Protocol of the Session on November 16, 2000

Im Übrigen nimmt die Bürgerschaft (Landtag) von der Mitteilung des Senats Kenntnis.

Bericht des Petitionsausschusses Nr. 18 vom 16. Oktober 2000

(Drucksache 15/489)

Wir verbinden hiermit:

Bericht des Petitionsausschusses Nr. 19 vom 7. November 2000

(Drucksache 15/522)

Eine Aussprache ist nicht beantragt worden.

Wir kommen zur Abstimmung.

Wer der Behandlung der Petitionen in der empfohlenen Art zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

Ich bitte um die Gegenprobe!

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) beschließt entsprechend.

(Einstimmig)

Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten und zur Änderung anderer Gesetze

Mitteilung des Senats vom 17. Oktober 2000 (Drucksache 15/490) 1. Lesung

Dazu als Vertreter des Senats Frau Senatorin Adolf.

Wir kommen zur ersten Lesung.

Die Beratung ist eröffnet.

Das Wort hat die Abgeordnete Frau Dreyer.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir beraten heute das Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Erkrankungen. Mit diesem Gesetz fügen wir auch hier im Land Bremen zwei Gesetze zu einem zusammen, nämlich das Gesetz zum so genannten Maßregelvollzug, also die Unterbringung psychisch erkrankter Straftäter in einem psychiatri

schen Landeskrankenhaus, und das bisherige PsychKG, das Gesetz zur Unterbringung psychisch Kranker, die sich oder andere gefährden, weil eine Krankheits- und Behandlungseinsicht aktuell nicht besteht. Wir vollziehen mit dieser Zusammenlegung im Land Bremen das, was im Bundesland Sachsen bereits erfolgreich zum Abschluss gebracht werden konnte.

Dieses Gesetz, meine Damen und Herren, schafft Rechtssicherheit für die Betroffenen sowie für die handelnden Personen bei den Gerichten und vor allen Dingen im psychiatrischen Krankenhaus. Es regelt die Aufstellung eines Psychiatrieplanes, es sichert die Einrichtung für einen Landespsychiatrieausschuss, es erweitert die Aufgaben der Besuchskommissionen und fasst diese Aufgaben auch genauer, und es beteiligt die Patienten sowie die Kostenträger und die niedergelassenen Ärzte.

Im Bereich der Hilfen für psychisch Kranke schreibt das Gesetz die Ziele für die Bereiche der vorsorgenden Hilfen, der begleitenden Hilfen sowie auch für die nachgehenden Hilfen fest. Sie finden dies in Paragraph 5 des Gesetzes aufgelistet. Eine Fülle von Maßnahmen, meine Damen und Herren, die weitere Orientierung schaffen und Hilfe und Schutz bei psychischen Krankheiten für die Betroffenen garantieren soll!

Meine Damen und Herren, das Gesetz steckt aber auch den Rahmen für besondere Schutz- und Sicherungsmaßnahmen ab, damit eine gegenwärtige Gefahr für Personen und Sachen auch wirklich wirksam verhindert werden kann. Das heißt dann auch die Beschränkung des Aufenthaltes im Freien für die betroffenen Patienten, das heißt auch die Absonderung von anderen Patienten, das heißt die Unterbringung in besonders gesicherten Räumen, die Fixierung sowie die vorübergehende Ruhigstellung durch Medikamente. Diese Sicherungsmaßnahmen sollen den Schutz der Bürgerinnen und Bürger garantieren, und dies ist leider immer wieder einmal erforderlich, wir erinnern uns an Einzelfälle, meine Damen und Herren. Wir sind als Parlament dazu verpflichtet, die Bürgerinnen und Bürger zu schützen, und dies machen wir mit dem vorliegenden Gesetz und machen dies noch einmal deutlich und heben dies hervor.

