Protocol of the Session on October 24, 2001

Meine Damen und Herren, damit möchte ich überleiten auf den anderen Antrag „Abschiebungshaft vermeiden“. So effektiv wie notwendig! Herr Dr. Güldner, unser Problem heute ist nicht, die Abschiebehaft zu vermeiden, unser Problem ist, dass wir eine erhebliche Zahl von vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländern haben, die eben nicht ausreisen. Jeder, der hier in Abschiebehaft genommen wird, hat die Möglichkeit der freiwilligen Ausreise. Er nutzt sie nicht. Andere, die durch viele Erlasse, Verwaltungsgerichtsentscheidungen und so weiter vollziehbar ausreisepflichtig sind, tauchen unter, und das regelt nun das Bundesgesetz, das Ausländergesetz, dass sie dann in Abschiebehaft genommen werden müssen.

Die Unterstellung, die ich diesem Antrag entnehme, dass die Abschiebehaft zu früh und zu häufig angeordnet wird, möchte ich auf das Schärfste zurückweisen.

(Beifall bei der CDU)

Hier wird ein streng rechtsstaatliches Verfahren nach Richterentscheidung durchgeführt, Herr Herderhorst hat bereits darauf hingewiesen. Die Ausländerbehörde stellt ja nur den Antrag. Aus dem Text Ihres Antrages geht es so hervor, als würde die Ausländerbehörde über die Haft entscheiden. Das macht natürlich ein Richter. Schon dadurch ist hier ein streng rechtsstaatliches Verfahren gewährleistet. Die Persönlichkeits- und Freiheitsrechte der Betroffenen werden in Bremen sehr gewissenhaft beachtet.

Ihre weiteren Vorschläge hier entsprechen entweder ohnehin der ständigen Praxis, oder die Ausländerbehörden sind aufgrund bundesgesetzlicher Vorgaben verpflichtet, hier bestimmte Dinge durchzuführen, oder aber Ihre Vorschläge sind darüber hinaus sogar unzulässig.

Im Einzelnen: Es entspricht bereits jetzt ständiger Verwaltungspraxis, dass es einen Vorrang der freiwilligen Ausreise gibt, es gibt die Vorladung bei der Ausländerbehörde zur Besprechung der Ausreisemodalitäten, bei der nochmals Gelegenheit zur kurzfristigen freiwilligen Ausreise gegeben wird. Ich sage es noch einmal, jeder, der in Abschiebehaft genommen wird, hat die Möglichkeit, freiwillig auszureisen. Er wird beraten, wie er das machen kann, er bekommt Hinweise, und wenn er es dann nicht tut, so sagt das Ausländergesetz, muss er in Abschiebehaft genommen werden, die Ausländerbehörde muss einen entsprechenden Antrag stellen und der Richter entscheidet.

Sie haben in Ihrem Antrag auch die Regelung zu besonderen Personengruppen enthalten. Diese Praxis ist, nachdem die Verwaltungsvorschriften zum Ausländergesetz erlassen wurden, nicht mehr möglich, meine Damen und Herren. Wenn es um die Minderjährigen geht, die das sechzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet haben, um Ausländer, die das fünfundsechzigste Lebensjahr vollendet haben, oder um schwangere Mütter innerhalb der gesetzlichen Mutterschutzfristen, dann bestehen detaillierte Regelungen zu deren Schutz, und eine Abschiebehaft kann dann auch in diesen Fällen nicht mehr angeordnet werden.

Aus vielen Gründen sind die Vorschläge, die Sie gemacht haben, nicht realisierbar, weil sie das Bundesrecht betreffen und die Bremische Bürgerschaft aufgrund bundesgesetzlicher Vorschriften im Ausländerrecht auch nicht die Möglichkeit hat, entsprechend anders zu entscheiden.

Meine Damen und Herren, unabhängig davon, wie sinnvoll und praktikabel Ihre Vorschläge, ich habe ja gesagt, dass sie bereits weitgehend durchgesetzt sind, ansonsten noch sein mögen, meine ich, dass aus Rechtsgründen das, was Sie darüber hinaus vorgeschlagen haben, nicht durchsetzbar ist.

