Protocol of the Session on October 11, 2000

er gesagt hat, die machen da die Jugendlichen fertig.

(Abg. Frau L i n n e r t [Bündnis 90/Die Grünen]: Nein, das hat er nicht gesagt! – Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Ich sage gleich etwas dazu!)

Das habe ich doch vor einer halben Stunde mitgehört!

Also, wir machen nicht fertig, um das klar zu sagen, sondern wir versuchen, zu fördern und herauszufordern, so gut es geht, und wir haben auch vorzeigbar damit vergleichbare Erfolge, vergleichbar! Man kann das nicht tun, um einen Blumentopf zu gewinnen. Wenn Sie glauben, das ist eine Diskreditierung, sind Sie falsch gewickelt. So ist es wirklich! Der Jugendstrafvollzug hat keine Lobby,

(Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Doch, wir sind das!)

und zu glauben, man könne mit dem Jugendstrafvollzug das ändern, da muss man sich nüchtern damit auseinander setzen, dass die Forderung der Öffentlichkeit gerade jetzt bei der neuen Kriminalität junger Leute nach härteren Strafen unübersehbar ist. Man muss eine Balance finden zwischen dem, was die Öffentlichkeit fordert, was wir gegen Kriminelle und mit kriminellen Jugendlichen bitte sehr zu bewirken und durchzusetzen haben, und unserer Verpflichtung über das Jugendgerichtsgesetz, das bitte sehr fair zu machen, das Grundgesetz loyal zu machen und das so zu machen, dass sie trotz ihrer Kriminalität eine Chance bekommen, wenn sie herauskommen aus der Strafe. Diese Balance versuchen wir, ich finde, mit respektablem Ergebnis. Ich bin darauf eingerichtet, dass wir weiter beraten, wenn wir uns nach dieser Debatte wiedersehen in den Ausschüssen.

(Abg. Frau D r. T r ü p e l [Bündnis 90/Die Grünen]: Wo ist denn der Beifall der SPD?)

Das Wort erhält der Abgeordnete Dr. Kuhn.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Meine Erwartung ist eigentlich gewesen, und deswegen habe ich das gesagt, dass Sie als zuständiger Senator diese Lobby sind für diese jungen Menschen,

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

und da ich das nicht wahrnehme, dass Sie das sind, dass wir das denn wenigstens sind, wenn es schon so ist, dass sie jetzt keine Lobby haben. Es muss doch jemand über die Verhältnisse dort sprechen, weil sie

ja nicht öffentlich sind und nicht auf dem Markt stattfinden. Es ist eben nicht leicht, für die Bediensteten nicht leicht und für die jungen Leute erst recht nicht leicht, jemanden zu finden, der über sie und mit ihnen über die Verhältnisse spricht, so habe ich das gesagt.

Das Zweite, ich habe Folgendes gesagt: Ich bitte zu berücksichtigen, dass die jungen Menschen, auch wenn sie manchmal schwere Straftaten schon begangen haben, mehr oder wenig schwere, über die nicht irgendwie zu diskutieren ist, sie sind rechtskräftig verurteilt, dennoch junge Menschen sind, sie sind nicht fertig. Ich habe gesagt, sie sind unfertige Menschen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Das ist die zentrale Idee des Jugendgerichtsgesetzes, dass es sich dabei um unfertige Menschen handelt, auf die man erzieherisch einwirken muss, und ich habe gesagt, wir müssen aufpassen, dass wir sie nicht im Gefängnis in dem Sinne „fertig“ machen, dass ihre Entwicklung in einer Weise abgeschlossen wird und nicht mehr rückgängig zu machen ist, dass sie eben wiederkommen aus dem Gefängnis und nicht resozialisiert sind, nicht offen sind für die Gesellschaft, sondern eher abgeschlossen. Das ist das, was ich gesagt habe.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Die Leute in das Gefängnis hineinzubringen, ist nicht das Problem, sie müssen wieder herauskommen!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Da haben wir ein gemeinsames Interesse, dass sie möglichst aufgeschlossen und möglichst wieder den sozialen Verhältnissen zugeneigt herauskommen. So habe ich es gesagt! Aber gut, Herr Senator, Sie haben sonst offensichtlich nichts gefunden.

