Wir glauben eher, dass so etwas Bevölkerung vertreibt und nicht gewinnt. Man muss schon ins Grübeln kommen, wenn dasselbe Argument für gegensätzliche Positionen kommt. Jetzt spiele ich auf den Redebeitrag von Herrn Pflugradt an. Auf der einen Seite war es so, wir wollen 40 000 Einwohner gewinnen, deshalb müssen wir Wohnungsbauflächen ausweisen. Jetzt stellen wir auf der anderen Seite fest, es wandern sehr viele ab, und was glaubt die Öffentlichkeit, was das Rezept dagegen ist? Wohnungsbauflächen ausweisen! Das ist schon einigermaßen sonderbar.
Nun schrumpft die Bevölkerung in Bremen und besonders in Bremerhaven. Politik steckt sich zum Glück neue Ziele, bescheidenere und realitätstauglichere. Dieses neue Ziel, für das auch Grüne eintreten werden, nämlich den Abwanderungstrend umzukehren, wird die Politik hier hoffentlich dazu bringen, sich ein bisschen neu zu justieren, wie das ja neuerdings bei der SPD heißt. Vielleicht kann es wirklich gelingen, Bremerinnen und Bremern wieder stärker die Attraktivität unserer beiden Städte deutlich zu machen, sie zu bewegen, hier zu bleiben.
Das heißt aber auch, dass Politik sich wieder stärker als in der Vergangenheit angewöhnen muss, anstatt auf großen Sphären Ideologie zu verbreiten, auf die Wünsche der Bevölkerung einzugehen, ihre Bedenken und Sorgen ernst zu nehmen, nicht die Angst der Leute um ihre Stadtteile abzubürsten, wenn sie sich von Verkehrslärm belästigt fühlen oder vielleicht sogar, man höre und staune, ihre Kleingärten behalten wollen.
Nur diese Politik kann es in der Zukunft bringen, dass man sogar um neue Bremerinnen und Bremer wirbt, und zwar zusätzlich zu dem Arbeitsplatzargument, das Herr Sieling hier schon gebracht hat. Dieser Ansatz ist also richtig, schade, dass Sie die Initiativen der Grünen, von denen viele ein besseres Bildungsangebot, verbesserte Bedingungen im Kindergarten, eine grünere Stadt, einen Ausbau der Kulturförderung beinhaltet haben, regelmäßig ablehnen. Das waren Anträge, die darauf zielten, den Standort so attraktiv zu machen, dass man eben nicht nur um wirtschafts- und finanzkraftstärkende Wirtschaftsinvestitionen wirbt, sondern auch sich darum kümmert, wie sich eigentlich Leute in unserer Stadt fühlen und ob sie vielleicht Gründe vorfinden, nach Bremen zu kommen.
Es ist nicht zu spät für eine neue Ausrichtung der Politik. Keine Erklärungen allerdings werden nicht reichen, ebenso wenig wie das ständige Herunterbeten, dass neue Wohnungsbauflächen unverzichtbar sind. Bremen hat städtische Flächen für über
1000 Wohneinheiten, Reihenhäuser, frei stehende Einfamilienhäuser und Mietwohnungen, große weite Reserven in den Hafenrevieren, darüber haben wir ja gestern schon gesprochen, und weitere Reserven bei privaten Investoren, insbesondere bei den kommunalen Wohnungsbauunternehmen.
Der Senat geht selbst davon aus, dass in BremenStadt Baulücken für 560 Einfamilienhäuser und 3226 Mehrfamilienhäuser zur Verfügung stehen. Also brauchen wir keine neuen Wohnungsbauflächen, und da, wo wirklich neu gebaut werden muss, vor dem Hintergrund, ich sage es noch einmal, sinkender Bevölkerungszahlen, brauchen wir keine neuen Flächen auszuweisen, sondern da kann man den bewährten Weg der Innenentwicklung gehen. Das ist ein Erfolgsprogramm, in Ampelzeiten angefangen, und hat auch viele Vorteile, auch soziale Vorteile, weil es leichter ist, in diesen Gebieten diese Infrastruktur sicherzustellen.
Es geht um die Frage, wie man es jetzt eigentlich schaffen kann, dass Bremen eine Stadt wird, von der Leute sagen, ich möchte gern da wohnen, ich bin vielleicht stolz, in Bremen zu wohnen, ich finde, das ist eine tolle Großstadt.