Zur Praktikabilität, Herr Dr. Güldner, der weitere Antrag „Verbesserung der Situation in der Abschiebehaft Bremen-Vahr“: Meine Mitarbeiter haben mir

hier sehr gewissenhaft zu jedem einzelnen Ihrer Vorschläge aufgeschrieben, wie der Stand ist. In fast 80 Prozent der Fälle ist das, was Sie fordern, bereits in die Praxis umgesetzt oder eingeleitet worden oder ist, wenn es um Mobiliar oder andere Dinge geht, nur im Moment noch nicht realisierbar, wird aber realisiert, oder es liegt nicht in der Macht der Ausländerbehörde oder vielmehr der Polizei, die für das Abschiebegewahrsam zuständig ist. Wenn es zum Beispiel um das Kartentelefon geht, liegt es daran, dass die Telekom hier so etwas nicht mitmacht.

Herr Dr. Güldner, ich möchte noch einmal folgende Fragen ansprechen: Sie sagen, dass die Tapezierung statt einer Kachelung vorgenommen werden soll. Ich habe mir das dort einmal angeschaut. Das ist in zwei Zellen getestet worden, hat sich aber nicht bewährt, weil die Tapeten nach einer Woche so aussahen, dass man sie anderen Abschiebehäftlingen, die dort dann danach hineinkamen, nicht mehr zumuten konnte, weil zum Beispiel dort Zeitungen mit Honig oder Butter an die Wand geklebt wurden. Das ist auch alles dokumentiert. Wir haben uns dann entschieden, doch bei der Kachelung zu bleiben.

Meine Damen und Herren, ich möchte jetzt auf die einzelnen Dinge, die ich hier aufgeschrieben bekommen habe, nicht eingehen, weil das, wie gesagt, in fast 80 Prozent der Fälle realisiert ist, es angestoßen wurde oder aus Gründen, die die Abschiebehafteinrichtung nicht zu verantworten hat, nicht möglich ist. – Herzlichen Dank!

(Beifall bei der CDU)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dr. Güldner.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich begrüße an dieser Stelle auch noch einmal ausdrücklich, dass wir Sie, Herr Innensenator, in dieser grundsätzlichen Frage, ob diese Art des Freiheitsentzuges auf eine gesetzliche Grundlage gestellt werden muss oder nicht, die seit zehn Jahren in Bremen immer wieder vertagt wurde – und ich glaube, ich habe es vorhin auch nicht anders dargestellt, als ich jetzt auch sage –, an unserer Seite wissen. Aber ein Gesetzentwurf in einer Schublade, zu dem der Senator verkündet, wir machen ihn nicht mehr in dieser Legislaturperiode, nützt nun aber niemandem. Es ist nun Tatsache, dass wir das heute erst durch diese Initiative hier auf dem Tisch haben und beschließen. Das ist nun einmal so.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Zur freiwilligen Ausreise und zur Haftvermeidung, Herr Senator! Sie schildern einen theoretischen Zu––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

