Protocol of the Session on March 22, 2001

(Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Ja, habe ich doch!)

Nein, Sie haben die „taz“ gelesen!

(Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Nein, ich habe die Pressenotiz gele- sen! Ich lese doch alles, was Sie sagen!)

Das ist nett! Schön, dass Sie das von den Lippen ablesen können! Herr Kuhn, es ist von auswärtigen Gutachtern festgestellt worden, dass der Ansprechpartnervollzug, wie er in Bremen praktiziert war, sich offenbar nicht bewährt hat. Jedenfalls ist er den Beweis schuldig geblieben, dass er besser ist als der Strafvollzug, der in der Republik in den anderen 15 Bundesländern durchgeführt wird. Genauso ist das gelaufen!

Dann, darf ich Ihnen sagen, kommt das Gutachten zu dem Ergebnis, dass es zu Schnittstellenproblematiken zwischen Judit Bremen und dem Strafvollzug kommt. Das ist ein Problem, das geben wir auch zu. Das ist ganz normal, wenn Sie in einen großen Betrieb eine neue Einheit einbauen. Ich persönlich führe dies teilweise auf das bremische Personalvertretungsgesetz zurück, das ja bekannt und bei der Umsetzung neuer Sachen problematisch ist, leider auch zum Leidwesen der Beschäftigten im öffentlichen Dienst. Nach der ausführlichen Berichterstattung in der „taz“ verhindert es ja sogar die Qualifizierung von Mitarbeitern des öffentlichen Dienstes.

Dann ist in dem Gutachten eine Sache herausgearbeitet worden, die auch Sie und die SPD überrascht hat, uns genauso, dass offenbar im Vergleich zu anderen Bundesländern überproportional viele Mitarbeiter des höheren und gehobenen Dienstes im Justizvollzug eingesetzt sind. Das sind einige Ergebnisse von auswärtigen Gutachtern, damit haben wir überhaupt nichts zu tun, auswärtige Gutachter machen uns das deutlich! Nun müssen wir uns vor einem hüten, meine Damen und Herren. Dieses sehr teure Gutachten muss wenigstens von der Verwaltung abgearbeitet werden, es muss Stellung bezogen werden! Die Behörde, die senatorische Dienststelle, besteht aus 35 Mitarbeitern einschließlich Poststelle und Registratur. Wir von der CDU-Fraktion befürchten, dass die Erteilung eines Auftrags nach dem Vorschlag der Fraktion der Grünen die Chance gibt, das Gutachten zu verwässern, und das wollen wir nicht. Auch gibt es der Dienststelle die Chance, aus der Sache auszusteigen. Wenn wir den Antrag der Grünen befürworten würden, gäbe es die Chance des Einstiegs in den Ausstieg, und die sonst von mir sehr geschätzte Kollegin Frau Lutzebäck hat das auch schon formuliert, in Bremerhaven, vielleicht bleibt alles so, wie es ist.

Meine Damen und Herren, das ist nicht die Position der CDU-Fraktion. Nur, nachdem wir die Abläufe im Bundesland Bremen kennen gelernt haben – das Bundesland Bremen besteht ja aus zwei Städten, wie wir alle wissen –, muss man natürlich wissen, dass man sich nicht mit dem Ergebnis des Gutachtens zufrieden geben kann, das sagt, in Oslebshausen können wir ja, wenn wir das Gelände gut verkaufen, ein Gewerbegebiet machen. Mit den Kapazitäten in Bremerhaven wissen wir nichts anzufangen, und die senatorische Dienststelle lässt verlauten: Wir auch nicht. Das kann passieren!

Nur, Sie gestatten, dass man sich einmal darum kümmert. Mit zwei Unternehmen ist einmal gesprochen worden. Das eine Unternehmen hat gesagt, ein Neubau eines Gefängnisses, egal welcher Größenordnung, in Bremen stellt für dieses Unternehmen kein Problem dar, das andere Unternehmen ist bereit, sich um die Immobilie in Bremerhaven zu kümmern.

Das ist die einzige Chance, meine Damen und Herren, im Bundesland Bremen mit zwei Städten, wenn es gelingt, die Immobilie in Bremerhaven, in der der Justizvollzug untergebracht ist, angemessen zu verwerten! Nur dann wird es möglich sein, und zwar bei Verwertung mit gleichzeitiger Schaffung neuer Arbeitsplätze in Bremerhaven, nur dann haben wir überhaupt eine Chance, das Gutachten bis zum Ende mit einem Neubau einer Haftanstalt in Bremen umzusetzen.

