Protocol of the Session on February 21, 2001

Der Begriff Korruption ist nicht gesetzlich definiert, er ist also für sich kein Straftatbestand. Unter Korruption versteht man diejenigen Verhaltensweisen, bei denen Amtsträger ihre Position und die ihnen übertragenen Befugnisse ausnutzen, sich oder Dritten materielle oder immaterielle Vorteile unter gleichzeitiger Verschleierung dieser Handlungsweisen zu verschaffen. Im Strafrecht kommen nicht nur die klassischen Straftaten im Amt wie Vorteilsannahme, Paragraph 331 Strafgesetzbuch, oder Bestechlichkeit, Paragraph 332 Strafgesetzbuch, sondern auch Delikte wie Betrug, Begünstigung, Strafvereitelung, Urkundsdelikte, aber auch die Abgeordnetenbestechung, die speziell geregelt ist, nämlich in Paragraph 108e Strafgesetzbuch, in Betracht.

Zahlen in der polizeilichen Kriminalstatistik, das sagte mein Kollege bereits, gibt es zurzeit nur für die Jahre 1997, 1998 und 1999. Wenn man dann die Straftatbestände Vorteilsannahme und Bestechlichkeit sieht, dann sind das 1997 20 Fälle, 1998 13 Fälle und 1999 vier Fälle. Daraus kann man schließen, dass die Zahlen in Bremen relativ gering sind. Sie fallen im Vergleich zu Zahlen aus Bund und Ländern nicht aus dem Rahmen. Ich weise allerdings ausdrücklich darauf hin, dass diese Angaben keinerlei Rückschlüsse auf das Dunkelfeld zulassen.

Auf Korruption muss der Staat durch entschiedene Gegenmaßnahmen reagieren. Das Vertrauen der Bürger in die Integrität des Staates als einer der Eckpfeiler unserer Gesellschaft muss sichergestellt sein. Es müssen alle Anstrengungen unternommen werden, um Korruption in jeder Form vorzubeugen und Korruptionsfälle wirksam zu bekämpfen.

Als Beispiele für korruptionsanfällige Bereiche in der öffentlichen Verwaltung gelten die Auftragsvergabe, behördliche Genehmigungen und Kontrollen und Vergabe von Fördermitteln. Dies ist allerdings kein abschließender Katalog. Die von der Polizei getätigten Ermittlungen betrafen in den letzten Jahren Bereiche der öffentlichen Verwaltung in den Segmenten Bau, Marktangelegenheiten, Kfz-Zulassungsstelle und Ausländerbehörde. Außerdem war ein kommunales Krankenhaus betroffen.

Folgende Schwachstellen begünstigen nach meiner Auffassung die Korruption: Missmanagement, fehlende Transparenz des Verwaltungshandelns, unzureichende Kontrollen, schwer verständliche Vorschriften, Kontrolldefizite durch mangelnde Dienstund Fachaufsicht, personenbezogene Schwächen wie zum Beispiel Frust, Unzufriedenheit mit dem Dienstherrn, aber auch als unzureichend empfundene Bezahlung im öffentlichen Dienst oder andere persönliche Probleme.

Für erfolgreiche Korruptionsprävention gibt es kein Allheilmittel. Es muss vielmehr auf die Gegebenheiten der höchst unterschiedlichen staatlichen beziehungsweise kommunalen Aufgabenfelder und auf die jeweiligen Täterprofile abgestellt werden.

Darüber hinaus ist deutlich geworden, dass eine erfolgreiche Korruptionsbekämpfung mehr als eine konsequente strafrechtliche Verfolgung der Täter voraussetzt. Es muss eine wirkliche Ächtung der Korruption in Staat und Gesellschaft sowie ein enger Schulterschluss von Politik, öffentlicher Verwaltung, Wirtschaft und Strafverfolgungsbehörden hinzukommen.

Ich finde, hier ist zunächst auch Politik gefordert. Die Politik als Ganzes, aber vor allem das Verhalten einzelner Politiker dürfte einen erheblichen Einfluss auf Einstellung und Verhalten in der Bevölkerung haben. Solange Politiker selbst Gesetze missachten, um sich persönlich oder die eigene Partei zu bereichern, darf sich keiner wundern, wenn bei einer so vorgelebten Doppelmoral viele so genannte normale Mitglieder unserer Gesellschaft sich ebenso verhalten und kein Verständnis dafür aufbringen, wenn unterschiedliche Maßstäbe bei der Bewertung solcher Vorfälle angelegt werden.

(Beifall bei der SPD)

Ich finde, politisches Verhalten sollte positives Vorbild sein, meine Damen und Herren.