stand, nämlich dass alle diese Dinge in Bremen bereits gemacht würden. Das deckt sich allerdings überhaupt nicht mit den Erfahrungen und Berichten aus der Praxis. Ich selbst war ja auch öfter vor Ort und habe mit vielen Leuten gesprochen. Ich habe diesen Fall des Mannes aus den Philippinen geschildert. Man kann ja sagen, das könnte ein Einzelfall sein. Wir haben aber definitiv sehr viele Menschen, die nicht wegen irgendwelcher komischer Sachen, sondern aus reinem Eigeninteresse natürlich der freiwilligen Ausreise den Vorzug vor einer Abschiebung mit den entsprechenden Stempeln im Pass und Begleitung des Bundesgrenzschutzes in ihr Heimatland geben. Das ist logisch, das würden wir an dieser Stelle auch so tun. Daran gibt es überhaupt nichts zu deuteln. Die Praxis in Bremen ist völlig anders, als Sie das jetzt hier eben wieder dargestellt haben. Ich würde Ihnen noch einmal empfehlen, doch noch etwas ausführlicher und vielleicht auch aus anderen Quellen in dieses System hineinzuhorchen. Es wird in vielen Fällen eben nicht informiert. Viele haben noch nie in einer Sprache, die sie entweder verstehen oder lesen können, irgendeine Information zu ihrem Zustand, geschweige denn ein Angebot zur freiwilligen Ausreise erhalten. Ich glaube, dass die Haftvermeidung in diesem Fall der Schlüssel nicht nur zur Kostenfrage ist, sondern der Schlüssel für eine Lösung mit Vorteilen für alle Seiten, seien es nun die Betroffenen selbst, aber auch die Beamten der Polizei, die ja nun auch etwas anderes zu tun haben, aber auch eben die Kosten. Das ist der Schlüssel. Hier sind wir noch lange nicht auf einem guten Weg. Es gibt kommunale Vorbilder, die durchexerziert werden, die in etwa dem entsprechen, was wir hier in unserem Antrag gefordert haben. In Berlin hat die jetzige rotgrüne Regierung in ihrer kurzen Amtszeit in zwei Paketen im Wesentlichen Dinge durchgesetzt, die nun dem entsprechen, was wir hier vorgelegt haben. Das auch noch einmal an die Adresse der SPD, das heißt, es geht doch, wenn man will! Man kann diese Dinge sowohl im Bereich der Verbesserung der konkreten Haftbedingungen durchführen als auch bei dem Schlüssel – für mich der Schlüssel nach wie vor –, bei der Möglichkeit zur Vermeidung der Abschiebehaft unter Wahrung des gesetzlichen Rahmens und der rechtsstaatlichen Vorschriften. – Danke sehr!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Herderhorst.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich muss ja meine Androhung von vorhin wahr machen, deswegen die erneute Wortmeldung. Zunächst noch einmal zu dem ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

Letzten, Herr Dr. Güldner: Es mag ja richtig sein, dass bei manchen Ausländern die Botschaft, dass sie von sich aus ausreisen können, nicht ankommt. Ich denke aber, auf der anderen Seite wird über Schrift, Wort und Dolmetscher sehr viel getan, das will ich auch einmal sagen, dass die Ausländer in ihrer Sprache angesprochen und auf ganz bestimmte Dinge hingewiesen werden. Es ist ja nicht so, dass jeder Ausländer aufgrund sprachlicher Schwierigkeiten oder anderer Ängste hier nicht an solche Informationen kommen könnte und insbesondere dann nicht, wenn es darum geht, einer Ausreisepflicht nachzukommen.

Ich hoffe, dass es die zusätzliche Botschaft unserer Debatte heute ist, dass die Ausländer, die sich hier in der Situation befinden, nach letztendlicher Entscheidung ausreisen zu müssen, diese Botschaft vielleicht auch empfangen und wir zukünftig hoffentlich dann weniger Abschiebehäftlinge haben werden.

An dieser Stelle darf ich auch die Forderung äußern, dass die Verfahren über dieses Bleiberecht oder die Ausreise zeitlich verkürzt werden müssen. Ein Jahr wäre nach meiner Auffassung angemessen, um definitiv über Bleiberecht oder Ausreisepflicht zu entscheiden. Je länger sich Ausländer in Deutschland aufhalten, desto größer wird verständlicherweise die Erwartungshaltung, hier bleiben zu können. Ich hoffe, dass im Rahmen von Zuwanderungslösungen eine Regelung getroffen wird.

Wir werden also, ich habe das gesagt, dem Gesetzentwurf, den der Senat hier vorgelegt hat, zustimmen. Nicht zustimmen können wir dagegen den Anträgen der Opposition, sowohl der vorgelegten Gesetzesalternative als auch den Anträgen „Abschiebungshaft vermeiden“ sowie „Verbesserung der Situation in der Abschiebungshaft“.