Eine Sache möchte ich noch sagen, Herr Kuhn, die beste Haftvermeidung, das sagt auch Herr Pfeiffer in Niedersachsen – er wird jedenfalls in der heutigen Zeitung so zitiert –, ist die Prävention. Es tut mir Leid, das sage ich noch einmal, ich will das auch nicht immer verbessert wissen, Herr Pfeiffer fordert: „Bereits in Elternhaus und Schule muss die Vermittlung von Werten vorangetrieben werden, und über richtiges und falsches Verhalten im Leben debattiert werden.“

(Beifall bei der CDU)

Ich glaube, dem kann man nicht widersprechen.

(Zurufe vom Bündnis 90/Die Grünen)

Entschuldigen Sie, ist daran etwas auszusetzen?

(Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Nein!)

Ich glaube, wenn wir den Ansatz, Haftvermeidung und Strafvermeidung sind am besten mit Prävention zu begegnen, ernst nehmen und die vielfältigen Angebote in Bremen sehen, ehe es zur Haftvollstreckung kommt, meine Damen und Herren, darauf hat der Kollege Isola zu Recht hingewiesen, sind wir auf einem guten Weg.

Sie werden Verständnis haben, dass aus den vorgenannten Gründen die CDU-Fraktion den Antrag der Grünen nicht unterstützen wird. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der CDU)

Als Nächster erhält das Wort Herr Bürgermeister Dr. Scherf.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich verstehe die Debatte so, dass diese Initiative des Kollegen Kuhn hier heute keine Chance hat,

(Abg. Frau D r. T r ü p e l [Bündnis 90/ Die Grünen]: Aber nur heute!)

sondern dass wir uns, wie auch im Rechtsausschuss verabredet, darauf konzentrieren, eine Antwort auf die vorgelegte Gutachtenarbeit von Roland Berger zu entwickeln. Wir sind dabei, das ist mühselig. Es ist richtig, dass ich das im Senat durchsetzen muss, denn allein geht es nicht. Wir müssen die Zustimmung der Kollegen haben. Es muss auch in die mittelfristige Finanzplanung hineinpassen. Wir müssen es auch mit Niedersachsen abstimmen, denn wir wollen es nicht allein machen, sondern wir wollen einen eng mit Niedersachsen abgestimmten Vollzug organisieren. Das gilt für die vorhandenen Einrichtungen. Wenn wir dann wirklich diese Anregungen aufnehmen, etwas Neues zu bauen, dann muss auch das mit Niedersachsen abgestimmt werden. Ich weiß, dass die Sache noch nicht steht, dass wir noch arbeiten müssen und dass wir, bevor wir damit anfangen, dem Rechtsausschuss und damit auch dem Parlament, Rechenschaft schulden. Wir werden das machen. Ich finde, wir sollten jetzt nicht viel Zeit verlieren, an dieser Arbeit möglichst zu Ergebnissen zu kommen. Darum teile ich die Einschätzung, die Herr Lutz und Herr Isola eben geäußert haben. Sie entsprechen meiner eigenen Einschätzung.

(Beifall bei der CDU)

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Dr. Kuhn.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kollege Isola, ich unterstelle einmal, dass Sie begriffen haben, worum es geht! Es geht doch schlicht und einfach darum, dass die Unterstellung von Roland Berger, wir bräuchten im Land Bremen 700 Haftplätze, dass wir der Auffassung sind, bevor man die Debatte führt, ob man das in einem alten Bau weitermacht, ob man einen teilweisen Neubau macht und so weiter, dass man sich die Frage stellt, ob diese Zahl eigentlich richtig ist, ob diese Unterstellung, man bräuchte 700 Haftplätze, richtig oder falsch ist.

Wir haben angeregt und uns die Freiheit genommen zu sagen, man muss sich vielleicht gleichzeitig die Frage gründlich überlegen, was man eigentlich justizpolitisch will, wohin man in der Frage von Haftplätzen will, was man machen kann mit Abbau von Haftplätzen, so viel Geld zu sparen, dass man erstens andere alternative Dinge ausbauen und forcieren kann und trotzdem noch Geld gespart hat. Das ist unser Ansatz gewesen.