Aber nicht nur hier, sondern auch zwischen öffentlicher Verwaltung und Privatwirtschaft sollten die eingangs von mir benutzten Redewendungen und das dazugehörige Verhalten absolut negativ bewertet werden. Öffentlichkeit und Durchschaubarkeit der Vorgänge müssen hergestellt werden. Das dient einerseits der Glaubwürdigkeit der Entscheidungen, hilft aber andererseits auch, die soziale Kontrolle zu erhöhen. Notwendig sind die Veränderung der Ausschreibungsmodalitäten in der Leistungs- und Beschaffungsverwaltung, die Modifizierung von Entscheidungsverfahren und Reduzierung von Machtkonzentration. Planung, Entscheidungsfindung und Ausführung müssen Teamarbeit sein. So entsteht Kreativität, hohe Leistungsbereitschaft und zudem ein notwendiges Maß gegenseitiger informeller Kontrolle.

Mein Kollege Dr. Güldner hat schon darauf hingewiesen: Es gab einen Beschluss der Innenministerkonferenz vom Mai 1995 im Rahmen des Präventions- und Bekämpfungskonzeptes Korruption. Da sind zwölf Punkte aufgeführt. Ich will sie nicht alle aufführen, nur einige einmal herausnehmen: Verstärkte Sensibilisierung und Fortbildung ist ein wichtiger Punkt, Rotation ist ein sehr wichtiger, Beschleunigung des Disziplinarverfahrens und arbeitsrechtliche Maßnahmen. Aus der Mitteilung des Senats geht hervor, dass alle diese vorgeschlagenen Maßnahmen, soweit sie in der alleinigen Kompetenz des Senats gelegen haben, auch umgesetzt worden sind. Sie haben diese Vorschriften benannt.

Ich will mich nicht dazu äußern, wie denn der zeitliche Zusammenhang entstanden ist. Ich glaube, das

überlasse ich Herrn Senator Perschau. Wichtig ist, dass wir diese Verwaltungsvorschrift zur Vermeidung und Bekämpfung der Korruption in der öffentlichen Verwaltung in der Freien Hansestadt Bremen haben und ebenso die Verwaltungsvorschrift über die Annahme von Belohnungen und Geschenken und die Empfehlung für die Einrichtung von Innenrevisionen.

Wichtig ist, dass jetzt diese Vorschriften auch belebt werden, dass folgende Strukturen geschaffen werden: Einrichtung einer zentralen Anti-Korruptionsstelle beim Senator für Finanzen, dezentrale AntiKorruptionsbeauftragte in allen acht Ressorts, Einrichtung von Innenrevisionen, Einrichtung besonderer Dezernate bei Polizei und Staatsanwaltschaft und, was ich eben schon nannte, die Fortbildung der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zur Sensibilisierung im Umgang mit Verdachtsfällen. Zum Controlling bei der Vergabe von Aufträgen wird mein Kollege Wolfgang Jägers im Laufe dieser Debatte noch Stellung nehmen.

Fazit: Der Senat hat nach meiner Auffassung alle Möglichkeiten zur Vorbeugung gegen Korruption und Bekämpfung von Korruption geschaffen. Trotzdem wird sich Korruption nicht gänzlich vermeiden lassen. So genannte schwarze Schafe wird es leider immer geben. Deshalb ist es besonders wichtig, dass im Interesse der vielen Beschäftigten im öffentlichen Dienst, die ordentlich ihre Arbeit machen, alle Möglichkeiten zur Bekämpfung der Korruption genutzt werden. – Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD)

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Tittmann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! In der Mitteilung des Senats heißt es, der Begriff Korruption sei nicht gesetzlich definiert und wird auch nicht gedeutet. Unter Korruption werden diejenigen Verhaltensweisen verstanden, bei denen Amtsträger ihre Position und die ihnen übertragenen Befugnisse dazu ausnutzen, sich oder Dritten materielle oder immaterielle Vorteile unter gleichzeitiger Verschleierung dieser Handlungsweise zu verschaffen. Im Lexikon heißt es: „Korruption, abgewandelt aus dem Lateinischen, bedeutet Bestechung, Bestechlichkeit, moralischer Verfall.“

Es ist durchaus bezeichnend, dass sowohl in der Großen Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen als auch in der Antwort des Senats mit keinem Wort Korruption in Bezug auf das politische Spektrum behandelt wird. Dabei wird doch anhand unzähliger Fälle in erschreckender Weise deutlich, dass der Komplex Bestechung, Bestechlichkeit, moralischer Verfall geradezu als Synonym für politisches Wirken nicht weniger Vertreter des Altparteienkartells verstanden werden muss.

