Für Bremerhaven sind im Bericht nur das Amt für Frauen, Bürgerbeteiligung und Ausländer mit verschiedenen Initiativen genannt, im Bereich des Sozialamtes die Seniorenarbeit, im Kulturbereich die Ehrenamtlichen im Förderkreis des MorgensternMuseums. Ein ausführlicher Bericht des Magistrats Bremerhaven liegt vor. Ich würde mir den gern noch einmal ansehen. Es kann ja auch sein, dass wir Bremer an der Stelle von Bremerhaven etwas lernen können, denn die Bürgerbeteiligung, die hier genannt wird, würde ich gern auch für Bremen mehr stärken.
Verwaltung bürgernäher und bürgeroffener machen! Hier, denke ich, sind wir noch in der Findungsphase. Wir haben viele gute Ideen. Die Sozialzentren sind ein Weg, aber er ist für mich auch noch nicht fest eingetütet. Von daher ist es für mich eine Findungsphase, und für die Bürger sind unsere Bürgernähe und unsere bürgeroffene Art, die wir in den Verwaltungen wollen, noch nicht genügend spürbar. Wir sind auf gutem Wege, was die Beiräte angeht, aber gerade die gewählten Gremien, Beirat, Seniorenvertretung, Elternvertretung, Schülervertretung, brauchen Unterstützung, und es brauchen auch die kleinen einzelnen Bürgerinitiativen, die sich irgendwo bilden, Unterstützung aus den Verwaltungsgremien.
Ein Forum Bürgerengagement kann hier Unterstützung bringen, denn Fördermaßnahmen sind notwendig. Hier gilt auch der Kanzlerspruch für mich: Ohne Moos nix los! Wenn dieses Haus der Meinung ist, Förderung muss sein, sollten wir dies bei den Haushaltsberatungen bedenken. Dann muss zum Beispiel die Jugendverbandsarbeit gefördert und nicht eingespart werden.
Die Jugendbildungsreferenten können dann auch nicht eingespart werden. Wir können nicht Klagelieder singen, die Jugend beteiligt sich nicht, und in diesem Bereich Einsparungen vornehmen.
Die Behauptung, dass die Jugend sich nicht beteiligt, habe ich vorhin schon einmal angesprochen. Wir müssen genauer hinsehen. Ich habe heute Morgen noch in der Zeitung „Theorie und Praxis der Sozialarbeit“ einen Artikel von Heiner Kreub gelesen. Den kann ich hier nur dem empfehlen, der weiterhin glaubt, dass unsere Jugend sich nicht beteiligt. Er spricht davon, dass die traditionellen Bereiche bis hin zum Naturschutz sie nicht mehr ansprechen, dass aber viele Jugendliche sich beteiligen im Agenda-21-Prozess oder in Maßnahmen, die in ihren Stadtteilen persönlich anliegen.
Zwei Sätze noch! Ich möchte heute nicht vergessen, dass die Ehrenamtlichen zum Beispiel in den Gewerkschaften und in den Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretungen auch eine ganz wichtige Rolle spielen.
Frau Dreyer, das ist ja toll, wenn Sie das allein tun, aber ich finde, auch das ist hier noch einmal zu sagen!
Ich habe zum Beispiel gestern von dem Kollegen Jägers gehört, dass es allein bei der IG Bau 500 Ehrenamtliche gibt. Das können wir doch hier einfach einmal benennen, und das gehört mit hier hin.
Wir müssen uns weiter kümmern um die Anerkennungssysteme und Freistellungsregelungen. Ein ganz wichtiger Punkt sind die Versicherungen, denn in den kleinen Initiativen – bei den großen Verbänden sind sie pauschal versichert – gibt es viele Freiwillige, die an keiner Stelle versichert sind. Das ist eine wichtige Maßnahme, die wir zu machen haben.
Schließen möchte ich mit dem Ausspruch von Johannes Rau, den er am 5. Dezember zur Eröffnung des internationalen Jahres gesagt hat: „Man hört, sie sind die Lückenbüßer eines sich zurückziehenden Staates. Nein, wir brauchen sie mehr denn je, wenn unsere Gesellschaft nicht erfrieren soll. Mitmenschlichkeit, Solidarität und geschenkte Zeit, das braucht diese Gesellschaft.“
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich freue mich, dass dieses Thema hier so breiten Raum im Parlament hat, denn es ist ein wichtiges Thema auch für uns alle für die Zukunft. Ich will auf die einzelnen Projekte, die hier ja vielfach schon angesprochen sind, nicht mehr groß eingehen. Ich will vielleicht noch etwas zum Hintergrund und zu den Rahmenbedingungen sagen.
