Zweitens: Wie bewertet der Senat die in diesem Bericht wiedergegebenen Rechercheergebnisse auch im Lichte anderer Informationen aus der Türkei über unzuverlässige und manipulierte Personenstandsregister?
Drittens: Welche Konsequenzen zieht der Senat aus den Erkenntnissen über die türkischen Personenstandsregister im Rahmen der laufenden Verfahren gegen die des Asylmissbrauchs beschuldigten Familien?
Zu Fragen zwei und drei: Die Ergebnisse der Untersuchung haben keine grundsätzlichen Auswirkungen auf die Entscheidungs- und Verfahrenspraxis bei der Durchführung aufenthaltsbeendender Maßnahmen der von der Ermittlungsgruppe 19 der Polizei als türkische Staatsangehörige ermittelten Personen. Die dort enthaltenen Aussagen werden einzelfallbezogen ausgewertet.
Bei der Bewertung der Aussagen zur Verlässlichkeit der türkischen Personenstandsregister ist zu berücksichtigen, dass beim Nachweis der türkischen Staatsangehörigkeit nicht ausschließlich auf die Angaben in den Personenstandsregistern abgestellt wird, sondern in jedem Einzelfall weitere zusätzliche Nachweise erfolgen. – Soweit die Antwort des Senats!
Herr Senator, wenn Sie sagen, die Erkenntnisse dieses Untersuchungsberichtes werden nun einzelfallbezogen in die Bewertung einbezogen, heißt das auch, dass Sie aus heutiger Sicht von Ihren damaligen pauschalen Aussagen sozusagen über die ganze Gruppe Abstand nehmen würden, und würden Sie sie heute relativieren?
Nein, das ist ja nicht das Ergebnis meiner Antwort. Ich habe Ihnen geantwortet, dass man bei der Bewertung dieses Gutachtens zu dem Ergebnis kommen kann, dass die türkischen Personenstandsregister nicht die gleiche Qualität aufweisen, wie wir sie zum Beispiel in Deutschland
haben – das ist eine Erkenntnis, die wir dort gewonnen haben –, und dass aufgrund dessen wir zusätzliche, ergänzende Angaben, die wir ermitteln, heranziehen müssen, wie eben in der Antwort gesagt.
Was sind das? Das sind zum Beispiel abgelaufene türkische Pässe, die wieder aufgefunden werden, Schulbescheinigungen, mit denen der Besuch von Schulen in der Türkei nachgewiesen wird, Personenstandsfeststellungen durch Interpol Ankara, Bestätigung von türkischen Passämtern, dass Pässe ausgestellt oder beantragt wurden, von türkischen Passämtern übersandte Passanträge. Das sind alles zusätzliche Informationen, die hier herangezogen werden und natürlich einzelfallbezogen im Rahmen eines ganz klaren rechtsstaatlichen Verfahrens in die Ermittlungen einfließen.
Wenn Sie jetzt sagen, dass Sie diese pauschalen Urteile über die gesamte Gruppe so heute nicht zurücknehmen würden, heißt das, dass Sie dann in all den Fällen, die jetzt hier in Frage stehen, diese zusätzlichen Informationen, die Sie gerade genannt haben, haben und damit sozusagen in allen Fällen einheitlich eine Informationslage vorliegt?
Ich habe damals wie heute gesagt, dass wir in jedem Fall den rechtsstaatlichen Vorgehensweg auch durchführen. Das heißt, hier werden einzelfallbezogen auch von den Verwaltungsgerichten selbstverständlich alle Informationen einbezogen, die notwendig sind, bevor es zu einer Abschiebung kommt. Insofern habe ich von dem, was ich damals gesagt habe, nichts zurückzunehmen. Wir befinden uns jetzt, wie Sie wissen, in dem Prozedere, das sehr mühsam ist, weil diese einzelfallbezogenen Daten eine Rolle spielen. Das ist damals von mir gesagt worden, und das wird heute auch exekutiert.
Noch einmal zu meinem richtigen Verständnis dessen, was Sie sagen: Wenn Sie sagen, heute wird das sehr mühsam und in einem langwierigen Prozess überhaupt erst einzelfallbezogen geprüft, wie konnten Sie dann vor einem dreiviertel Jahr pauschal schon das Ergebnis dieser Prüfung wissen und pauschal sich sozusagen über diese gesamte Gruppe äußern?
