Herr Präsident, meine Damen und Herren! Durch die Osterweiterung der Europäischen Union ab zirka 2005 drohen Westeuropa und speziell Deutschland eine Einwanderungsflut gigantischen Ausmaßes und enorm steigende Arbeitslosigkeit. Mindestens fünf Millionen Jobsuchende werden durch die EU-Osterweiterung nach Deutschland kommen. Das zumindest weist eine Studie des Münchener Wirtschaftsforschungsinstituts IFO aus. Die Forscher erwarten, dass in den ersten 15 Jahren eventuell auch mehr als fünf Millionen Zuwanderer nach Deutschland kommen werden, sollte die volle Freizügigkeit für Arbeitskräfte gelten.
Meine Damen und Herren, hinzu kommen nach dem EU-Beitritt noch einmal rund eine viertel Million Grenzpendler – zirka 200 000 Polen, zirka 50 000 aus der Tschechei –, die dann täglich oder wöchentlich im Bayerischen Wald, in Dresden, Brandenburg oder sonst wo arbeiten werden. Zu viel steht auf dem Spiel, als dass man dieses Problem missachten könnte, so heißt es warnend in dem 360-Seiten-Papier der Wissenschaftler.
Gefördert wird der Massenzustrom, laut Vorhersage von IFO-Chef Hans-Werner Sinn, nicht nur durch die im Vergleich zu Osteuropa höheren Löh
ne in Deutschland, sondern auch durch künstliche Wanderungsanreize, die der deutsche Sozialstaat schafft. Weiter heißt es, der deutsche Staat übe für Arbeitskräfte mit geringer Qualifikation oder Bauarbeiter mit Billiglöhnen eine Magnetwirkung aus. Meine Damen und Herren, durchgreifende Maßnahmen seien erforderlich, um ein erhöhtes und verzerrtes Wanderungsvolumen, das zu einer Erosion des Sozialstaates führe, von vornherein abzuwehren, empfiehlt das IFO-Institut. Meine Damen und Herren, diese Tatsache können Sie doch nicht einfach so ignorieren! Darüber hinaus muss sich Deutschland, laut einer 1998 erstellten Uno-Studie, infolge der EU-Freizügigkeit sogar auf etwa zehn Millionen osteuropäische Zuwanderer gefasst machen, denn nach dem Uno-Bericht beabsichtigen zum Beispiel fünf Prozent Rumänen und Tschechen, zehn Prozent der Ungarn und 15 Prozent der Polen nach Deutschland einzuwandern, und darüber hinaus bekunden noch mehr sich nur für einige Jahre in Deutschland niederzulassen. Meine Damen und Herren, laut IFO-Angabe kommt auf die Deutschen ein Abschöpfungsvolumen in Milliardenhöhe zu. So heißt es etwa, unter dem Strich schöpfe ein durchschnittlicher Zuwanderer jährlich mindestens 4600 DM mehr an staatlichen Leistungen, einschließlich der Vorzüge aus der vorhandenen sozialen Infrastruktur ab, als er an Steuern zahlt. Als Untergrenze müssen also – ich formuliere das einmal langsam, damit es auch jeder mitbekommt – 4,6 Milliarden DM Abschöpfung auf Kosten und zu Lasten des deutschen Gemeinwesens pro Million Zuwanderer und Jahr erwartet werden. Als Folge dürften die Einheimischen mit einem Sozialabbau in allen Bereichen beglückt werden, das kann ich Ihnen jetzt schon einmal sagen, der sogar die asoziale Politik der heute Regierenden noch weit in den Schatten stellen wird.
Meine Damen und Herren, die Schröder-Regierung verteilt Beruhigungspillen. Herr Schröder sagt nun, die Völkerwanderung könne durch begrenzte Maßnahmen bei der Öffnung des deutschen Arbeitsmarktes um einige Jahre in ihrer Hauptstoßkraft gebremst werden. Dass das nicht stimmt und nicht stimmen kann, das habe ich hier eben anhand von tatsächlichen Zahlen und Fakten belegt. Stimmen Sie deshalb dem Antrag der Deutschen Volksunion zum Wohl der Bürger zu! – Ich bedanke mich!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wieder einmal zeigt die DVU ihr wahres Gesicht. Ferngesteuert von der Zentrale in
Um es gleich vorwegzunehmen: Wir lehnen den Antrag der DVU mit Entschiedenheit ab! Er schürt antieuropäische Vorurteile in Deutschland. Ich will das natürlich nicht so einfach im Raum stehen lassen, sondern möchte unsere Ablehnung zu dem Antrag der DVU begründen, weil solch ein Antrag absurd ist! Er berücksichtigt nicht die positiven Ergebnisse der Konferenz von Nizza.
