Protocol of the Session on December 12, 2001

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Dass die Fraktionen auch selbst davor nicht zurückschrecken, mit Mondzahlen zu agieren, damit die Reklame weiter stimmt und am Ende Null herauskommt, kann man am schönsten an dem neu ausgedachten Einnahmetopf von fünf Millionen Euro bei der Senatskanzlei sehen. Herr Böhrnsen, das ist ein ziemlich dickes Haar in der Suppe! Wofür wer dieses Geld an die Senatskanzlei zahlen soll, ist ein Geheimnis. Etwas klarer ist, wofür es ausgegeben

werden soll: Staatsrat Hoffmann hat endlich seinen ersehnten Kulturtopf. So genannte betriebswirtschaftlich rentable Maßnahmen in der Kulturpolitik werden nun daraus bezahlt, und sie sind wegen der Besonderheit der Materie lieber in zwölf als in acht Jahren zurückzuzahlen. Ein richtiger Geniestreich! Aber seien Sie beruhigt, meine Damen und Herren, die wenigsten von Ihnen, die hier heute sitzen, werden das auch auslöffeln müssen! Der Kulturbereich wird weiterhin durch unsinnige Sparquoten gepiesackt, das dringend notwendige Geld zur Vorbereitung Bremens auf den Zuschlag als europäische Kulturhauptstadt wurde nicht berücksichtigt. Besondere Mühe hat die große Koalition auf den Bereich Bildungspolitik verwandt. Sage und schreibe sechs Millionen Euro bewilligen Sie in Ihren Haushaltsanträgen allein dafür, dass die Schulen im Winter überhaupt noch heizen können.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen – Abg. K l e e n [SPD]: Und dagegen sind Sie?)

Das kann man zusammenrechnen, Herr Kleen, dann kommt man auf diesen Betrag! Nach außen verkaufen Sie diesen Schwindel als Bildungsoffensive. Davon ist noch kein zusätzlicher Lehrer eingestellt. Die wollen Sie über möglichst viele Verbeamtungen finanzieren. Die hohen Kosten der Altersversorgung werden die nächsten Generationen zu tragen haben. Ihr Antrag, die Schüler-Lehrer-Relation in allen Bereichen auf Bundesniveau zu bewegen, ist doch einfach nur noch peinlich! Dass Großstädte sinnvollerweise besser ausgestattet werden müssen, ist offensichtlich an Ihnen vorbeigegangen. Dafür trägt ja die CDU wie eine Trophäe ein Gymnasium nach dem anderen davon, und die Sozialdemokraten machen alles mit, und Herr Eckhoff freut sich! Der Bereich Umweltpolitik ist derjenige, an dem die mangelnde Kreativität und Zukunftsfähigkeit Ihrer Politik am deutlichsten zum Ausdruck kommt. Anstatt ständig neue Flächen zu versiegeln wäre es besser, endlich wenigstens das Geld bereitzustellen, das benötigt wird, um das bremische Grundwasser vor Verunreinigungen zu schützen. Die spezifischen Interessen von Frauen stören nur noch. Kleinkariert wurden der Zentralstelle für die Verwirklichung der Gleichberechtigung der Frau entsprechend der allgemeinen Sparquote die Mittel für die Miete ihrer Räume gekürzt. Die Koalition musste das in den Haushaltsberatungen des Parlaments glatt ziehen. Sie musste noch ein paar tausend DM für Miete nachbewilligen.

(Abg. Frau W i e d e m e y e r [SPD]: Quatsch!)

Über den Aufwand, den Kolleginnen der großen Koalition betreiben müssen, um endlich die von al

len für sinnvoll erachtete Beratungsstelle für Opfer von Zwangsprostitution zu finanzieren, kann man nur den Kopf schütteln. Dass Sie sich das gefallen lassen müssen, meine Kolleginnen, da kann man sich wirklich nur ärgern. Die viel gefeierte Technologieoffensive ist im Kompetenzgerangel stecken geblieben. Der Prozess Agenda 21, darüber haben wir uns ja gestern schon zum wiederholten Male geärgert, in dem viele Chancen für Bürgerbeteiligung und große Wirkung mit geringen Mitteln liegen, ist mausetot; Ihre Bürgerämter sind ohne Konzept und solide Finanzierung. Die Arbeitsmarktpolitik wird überlagert von mangelnder Finanzkontrolle, das räumen Sie ja mittlerweile auch selbst ein,

(Abg. Frau W i e d e m e y e r [SPD]: Nein!)