Weil an der Personengruppe, die identifiziert worden ist, überhaupt kein Zweifel besteht, Herr Güldner! Trotzdem gibt es jetzt Einzelfälle. Das ist nun einmal in einem Rechtsstaat so üblich, dass in dem Moment, in dem Verwaltungsgerichte einbezogen werden, jeder einzelne Fall überprüft wird.
Bisher haben auch alle Fälle ganz klar bestätigt, dass unsere Identifizierung, die aus der Ermittlungsgruppe der Polizei stammt, richtig und korrekt ist. Trotzdem muss, und das brauche ich Ihnen nicht zu sagen, das rechtsstaatlich noch einmal alles zusätzlich überprüft werden. Da sage ich Ihnen, dass dieses Gutachten, das ist ja der Kern Ihrer Frage, nur bestätigt, was wir wissen, nämlich dass die Personenstandsregister der Türkei allein keine Grundlage für unsere Bewertungen sein können. Wir brauchen zusätzliche Informationen, und die nehmen wir auch zur Kenntnis.
Mich würde interessieren, wie Sie diese zusätzlichen Beweise in der Türkei besorgt haben. Ich kenne sehr viele Asylbewerber, die sich seit zehn Jahren um eine Bescheinigung bemühen. Die wären Ihnen sicherlich dankbar, wenn Sie erklären würden, wie man sogar Schulbescheinigungen, die zehn, 20 Jahre oder vielleicht noch länger zurückliegen, aus der Türkei bekommen kann.
Frau Abgeordnete, ich bin ja gern bereit, mit Ihnen sehr ausführlich auch unter anderem dieses Gutachten zu diskutieren, das mir hier vorliegt. Wenn ich den Vorschlag machen darf, sollten wir das in der Deputation für Inneres tun, da könnte ich Ihre Zusatzfragen dann alle beantworten.
Hier geht es ja konkret um die Frage, ob dieses Gutachten Aussagen ermöglicht, die uns bei unserer Bewertung helfen oder nicht. Da sage ich Ihnen ganz deutlich, dass dieses Gutachten zu einem Ergebnis kommt, das uns bereits vorliegt, und wir deshalb zusätzliche Informationen einbeziehen müssen. Wie wir diese zusätzlichen Informationen einholen und im Einzelfall bewerten, dazu würde ich mir erlauben vorzuschlagen, da das den Rahmen der Fragestunde sprengt, dass wir das gern in der Deputation für Inneres erörtern.
Ich will es noch einmal wiederholen: Teilen Sie mit mir die Auffassung, dass die Erkenntnisse über die Wanderung und auch teilweise Vertreibung von Kurden in verschiedene Länder – Syrien, Libanon, Iran und Irak – schon längst bekannt waren und von verschiedenen Menschenrechtsorganisationen auch vorgelegt sind und Sie trotzdem eine Zahl genannt haben, die Sie jetzt wieder nicht korrigieren wollen? Ich denke aber, Politik steht in der Verpflichtung, wenn eine falsche Aussage gemacht wurde, diese zu korrigieren. Ich hätte es begrüßt, wenn Sie zuerst einmal die Fälle einzeln geprüft und dann gesagt hätten, in so vielen Fällen haben wir das nachgewiesen. Sie haben aber eine Zahl genannt, und anstatt einzeln zu prüfen, obwohl wir mehrmals in der Innendeputation darüber gesprochen haben und von Ihnen Antworten haben wollten, haben Sie das nicht gemacht.
Wenn ich erstens versuchen darf, Frau Abgeordnete, Ihre Frage für mich noch einmal neu verständlich zu stellen, so fragen Sie mich, ob ich akzeptiere, dass historisch belegbare Tatbestände bestehen. Das akzeptiere ich selbstverständlich! Ich bin selbst Historiker.
Zweitens darf ich wiederholen, was ich dem Abgeordneten Güldner gesagt habe, dass trotzdem in jedem Einzelfall, das verlangen unsere Gerichte, rechtsstaatlich kontrolliert werden muss, und das ist auch richtig so. Deshalb werden die Verfahren lange gesetzt. Trotzdem bleibe ich aber bei der Aussage, dass die Identifikation dieser Gruppe, um die es geht, eine klare und eindeutige ist, von der ich auch nichts zurücknehmen kann. Im Übrigen verweise ich auf mein Angebot, dass wir dies im Einzelfall in der Deputation für Inneres nachholen.