Die Osterweiterung der Europäischen Union ist ein historischer Schritt zur Überwindung der Teilung Europas. Unsere Nachbarn in Mittel- und Osteuropa haben die Einigung von Beginn an mit Sympathie begleitet. Ohne ihre Mithilfe wäre sie wohl erst viel später und unter sehr viel schwierigeren Bedingungen Wirklichkeit geworden.
Niemand in Osteuropa hat von uns Deutschen jemals Dankbarkeit oder eine Gegenleistung eingefordert. Nicht zuletzt deshalb wissen wir um die besondere Verantwortung für das Gelingen des Erweiterungsprozesses. Die Freunde und Partner in Mittel- und Osteuropa können auf uns zählen. Wir begrüßen die Anstrengungen der Beitrittskandidaten, sich durch Übernahme der EU-Richtlinien beitrittsfähig zu machen.
Für die jetzigen EU-Mitgliedsstaaten und auch für Deutschland bedeutet die Osterweiterung eine Chance für weiteres Wirtschaftswachstum und Schaffung neuer Arbeitsplätze. Bereits im nächsten Jahrzehnt wird die demographisch bedingte Verringerung des Erwerbspersonenpotentials in Deutschland spürbar werden. Spätestens dann werden wir dringend Zuwanderung benötigen, um unseren Lebensstandard zu halten, aber auch um unsere sozialen Sicherungssysteme zu finanzieren.
Heute nehmen wir natürlich die Sorgen der Menschen um ihre Arbeitsplätze ernst. Jeder Arbeitslose ist ein Arbeitsloser zu viel.
Wir nehmen die Sorgen der Menschen ernst, die sie aufgrund einer verstärkten Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt durch Zugang von Arbeitskräften aus Osteuropa geäußert haben. Wir begrüßen daher das Bestreben der Bundesregierung, den Anpassungsprozess durch Vereinbarung von flexiblen und differenzierten Übergangsfristen für die Arbeitnehmer sozialverträglich abzufedern.
Übrigens, derartige Übergangsregelungen sind nichts Neues in Europa. Auch bei der Erweiterung der Union um Spanien und Portugal 1985 gab es die Sorge um eine zu hohe Einwanderung billiger Arbeitskräfte. Damals wurde eine siebenjährige Übergangsfrist bis zur Gewährung der vollen Arbeitnehmerfreizügigkeit beschlossen. Der Investitions- und Wachstumsschub, den die Länder durch den Beitritt erhielten, führte dann dazu, dass die spanischen und portugiesischen Arbeitskräfte zu Hause dringender gebraucht wurden als im Ausland. Ich bin überzeugt, eine ähnliche wirtschaftliche Dynamik kann es in Mittel- und Osteuropa nach dem Beitritt wieder geben.
Meine Damen und Herren, redlichkeitshalber will ich nicht verschweigen, dass Deutschland ein traditionell bevorzugtes Zielland für Migranten nicht nur aus Mittel- und Osteuropa ist. Diejenigen, die kommen wollten und sich auch von der Illegalität nicht abschrecken ließen, sind schon da. Es gibt also schon jetzt eine umfangreiche Zuwanderung nach Deutschland, die mit der Osterweiterung nichts zu tun hat. Das Problem besteht völlig unabhängig von der Beitrittsperspektive. Wer die Frage der Zuwanderung im Zusammenhang mit der Osterweiterung stellt, versucht über plumpe Polemik auf der Fährte der Verunsicherung der Bürger auf Stimmenfang zu gehen.
(Beifall bei der SPD, bei der CDU und beim Bündnis 90/Die Grünen – Abg. T i t t - m a n n [DVU]: Abwarten!)
