So ein Wahlprogramm hat auch nur begrenzten Umfang, da können Sie nicht alles hineinschreiben. Da müssen Sie mit der Zahl erst einmal vorlieb nehmen, und die Ausgestaltung erfolgt dann eben später.
Herr Kollege Teiser, Sie werden sich daran erinnern, dass junge Männer vor, ich weiß nicht, 15 Jahren mit 18 Soldaten werden mussten, aber nicht wahlberechtigt waren. Diese Situation hatten wir auch schon. Sie wurden erst mit 21 volljährig und wahlberechtigt. Damit konnten wir auch leben.
Ja, das ist mir wohl bewusst, gleichwohl sehe ich jetzt den Zusammenhang nicht zwischen mit 18 wählen dürfen oder nicht und Vierzehndreivierteljährigen und Abgeordneter sein oder nicht.
Meine Damen und Herren, auf den Bereich der Neustrukturierung der Arbeit brauche ich im Detail nicht weiter einzugehen. Das sind auch Dinge, die nicht so sehr die Presse und die Öffentlichkeit interessieren. Trotzdem, Herr Dr. Kuhn, will ich Ihnen noch einmal sagen, und das sage ich auch für die CDU: Es war ein sehr langer, strittiger Prozess, ob man für dieses Parlament, das aus 100 Halbtagsoder Teilzeitabgeordneten, je nachdem, wie man es nennen will, besteht, tatsächlich zu einer Reduzierung kommen sollte und in welchem Umfang das geschehen sollte. Sie wissen, auch heute schon – und das sind nicht nur die Bremerhavener –, was den Zeitaufwand betrifft, ist das für kaum jemanden ein Parlament, das den Namen Halbtagsparlament oder Teilzeitparlament verdient. Da gibt es viele, die eher in dem Bereich, die 35-Stunden-Woche als Überschrift genommen, einen Ganztagsjob machen.
Wenn Sie dann noch darauf hinweisen, dass da eine ganz geheime und verräterische Verabredung zu einer immensen Erhöhung der Bezüge dieser Abgeordneten getroffen worden ist, dann wissen Sie natürlich auch, was das letztendlich bedeuten würde, wenn man dem, was seinerzeit verabredet worden ist, folgen würde. Das würde nämlich bedeuten, eine ganz normale Erhöhung von 1,9 Prozent jährlich durchschnittlich unterstellt, dass Sie zum Schluss den Status der neuen Abgeordneten in einem Parlament von 80 Abgeordneten um sage und schreibe 4,5 Prozent angehoben hätten. Wenn Sie das allerdings für einen Neubeginn für völlig überzogen halten, weiß ich nicht, warum Sie das so kritisieren!
Es gibt nämlich einen Unterschied. Es geht in diesem Punkt nicht darum, wie hoch die Diäten sind, ob es 4,5 oder 4,7 Prozent sind, sondern wir sind der Auffassung, dass auch der Öffentlichkeit deutlich gemacht werden muss, dass hier ein neues Parlament mit weniger Abgeordneten, mit anderen Arbeitsstrukturen und auch mit anderen Ausstattungen der Abgeordneten seine Arbeit beginnt. Es darf nicht der Eindruck erweckt werden, der auch völlig falsch ist, wir waren 100, jetzt sind wir noch 83, und 17 waren sowieso völlig überflüssig.
Warum reichen eigentlich nicht vier Fraktionsvorsitzende, die eine Stimmvollmacht für irgendwelche Delegierten haben? Das würde noch mehr Geld einsparen, und alle würden sich dann freuen, dass hier nicht mehr so viele Leute sitzen. Ich kann nur davor warnen, dieses Argument, weil man möglicherweise in den Medien und in der Öffentlichkeit damit Punkte gewinnen kann, zu überziehen. Insofern werden wir Ihren vorliegenden Antrag ablehnen. – Vielen Dank!