Zusammengefasst, meine Damen und Herren: Das Gesetz klärt den Schutz der Menschen, die von psychischer Erkrankung betroffen sind. Es regelt die Sicherungsmaßnamen, damit die Bürgerinnen und Bürger vor Gefahr geschützt werden können, es klärt das Miteinander der handelnden Personen, auch mit den Krankenkassen, mit den nervenfachärztlichen Praxen, und es definiert die Aufgaben des Sozialpsychiatrischen Dienstes. Ich glaube, dass dieses Gesetz, das uns heute zur Beratung vorliegt, ein gutes Gesetz ist, ein durchdachtes Gesetz ist, und dafür möchte ich mich beim Ressort auch bedanken.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Für die CDU-Fraktion bitte ich deshalb um Ihre Zustimmung und beantrage auch gleich die zweite Lesung. Das würde es uns etwas erleichtern. Ich denke, wir sollten hier gemeinsam einen ganz wichtigen Schritt tun für Hilfe und Schutz, für eine transparente Planung, für ein geordnetes Miteinander der handelnden Personen. – Ich danke Ihnen!

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Als Nächste hat das Wort die Abgeordnete Frau Hoch.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Gesetzentwurf, der uns heute hier zur ersten Lesung vorliegt, hat einen langen Vorlauf. 1995 gab es den ersten Referentenentwurf. Es folgten noch zahlreiche andere Entwürfe und ebenso zahlreiche Treffen von Arbeitsgruppen zu diesem Thema. Viele Punkte wurden kontrovers diskutiert, besonders der, dass die beiden Gesetze, und zwar das Gesetz für Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Erkrankungen, das so genannte PsychKG, und das Gesetz zum Maßregelvollzug, in einem Gesetz zusammengefasst werden. Die Vormundschaftsrichter und der Vorsitzende der mit den Unterbringungsverfahren befassten Kammer des Landgerichts sowie auch einige Klinikärzte halten diese Zusammenlegung für nicht sinnvoll, weil dadurch psychisch kranke Menschen in die Nähe von psychisch kranken Straftätern gerückt werden könnten. Die Wohlfahrtsverbände dagegen sprechen sich deutlich für die Zusammenlegung aus, weil sie meinen, dass dadurch eine Diskriminierung und Ausgrenzung forensischer Patienten abgebaut wird.

Dies ist also das Spannungsfeld, in dem es überaus schwierig ist, den richtigen Weg einzuschlagen. Das haben uns besonders die letzten Wochen gezeigt, als wir uns die Medienberichte über Herrn Schmökel ansehen mussten. Auch hier wurde für die breite Öffentlichkeit nicht klar, ob er nach dem PsychKG untergebracht war oder nach dem Gesetz zum Maßregelvollzug. Das bedeutet für uns ganz klar, dass gesetzliche Regelungen den Bürgerinnen und Bürgern verständlich gemacht werden müssen. Das berechtigte Sicherheitsbedürfnis darf nicht ignoriert werden. Dazu gehören aber auch die Information und die Aufklärung über Maßnahmen, aber auch über Zielsetzungen. Für Menschen, die nach PsychKG, und auch für Menschen, die nach dem Gesetz zum Maßregelvollzug untergebracht sind, gilt es, das Ziel der Rehabilitation, der Behandlung und der Integration abzusichern.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen) ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft. Doch zurück zu diesem Spannungsfeld der Zusammenlegung, meine Damen und Herren! Wir vom Bündnis 90/Die Grünen weisen noch einmal eindringlich auf diese Problematik der Zusammenlegung des PsychKG und des Gesetzes zum Maßregelvollzug hin. Neben Kostenersparnissen und formalen Organisationserleichterungen ist dann jede Einrichtung nach Paragraph 13 Absatz 3 auch zukünftig für den Maßregelvollzug geeignet. Dies muss in der Praxis stark bezweifelt werden, meine Damen und Herren, denn nach Untersuchungen in den letzten zehn Jahren ist die Klientel, die durch Maßregelvollzug untergebracht ist, gekennzeichnet durch Sozialisationsdefizite, schwere Straftaten und hohe Gewalttätigkeit. Integrationsbemühungen auf allgemein psychiatrischen Abteilungen sind als sehr schwierige Aufgaben zu bezeichnen, doch möchte ich auch sagen, dass der Paragraph 13 Absatz 3 vom Ansatz her progressiv gedacht ist. Entstigmatisierung von Maßregelpatienten ist das Ziel. Doch besondere Bedeutung gewinnt für uns dieser Paragraph, wenn wir uns die Bremer Situation anschauen. Es gibt bei uns in Bremen nur eine Einrichtung, die diesen Maßregelvollzug hat. Die Frage drängt sich auf, wie in der Zukunft verfahren werden soll. Will sich der Senat langfristig oder teilweise aus dem Vorhalten von Einrichtungen verabschieden, meine Damen und Herren? Es gibt in Bremen nur eine ambulante Wohngruppe zur Eingliederung, die zurzeit über neun Plätze verfügt. Um diese Zahl von sieben auf neun zu erhöhen, hat es zwei bis drei Jahre gedauert. In Bremerhaven gibt es leider keine Form der Wiedereingliederung. Das ist eine traurige Bilanz. (Abg. Frau H a m m e r s t r ö m [SPD]: Das hat aber doch nichts mit dem Gesetz zu tun!)