In den vergangenen Jahren haben sich ja die Begrifflichkeiten, mit denen bislang ehrenamtliche Tätigkeiten bezeichnet wurden, sehr verändert. Es gibt da mittlerweile die unterschiedlichsten Begriffe: Ehrenamt, Selbsthilfe, Freiwilligenarbeit, Bürgerengagement. Das mischt sich munter durcheinander. Es werden damit auch etwas unterschiedliche Akzente gesetzt. Letztlich geht es aber immer um denselben Kern, nämlich darum, Bürger und Bürgerinnen übernehmen außerhalb ihrer beruflichen Tätigkeit und außerhalb des rein privaten, familiären Bereichs Verantwortung im Rahmen von Gruppierungen, Initiativen, Vereinen, Organisationen oder Institutionen oder auch als Einzelpersonen. Daher wird zunehmend der umfassende Begriff des bürgerschaft
lichen Engagements gebraucht, und ich denke, er wird sich auch zukünftig durchsetzen. Ich hoffe darauf, dass wir dann auch wieder zu einer einheitlichen Begrifflichkeit zurückkommen können.
Der Umfang dieses bürgerschaftlichen Engagements in Deutschland ist beachtlich. Man ging bis vor kurzem davon aus, dass es sich lediglich um 17 Prozent der Bevölkerung handeln würde, die sich so einbringen. Neueste Umfragen des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Vorfeld des internationalen Jahres der Freiwilligen haben ergeben, dass es 34 Prozent der Bevölkerung sind. Ich finde, das ist ein ganz beachtlicher Anteil, den man sich so, wenn man schätzen würde, vielleicht gar nicht zusammenschätzen würde. Wir haben diesen Teil der Bevölkerung zu hegen und zu pflegen. Wir müssen ihm Rahmenbedingungen schaffen, die ihm bürgerschaftliches Engagement auch ermöglichen und die ihn auch weiter motivieren, solches bürgerschaftliches Engagement auszuüben.
Wir haben in Bremen eine gute Kultur von bürgerschaftlichem Engagement in beiden Städten. Nicht zuletzt deswegen sind wir auch ausgezeichnet worden von der Bertelsmann-Stiftung im Rahmen des Wettbewerbs „Bürgerorientierte Kommune“. Aus diesem Wettbewerb, in dem wir einen zweiten Preis erzielen konnten, ist inzwischen das Netzwerk bürgerorientierter Kommunen mit dem Namen Civitas entstanden, an dem Bremen neben zehn anderen Kommunen beteiligt ist. Das Netzwerk wird bis Herbst 2001 unter anderem auch Vorschläge machen zur Förderung einer lokalen Anerkennungsund Beteiligungskultur.
Der Senat hat den Themenbereich Bürgerkommune in sein Verwaltungsreformkonzept „Neuordnung der Aufgabenwahrnehmung“ aufgenommen und wird der Bremischen Bürgerschaft dazu im Frühjahr 2001 über Umsetzungsschritte berichten. Auch das ist, glaube ich, ein wichtiger Schritt nach vorn, wenn der Senat sich insgesamt mit dem Thema Bürgerkommune sehr umfassend auch in den Strukturen seiner Arbeit beschäftigt.
Nun müssen wir bei einer Verbesserung der Möglichkeiten für Menschen, die sich engagieren wollen, natürlich auch auf deren Motive Rücksicht nehmen. Es haben sich in den letzten Jahren die soziostrukturellen Entwicklungen sehr verändert. Wir haben eine zunehmende Individualisierung zu verzeichnen, es gibt eine Pluralisierung von Lebenslagen, die Wertevorstellungen entwickeln sich weiter, Familien- und Milieustrukturen verändern sich. Das führt natürlich auch zu einer Veränderung der Motivation bei Menschen, die sich für andere engagie
Bürgerschaftliches Engagement wird heute nicht mehr als lebenslange Aufgabe angesehen. Es muss immer auch in die eigene Lebenssituation passen und zeitlich überschaubar sein, ein ganz wichtiges Kriterium für die meisten, die sich heute bürgerschaftlich engagieren. Das Engagement wird auch in Verbindung gesehen zu eigenen Fragestellungen und soll auch genutzt werden, diese eigenen Fragestellungen zu bearbeiten, durchaus legitim, finde ich. Eigene Motive werden dann auch benannt, und wir müssen sie akzeptieren, und letztlich soll Engagement ja auch Spaß machen. Das sagen alle, die in irgendwelchen Einrichtungen, Institutionen arbeiten und beklagen, dass ihnen manchmal wegen der Rahmenbedingungen der Spaß vergeht, was ich dann, wenn ich genau hinsehe, im Detail auch manchmal nachvollziehen kann und woran wir noch zu arbeiten haben.
Freiwillige Tätigkeiten dienen zunehmend mehr auch der eigenen beruflichen Orientierung und der Weiterentwicklung in verschiedenen Feldern, auch das ist nicht zu unterschätzen, zum Beispiel im Feld der Kultur. Ehrenamtliche Funktionen schaffen hier nicht selten die Gelegenheit zur Aufnahme von Beschäftigung in Projekten und Initiativen, sind also auch Einstieg, Türöffner für die Berufswelt. Die Freiwilligkeit der Aufgabe rückt zunehmend mehr in den Vordergrund, ebenso wie der Wunsch, über Rahmenbedingungen auch an den Bedingungen der Aufgabenstellung an sich mitwirken zu können.