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir begründen die Reduzierung der Zahl der Abgeordneten in der Bürgerschaft um ein Sechstel mit dem Argument, auch das Parlament muss einen Sanierungsbeitrag liefern, die Kosten für die politische Führung müssen reduziert werden. Das ist unsere Begründung. Sie ist nachvollziehbar, und ich denke, sie reicht auch hin für solch einen Vorgang.
Ich möchte aber schon auf ein anderes Problem dieser Operation hinweisen. Wir entscheiden nämlich gleichzeitig auch darüber, wie viele Bürgerinnen und Bürger in Zukunft in diesem Verfassungsorgan an der politischen Willens- und Entscheidungsbildung teilnehmen. Das ist ein hochpolitischer Prozess, ein hochpolitischer und demokratischer Vorgang.
Diese Bürgerschaft wird jetzt, wenn ich das richtig ausgerechnet habe, in der Verfassungsgeschichte der Republik Bremen zum vierten Mal in ihrer Zahl verändert. Dabei spielte für die Zahl bei den jeweiligen Verfassungen nie ein Kostenargument eine große Rolle, sondern es ging darum, wie viele Bürgerinnen und Bürger hier mitmachen sollen.
Als 1849 nach der demokratischen Revolution in Deutschland die Paulskirchen-Verfassung verabschiedet wurde, verabschiedete man in Bremen im März 1849 die bremische Verfassung, eine sehr fortschrittliche Verfassung. Man legte seinerzeit die Zahl von 300 Abgeordneten mit der Begründung fest – das können Sie nachlesen, ich habe mir nämlich einmal den Spaß gemacht –, dass man möglichst viele Bürgerinnen und Bürger an diesem Entscheidungsprozess beteiligen wollte, gegen den erbitterten Widerstand der damaligen Rechten. Das war sozusagen auch der Erfolg der Revolutionäre der damaligen Zeit.
Die Rechte setzte sich dann durch, schon kurze Zeit später kam es zur Restauration, es folgte die so genannte reaktionäre Verfassung, Bürgermeister Smidt steht dafür. Fünf Jahre später, 1854, haben ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
die Bremer dann eine Verfassung vorgelegt bekommen, in der man die Zahl der Abgeordneten sofort halbierte. Das war ein ganz wichtiges Anliegen der obsiegenden politischen Kräfte der Rechten. Man wollte erst einmal die Hälfte wieder hinauswerfen. Das war denen zwar damals auch noch zu viel, aber weiter wollte man nicht gehen – diese Diskussion können Sie übrigens auch nachlesen –, weil man diese demokratische Zügellosigkeit irgendwie bändigen wollte.
Da gab es noch keine Grünen, die diese Anträge gestellt haben. Wir sind ja gute Freunde, Hermann Kuhn,
nur sage ich einmal, man muss an dieser Stelle auch ein bisschen aufpassen und darf nicht allmählich in die Gefahr geraten zu sagen, je kleiner dieses Parlament ist, desto demokratischer sind wir.
Das kann auch umgekehrt ein Prozess sein! Ich sage einmal bewusst polemisch, wenn Sie es so verkleinern, dass zuletzt nur noch Sie darin sitzen, haben wir nicht das Höchstmaß an Demokratie erreicht.
Aber das war natürlich nicht ganz ernst gemeint, sondern es muss ein Abwägungsprozess vorgenommen werden. Da sage ich Ihnen ganz offen, der ist bei uns in der Diskussion in der Partei sehr ernsthaft geführt worden, und zwar auch unter diesem Argument der Kostenersparnis. Das ist einsehbar. Wie weit geht man aber mit der Reduzierung? Dabei muss man übrigens, ich weiß nicht, ob der Kollege Teiser es schon gesagt hat, ich sage es dann auch noch einmal, sagen, dass wir gleichzeitig auch die Stadtbürgerschaft hier noch mit wahrnehmen, soweit wir Bremer sind.