Ich habe darauf hingewiesen, dass dann jede Einrichtung für den Maßregelvollzug sein kann, und darüber müssen wir dann noch einmal reden.

Weiterhin erscheint uns die Unterbringungsdauer, die in Paragraph 16 Absatz 3 geregelt ist, als zu lang. Hier zeigen der Bundesvergleich und auch die Forderungen der Wohlfahrtsverbände, dass aufgenommen werden muss, dass bis zwölf Uhr am Tage nach der Unterbringung ein ärztliches Zeugnis vorzuliegen hat. In der Zukunft soll nach der Gesetzesvorlage die Anstaltsleitung die Verantwortung für die Patienten übernehmen, für die nach PsychKG untergebrachten Patienten und auch für die Patienten nach dem Maßregelvollzug. Diese Aufgabenvermischung ist absolut unklar, so wie die Übertragung von Entscheidungen der Anstaltsleitung auf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Hier muss unserer Ansicht nach in einer Rechtsverordnung klargestellt werden, wie das aussehen soll.

Positiv ist allerdings erstmals der aufgenommene Rechtsanspruch auf Hilfen. Ich denke, darüber sind wir uns hier alle einig. Doch wenn wir weiter lesen, dann wird klar, dass diese Hilfen nur subsidiär zu den Angeboten der Leistungsträger, die nach dem Sozialgesetzbuch Hilfen erbringen, anzubieten sind. Hier offenbart sich unserer Meinung nach, dass die konkrete Benennung dieser Hilfen bewusst unterlassen wurde, um der Absicherung der Kostenübernahme zu entgehen. Was nutzt der Rechtsanspruch auf Hilfen sowie auch deren Ablehnung, wenn das nicht klar geregelt ist?

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Unserer Meinung nach gibt es noch viele Ungereimtheiten und Unklarheiten im Gesetzentwurf, die durch Rechtsverordnungen geklärt werden müssten. Darauf werde ich nachher noch zurückkommen.

Doch lassen Sie mich noch zwei Punkte ansprechen, die angesprochen werden müssen, erstens die hier praktizierte Verfahrensweise bis zum Gesetzentwurf und zweitens das Verschwinden des Patientenbeauftragten! Doch erst einmal zur Verfahrensweise! Wie ich schon am Anfang meiner Rede gesagt habe, dauerte der Prozess bis zum jetzt vorliegenden Gesetzentwurf fünf Jahre. Vor zwei Jahren wurden die Verbände und Institutionen zur Stellungnahme zum Referentenentwurf aufgefordert. Dies geschah in der Sommerpause mit einer Frist von acht Wochen. Das, denke ich, war nicht sehr glücklich gelöst. Danach war Schweigen im Walde, keine Information, keine Diskussion!