Ganz wichtig: Niemand möchte bei seinem Engagement allein gelassen werden. Angebote der Vorbereitung, der Fortbildung und des Austausches werden mittlerweile ausdrücklich gewünscht, und die notwendige Absicherung, auch das ist hier schon angesprochen worden, zum Beispiel über Versicherungen, wird vorausgesetzt. Letztlich gewinnen die persönliche und öffentliche Anerkennung der Tätigkeit zunehmend an Bedeutung. Man möchte nicht benutzt werden, sondern als Partnerin oder Partner akzeptiert werden. Ich finde, das ist Ausdruck eines guten, gewachsenen Selbstbewusstseins all derer, die sich bürgerschaftlich engagieren, und auch das müssen wir pflegen.
Nun ist diese Entwicklung nicht abgeschlossen. Nach wie vor existieren auch viele Formen des traditionellen Ehrenamts nebeneinander und sind für die Gesellschaft ebenso unverzichtbar. Die Unterstützung und Förderung von Bürgerschaftsengagement wird aber auf diese unterschiedlichen und veränderten Motivationen zukünftig Rücksicht nehmen müssen. Die meisten dieser Erwartungen richten sich in diesem Zusammenhang natürlich an die Träger und die Einrichtungen, bei denen freiwilliges Enga
gement stattfindet. Sie sind gefordert, Engagementangebote in überschaubaren Einheiten mit konkreten Projektzielen und zeitlich begrenzt zu organisieren, den Engagierten vielfältige Möglichkeiten der Mitgestaltung zu bieten und natürlich auch für Qualifizierungs-, Einführungs- und Fortbildungsmöglichkeiten zu sorgen.
Außerdem können sich vielfältige Formen der Anerkennung bürgerschaftlichen Engagements entwickeln und umsetzen, wie zum Beispiel durch viele Empfänge, auch wenn das natürlich nicht ausarten darf in zu viel Schulterklopfen, ohne dass dahinter Überzeugung steckt. Aber, ich glaube, das haben wir bewiesen, das hatten Sie auch bestätigt, Frau Linnert, dass Bremen nicht zu solchen Übertreibungen neigt.
Gut, nicht alle in Bremen! Ich zähle mich einmal zu den anderen! Ich glaube, dass wir durchaus einen angemessenen Umgang miteinander pflegen, und das macht sich ja auch darin deutlich, dass sehr selbstbewusst uns ja auch Wünsche und Forderungen genannt werden. Das wäre sicherlich nicht der Fall, wenn es da nicht mittlerweile auch eine sehr vertrauensvolle Basis gäbe.
Die Handlungsmöglichkeiten des Bundes in diesem Zusammenhang sind auch bereits benannt und werden derzeit durch die im Dezember 1999 eingesetzte Enquetekommission des Bundestages zur Zukunft des bürgerschaftlichen Engagements geprüft und entwickelt. Ich bin gespannt auf den Abschlussbericht. Er soll vermutlich ein halbes Jahr vor Ende der Legislaturperiode, also vermutlich irgendwann Anfang nächsten Jahres, vorliegen und unter anderem Regelungsvorschläge für den gesamten Bereich der Auslagenerstattung, der steuerlichen Vergünstigungen und der sozialversicherungsrechtlichen Absicherung enthalten. Ich glaube, wir werden gemeinsam diesen Entwurf kritisch ansehen und bewerten. Ich denke, wir liegen auch in der Bewertung vieler Tatbestände und Sachverhalte nicht weit auseinander.
Die Vereinten Nationen haben nun das Jahr 2001 zum internationalen Jahr der Freiwilligen erklärt. Auch in Deutschland soll in diesem Zusammenhang in diesem Jahr das freiwillige Engagement in ganz unterschiedlicher Weise gefördert werden. Wir in Bremen beteiligen uns natürlich daran. Wir wollen noch mehr werben und potentielle Freiwillige ansprechen. Wir wollen die Interessierten über Möglichkeiten des Engagements beraten. Wir wollen Institutionen beraten, die freiwilliges Engagement anbieten. Wir wollen natürlich die richtige Person in die richtige Tätigkeit vermitteln, das ist ein ganz wichtiger Punkt, und wir wollen begleitende Ange
Wir haben dafür die Freiwilligenagentur, die ist inzwischen eine sehr anerkannte, trägerübergreifende Institution und wird von vielen Stellen auch weit außerhalb Bremens beratend herangezogen. Sie wird bundesweit als vorbildliche Freiwilligenagentur dargestellt und wirkt insbesondere durch ihren sehr engagierten Geschäftsführer an vielen überregionalen Aktivitäten mit, die auch positiv auf Bremen ausstrahlen. Bremen erscheint dabei als eine Hochburg von Selbsthilfe und bürgerschaftlichem Engagement. Das kann uns sicher bundesweit in unserem Ansehen nur nutzen.
Wir haben also viele Dinge eingeleitet, vieles bleibt zu tun. Frau Linnert hatte ja die Debatte genutzt, um auch konkrete Einzeldinge anzusprechen, denen ich natürlich, soweit sie mein Ressort betreffen, nachgegangen bin, vor allen Dingen sofort Ihrem Vorwurf zum Sozialamt Hemelingen.