Es ging dann weiter in der Geschichte. 1920 gab es eine dritte Verfassung, Zahl der Bürgerschaftsmitglieder 120. 1947 ging es dann auf 100 Mitglieder, und in der großen Verfassungsreform 1994 haben wir die Zahl 100 aus der Landesverfassung entfernt und gesagt, nur noch ein einfaches Gesetz kann das festlegen. Seitdem gibt es Debatten.
1994 hatten übrigens die Grünen im damaligen Verfassungsausschuss vorgeschlagen, auf 50 zu halbieren bei gleichzeitiger Verdoppelung der Diäten. Ich kann mich daran sehr gut erinnern. Diese Diskussion war aber nur sehr kurz, weil man dann doch sah, da kann man in Schwierigkeiten geraten mit der Argumentation. Verdoppelung der Diäten und Halbierung des Parlaments, da stoßen wir doch viel
Das heißt, wenn wir nur das Demokratieprinzip hier zugrunde legen würden, lieber Kollege Dr. Kuhn, könnte man auch zum Ergebnis kommen, auf 200 zu erweitern bei Halbierung der Diäten. Wir hätten dann mehr Menschen, die am politischen Bildungsprozess teilnehmen.
Nein, weil solche Vorschläge ja auch völlig aussichtslos wären! Was mir bei Ihnen auffällt, ist, dass Sie nur noch wie ein Buchhalter rechnen, und dann auch noch zwischen 83 und 79.
Ausgerechnet Sie, der Sie hier sonst beachtliche Reden mit demokratischer Substanz halten, rechnen nur noch und fragen, wo wir noch ein bisschen einsparen können, und sehen vielleicht das andere Hauptargument, wie viele Menschen hier sitzen und an der Willensbildung mitwirken, überhaupt nicht mehr. Ich wollte Ihren Blick nur noch einmal auf diese Problematik richten.
Nun sind wir bei 83 angekommen. Die Zielzahl war 80. Die Gründe sind hier dargelegt worden. Es ging in der Tat auch um den sechzehnten Abgeordneten in Bremerhaven, und daraus ergibt sich dann dieses Rechenbeispiel. Ich meine, das ist auch verfassungsrechtlich vertretbar. Es kann ja sein, dass es noch einmal eines Tages überprüft wird, aber ich denke, wir gehen in guten Schuhen.
Wir haben hier die besondere Situation Bremerhavens als zweite Stadt in diesem Zwei-Städte-Staat. Die regionalpolitische, aber auch historische Bedeutung Bremerhavens ist hinreichend berücksichtigt, und es hat auch in der Vergangenheit schon Ungleichheiten bei der Stimmgewichtung gegeben, die sogar vom Staatsgerichtshof schon einmal überprüft und nicht beanstandet wurden. Ich denke, da muss man sich nicht so sehr aufregen. Wir legen hier etwas vor, was durchaus verfassungsmäßig in Ordnung ist.
Kurz noch einmal etwas zum Wahlrecht, weil der Kollege Teiser da einige Ausführungen gemacht hat! Der Kollege Dr. Kuhn ist darauf nicht mehr eingegangen.
In Ihrer Eingangsrede nicht! Wir haben ja, insofern sind die Grünen und die SPD da einer Auffassung, im Ausschuss gesagt, wir hätten es, auch entsprechend unseres Wahlprogramms, sinnvoll gefunden,
das Wahlalter auf 16 zu senken. Jetzt aber, Herr Kollege Teiser, muss ich etwas richtig stellen, oder ich habe Sie völlig falsch verstanden: Es ging bei uns nur um das aktive Wahlrecht, nicht um Kandidatenaufstellung und das passive Wahlrecht. Da ist im Ausschuss diskutiert worden, dass die CDU kein Splitting will zwischen dem Alter für das aktive und das passive Wahlrecht, also der Möglichkeit, zu wählen und gewählt zu werden.