Ja, das habe ich mir schon gedacht! Ich bin stolz, in Bremen zu wohnen, ja, weil das eine schöne Stadt ist!
Wie kann man es eigentlich hinbekommen, dass Leute hier gern wohnen, dass sie sagen, ja, das ist eine weltoffene Stadt, anderen empfehlen, nach Bremen zu ziehen? Dann muss man als Allererstes eine Politik machen, die eben nicht nur auf wirtschaftsförderndes Klima setzt, sondern die ein bevölkerungsfreundliches Klima verbreitet.
Sehen wir uns einmal an, wie das Stadtmarketing in Bremen eigentlich aussieht! Es hat überhaupt noch nicht entdeckt, dass Bremen eine Stadt ist, die davon lebt, dass hier Menschen wohnen. Da kommen Personen vor, ab 150 000 DM beginnt da sozusagen erst der wichtige Konsument, und Kinder kommen da überhaupt nicht vor. Um Familien werben wir gar nicht, und das unterscheidet uns eben von Oyten. Aber auch wenn man in andere Länder sieht, in andere Großstädte, erkennt man, sie haben viel früher als wir und auch erfolgreicher entdeckt, dass man eben auch um Familien werben muss. Bremen wirbt um Touristen!
Der Deutsche Städtetag sagt, Städte brauchen Familien, denn die Kleinen von heute sind die Großen von morgen. Es hat keinen Zweck, immer nur
so zu tun, als bräuchten wir hier wirtschafts- und finanzkraftstärkende Investitionen und Tourismus, sondern man muss gezielt eine familien- und bevölkerungsfreundliche Politik machen. Das schafft man nur, indem man endlich aufhört, konsumtive Ausgaben, nämlich Ausgaben für Jugendhilfe, für Kindergärten und Spielplätze, für Schulen, für Fortbildung, für Grünpflege und für den öffentlichen Personennahverkehr, zu verteufeln. Das sind in aller Regel gerade die Ausgaben, die über die Lebensqualität in den Stadtteilen entscheiden.
Eine einseitig auf Investitionen ausgerichtete Politik trifft nicht die Bedürfnisse der Bevölkerung. Über die konsumtiven Bereiche fegt eine Sparrunde nach der anderen und geht allen Beteiligten schwer auf die Stimmung. Ausstrahlung gewinnt Bremen so ganz bestimmt nicht.
Es geht also in der Tat um eine Neuausrichtung der Politik, in der haushaltsrechtliche Investitionen nicht per se gut und konsumtive Ausgaben zu bekämpfen sind. Beide Bereiche müssen bewertet werden: Stärken sie die Wirtschafts- und Finanzkraft, schaffen sie Arbeitsplätze, weisen sie Bremen als lebenswerte, kinderfreundliche und zukunftsträchtige Stadt aus? Die Anzahl der Familien, die in Städte ziehen, weil es ein gutes Bildungsangebot zum Beispiel gibt, wird steigen. Man kann auch zum Beispiel gerade in den Vereinigten Staaten sehen, dass das mittlerweile wichtige Standortfaktoren sind.
Jetzt werden wir ja einmal sehen, ob das, was Sie hier so erzählt haben, auch in der Öffentlichkeit als Beschlüsse der SPD verkünden, in den Haushaltsberatungen ein bisschen Früchte trägt. Bisher hören wir viele Worte, die Taten – –.
Ich will noch einen Gedanken zu Bremerhaven sagen! Da ist der Bevölkerungsschwund noch erheblich dramatischer als in Bremen, und da, glaube ich, ist die Landespolitik aufgefordert, den Standort Bremerhaven zu unterstützen. Das stellen wir uns unter anderem so vor, dass das Wohngebiet am Neuen Hafen unterstützt werden soll. Wenn man sich ansieht, dass 80 Prozent aller Mitarbeiter des AWI, des Theaters und der Hochschule nicht in Bremerhaven leben, dort aber arbeiten, dann kommt man auf die Idee, dass die wohnortnahen Dienstleistungen in Bremerhaven unbedingt verbessert werden müssen, und die Landespolitik muss Bremerhaven dabei unterstützen.
