebnis uns eingebrockt hat. Ich habe keine Ahnung, und ich bin auch kein Hellseher, wie Bremen im Ländervergleich steht, aber wir dürfen nicht abwarten, was im Herbst auf uns zukommt, sondern ich bin der Meinung, dass wir die Deutschlandergebnisse konsequent analysieren und gemeinsam auch mit anderen gesellschaftlichen Kräften überlegen sollten, wie wir die vielen Faktoren, die das Lernverhalten unserer Kinder beeinflussen, verbessern können.

Ein allerletzter Satz: Mehr Geld zu fordern und zu sagen, gebt uns mehr Lehrer, gebt uns mehr Geld, ist angesichts der Pisa-Ergebnisse der völlig falsche Weg. Lassen Sie uns lieber die Kräfte bündeln, genau analysieren, was wir falsch gemacht haben in der Lehrerausbildung, im konkreten Unterricht, in der Einbeziehung von Eltern auch in die Schularbeit! Herr Mützelburg – ich habe ihm sehr genau zugehört – hat ja auch ganz deutlich noch einmal bekräftigt, dass die Erziehung erst einmal im Elternhaus anfängt und dass wir dort auch ansetzen müssen. Ich sehe mich bestärkt darin, dass wir den Ausländern, den Migranten-Eltern immer wieder sagen, bitte, nehmt an der Förderung eurer Kinder teil, weil ich nicht damit leben kann, dass 20 Prozent der Kinder aus diesen Elternhäusern nicht zu einem Schulabschluss kommen.

Wenn wir das gemeinsam weiter beherzigen, meine Damen und Herren, dann ist dies nur der Anfang auf einem vernünftigen Weg. Wir können aber mit den Ergebnissen, die uns die Pisa-Studie beschert hat, nicht leben. Wir müssen konsequent daran arbeiten. Das sind wir den Kindern und den Eltern in dieser Stadt, in dem Land, in dem wir Verantwortung tragen, schuldig. – Danke sehr!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Das Wort erhält der Abgeordnete Rohmeyer.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich muss doch noch kurz etwas sagen, weil Sie schon wieder unterschwellig und auch sehr offen Ressentiments erkennen lassen haben, die wir so nicht stehen lassen können. Herr Mützelburg hatte „nur Haupt- und Realschulen“ formuliert, sich dann allerdings zurückgenommen und erklärt, es handele sich um ein Schulzentrum ohne Gymnasien, und das „nur“ solle nicht abwertend sein. ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

Bei den sozialdemokratischen Vertretern hier vorn kam mir das allerdings schon wieder so vor: Es gibt die schlechte Hauptschule und Realschule, und dann gibt es das gute Gymnasium, an dem die lieben Kinder alle Abitur machen sollen. So kam das hier herüber, Frau Hövelmann und Herr Senator Lemke!

(Abg. Frau H ö v e l m a n n [SPD]: Das ist Quatsch!)

Ich möchte Ihnen hier ganz klar sagen: Wir brauchen starke Haupt- und Realschulen! Darum sind wir entsprechend für starke eigenständige Hauptund Realschulzentren, damit die Kinder dort auch entsprechend berufs- und praxisorientiert arbeiten und lernen können.

(Abg. Frau H ö v e l m a n n [SPD]: Le- sen Sie einmal Pisa!)

Ich habe Pisa gelesen, Frau Hövelmann. Ich glaube, ich habe sogar im Gegensatz zu Ihnen etwas verstanden.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, ich will es hier friedlich sagen, nur, wenn Sie mit Ihren Zwischenrufen so weitermachen, werde ich es auch entsprechend erwidern. Wir müssen uns nicht wundern, weil wir seit Jahren wissen, dass zehn Prozent keinen Schulabschluss machen, meine Damen und Herren. Von daher kann der Schock nicht allzu tief gesessen haben, wenn man so eine Zahl im Hinterkopf hatte. Dafür muss es, ich komme wieder einmal auf die Struktur, eine entsprechende Förderung in einer eigenständigen Schulart geben.

Ich gebe Ihnen völlig Recht, und das habe ich hier auch gesagt, dass die Durchlässigkeit nach oben, die nicht stattfindet, stattfinden muss. Hier brauchen wir eine Veränderung, da sind wir uns völlig einig, Frau Hövelmann, dass die Durchlässigkeit nicht nur nach unten, sondern auch entsprechend nach oben wieder erfolgen muss. Dazu brauchen wir auch im Weiteren noch einmal – und Herr Senator Lemke hat es ja vor einiger Zeit selbst gefordert – eine Einschränkung des Elternwillens, meine Damen und Herren, weil der Elternwille auch dazu führt, dass es wieder Durchlässigkeiten nach unten gibt. Wenn die Schüler dann nämlich auf dem Gymnasium nicht zurechtkommen, gehen sie in die Real- oder Hauptschule als entsprechend andere Schularten.