Wenn Sie dann sagen, die Diskussion ist irgendwie zu früh, Sie müssen das erst im Senat bereden! Das ist gar nicht die Frage des Senats, hier im Haus muss debattiert werden, welche justizpolitische Richtung wir wollen. Dass Sie jetzt keine Lust darauf haben, mit ihrem Koalitionspartner zusammen etwas zu machen, kann ich verstehen, aber das ist nicht unser Problem! Wir halten es für falsch, jetzt einfach hinzunehmen, dass es 700 Plätze sind.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Herr Isola, Sie selbst sagen in Ihrer Rede, am Ende können es vielleicht weniger sein. Uns interessiert die Frage, welche Debatte wir organisieren müssen, damit wir zu einer einigermaßen verlässlichen Aussage kommen. Nicht mehr und weniger haben wir vom Senat angefordert, als dass er dazu, und das traue ich ihm ja zu, einen fundierten Beitrag zu der Einschätzung der Sache liefert, wie groß die Zahl der notwendigen Haftplätze ist! Mehr wollten wir nicht.

Sie oder ihr Koalitionspartner haben offensichtlich gegenwärtig zu einer solchen justizpolitischen Reformdebatte keine Neigung, nicht den Atem oder wie auch immer. Das müssen wir zur Kenntnis nehmen, deswegen bleibt es dennoch richtig. Denn, wenn man so auf die Mark schauen muss wie der Justizsenator und insgesamt der Senat, dann muss man sich überlegen, ob man solch ein neues oder altes Ding für 700, 600 oder 500 Plätze baut! Das ist unser Ansatz. Wir sind der Auffassung, es geht auch mit weniger. Wir werden uns mit ihrer Unlust mit Sicherheit nicht abfinden!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als Nächster erhält das Wort der Abgeordnete Isola.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte noch einmal kurz darauf eingehen. Herr Dr. Kuhn, ich glaube, Sie bauen jetzt falsche Fronten auf. Sie haben eben selbst das Argument gesagt, aus welchem Grund der Senat schon ein Interesse daran haben müsste, die Zahl der Haftplätze herunterzufahren: nämlich schlicht aus Haushaltsgründen! Natürlich wird man jetzt bei der Über––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

prüfung im Senat darüber nachdenken, ob es denn 700 Plätze sein müssen. Das ist doch die erste Frage, wenn man pro Haftplatz rund 200 000 DM aufwenden muss. Können es denn nicht auch 550 sein, wie es Roland Berger in seinem Gutachten bereits vorgeschlagen hat, nachdem ich mir erlaubt hatte, in dem Gespräch mit dem Gutachter zu sagen, nun lasst doch bitte wenigstens die JVA am Fuchsberg stehen, sie funktioniert doch? Sie ist auch gerade da richtig.

Natürlich wird es weiter ein Interesse sein, auch von uns selbstverständlich, zu sagen, trimmt die Kosten, indem ihr die Haftplätze weiter herunterfahrt und, wo möglich, den einen oder anderen Haftvermeidungsmaßnahmeausbau, der immer billiger ist. Wir geben pro Tag bei der Bewährungshilfe pro Proband fünf bis sieben DM aus, das sind Buchungskosten, und für einen Gefangenen geben wir rund 150 bis 200 DM aus. Daran sieht man schon die Dimension.

(Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grü- nen]: So ist es!)

Inzwischen ist doch klar, dass hier sauber gerechnet wird, man will es herunterfahren und damit nähern wir uns an. Das ist doch überhaupt kein Widerspruch. Ich denke einmal, da werden wir uns auch im Ausschuss wieder treffen. Das sind nicht die Fronten.

Meine Angst, das habe ich formuliert – –.

(Zuruf vom Bündnis 90/Die Grünen)

Ach, die CDU ist doch nicht daran interessiert, den Preis hochzutreiben!

Meine Angst war eine ganz andere: Wir machen die JVA Blockland dicht und schaffen die Jugendlichen in die alte JVA Oslebshausen, bauen dort einen kleinen Anbau an, und das wäre es. Das können wir nicht mitmachen, das ist auch eindeutig. Da hat aber auch Bürgermeister Scherf erklärt, das ist die Position, insofern steht er hinter der Verzahnung dieser beiden Stufen.

Ich hoffe, dass auch die Finanzpolitiker jetzt konstruktiv in die Debatte einsteigen, damit hier etwas Vernünftiges passiert. Um eines noch einmal zu sagen, das noch nicht deutlich geworden ist, um mittel- und langfristig erstens einen besseren und zweitens aber auch einen kostengünstigeren Vollzug zu machen. Das steckt doch hinter diesem Konzept, da wird es schlüssig. Da werden wir den Senat mit allen Kräften, die uns zur Verfügung stehen, unterstützen. – Schönen Dank!

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Beratung ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Wer dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit der Drucksachen-Nummer 15/626 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür Bündnis 90/Die Grünen)

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen SPD und CDU)

Stimmenthaltungen?