Ich denke dabei nicht nur an Altkanzler Kohl und seinen millionenschweren Parteispendenskandal oder an die Ex-Bundestagspräsidentin Süßmuth und ihre Dienstwagen-Affäre nebst Privatflügen mit der Bundesluftwaffe oder aber an den Bremer Ex-Staatsrat und ehemaligen Vulkan-Boss Hennemann, der wegen des Vorwurfs der Untreue von sage und schreibe 854 Millionen DM vor den Kadi musste, oder eben an den Bremer Ex-Bürgermeister Wedemeier, der sich von den Bremer Stadtwerken zum Nulltarif

(Abg. Frau W a n g e n h e i m [SPD]: Waschmaschine!)

mit Strom bediente und sich in Bonn ein Büro luxuriös auf Steuerzahlers Kosten einrichten und ausstatten ließ. Darüber lassen Sie uns uns einmal unterhalten! Die Liste der Politbonzen im Korruptionssumpf ist schier unendlich. Ich meine, wenn Sie die Wahrheit nicht ertragen können, dann gehen Sie doch hinaus! Das sind Ihre Genossen!

(Abg. Frau L e m k e - S c h u l t e [SPD]: Nun einmal Mäßigung!)

So erinnere ich auch an die SPD-Frau Wulf-Mathies, die mit den ganzen Brüssler Korruptionsbanden der EU-Kommission zurücktreten musste, oder auch an Herrn Wissmann, CDU-Minister unter Kohl, sei hier gedacht. Gegen diese Politgrößen wurde ein gerichtlicher Strafbefehl wegen steuerrechtswidriger Wahlkampfkostenhinterziehung erlassen. Meine Damen und Herren, nicht zu vergessen auch der saubere langjährige FDP-Chef Graf Lambsdorff, der vom Bonner Landgericht wegen gigantischer Steuerhinterziehung zu 180 000 DM verurteilt wurde! Vielleicht setzte ihn ja die rotgrüne Bundesregierung gerade wegen derartiger einschlägiger Fähigkeiten als Beauftragten für die so genannten Zwangsarbeiterentschädigungen ein. In dieser Position konnte er nämlich auf Kosten und zu Lasten der Steuerzahler und der Wirtschaft in weitaus größeren Dimensionen klotzen, denn bekanntlich werden in Deutschland nicht weniger als zehn Milliarden DM erpresst. Sein Parteifreund, der ehemalige Landesvorsitzende und Fraktionschef der Freien Demokraten in Rheinland-Pfalz, Scholl, wählte zum Zweck der Bereicherung eine andere Praxis. Wegen bewaffneten Überfalls auf ein Juweliergeschäft wurde er in Folge zu acht Jahren Gefängnis verurteilt.

Meine Damen und Herren, moralischer Verfall im wahrsten Sinne des Wortes stellt auch CDU-Mann Wohlfahrt als Abgeordneter und Schatzmeister seiner Partei in Sachsen-Anhalt unter Beweis. Er hatte einen Killer angeheuert, um einen Gläubiger zu beseitigen.

(Glocke)

Herr Abgeordneter, darf ich Sie bitten, zum Thema zu sprechen! Wir sind hier wirklich liberal in diesem Haus, aber wir haben ein Thema, Große Anfrage „Korruption im Lande Bremen“, und ich bitte Sie herzlich, zum Thema zu sprechen!

Sehr gern, Herr Präsident! Das ist genau zum Thema! Treffender geht es nicht mehr! Schon diese wenigen Fälle zeigen, in welchem Ausmaß Anstand und Moral unter etablierten Politikern auf den sprichwörtlichen Hund gekommen sind, meine Damen und Herren. Das wird auch an dem jüngsten Skandal deutlich. Da soll zum Beispiel der Oberbürgermeister von Saarbrücken, SPD, Hauptmann, Präsident des Deutschen Städtetages, Leistungen von rund 50 000 DM beim Bau seines luxuriösen Privathauses rechtswidrig abgezockt haben.

Meine Damen und Herren, Politbonzen-Kumpanei einschlägiger Art – das gehört zum Thema – schlugen auch im Fall Minnier zu Buche. Der Ex-Boss des so genannten Amtes für Verfassungsschutz in Niedersachsen durfte wegen Arbeitsunlust auf Kosten der Steuerzahler mit 60 Jahren mit hohen Bezügen in Pension gehen. Dem Land ist dadurch vorsätzlich ein Schaden entstanden von mehr als 620 000 DM.

Meine Damen und Herren, ich habe hier nur einen winzigen Ausschnitt von Machenschaften, Filz, Klüngelei genannt. So wundert sich auch kaum jemand über die Dreistigkeit und Schamlosigkeit etwa der Bremer Ex-Senatorin Kahrs, die sich als angebliche Volksvertreterin nicht um ihr Abgeordnetenmandat scherte, sondern dick gepolstert mit Geldern aus einem Beratervertrag an eine USA-Universität zog, um dort fette Honorare zu kassieren und nebenbei weiterhin Diäten und Aufwandsentschädigung.