Gewoba nicht, aus welchen Gründen auch immer, größere Mengen an Wohnungen verkauft, denn das wird nämlich in Bremerhaven mutmaßlich dazu führen, dass einige Stadtteile noch weiter geschädigt werden und unter die Räder kommen. Ihren Anträgen, die Sie hier heute gestellt haben, stimmen wir zu, weil das nämlich, glaube ich, schon der Versuch einer Neujustierung der Politik ist. Das hat Herr Sieling auch gesagt. Sie sind also der Versuch, auch etwas anderes zu machen und stärker auf Standortfaktoren insgesamt zu achten. Ein bisschen schmunzeln musste ich bei Ihrer Berichtsbitte zur mittelfristigen Globalplanung. Hier hatten wir ja gerade bei den letzten Haushaltsberatungen einen Antrag gestellt, dass so etwas gemacht werden soll, damit Politik verlässlichere Planungsdaten hat, wie es eigentlich in den Stadtteilen mit der Bevölkerung weitergeht. Das haben Sie natürlich abgelehnt, jetzt bekommen die Grünen vielleicht ihre Globalplanung doch noch. Eine letzte Bemerkung möchte ich gern zur Frage der Zuwanderung machen! Eine sinkende Bevölkerungszahl ist ein europaweites Problem, kein Problem von Bremen allein. Ich glaube, es ist wichtig, das hat Herr Sieling auch schon gesagt, da sind die Grünen mit der SPD auch einer Meinung, dass Politik etwas dagegen tun kann, aber dass da nicht alle Bäume in den Himmel wachsen. Zuwanderung heißt, sich klar zu machen, dass bei 100 000 Zuwanderungen pro Jahr im Jahr 2050 die Bevölkerung in Deutschland 20 Prozent niedriger sein wird als jetzt, und wenn 200 000 Zuwanderer kommen, wird die Bevölkerung 15 Prozent niedriger sein. Also, auch bei großen Mengen an Zuwanderung wird die Bevölkerung in Deutschland sinken. Das ist eine Herausforderung für die Politik, wie wir sie noch nicht gekannt haben, das heißt nämlich Rückbau in einigen Bereichen und nicht immer weiteres Wachstumsszenario. Wir wünschen uns, dass es nicht nur die Erkenntnis gibt, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist, sondern dass Politik es auch hinbekommt, das zu begrüßen, zu fördern und die Politik danach auszurichten. Das allerdings werden wir auch in Bremen machen müssen. Ob Sie das als große Koalition hinbekommen, daran habe ich meine Zweifel, aber wollen wir einmal sehen!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte doch auf einige Argumente noch einmal eingehen, die hier in der Debatte gebracht worden sind. Frau Linnert, Sie haben davon gesprochen, wir hätten Ihren Initiativen zustimmen sollen. Wenn wir
Ihren Initiativen zugestimmt hätten, dann hätten wir keine Hemelinger Marsch. Wenn wir Ihrer Initiative zugestimmt hätten, dann hätten wir weder BorgfeldOst noch Borgfeld-West.
(Abg. Frau L i n n e r t [Bündnis 90/Die Grünen]: Das stimmt nicht! Borgfeld haben wir zugestimmt! Jetzt kommen wieder Hel- muts Erzählungen!)
Wenn wir Ihrer Initiative zugestimmt hätten, hätten wir nicht Brokhuchting. Wenn wir Ihrer Initiative zugestimmt hätten, würden wir den Space-Park nicht bekommen. Wenn wir Ihrer Initiative zugestimmt hätten, würden wir den Büropark Oberneuland nicht gehabt haben. Wenn wir Ihrer Initiative zugestimmt hätten, hätten wir diverse andere Baugebiete in Obervieland nicht gehabt. Wenn wir Ihren Initiativen zugestimmt hätten, hätten wir in verschiedensten Bereichen nicht die Menschen hier in Bremen angesiedelt, sondern sie wären in das Umland abgewandert.
Wenn wir Ihren Initiativen zugestimmt hätten, hätten wir in verschiedenen Bereichen nicht Arbeitsplätze geschaffen. Wir hätten das Ziel, das wir im letzten Jahr erreicht haben, nämlich 8000 zusätzliche Arbeitsplätze zu schaffen, nicht erreicht.
Das müssen wir hier auch einmal festhalten! Sie können nicht immer sagen, wir wollen Arbeitsplätze schaffen, wir wollen die Menschen im Umland erreichen, gleichzeitig wollen wir den Verkehr reduzieren. Das ist ein Dreieck, das so nicht geht.
(Abg. Frau L i n n e r t [Bündnis 90/Die Grünen]: Dass man sich auch anders als mit dem Auto bewegen kann, das ist Ihnen noch nicht aufgefallen!)