Ich möchte trotzdem wissen, für wie viele Personen das genau bis jetzt festgestellt wurde. Die Zahlen sind immer sehr unterschiedlich, von 500 bis etwas über 100. Können Sie mir genau sagen, bei wie vielen Personen mit zusätzlichen Nachweisen festgestellt wurde, dass sie türkischer Herkunft waren? Sind es 100, 120, 500 oder 75? Wie viele?
Frau Abgeordnete, wir haben damals eine Gesamtzahl von 531 Personen benannt. Sie erinnern sich, das war vor anderthalb Jahren. Diese 531 Personen werden jetzt einer näheren Untersuchung unterzogen und jetzt der Reihe nach im Einzelfallprüfungsverfahren sehr sorgfältig rechtsstaatlich, korrekt und einwandfrei so behandelt, dass
sie dann zur Abschiebung kommen. Wir haben jetzt eine nennenswerte Zahl von Abschiebungen, die bereits erfolgt sind, und das geht jetzt so weiter. Die genaue Zahl kann ich Ihnen dann gern in der Deputation für Inneres nachtragen.
Habe ich das richtig verstanden: Sie legen zuerst einmal die Zahl fest, und dann fangen Sie an zu prüfen? Die Aussage war so richtig? Danke schön!
Ich habe die Zahl genannt, die aufgrund der polizeilichen Ermittlung zu dieser Personengruppe gehört, die identifiziert worden ist. Nun gibt es aber von diesen einzelnen Personen Gerichtsverfahren. Aufgrund dieser Gerichtsverfahren müssen wir natürlich in jedem Einzelfall sehr genau kontrollieren, ob das richtig oder falsch ist. Das ist nun einmal so in deutschen Gerichten, dahinter stehe ich auch rückhaltlos. Ich kann Ihnen jetzt nur nicht genau bestätigen, wie viele Personen inzwischen abgeschoben worden sind. Ich verstehe nicht, warum wir da einen Dissens haben in der Frage und Antwort.
Wenn ich das sagen darf, ich verstehe auch eine Betonung jedes Mal nicht. In jedem Gericht ist das so, nicht nur bei den deutschen Gerichten!
Vielleicht kann man das in der Innendeputation noch einmal ausführlich bereden und das Angebot von Herrn Senator Dr. Schulte aufnehmen.
Herr Senator, trifft es zu, dass erstens die Ermittlungsgruppe 19 531 Personen festgestellt hat, die offenbar unter falscher Identität hier zehn Jahre und länger gelebt haben?
Zweitens: Ist es richtig, dass im Anschluss an die Feststellung durch die polizeilichen Ermittlungen das Ergebnis im ausländerrechtlichen Sinne in Einzelfallprüfungen geprüft worden ist und dementsprechend Folgemaßnahmen daraus resultierten, die dann drittens dazu geführt haben, dass es zu Asylfolgeverfahren, zu Gerichtsverfahren gekommen ist, die zum großen Teil – nicht alle, aber zum Teil – abgeschlossen worden sind, und zwar letztinstanzlich, und dass damit Rechtskraft eingetreten ist? Dennoch hat eine weitere Einzelfallprüfung durch die Aus
länderbehörde in den Fällen stattgefunden, in denen insbesondere von diesen 531 Personen Schüler dabei waren, die auch durch Lehrer und Mitschüler als integriert angesehen worden sind, und dass hier in diesen Einzelfällen dann erneut geprüft worden ist – obwohl Rechtskraft und Ausreiseverfügung geprüft worden waren –, ob diese Schüler im Einzelfall ihre Schullaufbahn beenden können. Ist das so richtig?
Zu allen Fragen kann ich eindeutig ja sagen. Ich bestätige auch, dass wir bei der Einzelfallprüfung außerhalb des rechtlichen Rahmens, wo eine Abschiebung eindeutig gegeben ist, trotzdem Härtemaßstäbe prüfen, ob zum Beispiel ein junger Mensch, der sich in der Ausbildung befindet, diese Ausbildung bei uns in Deutschland noch beenden sollte. Genau das sind die Prüfungen, die wir auch noch machen, die aber unabhängig von den Rechtstatbeständen noch zu einer Liberalisierung führen könnten. Die grundsätzlichen rechtlichen Fragen sind aber genau so abgelaufen und werden so behandelt, wie Sie es eben gesagt haben.