und ist belastet mit der Umorganisation in die Bremer Arbeit Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Die Integration behinderter Menschen hat vor allem noch eine Funktion: Die dafür bereitgestellten Mittel werden mit Vorliebe zusammengekürzt. Ebenso wie bei der Integration von Ausländern machen Sie da einen schwer wiegenden Fehler. Ressortegoismen sparen heute hier die Kosten ein, die morgen eben woanders auftauchen, und das in einer größeren Größenordnung. Das versprochene Augenmerk auf Bremerhaven steht im Koalitionsvertrag und in der Regierungserklärung. Das war es dann aber auch. Gegen den massiven Verlust von Bevölkerung in Bremerhaven fällt der großen Koalition schlicht und einfach gar nichts ein.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Richtig bitter ist die Weigerung des Senats, wenigstens die Korrekturen, die bei den parlamentarischen Beratungen an den Eckwerten des Senats vorgenommen wurden, in die mittelfristige Finanzplanung einzuarbeiten. So retten Sie sich wieder nur über den Tag. Für Kultur und Bildung, Inneres und Justiz gibt es wieder keine Planungssicherheit für die Jahre nach 2003. Eines versprechen Sie also hier und heute: Die unsinnige Quälerei mit unerfüllbaren Beschlüssen wird weitergehen. Ihre Politik hat abgewirtschaftet. Sie werden als Koalition zusammengehalten von dem festen Willen, das Ende der Legislaturperiode zu erreichen. Die Haushalte sind geprägt von Mangelverwaltung, geschönten Zahlen und dürftig gestopften Löchern. Sie werden Denkmäler Ihrer Großmannssucht hinterlassen und einen neuen Haufen Schulden. Zukunftsfähig ist diese Politik jedenfalls nicht.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Bündnis 90/Die Grünen legt Ihnen hier Alternativen zu Ihrem Haushalt vor, Korrekturen Ihres Haus

halts. Die Grünen verlangen eine eindeutige Veränderung der Politik in Richtung bürgerfreundliche Politik. Dabei bewegen wir uns streng vor dem Hintergrund der Notwendigkeit zu sparen. Wir weiten das Haushaltsvolumen nicht aus. Ihrer gigantischen Investitionsquote – sie ist gigantisch und unrealistisch – erteilen wir allerdings eine Absage. Zukunft wird verschenkt, wenn Schulen und Straßen verrotten, keine Frage! Sie wird aber auch verschenkt, wenn Kinder keine gute Ausbildung erhalten, wenn die Kulturlandschaft verarmt, wenn die natürlichen Lebensgrundlagen verschleudert werden. Wir verabschieden uns von der heiligen Kuh der immer guten Investitionen. Wir wollen sie alle auf den Prüfstand stellen. Für Sinnvolles bleibt genügend Geld im Haushalt.

Mit unserem Vorschlag der Senkung der Investitionsquote auf den Stand der letzten Jahre gewinnen die Grünen jährlich 70 Millionen Euro für sinnvolle Politik für unsere Bewohnerinnen und Bewohner und können die Kreditaufnahme um 25 Millionen Euro jährlich senken. Hier handelt es sich um drei Prozent der gesamten konsumtiven Ausgaben. Das auch zum Thema grüne Weihnachtsmänner,

(Abg. K l e e n [SPD]: Und Frauen!)

wie die arg voreilige Reaktion der SPD auf die Haushaltsvorschläge der Grünen war.

Das zeigt allerdings auch, wie eng die Spielräume geworden sind. Die große Koalition hat sie zusätzlich verengt durch Projekte im Straßenbau, den Space-Park, das Musical, und durch eine vollkommen überzogene Gewerbeflächenpolitik sind die Spielräume weiter verringert worden.

Alternativen, dafür stehen die Grünen, kommen auf leisen Sohlen, sie weiten das Finanzvolumen des Haushaltes nicht aus, und es gibt sie. Anstatt Kinder und Jugendliche in die Rolle derjenigen zu drängen, die hier nur Kosten verursachen, sagen wir, Kinder und Familien sind erwünscht. Bremen muss sich gerade gegenüber dieser Bevölkerungsgruppe öffnen. Dazu gehört ein weiter verbessertes Kindergartenangebot, bei dem die Elternwünsche nach Qualität und garantierter sechsstündiger Betreuung im Mittelpunkt stehen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Dazu gehört der beitragsfreie Kindergarten, der Bremen einen Standortvorteil sichern soll. Für den geringen Betrag von 3,7 Millionen Euro in beiden Haushaltsjahren setzen wir Zeichen. Es ist erwünscht, dass Kinder in den Kindergarten gehen. Bremen fördert das und verzichtet auf Beiträge. Dass das nun eine vollkommen vom Mond fallende Forderung ist, Herr Böhrnsen, ist mir überhaupt unverständlich. Ich kenne eine ganze Menge Sozialdemokraten, die das richtig finden. Es ist eine Forderung der GEW. Die