Wenn es uns nicht gelingt, die Arbeitsplätze zu schaffen, dann wandern die Menschen eben ab, und dann werden erhöhte Verkehrsprobleme entstehen, weil wir das Umland zersiedeln. Diese Zersiedelungspolitik ist eine falsche Umweltpolitik, denn sie zerstört die Umwelt mehr, als dass sie der Umwelt nützt.
de die Menschen in Bremen auch aus diesem Grund ansiedeln. Herr Nölle hat von den 40 000 Arbeitsplätzen beziehungsweise dem Bevölkerungszuwachs von 40 000 und den 50 000 Arbeitsplätzen in einem anderen Kontext gesprochen. Er hat nämlich gesagt, wenn wir als Bundesland überleben wollen, dann müssen wir eigentlich soundso viele zusätzliche Arbeitsplätze und soundso viel Bevölkerung zusätzlich haben. Dieses Ziel kann ich nach wie vor unterstreichen. Wir müssen möglichst viele Arbeitsplätze hier in Bremen schaffen. Das muss eigentlich unser gemeinsames Ziel sein.
Es wird immer davon geredet, dass wir die Lebensqualität in dieser Stadt verbessern müssen. Diese 8000 Menschen, die da Arbeit und Brot bekommen haben im letzten Jahr, haben auch Familien, und wenn ich das nur mal zwei nehme, dann stelle ich fest, dass gerade 16 000 zusätzliche Menschen in Bremen eine verbesserte Lebensqualität in den letzten Jahren gehabt haben. Wir werden uns jedenfalls bei diesem Ziel nicht beirren lassen, und deswegen gibt es für uns noch nicht die Alternative, die Sie genannt haben, Frau Linnert, was Sie uns als Vorwurf gesagt haben, wir werben um Touristen, und wir müssten uns eigentlich um Familien kümmern.
Für uns ist das keine Alternative. Wir werben um Touristen, um mehr Arbeitsplätze zu schaffen, um Menschen Lohn und Brot zu geben, weil das nämlich eine Stärkung der Lebensqualität ist, wenn wir den Menschen Arbeit geben.
(Beifall bei der CDU – Abg. Frau L i n - n e r t [Bündnis 90/Die Grünen]: Und die Abwanderung passiert weiter! Das ist klar!)
Ich komme wieder zum Stichwort Abwanderung. Nehmen Sie doch bitte einmal die Zahlen! Man muss doch auch einmal schließlich Fakten zur Kenntnis nehmen. Wenn wir die Antwort auf die Große Anfrage ansehen, wie denn die Entwicklung der Baugenehmigungen bei Ein- und Zweifamilienhäusern in Bremen ist und wie sie im Umland ist, dann stelle ich fest, von 1990 bis 1999 wird im Umland das Dreifache an Baugenehmigungen erteilt wie in Bremen. Das hat doch zur Konsequenz, wenn es solch eine Konkurrenz gibt und es eine Zusammenarbeit mit dem Umland nicht gibt, dass die Gemeinden im Umland darauf verzichten, entsprechende Wohngebiete auszuweisen, dann müssen wir eben auch verstärkt solche Wohngebiete ausweisen,
Dass es solch einen Bedarf gibt, sieht man doch daran, wie stark die Umlandwanderung ist. Da brauchen Sie doch nur die Vorlage zu lesen. Wenn Sie es nicht glauben, dann zitiere ich etwas anderes, da heißt es hier: „Der Trend zum Eigenheim wird sich in Westdeutschland bis zum Jahr 2010 verstärken.“ Das schreibt das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung am 20. März 2001. Wir regieren nicht mehr in Berlin, sondern Sie regieren mit den Sozialdemokraten. Das ist aus einer Aussage der Bundesregierung. Wenn das bundesweit gilt, dann gilt das natürlich auch für Bremen.
Der Nachteil, der in der Vergangenheit immer wieder deutlich geworden ist, war, bis zum Jahr 1998 hatten wir doch fast kein einziges bauträgerfreies Grundstück in Bremen anzubieten. Jemand, der individuell bauen wollte, konnte das doch gar nicht, der war doch quasi gezwungen, in das Umland abzuwandern. Deswegen haben wir doch das Programm „Bremer bauen in Bremen“ aufgelegt, deswegen haben wir das mit den bauträgerfreien Grundstücken gemacht.