(Zuruf der Abg. Frau H ö v e l m a n n [SPD])

Wenn Sie etwas zu sagen haben, kommen Sie nach vorn! Ich glaube aber, dazu sind Sie nicht in der Lage!

Meine Damen und Herren, zum Thema Korruption werden in der Mitteilung des Senats, bezogen auf Bremen und die Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft in den Jahren 1997 bis 2000, insgesamt 47 Vorgänge angegeben. Es heißt, die Angaben seien mit einer gewissen Unsicherheit behaftet. Wenn man aber weiß, welchen Stellenwert ein richtiges Parteibuch insbesondere in Bremen als Voraussetzung für eine berufliche Karriere im Bereich der Verwaltung hat, drängen sich die Vergleiche mit der Krähe auf, die ja bekanntlich einer anderen kein Auge aushackt, meine Damen und Herren.

Eine Hand wäscht die andere. Insbesondere in den letzten beiden Jahrzehnten sind bundesweit immer

mehr Politbonzen straffällig geworden. Nicht gering ist die Zahl jener, die trotzdem politisch überlebten und die Karriereleiter sogar noch hinaufkletterten.

Meine Damen und Herren, es ist also kein Wunder, wenn schon im Jahr 1997 Schiebung, Korruption, Prunk, Protz und Missbrauch bundesweit 70 Milliarden DM verschlungen haben. Daraus ergibt sich für das Land Bremen eine Belastung in Höhe von mehreren 100 Millionen DM, und die Tendenz ist steigend! Das Kartell der etablierten Altparteien stellt hierzulande im Grunde Tag für Tag unter Beweis, dass es in Wirklichkeit von einer Korruptionsbekämpfung gar nichts wissen will, denn zu viele politisch Verantwortliche stecken mitten im Sumpf.

(Abg. T ö p f e r [SPD]: Das müssen Sie gerade sagen!)

Auch in dieser Debatte wird nur ein Scheingefecht ausgetragen, um der Öffentlichkeit eine saubere Weste vorgaukeln zu können nach dem Motto: Tue du mir nichts, dann tue ich dir auch nichts! So sitzt man nun bequem im Glashaus.

Nicht nur der moralische Verfall Politetablierter richtet großen Schaden an. Durch Korruption wird vor allem der Steuerzahler ausgeraubt. Gelder, die mühsam erarbeitet werden und wurden, werden missbräuchlich abgezockt. Dabei interessiert es die herrschende Politkaste überhaupt nicht, dass ein deutscher Arbeitnehmer jeden Tag rund zur Hälfte nur für Steuern und Abgaben schuften muss. Während die so genannten kleinen Leute immer mehr wie eine Zitrone ausgepresst werden, nehmen in weiten Bereichen der Politik und Verwaltung Korruption, Prunk und Protz ständig zu.

Abschließend möchte ich mit Blick auf die Große Anfrage vom Bündnis 90/Die Grünen feststellen, dass diese Anfrage eine Mogelpackung ist. Es geht Ihnen von den Grünen nämlich nur darum, den Saubermann zu spielen, um von eigenen Skandalen abzulenken. Ich denke dabei nicht nur an Ihren Joschka Fischer, der seine Qualität bereits in den siebziger Jahren in der linksextremistischen Bewegung in der Gewaltszene unter Beweis gestellt hat.

(Glocke)

Kommen Sie bitte zum Schluss, Herr Abgeordneter! Ihre Redezeit ist zu Ende!

Hier im Parlament noch lange nicht, vielleicht jetzt in diesem Redebeitrag!

(Zurufe von der SPD)

Meine Damen und Herren, es ist auf jeden Fall klar, dass jene am allerwenigsten geeignet sind, Kor

ruption zu bekämpfen, die zum Politbonzentum des herrschenden Parteienkartells gehören, zu jener Kaste also, über die immer mehr Bürger sagen, dass sie ein Schweinestall ist, was manche allerdings auch als Beleidigung dieser niedlichen Nutztiere empfinden.

(Glocke)

Ich bedanke mich!

Ihre Redezeit ist in der Tat abgelaufen! Es liegen noch weitere Wortmeldungen vor. Meine Damen und Herren, bevor wir in die Mittagspause eintreten, möchte ich Ihnen davon Kenntnis geben, dass inzwischen interfraktionell vereinbart wurde, bei dem Punkt Fidatas auf eine Aussprache zu verzichten, so dass er dann am Ende der Tagesordnung aufgerufen wird. Ich unterbreche jetzt die Sitzung der Bürgerschaft interjection: (Landtag) bis 14.30 Uhr.

(Unterbrechung der Sitzung 13.05 Uhr)