Ich darf aber einmal darauf hinweisen, dass dieser Unterschied, mit 18 Jahren wählen zu können und im Gegensatz dazu in einem bestimmten Alter gewählt werden zu können, seinerzeit von der CDU im Deutschen Bundestag vorgeschlagen worden ist. 1970 gab es eine Verfassungsdebatte über das Wahlalter, das war damals noch bei 21. Dann hatte man überlegt, das aktive Wahlalter auf 18 Jahre herunterzusetzen. Man wollte aber auf keinen Fall, auch seitens der CDU/CSU seinerzeit nicht, mit 18 schon die Wählbarkeit einführen. Seitdem steht in Artikel 38 des Grundgesetzes nicht etwa, das Wahlalter ist schlicht 18, sondern es wird differenziert. Es steht darin, dass man mit 18 wählen kann, aber gewählt werden kann man erst mit dem Alter, in dem die Volljährigkeit eintritt.
Das heißt, man stellt die Wählbarkeit, nämlich wenn man auch in einem Parlament Verantwortung übernimmt, auf die Volljährigkeit ab. Das ist auch unser Argument, und übrigens auch das der Grünen, wenn man sagt, man kann nicht nichtgeschäftsfähig sein und gleichzeitig Gesetze beschließen, die dann für denjenigen gar nicht verbindlich sind, weil er gar nicht volljährig ist. Das geht nicht! Dieses Splitting wäre also durchaus sinnvoll gewesen. Diesem Vorschlag haben Sie sich aber leider doch entzogen und ihn nicht mitgemacht. Ich denke aber, er bleibt in der Debatte und wird eines Tages sicherlich, wenn auch nicht mehr in dieser Legislaturperiode, Gesetz werden.
Die letzte Anmerkung noch einmal zu dem Kollegen Dr. Kuhn: Fünfprozentklausel! Ich wurde doch etwas irritiert, als Sie nun plötzlich auf das Ausland hingewiesen haben, da kenne man das nicht. Ich weiß gar nicht, ob Sie die Presse jetzt über die letzte italienische Wahl verfolgt haben. Da ist ja nun lange die Debatte geführt worden. Man soll ja an sich nicht von italienischen Verhältnissen sprechen, ich fühle mich Italien sehr verbunden, nur hat man da nun endlich die Vierprozentklausel eingeführt, weil man nämlich die Nase von den chaotischen Wahlen gestrichen voll hatte.
Dort wird zurzeit auch diskutiert, die Vierprozentklausel auf Gemeindeebene ebenfalls einzuführen, weil es mit den kleinen und Kleinstparteien dort ein völliges Chaos gibt. Das heißt, es wird dort, übrigens auch in der Presse, das Vorbild der Bundesrepublik Deutschland immer wieder erwähnt, sie hätte ein vernünftiges Wahlrecht, das zu stabilen Mehrheits- und Regierungsverhältnissen führt. Wohin es
Ich denke, rechtlich ist es ja auch ohnehin unproblematisch. Wir wollen auf keinen Fall – es geht ja auch um die Landesebene, weil wir das hier nicht trennen können – Ihrem Antrag, hier die Fünfprozentklausel abzuschaffen, zustimmen. Das wäre rechtlich übrigens auch möglich, so wie sie nicht unzulässig ist, wäre es genauso möglich, die Fünfprozentklausel abzuschaffen. Sie ist nicht zwingend vorgeschrieben. Wir müssten die Verfassung ändern und das einfache Recht, aber wir lehnen das ab, weil wir es politisch für nicht sinnvoll halten, hier Kleinund Kleinstparteien hineinzubekommen.
Ich sage es auch ganz offen, Bremerhaven beschert uns trotz der Fünfprozentklausel immer noch die DVU. Ich wäre froh, wenn die auf jeden Fall draußen bleiben würde, wenn wir nicht diese Besonderheit nun ausgerechnet in Bremerhaven hätten, und dann hätten wir sie nämlich auch noch hier in Bremen. – Schönen Dank!