Protocol of the Session on October 11, 2000

Was die operativen Teile im Bereich der Arbeitsmarktpolitik angeht, sind sie noch nicht getrennt. Was die Werkstatt Bremen angeht, im Bereich Hilfe zur Arbeit, ist es bereits getrennt, da haben Sie Recht, aber wir wollen eben gerade diese beiden Dinge zusammenführen und damit die Trennung wirklich auch komplettieren und konsequent zu Ende führen.

Das Zweite ist, wir wollen die Aufgaben und Möglichkeiten der Arbeitsmarktpolitik des Landes in Bremen zusammenführen mit den Hilfen zur Arbeit. Das ist ein ganz wesentlicher Punkt, um wirklich auch das, was Herr Pietrzok gesagt hat, aufzunehmen, nämlich die Menschen nicht danach zu beurteilen, wo sie denn gerade Ansprüche haben, wer der zuständige Träger ist, um ihnen Hilfestellung finanzieller Art zu leisten, sondern uns an ihren Bedarfen und an ihrem Problem – das ist die Arbeitslosigkeit – bei allem, was wir für sie entwickeln, zu orientieren.

Wir wollen diese Planungen in folgender Weise umsetzen, das ist schon skizziert worden, ich will es nur noch kurz ansprechen: In der Stadt Bremen wollen wir zum 1. Januar 2001 den Bereich Hilfen zur Arbeit aus dem Eigenbetrieb Werkstatt Bremen herauslösen und gemeinsam mit den operativen arbeitsmarktpolitischen Aufgaben des Ressorts in einer eigenständigen GmbH mit dem Namen Bremer Arbeit GmbH zusammenführen. Sie soll dann die operative Steuerung beziehungsweise Durchführung der arbeitsmarktpolitischen Programme in der Stadt Bremen übernehmen und diese Aufgaben im Rahmen der staatlichen und kommunalen Arbeitsmarktpolitik nach den Richtlinien und Weisungen des zuständigen Ressorts ausführen, wobei dahinter dann natürlich die Fachdeputation steht, die diese Richtlinien und Weisungen unterstützen muss.

In der Stadt Bremerhaven soll es eine ebensolche Entwicklung geben. Dort sollen die operativen Aufgaben der Arbeitsmarktpolitik ebenfalls zum Januar 2001 in einer eigenständigen GmbH gebündelt werden. Das Zusammengehen mit Hilfen zur Arbeit wird da noch nicht konsequent zu Ende geführt, soll sich aber dann in der Folgezeit anschließen unter dem Namen Bremerhavener Arbeit GmbH. Mit einer Mehrheitsbeteiligung der Stadt Bremerhaven und einer Beteiligung des Landes soll diese GmbH im Januar mit der Arbeit beginnen.

Damit wir auf der strategisch steuernden Ebene Erfahrungen aus der praktischen Umsetzung von Förderprogrammen in den beiden Städten unseres Landes nutzbar machen können, zum Beispiel für Modifikationen in der Fördersystematik oder für bundespolitische Debatten, sollen die Gesellschaften natürlich auch an der Weiterentwicklung der Programme mitwirken. Sie sollen auch beraten, wenn sie Beratungsmöglichkeiten sehen, wohin Programme nach ihren Erfahrungen auszurichten sind, welche besonderen Zielgruppen es gibt, allerdings dann auch immer wieder unter Beteiligung der politischen Ebene, die natürlich die Programmsystematik politisch beschließen muss.

Die Gesellschaften sollen also hoheitliche Aufgaben übernehmen, das ist richtig, und sollen von der Antragsentgegennahme bis zur Erteilung des Zuwendungsbescheides zuständig sein. Die konkreten Aufgaben und die damit verbundenen Zielsetzun

gen werden in Kontrakten definiert, die zwischen dem Ressort und den Gesellschaften abzuschließen sind. Es ist, Sie haben eben aus dem Vertragsentwurf zitiert, nun einmal so, dass es zwei Vertragspartner geben muss, und der eine muss in diesem Fall das Ressort sein. An der Stelle ist natürlich auch immer die Deputation zu beteiligen. Bei allen Leistungskontrakten und Zielvereinbarungen, die es gibt, sind natürlich die Ziele vorher politisch festzulegen.

