Protocol of the Session on February 21, 2001

Dienstrechtsreform für Lehrende an Hochschulen

Große Anfrage der Fraktion der CDU vom 10. November 2000 (Drucksache 15/526)

D a z u

Mitteilung des Senats vom 9. Januar 2001

(Drucksache 15/586)

Wir verbinden hiermit:

Reform des Hochschuldienstrechts: Nicht auf halbem Wege stehen bleiben!

Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 5. Juni 2000 (Drucksache 15/364)

u n d

Reform des Hochschuldienstrechts: Nicht auf halbem Wege stehen bleiben!

Mitteilung des Senats vom 6. Februar 2001 (Drucksache 15/613)

s o w i e

Reform des Hochschuldienstrechts zu einem guten Ende bringen

Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 13. Februar 2001 (Drucksache 15/622)

Dazu als Vertreter des Senats Senator Lemke, ihm beigeordnet Staatsrat Köttgen.

Meine Damen und Herren, der Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Reform des Hochschuldienstrechts: Nicht auf halbem Wege stehen bleiben, vom 5. Juni 2000, Drucksache 15/364, ist von der Bürgerschaft (Landtag) in ihrer Sitzung am 5. Juli 2000 an die staatliche Deputation für Wissenschaft überwiesen worden. Diese Deputation legt nunmehr mit der Drucksachen-Nummer 15/613 ihren Bericht vor.

Gemäß Paragraph 29 unserer Geschäftsordnung hat der Senat die Möglichkeit, die Antwort zu wiederholen. Ich sehe, das möchten Sie nicht, Herr Senator.

Ich gehe davon aus, dass wir in eine Aussprache eintreten wollen.

Die Aussprache ist eröffnet.

Das Wort erhält der Abgeordnete Jäger.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Was lange währt, wird nicht immer gut oder auch umgekehrt, was gut ist, setzt sich noch lange nicht schnell durch. So und nicht anders lässt sich das leidige Thema Dienstrechtsreform in der Hochschullandschaft in der Bundesrepublik umschreiben. Wir diskutieren hier heute nicht das erste Mal. Wir alle haben noch die Wahlkampfversprechen der SPD vor der Bundestagswahl in den Ohren, alles soll viel schneller gehen, vor allen Dingen auch, wenn es um den Hochschulstandort in Deutschland geht. Wir alle waren voller Hoffnung, was alles zeitnah und flexibel realisiert werden soll.

Ein Beispiel zum Tempo! Jetzt, da über die Hälfte der Legislaturperiode vorbei ist, jetzt endlich hat man es geschafft, das Bafög neu zu regeln, übrigens mit unserer Zustimmung,

aber die Weisheit hätte man früher haben können, wenn man auf unsere Vorschläge eingegangen wäre. Was ist der Effekt? Zahlreiche Studenten sind bereits aufgrund dieser zeitlichen Verzögerung durch den Rost gefallen, die hätten schon früher Vergünstigungen haben können, wenn Sie schneller gehandelt hätten.

(Beifall bei der CDU)

Ebenso verhält es sich mit dem Thema Dienstrechtsreform. Monat für Monat scheiden Professoren aus, neue werden berufen, und das alles nach einer veralteten gesetzlichen Grundlage, dabei drängt die Zeit sehr. Wir führen, wie gesagt, nicht die erste Diskussion hier. Der Personalkegel schiebt sich jetzt durch, zahlreiche Professoren scheiden aus, und wir müssen schnellstmöglich zu einer neuen Regelung kommen. Es geht darum, den Standort Deutschland fit zu machen, nicht nur die Hochschulen in ihrem Wettbewerb untereinander, sondern vor allen Dingen international.

Doch wie ist die Realität heute? Es sind fast zwei Drittel der Legislaturperiode herum in Berlin, und die versprochenen Reformmaßnahmen sind noch nicht umgesetzt. Nichtsdestoweniger, ich komme darauf gleich noch einmal zurück, um auch von unseren eigenen Vorstellungen einiges zu sagen, werden wir manches unterstützen, um vielleicht einen kleinen versöhnlichen Beitrag auch zu leisten.

Erstens: Die Juniorprofessur finden wir richtig und sinnvoll. Die Qualifikation des wissenschaftlichen Nachwuchses muss zeitlich gestrafft werden. Die Qualifikation für das Professorenamt dauert bisher zu lange. Habilitierte sind im Durchschnitt über 40 Jahre alt, das lässt sich in Europa und der Welt leider nicht so gut sehen. Die Erstberufung muss früher erfolgen, und deshalb wird diese Juniorprofessur von uns unterstützt.