CDU im Saarland macht das, weil sie dort nämlich Mut hat zu sagen, dass man den Standort damit attraktiv machen kann.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Diese Politik für Kinder ist Teil einer langfristigen Strategie, die Bremen als kinderfreundliche Stadt bundesweit ins Gespräch bringen soll. Eng damit verzahnt sind Investitionen in die Bildungspolitik. Die Grünen setzen dafür in den nächsten zwei Jahren 15 Millionen Euro zusätzlich ein, damit neue Lehrerinnen und Lehrer eingestellt werden können. Auch hier geht es um die Attraktivität des Standortes. Familien mit Kindern wählen den Wohnort, dessen Bildungseinrichtungen einen guten Ruf haben, und dabei geht es beileibe nicht nur um Gymnasien. Das, was Sie heute in der Grundschule versäumen, verbaut Kindern die Zukunft und wird sich in Schulverweigerung und Arbeitslosigkeit wiederfinden. Deshalb setzen die Grünen einen Schwerpunkt auf die Grundschule. Hier sollen die Lehrerinnen und Lehrer mehr Zeit für die Kinder haben und verstärkt Kinder aus benachteiligten Familien fördern.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ihrer unsozialen Sparpolitik zu Lasten behinderter Menschen setzen die Grünen ein klares Integrationskonzept mit zusätzlichen 2,8 Millionen Euro entgegen. „Kinder erwünscht“ meint auch, Kinder aus armen Familien besonders zu unterstützen. Die Grünen schlagen deshalb ein Programm „PC für Kinder aus sozialhilfeberechtigten Familien“ vor. Hier geht es auch um Zukunftssicherung. Wer die digitale Spaltung der Gesellschaft verhindern will, muss heute handeln und Chancen eröffnen. In spätestens zehn Jahren wird sich das auf dem Arbeitsmarkt auszahlen.

Herr Böhrnsen, ich habe jetzt verstanden, dass die 1,8 Millionen Euro, die die Grünen für einen Einstieg in dieses Programm ausgeben wollen, für Sozialdemokraten die entscheidende Frage sind, ob die Grünen regierungsfähig sind oder nicht. So eine Beurteilung grüner Politik ist mir dann doch irgendwann auch eine Ehre.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

„Kinder erwünscht“ heißt auch Schutz unserer natürlichen Lebensgrundlagen. Es ist unverzichtbar, jetzt zügig die bremischen Altlasten zu sanieren, von denen eine Gefahr für das Grundwasser ausgeht. Ihre Ignoranz an diesem Punkt ist unverantwortlich. Die bundesgesetzlichen Vorgaben halten Sie nicht ein.

Ist Ihnen, meine Damen und Herren von der großen Koalition, eigentlich klar, welchen massiven Imageschaden Bremen erleiden wird, wenn messba

re Schadstoffe in das Grundwasser gelangt sind? Die Grünen wollen hier vorsorgen. Wir wollen der Bevölkerung zeigen, dass ihr Schutz oberste Priorität hat. Außerdem ist so ein sparsamerer Umgang mit Fläche möglich, anstatt immer neue Gebiete als Wohn- und Gewerbefläche auszuweisen, für die zukünftige Generationen die Straßen und Erschließungen bezahlen müssen. „Kinder erwünscht“ heißt auch stadtteilnahe Grünanlagen, die so gepflegt sind, dass man gern dorthin geht und gern dort wohnt. Für den Bildungsstandort Bremen müssen weitere Anstrengungen unternommen werden. Ein geringer Betrag von 300 000 Euro im Jahr für die Universitätsbibliothek kann viel bewirken. Wer selbst studiert hat, weiß, dass neben dem Ärger über mangelhafte Lehre der ständige Stress mit der Suche nach Zeitschriften und Büchern den größten Frust bei den Studierenden erzeugt. Als wichtigen Beitrag für die Sanierung unseres Bundeslandes setzen die Grünen einen eindeutigen Schwerpunkt im Bereich Kultur. Es sollen insgesamt 11,5 Millionen Euro zur Aufstockung des Kulturhaushaltes verwendet werden, und zwar im Kulturhaushalt für laufende Ausgaben und nicht irgendwo für Bürokratie und Ärger treibende Sondertöpfe.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Zu all dem gehört das Bekenntnis zu einer Politik, die die Sorgen und Nöte der Bevölkerung zum Ausgangspunkt macht. So kann man für Bremen als Standort werben, so findet die Werbung ihre Entsprechung in der Wirklichkeit, und so gewinnt Politik Unterstützung und Rückendeckung für einen Sanierungskurs. Für Bündnis 90/Die Grünen gilt der Leitgedanke, Bremens Sanierung wird nur mit den Bürgerinnen und Bürgern gelingen!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Eckhoff.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Nun steht man hier als dritter Redner