Der jeweilige Rahmen für die Umsetzung der Förderprogramme durch die Gesellschaft ergibt sich aus dem jährlichen Haushalt. Wir können also die Gesellschaften nicht besser ausstatten, als der jährliche Haushalt es hergibt, und er richtet sich nach den Schwerpunktsetzungen des Beschäftigungspolitischen Aktionsprogramms. Meine Damen und Herren, um die Frage nach der optimalen Rechtsform für die operative Ebene solide beantworten zu können, hat die Fides in meinem Auftrag einen Vergleich der rechtsformabhängigen Handlungsmöglichkeiten eines Eigenbetriebes mit denen einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung durchgeführt. Die Fides kommt zu dem Ergebnis, dass die beabsichtigte Neustrukturierung der Arbeitsförderung in der Rechtsform der GmbH Vorteile gegenüber einem Eigenbetrieb aufweist. Die Fides begründet dieses Ergebnis im Wesentlichen damit, dass eine GmbH im Vergleich zum Eigenbetrieb hinsichtlich Art und Umfang der Geschäftstätigkeit auch außerhalb des Rahmens der kommunalen Aufgaben wirtschaftlich tätig werden kann, dass sich die Geschäftstätigkeiten nicht nur auf das hoheitliche Gebiet der betreffenden Gebietskörperschaften, sprich auf die Städte Bremen und Bremerhaven, beschränken muss und dass eine Eigengesellschaft insgesamt selbständiger und gegenüber öffentlichen Betrieben flexibler agieren kann. Obwohl die an die GmbHs zu zahlenden Entgelte einschließlich eines geringen Gewinnaufschlages der Umsatzsteuer unterliegen, und das war ein wesentlicher Punkt auch in unseren Überlegungen, überwiegen nach Auffassung der Fides die mit einer GmbH-Lösung verbundenen Vorteile. Ich verspreche mir, nachdem diese Entscheidungen jetzt so getroffen sind, von der beabsichtigten Neustrukturierung der Arbeitsförderung eben gerade eine effektivere Bündelung von Mitteln der Bundesanstalt für Arbeit, der Europäischen Union, der bremischen Landesmittel sowie der kommunalen Mittel. Das müssen wir dringend zusammenführen und im Einsatz optimieren. Ich verspreche mir davon einen zielgerichteten Einsatz der Förderinstrumente und, was das Wichtigste ist, eine verstärkte und bessere soziale und berufliche Integration von arbeitslosen Sozialhilfeempfängerinnen und -empfängern. Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluss noch kurz auf die vom Bündnis 90/Die Grü

nen begonnene Diskussion über die Verfassungswidrigkeit des Beleihungsgesetzes und die darauf gestützte Beleihung von Gesellschaften eingehen! Ich bin selbst Juristin, deswegen kann ich mir vielleicht erlauben, den Volksmund zu zitieren, der sagt zwei Juristen, drei Meinungen! Ich kann das hier juristisch nicht entscheiden. Ich könnte Argumente vorbringen, Sie könnten Argumente vorbringen, aber ich bin froh, dass es jetzt auch einer gerichtlichen Entscheidung zugänglich gemacht wird und dass man dann auch in diesem Punkt Rechtssicherheit bekommen kann.

Ich bin auf der anderen Seite aber auch von meiner parlamentarischen Vergangenheit noch nicht so weit entfernt, dass ich nicht selbst auch in meiner neuen Rolle ganz dringend das Bedürfnis habe, dass nicht immer unbedingt parlamentarische Kontrolle in einem negativ verstandenen Sinne, sondern parlamentarische Begleitung stattfindet, die ich als positiv empfinde.

(Beifall bei der SPD)

Ich fühle mich durch parlamentarische Kontrolle nicht eingeengt, sondern sie sichert ja auch das ab, was ich politisch vorhabe, wozu ich zum Teil auch politisch wegen der Rahmensetzung gezwungen bin.

(Abg. Frau L e m k e - S c h u l t e [SPD]: Sehr gut!)

Von daher bin ich überhaupt nicht böse, wenn parlamentarische Kontrolle stattfindet, sondern lege sehr großen Wert darauf.

Wir haben in den Deputationen bereits dargestellt, wie ich mir die politische Begleitung dieser neuen Gesellschaft, dieser neuen Struktur der Arbeitsförderung vorstelle. Wir wollen die Mitwirkung von Parlamentariern beziehungsweise Stadtverordneten in den Aufsichtsräten. Das ist Ihre Entscheidung, Frau Linnert, Sie haben angesprochen, dass man das noch einmal debattieren will, ob man davon Gebrauch macht,

(Abg. Frau L i n n e r t [Bündnis 90/Die Grünen]: Ob man davon insgesamt Ge- brauch macht!)

ob man davon insgesamt Gebrauch macht, und zwar an dieser Stelle dann auch folglich.