Meine Damen und Herren, schon der vorgelegte Gesetzentwurf enthält juristische wie regelungstechnische Stolpersteine, so dass es nicht lohnt, im Detail darauf einzugehen. Der grüne Faden dieses Entwurfs ist, der Häftling bestimmt, wie der Vollzug gestaltet wird. Unter anderem heißt es da in Paragraph 2: „Die Räume in der Abschiebungshaft sind wohnlich auszustatten“, oder „den Häftlingen sind Schlüssel zu ihren Räumen auszuhändigen“. Damit verbinde ich eben diesen von mir zitierten Hotelcharakter.

Dann heißt es im Paragraphen 5, ich zitiere mit Genehmigung des Präsidenten: „Haftlockerung und Urlaub: Abschiebehäftlinge erhalten mit Zustimmung des Freiheitsentziehungsrichters Urlaub unter den von diesem zu bestimmenden Auflagen. Sie haben Anspruch auf Ausführungen aus wichtigen Anlässen. Der Leiter des Abschiebungsgewahrsams kann den Abschiebungshäftlingen bis zur Dauer von einer Woche auch ohne richterliche Verordnung Urlaub aus der Abschiebungshaft bei Vorliegen eines wichtigen Grundes gewähren.“

Meine Damen und Herren, ich glaube, die Opposition hat auch in diesem Fall den realistischen Blick für die Dinge verloren, die auch in einer Abschiebehaft die Rahmen bilden. Die Menschen, die aufgrund richterlicher Anordnung im Abschiebegewahrsam landen, sind Menschen, die gegen Recht verstoßen haben. Niemand sollte glauben, dass die Betroffenen alle ein Ab- oder auch Untertauchen völlig ausschließen.

Die Abschiebevermeidungsstrategie der Grünen, wie sie in der Drucksache 15/744 aufgelistet ist, wäre, wenn sie praktikabel wäre, wünschenswert. Sie ist aber nicht praktikabel, sie geht an der Realität und an den Erfahrungen mit ausreisepflichtigen Ausländern vorbei, sie ist aufwendig und damit teuer und deshalb inakzeptabel. Ansonsten verweise ich auf den Paragraphen 57 des Ausländergesetzes, den ich vorhin auszugsweise hier zitiert habe. In diesem Zusammenhang sollte erneut darüber nachgedacht werden, ob in Bremen nicht analog der Einrichtungen von Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen Rückführungszentren eingerichtet werden sollten. Dies würde sicherlich in gewisser Weise die Abschiebehaft vermeiden helfen, und das ist ja ganz offenbar unser gemeinsames Ziel.

Meine Damen und Herren, zu dem Antrag „Verbesserung der Situation in der Abschiebungshaft“ kann ich mich nur wiederholen: Hotel, nur, wer soll das bezahlen? Ein letzter Satz: Sofern es nicht im Gesetz geregelt wird, wird es Gelegenheit geben, Einzelheiten über die noch zu konzipierende Gewahrsamsordnung zu regeln. Der Kollege Kleen hat auch davon gesprochen, dass wir das so machen wollen.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Beratung ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Als Erstes lasse ich über den Antrag mit der Drucksachen-Nummer 15/744 abstimmen.

Wer dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit der Drucksachen-Nummer 15/744 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür Bündnis 90/Die Grünen)

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen SPD, CDU und Abg. T i t t - m a n n [DVU])

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) lehnt den Antrag ab.

Jetzt lasse ich über den Gesetzesantrag mit der Drucksachen-Nummer 15/745 in erster Lesung abstimmen.

Wer das Gesetz über den Abschiebungsgewahrsam im Lande Bremen mit der Drucksachen-Nummer 15/745 in erster Lesung beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür Bündnis 90/Die Grünen)

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen SPD, CDU und Abg. T i t t - m a n n [DVU])

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) lehnt das Gesetz in erster Lesung ab.

Damit unterbleibt gemäß Paragraph 35 Satz 2 der Geschäftsordnung jede weitere Lesung.

Jetzt lasse ich über den Antrag mit der Drucksachen-Nummer 15/746 abstimmen.