Eine gesteuerte Zuwanderung, wie von der Bundesregierung vorgeschlagen, kann aufgrund des Geburtenrückgangs, der zunehmenden Überalterung der Gesellschaft und des Mangels an hoch qualifizierten Fachkräften sogar wünschenswert sein.
Meine Damen und Herren, wichtig ist, dass wir die Bürgerinnen und Bürger und vor allem die jungen Menschen in einen sachlichen Dialog über Chancen und Risiken der Osterweiterung einbezie
hen. Wie bei allen historischen Umbrüchen, von der industriellen Revolution im neunzehnten Jahrhundert über die Globalisierung im zwanzigsten Jahrhundert bis hin zur aktuellen Osterweiterung im beginnenden einundzwanzigsten Jahrhundert, bringen neue Entwicklungen Veränderungen im Alltag der Menschen mit sich, die zu Verunsicherung führen und Ängste auslösen können. Wir als Volksvertreter haben mehr denn je die Pflicht, die Bürger über die Vorteile und Nachteile des Europa von morgen aufzuklären.
Hierdurch können wir am wirkungsvollsten dem Schüren von Ängsten und Vorurteilen entgegenwirken und die Politik der Ewiggestrigen zunichte machen.
Wir werden den Menschen sagen, dass die Osterweiterung eine historische Chance für Frieden, Freiheit, Sicherheit und Wohlstand in ganz Europa ist. So wie Adenauer der Architekt der Aussöhnung mit unseren westlichen Nachbarn war, so ist die Öffnung der Europäischen Union nach Mittel- und Osteuropa ohne die Friedenspolitik von Willy Brandt nicht denkbar.
Sozialdemokratische Außenpolitik hat den Grundstein dafür gelegt, dass heute in Europa zusammenwachsen kann, was zusammengehört. Vor diesem Hintergrund möchte ich dem damaligen Bremer Senat und den damaligen Fraktionen des Parlaments für den Abschluss der Rahmenvereinbarungen mit Danzig und Riga vor mehr als 20 Jahren danken.
Meine Damen und Herren, es ist beschämend für das Parlament, dass der Vertreter der DVU ein derartig mangelhaftes bremisches Geschichtsbewusstsein hat und dadurch dem Dompteur aus München auf den Leim gegangen ist.
Darüber können Sie sich freuen, aber das ändert nichts daran, dass ich jetzt Tacheles reden werde! Herr Präsident, meine Damen und Herren! Als ich Ihre Rede eben gehört habe, dachte ich zuerst, wir hätten hier eine Märchenstunde. Es wäre der erste Mal, dass Sie die Sorgen und Nöte der Bevölkerung ernst nehmen. Es wäre einmal etwas ganz Neues und etwas ganz Einzigartiges. Ich muss mich immer wieder wundern, wie einfallslos Ihre Gegenreden hier sind und für wie dumm Sie unsere Bürger halten. Der SPD-Kanzler Schröder peilt offenbar schon die Rückkehr seiner Kanzlerschaft an – und seine Rente! Wenn er und andere Verantwortliche für diese Politik stehen und sich aus dem politischen Geschäft stehlen, dann können die Deutschen die ihnen von den heute Herrschenden eingebrockte Suppe voll auslöffeln. Von einem deutschen Deutschland dürfte dann praktisch nichts mehr spürbar sein. Der Traum der Überfremdungspropagandisten und jener, die danach fiebern, den deutschen Nationalstaat ganz auf dem Altar eines EU-Überstaats zu opfern, wäre dann endgültig erfüllt. Diesen Wahnsinn gilt es abzuwehren. Statt einer weiteren unbezahlbaren Osterweiterung entgegenzufiebern, sollten Sie lieber deutsche Interessen schützen, den Nutzen des deutschen Volkes mehren und Schaden von ihm wenden. Deshalb sage ich im Namen der Deutschen Volksunion nein zu einer unbezahlbaren Osterweiterung der EU. – Ich bedanke mich!
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Beratung ist geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Entschließungsantrag des Abgeordneten Tittmann, DVU, mit der Drucksachen-Nummer 15/643 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!