Wir wollen, dass die Fachdeputationen die zentralen Themen für die Geschäftstätigkeit der Gesellschaft kontinuierlich zur Beschlussfassung vorgelegt bekommen. Dabei wird es sich insbesondere um die Budgetierung der Fördermittel im Rahmen des Beschäftigungspolitischen Aktionsprogramms drehen. Die Definition von Leistungszielen wird dabei ganz wesentlich sein, denn diese und der Abschluss entsprechender Leistungskontrakte werden es auch er

möglichen, die vierteljährlichen Controllingberichte, die den Deputationen vorgelegt werden, auch sachgerecht zu erstellen und zu prüfen. Die Controllingberichte können nur so gut sein, wie die Kontrakte, die dahinter stehen und die dann die Arbeit der Gesellschaften steuern sollen. Wir wollen, wie gesagt, vierteljährlich berichten, und ich bin zuversichtlich, dass wir hier ein Instrument schaffen, das uns und insbesondere die Menschen nach vorn bringt.

Ich behaupte hier nicht, dass Bündnis 90/Die Grünen das nicht will. Wir streiten um Instrumente, das sehe ich. Diesen Streit muss man austragen und am Ende dann auch einmal entscheiden. Das ist im politischen Geschäft so. Ich glaube, dass wir für die Menschen, für die wir eintreten und für die wir Geld nicht nur verwalten sollten, sondern auch in ihrem Sinne ausgeben müssen, einen Schritt nach vorn tun. Deswegen bitte ich Sie, diesem Gesetzentwurf zuzustimmen!

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, bevor ich der nächsten Rednerin, Frau Linnert, das Wort gebe, möchte ich besonders herzlich auf dem Besucherrang eine Gruppe Mitarbeiterinnen von Kinderkrippen und Kindergärten aus Danzig begrüßen.

(Beifall)

Sie sind gegenwärtig bei der AWO Bremen zu Gast, um einen Meinungs- und Informationsaustausch, der seit einigen Jahren aufgebaut wird, zu vertiefen. Viel Spaß, viel Vergnügen und möglichst viel hinzulernen in Bremen!

Als Nächste hat das Wort die Abgeordnete Frau Linnert.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zu zwei Beiträgen meiner Vorredner möchte ich gern noch etwas sagen.

Erst einmal zu Herrn Pietrzok! Die Arbeitsmarktpolitik können wir überhaupt nicht auslagern. Gott sei Dank! Dass Verwaltung auch viel Politik macht, das hat sich hier auch schon herumgesprochen, aber die Arbeitsmarktpolitik sollten wir auch in Zukunft, egal, in welche Rechtsform Verwaltung nun zerfleddert, weiter selbst machen. Bündnis 90/Die Grünen wird das auch tun!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Da ist eben die richtige Trennung von administrativen und operativen Einheiten auch noch nicht im––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

mer in allen Köpfen geglückt, aber das ist ja auch egal!

Jetzt zu der Frage, ob sich das eigentlich rechnet! Es ist richtig, dass die GmbH sich rechnen muss. Die Haushaltsordnung schreibt vor, dass man so etwas nur machen kann, wenn man den Nachweis erbringt, dass es sich rechnet. Aus unserer Sicht ist dieser Nachweis nicht erbracht. Abgesehen davon, dass man eine Million DM Umsatzsteuer zum Fenster hinauswirft – na ja, einen Teil davon bekommt der Finanzsenator ja wieder, aber gut –, bleibt die Frage, wie das passieren soll, dass wieder Geld hereinkommt.

Ich bin da ein schlichtes Gemüt, ich muss mir das immer in der Praxis vorstellen. Da stelle ich mir jetzt richtige Menschen vor, die auf richtigen Stühlen sitzen, in richtigen Büros, die Bescheide bekommen und dann an einem richtigen Arbeitsplatz landen. Was das in der Praxis heißt, das stelle ich mir einmal vor. Herr Teiser ist ganz begeistert über meinen Redebeitrag!

(Abg. T e i s e r [CDU]: Weil Sie sagten, Sie haben ein schlichtes Gemüt! Da habe ich sofort Beifall geklatscht!)

Es ist schon klar! Dass Ihnen das gefällt, das wollte ich extra hervorheben!

Jetzt sehen wir uns das genauer an, und dann stellen wir fest, wie das jetzt eigentlich sein könnte. Wir werden jetzt über die Landesgrenzen hinaus tätig, das ist ja das Ei des Kolumbus, damit verdienen wir richtig Geld, und deshalb rechnet sich die GmbH. Die Stadt Delmenhorst, eine freie Kommune in Niedersachsen, schickt uns jetzt ihre Sozialhilfeempfänger.

(Abg. T e i s e r [CDU]: Um Gottes willen!)