Den betroffenen Institutionen und Verbänden wurde nicht einmal der jetzige Gesetzesentwurf zugesandt. Das empfinden wir Grüne nicht nur als schlechten Stil, sondern auch als unkorrekt.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ist das eine Form der Beteiligung? Sicherlich nicht! Nur die Pflichtaufgabe der Terminsetzung von Stellungnahmen erfüllen, alles andere bewirkt Unruhe? So wirkt es für mich jedenfalls! Dieser Entwurf hat lange und leise auf dem Schreibtisch oder in einer Schublade gelegen. Wein wird bei richtiger Lagerung von Jahr zu Jahr besser, auf Gesetze trifft das leider nicht zu, meine Damen und Herren.

In der letzten Sitzung der Deputation für Arbeit und Gesundheit wurde dem jetzigen Entwurf gegen eine Stimme der Grünen zugestimmt. Ich habe vorher gebeten, diesen Tagesordnungspunkt auszusetzen, weil uns dieser komplexe Entwurf erst drei Tage vor der Abstimmung zugesandt wurde. Meiner Bitte wurde nicht entsprochen. Aber wir haben uns natürlich sofort und intensiv bemüht, den Sachstand sachgerecht aufzuarbeiten. Der Referentenentwurf wurde mit dem Gesetzentwurf verglichen, wobei es mühsam war, Veränderungen herauszukristallisie

ren. Sie waren nicht unterstrichen, nicht kursiv gedruckt oder irgendwie kenntlich gemacht. Das hätte viel Arbeit erspart und wäre in der heutigen Zeit der Textverarbeitung sicherlich kein Problem gewesen, aber Schwamm darüber!

Kommen wir zu einem wichtigen Inhaltsproblem: Die Einsetzung einer oder eines Patientenbeauftragten ist weggefallen. Diese Aufgabe soll jetzt jemand aus dem Landespsychiatrieausschuss übernehmen, obwohl ja erst einmal geklärt werden muss, wie dieser Ausschuss überhaupt aussehen soll. Patientenbeauftragte, diese Position ist zukunftsweisend und wurde auch so über die Landesgrenzen hinaus von der senatorischen Dienststelle vertreten. Ruckzuck, einfach weg, schade!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Uns bleibt hier nur die Vermutung, dass hier gespart werden soll, gespart an sinnvollen Maßnahmen. Besonders verstärkt sich diese Vermutung, wenn wir den Punkt der finanziellen Auswirkung des Gesetzes betrachten. Im Entwurf vom Januar 1999 wurden noch 10000 DM als Kostenrahmen eingesetzt. Im letzten Entwurf heißt es: keine finanziellen Auswirkungen.

(Abg. Frau H a m m e r s t r ö m [SPD]: Ja, das ist doch gut!)

Meine Damen und Herren, zum Schluss möchte ich Ihnen die Gesamteinschätzung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zu dem Gesetzentwurf klar benennen: Es gibt einige gute und neue Regelungen, wie zum Beispiel das Aufstellen eines Psychiatrieplanes, das Einarbeiten der datenschutzrechtlichen Bestimmungen und noch Einiges darüber hinaus. Jedoch ist der Gesetzentwurf in seiner Gesamtheit lückenhaft und zum Teil widersprüchlich. Sollte er in dieser vorliegenden Fassung verabschiedet werden, dann müsste er durch detaillierte und widerspruchsfreie Rechtsverordnungen nachgebessert werden.

Wir von Bündnis 90/Die Grünen fordern daher im Vorfeld, diese Lücken und Widersprüche, die zur Rechtsunsicherheit für Betroffene sowie deren Angehörige und Klinikleitung führen, zu prüfen und zu verbessern. Wir stellen hier den Antrag auf eine Rücküberweisung des Gesetzentwurfs in die Deputation für Arbeit und Gesundheit sowie zur Beratung durch den Rechtsausschuss wegen des Maßregelvollzuges. Ich denke, das ist der bessere Weg. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Tittmann.