(Heiterkeit)

und hat zwei Voraussetzungen: Noch nie ist es einem SPD-Vorsitzenden so gut gelungen, CDU-Politik zu verkaufen.

(Beifall bei der CDU)

Noch nie war eine Rede der Opposition so alternativlos wie das, was Sie gerade gesagt haben, Frau Linnert.

(Beifall bei der CDU)

Sehr geehrte Damen und Herren, Herr Böhrnsen, wir sind auch davon überzeugt, dass es eine Inszenierung mit einem Happy End werden wird. Wir überlassen der SPD mit dem Präsidenten des Senats sogar die Hauptrolle. Die Regie dieses Happy Ends aber führt die CDU, lieber Herr Böhrnsen!

(Beifall bei der CDU – Heiterkeit bei der SPD – Abg. K l e e n [SPD]: Jetzt wird es Komödie!)

Noch besser: Wir haben sogar das Drehbuch dafür geschrieben, lieber Herr Böhrnsen!

(Beifall bei der CDU – Heiterkeit bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen – Abg. Frau H ö v e l m a n n [SPD]: Aber die Frage ist, wer glaubt Ihnen das! – Abg. K l e e n [SPD]: Ruinieren Sie nicht die Ein- schaltquote hier!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Haushalt, den wir heute verabschieden werden, setzt den langen Weg Bremens zu einem sanierten Bundesland fort. Ich will das ganz deutlich sagen: Wir befinden uns in einem sehr schwierigen Zeitraum. Das haben sicherlich auch die Verhandlungen über diesen Doppelhaushalt deutlich gemacht. Mit diesem Doppelhaushalt musste ein Zeichen gesetzt werden, wie der Weg in den nächsten Jahren weiter beschritten wird: Gibt man den Weg auf, gibt man das Ziel frei, wie es die Grünen in ihrer Rede gerade noch einmal deutlich gemacht haben, oder aber setzt man alle Anstrengungen fort, das erste Sanierungsziel im Jahr 2005 tatsächlich auch zu erreichen?

Wir wissen ganz genau, sehr geehrte Damen und Herren, bis wir tatsächlich Anschluss an andere Bundesländer oder vielleicht sogar die Mitte der anderen Bundesländer erreicht haben, wird nicht im Jahr 2005 sein, dann werden wir den Status des Haushaltsnotlagelandes verlieren. Wir brauchen mindestens noch zehn weitere Jahre, um wirklich den Anschluss an andere Bundesländer zu erreichen. Es liegt noch ein langer und harter Weg vor uns. Es gehört auch zur Haushaltsklarheit und -wahrheit, dass man das heute betont, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Ich will nur zwei Zahlen nennen, die auch Bürgermeister Perschau in seiner Einbringungsrede hervorgehoben hat. Wenn ich mir anschaue, dass die jährlichen Vorgaben des Finanzplanungsrates im Rahmen der Sanierungsauflagen sich für den Sanierungszeitraum auf maximal 18,3 Prozent Ausgabensteigerung beliefen – das Ist-Ergebnis Bremen für diesen Referenzzeitraum beläuft sich gerade einmal auf 5,2 Prozent – und dass es uns seit Übernahme

der Regierungsverantwortung und Stellung des Finanzsenators durch die CDU gelungen ist, die konsumtiven Ausgaben tatsächlich um jährlich 0,4 Prozent abzusenken, so zeigt dies sehr deutlich, welche Anstrengungen wir in den letzten Jahren hinter uns hatten und welche wir in den nächsten Jahren noch weiter vor uns haben werden. Dies, sehr geehrte Damen und Herren, wird auch deutlich mit den jetzigen Anschlägen, indem wir nämlich die konsumtiven Ausgaben im Land und in der Stadt insgesamt stabil lassen beziehungsweise um 0,4 Prozent erhöhen.