Zweitens: Richtig ist, dass Leistungszulagen unter dem Wegfall der Alterszulage eingeführt werden. Ich begrüße allerdings auch die Erkenntnis des Senats, dass diese Leistungszulage, so schreiben Sie in Ihrer Antwort, nicht unbefristet vergeben werden soll, sondern befristet werden muss. Dies hat die Bundesbildungsministerin lange anders gesehen, insofern sage ich ganz deutlich, Unbefristung und Leistungszulage vertragen sich nicht. Dieser Effekt würde ins Leere laufen, deshalb finde ich es gut, dass Sie sich an dieser Stelle dafür einsetzen, dass auch das noch korrigiert wird.

Drittens: Wir können uns damit anfreunden, dass die Besoldung von Universitätsprofessoren und Fachhochschulprofessoren angeglichen wird. Eine faktische Gleichstellung allerdings kann es nicht geben, es sei denn, man bestreitet die Auffassung, dass Universitäten und Fachhochschulen ein anderes Aufgabenprofil haben. Universitäten und Fachhochschulen sind gleichwertig, aber andersartig. Wer das

nicht akzeptiert, der steht immer noch im Verdacht, alles einebnen zu wollen. Das wollen wir nicht. Die höchste Besoldungsstufe beispielsweise wird wahrscheinlich, nach unserer Auffassung jedenfalls sollte es so sein, den Universitäten vorbehalten, denn dort wird Forschung betrieben, und dies erfordert auch eine andere Besoldungseinstufung. So weit, so gut!

Wir stehen aber nicht nur vor der Herausforderung innerhalb der Bundesrepublik, mehr Flexibilität beim Dienstrecht zu zeigen, vielmehr ist der Wissenschaftsmarkt, und ich benutze bewusst den Begriff Markt, weil es eben hier längst einen Wettbewerb gibt, international und äußerst mobil geworden. Frau Bulmahn ist deshalb gefordert, eine Antwort auf diese Frage zu finden, wie man denn die Wissenschaftler aus dem Ausland gewinnen will, vielmehr, wie man postgraduierte Wissenschaftler in Deutschland halten will, wie man sie zurückgewinnen will.

Inzwischen ist auf Kritik der CDU, der CSU, der Wissenschaft und der Wirtschaft reagiert worden, weil man die starren Besoldungsobergrenzen in Ausnahmefällen, so heißt es, durchbrechen kann. Die Erkenntnisfähigkeit der Bulmahn-Behörde steigt offenbar mit dem Zeitfaktor. Wir hoffen, dass Frau Bulmahn zumindest noch vor Ablauf der Legislaturperiode den Stein der Weisen findet, um in Deutschland die Hochschulen wirklich wettbewerbsfähig zu machen.

Wir brauchen ein flexibles Besoldungssystem, denn es geht nicht mehr nur um die Verteilung von Professorenstellen innerhalb Deutschlands, sondern das Besoldungssystem muss im internationalen Vergleich flexibel sein. Das hat also nicht nur etwas mit der Einführung von Leistungszulagen zu tun. Das heißt auch, dass man die Berufungshandlung beschleunigen muss. In Bremen haben wir ja die Personalautonomie weitestgehend ausgestaltet, um auch diese Zeiten zu verkürzen, aber sie sind natürlich, wenn man es wirklich im internationalen Vergleich sieht – in Amerika entscheidet man binnen weniger Wochen über eine Berufung –,

(Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grü- nen]: So ist es ja nun auch nicht!)

noch immer nicht so, wie es deutschlandweit sein muss. Wir Bremer sind relativ weit vorn, aber auch das tröstet uns nicht im internationalen Vergleich.

Im Übrigen bin ich gespannt, ob Frau Bulmahn sich weiterhin zurückhält, wenn es um die tatsächlichen Leistungsmaßstäbe bei der Zulagengewährung geht. Was ist eigentlich? Gibt es rechtliche Rahmenbedingungen des Bundes, überlässt man die Regelung uns Bundesländern, lässt man die Hochschulen allein, wenn es um die Einführung dieser Leistungszulage geht? Auch das ist relativ unklar!