Das wäre eine Möglichkeit! Herr Teiser hat gesagt: Um Gottes willen! Ich will das nicht weiter kommentieren!

Die zweite Möglichkeit ist, dass wir Maßnahmen finanzieren, sagen wir einmal, eine Gruppe von arbeitslosen Sozialhilfe empfangenden Männern wird eine Anstreicherkolonne. Wir finanzieren also Maßnahmen, in die andere Kommunen ihre Sozialhilfeempfänger schicken. Ganz tolle Idee! Oder wir finanzieren eine Malerkolonne in einer anderen Stadt. Auch ein super Idee! Das sind die drei theoretischen Möglichkeiten, wenn es noch andere gibt, tragen Sie die hier vor, wie wir mit dieser fulminanten GmbH in anderen Bereichen über Bremen hinaus Geld verdienen können!

(Abg. Frau L e m k e - S c h u l t e [SPD]: Das ist schlichte Polemik!)

Frau Lemke-Schulte, das ist keine Polemik! Stellen Sie sich praktisch vor, was die GmbH machen soll! Ich habe von diesen ganzen Sprechblasen einfach die Nase voll! Da wird ein riesiger Popanz aufgebaut, was mit der GmbH alles an tollen Sachen gemacht werden soll. Nichts davon ist an die Rechtsform GmbH gebunden. Es geht hier um nichts weiter als um nackte Ideologie! Die arbeitsmarktpolitischen Zielsetzungen, die damit verbunden sind, sind in der Rechtsform des Eigenbetriebs und auch des Amtes zu erreichen. Keines der Ziele, die Sie hier genannt haben, spricht für die Rechtsform GmbH. Es geht nur darum, dass Roland Berger seine Ideologie durchsetzt: Der Markt soll es richten, privatwirtschaftlich organisiert ist überhaupt alles viel besser als im öffentlichen Dienst. Die Gesetze des Marktes sind besser, betriebswirtschaftliches Denken über alles. Deshalb ist das auch eine strategisch wichtige Entscheidung!

(Abg. Frau S t r i e z e l [CDU]: Es spricht doch aber nichts dagegen, oder?)

Doch, Frau Striezel, es spricht eine Menge dagegen, weil nämlich Daimler-Chrysler etwas anderes ist als das Bundesland Bremen und die Stadtgemeinden,

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

weil wir uns eine soziale Verantwortung wünschen und eine, die den Interessenausgleich für die Bevölkerung organisiert, die aber nicht auf Profitmaximierung aus ist! Es ist nichts Schlechtes in einem privatwirtschaftlichen Unternehmen, aber es ist etwas ganz anderes als das, was der Staat hier machen sollte, und das begreifen Sie einfach nicht!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Im Moment wird ja gerade erzählt, was das Krankenhaus Links der Weser macht, übrigens ein sehr erfolgreicher Eigenbetrieb, den man auch so erhalten sollte! Frau Hammerström, ich freue mich darüber, dass Sie nicken, denn es gibt ja auch schon Bestrebungen, das nun auch noch in eine GmbH umzuwandeln.

Wir können hier bald T-Shirts drucken: Gesellschaft mit beschränkter Haftung! So benehmen wir uns hier auch langsam den Bürgerinnen und Bürgern gegenüber, vor allen Dingen Sie von der großen Koalition, meine Damen und Herren! Diese Krankenhäuser gründen als Eigenbetrieb GmbHs, um genau das zu tun, wovon Sie hier meinen, dass es nur in der Rechtsform der GmbH direkt, der Werkstatt Bremen, möglich ist: Sie werden über Bremen hinaus wirtschaftlich tätig! Kein Problem, das ist in der Rechtsform des Eigenbetriebs möglich. Hier wird eine Argumentationskette aufgebaut, die einfach von

vorn bis hinten nicht stimmt! Alle Ziele, die Sie haben, sind in den bestehenden Organisationsformen möglich.

Jetzt sage ich noch einen letzten Satz! Eine Verwaltungsreform in Bremen ist wichtig, aber sie muss mit Augenmaß und unter Wahrung der Kompetenzen des Parlaments betrieben werden. Den gesamten öffentlichen Dienst in Hunderte operativer Einheiten von Gesellschaften mit beschränkter Haftung zu zerfleddern, das wird Ihnen auf die Füße fallen. Das ist kein sinnvoller Weg. Machen Sie damit Schluss, sehen Sie sich das von vorn in Ruhe neu an, dann kann man sehen, in welchen Bereichen es sinnvoll ist, GmbHs zu gründen, es gibt solche Bereiche, und in welchen es ziemlicher Unsinn ist!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.