Herr Kollege Isola, Sie sagen, mit der SPD-Fraktion werde es keinen Eingriff in die Substanz geben. Wir diskutieren, glaube ich, jetzt über die Frage, ob es diesen Eingriff in die Substanz nicht bereits gibt.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Meine Wahrnehmung und das, was auch aus der Antwort auf die Große Anfrage hervorgeht, ist so, dass diese Substanz berührt ist, verletzt ist.

Ich habe auch gesagt, positives Faktum ist die Ausbildungsfrage, das gehört zu den positiven Seiten, aber sie kann nicht allein stehen, und wenn es so ist, dass außer der Ausbildung, und da fällt auch etwas aus, da gibt es nicht genügend Leute, bei Krank

heit wird da nichts an die Stelle treten, das ist nur die eine Antwort, nämlich vermehrten Einschluss gibt, dann wird natürlich dieses positive Faktum aufgefressen von den Gesamtumständen, und die können Sie nicht bestreiten.

Sie können auch nicht bestreiten, dass es inzwischen so ist im Jugendvollzug, dass, wenn an der einen Seite ein bisschen mehr gemacht werden soll bei den Strafgefangenen und bei den U-Häftlingen, wo die Zahl der Bediensteten schon unter sechs gesunken ist oder sinkt, man dann versucht, beim offenen Vollzug Bedienstete abzuziehen, und die Häftlinge dann einen ganzen Tag allein lassen will. Da wird die Decke hin- und hergezogen. Dass Sie davon sagen, damit sei die Substanz noch unberührt, das kann ich nun wirklich nicht sehen.

Gerade die erzieherische Aufgabe, die Freizeit, die Betreuung durch Bedienstete, die sich ja alle Mühe geben, ist im Kern nicht mehr gegeben, und das ist für die Jugendlichen ganz bitter, und wir finden, das ist eben ein Eingriff in die Substanz dessen, was der Jugendvollzug sein muss und sein soll.

Sie sprechen davon zu Recht, dass es vielfältige Maßnahmen der so genannten Diversion gibt, also andere Maßnahmen, mit denen verhindert wird, dass Jugendliche überhaupt hineinkommen. Das ist völlig richtig, darüber müsste man vielleicht noch einmal gesondert reden, wie man das weiter entwickelt, aber man darf auch nicht auslassen, dass die Zahlen wieder steigen, also bis 1996, bis 1995 sind sie hinuntergegangen. Inzwischen steigen aber die Zahlen auch von inhaftierten Bremer Jugendlichen, nämlich von 54 im Jahre 1996, herausgerechnet die Niedersachsen, auf 81. Also, das ist schon eine ziemliche Steigerung von 56 auf 81! Das muss man, glaube ich, sehr sorgfältig beobachten, was da weiterhin passiert.

Nun möchte ich abschließend dazu kommen, dass Sie sagen, da kommt jetzt Ronald Berger – Ronald Berger ist ja sowieso das Zauberwort für alles, was Sie im Moment nicht lösen –, schauen wir einmal, was die dann sagen!

Es gibt andere Städte, die das anders behandeln. Die Hamburgische Bürgerschaft hat vor zwei Jahren eine Enquetekommission eingerichtet, die im Frühjahr ihren Bericht abgeliefert hat. Da beschreibt die Kommission etwas ganz anderes. Ich darf dies zitieren aus der Drucksache 14/6000 der Hamburgischen Bürgerschaft:

„Die Klientel“, das ist nämlich die gleiche Beschreibung, „wird schwieriger“, und dann geht es weiter: „Die Klientel macht darüber hinaus, weil sie schwieriger geworden ist, eine ausgeprägte Binnendifferenzierung in Kleingruppen notwendig. Soziales Training, Sozialtherapie, erlebnispädagogische Freizeiten, Beratungs- und Gesprächsangebote und die grundsätzlich vorgesehene bedingte Entlassung über den offenen Bereich der Anstalt prägen den