Ich meine, wir können ja inzwischen mit unseren Hochschulen etwas selbstbewusster auftreten, insofern kann man das vielleicht auch den Bundesländern überlassen. Ich würde mir aber wünschen, dass wir uns da einmal einig sind und dass dort eine klare Vorgabe kommt. Im Moment habe ich eher den Eindruck, man lässt die Hochschulen erst einmal unter sich, und dann streiten wir uns unter den Bundesländern. Ich weiß nicht, ob die finanzschwachen Bundesländer dabei so gut aussehen werden.

(Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Also etwas Konkurrenz, und dann soll es doch wieder nicht?)

Meine Damen und Herren, ein Wort noch zur Habilitation! Wir negieren nicht die unterschiedlichen Fächerkulturen, deshalb wollen wir die Habilitation nicht abschaffen, wie es die Grünen wollen und auch Teile der SPD. Wir wollen diese Option offen halten, darauf legen wir Wert. Gleichwohl wollen wir die Juniorprofessur zum Beispiel als neuen Weg in den Ingenieurs- und Naturwissenschaften, wo sich die Habilitation überholt hat.

Die Grünen, meine Damen und Herren, fordern noch einen eigenständigen Wissenschaftstarifvertrag. Tatsächlich sind die starren Regelungen des BAT den Herausforderungen der internationalen Wettbewerbshochschulen nicht gewachsen. Aber ich frage mich: Wer regiert eigentlich in Berlin? Legen Sie doch endlich einmal Vorschläge auf den Tisch, und dann können wir darüber diskutieren! Insofern, finde ich, sind wir die falschen Adressaten. Handeln Sie endlich, und machen Sie einen Vorschlag! Insofern teile ich die Einschätzung des Senats, was die rotgrüne Bundesregierung betrifft, man will offenbar in Bremen auch lieber Reformen innerhalb des BAT und wartet nicht auf den großen Wurf aus Berlin. Das sehen wir, wie gesagt, ähnlich.

(Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Was sehen Sie ähnlich?)

Lassen Sie mich zusammenfassen! Die Dienstrechtsreform ist längst überfällig. Ein Jahr hat Frau Bulmahn nach der Regierungsübernahme gebraucht, um überhaupt die Expertenkommission einzusetzen, die dann sieben Monate später ihre Vorschläge umgesetzt hat. Inzwischen liegt uns ein konkreter Entwurf vor, es hat aber lange genug gedauert, wie gesagt, mehr als die Hälfte der Legislaturperiode ist um.

(Abg. Frau L i n n e r t [Bündnis 90/Die Grünen]: Was ist mit den 16 Jahren, die Sie da gepennt haben? – Abg. T ö p f e r [SPD]: Was haben Sie in 16 Jahren ge- macht?)

Ich finde es absurd, ja anachronistisch, wenn einerseits Flexibilität eingefordert wird, andererseits

aber Rotgrün selbst im Reformstau steht. Das und nichts anderes ist an dieser Stelle zu diagnostizieren.

(Beifall bei der CDU)

Frau Bulmahn spielt eher in einem Drama die ständigen verschleppten ambulanten Notoperationen, anstatt mit einem gezielten raschen Eingriff das Übel an der Wurzel zu packen. Das reicht vielleicht für eine Nebenrolle in der Klinik-Soap-Opera mit Fortsetzungsfolgen, nicht aber für europaweite News, die Deutschland im Ausland aufhorchen lassen. Das muss endlich stattfinden, damit wir unseren Standort wettbewerbsfähig machen, europaweit und international.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, die Dienstrechtsreform muss umgesetzt werden, in zahlreichen Teilen unterstützen wir die Punkte. Wer Flexibilität fordert, sie aber selbst nicht beweist, der wird möglicherweise irgendwann selbst zum Problem, anders kann ich das zögerliche Handeln einfach nicht verstehen.

Kommen Sie endlich zu Potte, und dann werden wir uns über die wesentlichen Dinge verständigen! Behalten Sie die Habilitation bei! Das ist unser Herzblut. Darauf legen wir sehr viel Wert. Insofern lehnen wir auch den Antrag der Grünen ab. Es sind einige Spiegelstriche aufgezeigt worden, die zwischen uns allen unstrittig sind, aber solange Sie einfach negieren, dass es in anderen Fächern andere Kulturen gibt, so lange können wir auch Ihrem Antrag nicht zustimmen. – Herzlichen Dank!

(Beifall bei der CDU)