Meine Damen und Herren, ich sage Ihnen, dass wir die Lehrerinnen und Lehrer auch dafür fit machen müssen – ich habe das auch vorhin gesagt, und es gab dann einen wüsten Aufschrei –, damit sie entsprechende Schwächen bei den Schülerinnen und Schülern erkennen. Dafür brauchen wir, Herr Senator, Sie haben es ja selbst gesagt, eine entsprechend

veränderte Lehrerausbildung. Da sind wir uns völlig einig.

Nur, ich sage Ihnen: Hören Sie auf, die Hauptund Realschulen schlecht zu machen! Diese Schularten sind in den letzten 20 Jahren hier nicht entsprechend gestärkt worden. Wir haben entsprechende Ansätze gerade am Anfang dieses Jahres diskutiert. Von daher gibt es viel zu tun. Es gibt auch im Gymnasialbereich viel zu diskutieren. Meine Damen und Herren, dies ist ein Bereich, der lange Jahre vernachlässigt wurde.

Einen Satz möchte ich schon noch sagen: Es ist ja nicht so, Herr Senator Lemke, dass die Sozialdemokraten nur in Bremen regiert hätten, Nordrhein-Westfalen, eines der etwas größeren Bundesländer, trägt auch ganz gewaltig zur Pisa-Untersuchung bei. Ich habe Ihnen aber gesagt, wir reden darüber, wenn die Länderergebnisse vorliegen. Dann, Herr Senator, werden wir in Bremen höchstwahrscheinlich im unteren und nicht im oberen Drittel liegen. Alle anderen Befragungen werden sich nicht geirrt haben. – Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Aktuelle Stunde ist geschlossen.

Zielorientiertes Studium fördern

Antrag der Fraktionen der CDU und der SPD vom 18. Oktober 2001 (Drucksache 15/860)

Wir verbinden hiermit:

Durchgreifende Studienreform an der Universität zügig voranbringen!

Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 26. November 2001 (Drucksache 15/914)

Dazu als Vertreter des Senats Senator Lemke.

Die gemeinsame Beratung ist eröffnet.

Das Wort erhält der Abgeordnete Jäger.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das Thema Studiendauer ist nicht weniger dramatisch als vieles, was im Bereich der Bildungs- und Schulpolitik bei Pisa herausgekommen ist. Die Untersuchung des Wissenschaftsrats hat es ans Tageslicht gebracht: Die Studiendauer an sich ist zu lang. Die Antwort auf die Kleine Anfrage im ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

Mai eröffnete uns allen, dass auch in Bremer Fachbereichen die durchschnittliche Studiendauer nicht nur in Einzelfällen, wie man nachlesen kann, mit 13 bis 17 Semestern erschreckend hoch ist. Das ist im Übrigen nicht nur bei geistes- und sozialwissenschaftlichen Studiengängen so: E-Technik, Biologie, Informatik, Geographie, Kulturwissenschaften, Funktionstechnik haben allesamt eine Studiendauer von 14 bis 16,5 Semestern, dazu noch zahlreiche Lehramtsstudiengänge. Dies ist in der Tat dramatisch.

Eine durchschnittliche Studiendauer von 14 Semestern heißt, das muss man sich einmal vor Augen führen, dass womöglich ein Student mit neun Semestern vielleicht in der Regelstudienzeit fertig geworden ist, statistisch heißt das aber auch, dass ein anderer 19 Semester oder vielleicht zwei Studenten 16,5 Semester gebraucht haben. Das sind dann rund acht Jahre. Meine Damen und Herren, das kann so nicht weitergehen.

(Beifall bei der CDU)

Ich denke, wir haben in der Vergangenheit mit diesem Thema, und da mein Hinweis auch an die Behördenspitze, zu viel mit weißer Salbe kuriert. Ich denke, es ist an der Zeit, hier einmal den Erste-Hilfe-Koffer herauszunehmen und Taten zu zeigen und nicht einfach nur kleine Nachbesserungen zu bringen. Insbesondere auch an der Uni sehe ich und erkenne das an, dass man zurzeit versucht, viele Langzeitstudenten zum Studienabschluss zu bringen. Ich werde auch darauf hingewiesen, erst dann, wenn dieser Abschluss getätigt wird, geht er in die Statistik ein und führt zu einer erhöhten Studiendauer. Das ist sicherlich ganz wichtig.

Etwas, was schon ich in meiner Studienzeit erlebt habe, ist heute, zehn Jahre später, noch genauso, nämlich eine hohe Orientierungslosigkeit bei Studierenden. Das hängt mit vielen Dingen zusammen.

Ich möchte noch auf weitere Zahlen aus unserer Kleinen Anfrage hinweisen, da geht es darum: Wie viele Studenten studieren bereits länger als 14 Fachsemester, also über sieben Jahre? Es gibt dann Zahlen dazu: Elektrotechnik 148, Informatik 195, das sind alles Diplomstudiengänge, Wirtschaftswissenschaften 325, Soziologie 136, Kulturwissenschaften 254, Psychologie auf Diplom 231 Studenten. Meine Damen und Herren, das sind erschreckende Zahlen. Wir wollen etwas dagegen tun. Deshalb liegt Ihnen auch der gemeinsame Antrag von SPD und CDU hier heute vor.