Hamburger Jugendvollzug.“ Die Kommission gibt dann die Empfehlung, vor allen Dingen für die UHaft: „Die Kommission ist der Auffassung, dass neben den bereits vorhandenen beruflichen und schulischen Qualifikation eine besondere pädagogische beziehungsweise therapeutische Ausgestaltung der Jugenduntersuchungshaft erfolgen muss, eine intensive sozialpädagogische Betreuung muss auch für diese Vollzugsform sichergestellt werden, und die Kommission fordert dringend auf, in erforderlichem Umfang Voraussetzungen zu schaffen, die eine ausreichende stationäre jugendpsychiatrische Versorgung insbesondere für jugendliche Häftlinge sicherstellen. Es gilt hier vordringlich, Fehlplatzierungen im Jugendvollzug zu vermeiden.“

Ich kann nicht überprüfen, ob nun wirklich all das so genau stimmt, was die Kommission festgestellt hat. Sie hat das so festgestellt, sie gibt Empfehlungen. Ich wäre froh, wenn in Bremen auch solche Ideen einmal geäußert würden, was man eigentlich tun müsste. Sie reden davon, das Geld sei nicht da. Ich sage Ihnen, in anderen Bereichen sind einfach im Justizwesen Fakten gesetzt. Bei den Gerichtskosten sind es Fakten, da kann man noch solche Haushaltsanschläge über Einnahmen, Ausgaben machen, die Wirklichkeit der Gerichte, die ihrem gesetzlichen Auftrag folgen, bringt am Ende etwas anderes hervor, als der Haushaltsgesetzgeber veranschlagt. So ist es! Das haben wir zu akzeptieren!

Nur bei dem gesetzlichen Auftrag des Jugendvollzugs akzeptieren wir das offensichtlich nicht, sondern behandeln das als Masse, um einzusparen, und diese Unterschiede, in einem Fall sind es objektive Fakten, da können wir nichts machen, und in einem anderen Fall wird massiv eingegriffen, wird massiv gespart, und für unsere Fälle weit über die Schmerzgrenze hinaus, und man stellt sich das sozusagen frei, das zu machen oder nicht. Das finden wir nicht richtig.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Aussprache ist geschlossen.

Die Bürgerschaft (Landtag) nimmt von der Antwort des Senats, Drucksache 15/440, auf die Große Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Kenntnis.

Meine Damen und Herren, wir können in die Mittagspause eintreten.

Ich unterbreche die Sitzung bis 14.30 Uhr.

(Unterbrechung der Sitzung 12.57 Uhr)

Vizepräsident Dr. Kuhn eröffnet die Sitzung wieder um 14.31 Uhr.

Meine Damen und Herren, die unterbrochene Sitzung der Bürgerschaft interjection: (Landtag) ist wieder eröffnet.

Ich darf sehr herzlich folgende Besuchergruppen begrüßen: eine Gruppe des Gustav-Heinemann-Bürgerhauses, eine Gruppe der SPD-Arbeitsgemeinschaft „60plus“ aus Bremerhaven und eine Gruppe des Heimatvereins Oberneuland, Klattehoff, Rockwinkeler Landstraße.

Meine Damen und Herren, herzlich willkommen!

(Beifall)

Novelle zum Waffenrecht abschließen

Antrag der Fraktionen der CDU und der SPD vom 4. Juli 2000 (Drucksache 15/403)

Dazu als Vertreter des Senats Herr Senator Dr. Schulte, ihm beigeordnet Staatsrat Dr. Böse.

Die Beratung ist eröffnet.

Das Wort hat der Abgeordnete Herderhorst.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ein aus meiner Sicht wichtiger Teil der inneren Sicherheit und damit ein Mosaikstein zur Bekämpfung von Kriminalität sowie zur Herstellung verbesserter subjektiver Sicherheit ist zweifellos das Waffenrecht. Mit einer Änderung von 1996 besteht das Waffengesetz nun schon seit Mitte der siebziger Jahre unverändert und hat damit der Entwicklung im Waffenbesitz und im -missbrauch insbesondere zur Begehung von Straftaten in keiner Weise Rechnung getragen. Alle Entscheidungsträger in Bund und Ländern sowie auch Berufsvertretungen der Polizei und Verbände sind sich entgegen der Auffassung der Waffenlobby einig, dass das Waffenrecht wesentlich stringenter gefasst werden muss.