Protocol of the Session on September 14, 2000

Als Nächste hat das Wort die Abgeordnete Frau Dr. Mathes.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir Grünen stimmen weitgehend der Mitteilung des Senats und den von Frau Wilts ausgeführten Erläuterungen zu, und ich möchte hier auch nicht mehr Details hinsichtlich ökologischer, chemischer und biologischer Prozesse ausführen, sondern stärker auf das politische Agieren, insbesondere der CDU, eingehen.

Biodiesel ist sinnvoll als ein Teil eines Mixes verschiedener Möglichkeiten, die Abhängigkeit von Mineralölprodukten herunterzufahren und die Umwelt zu entlasten, ein Teil in einem Mix! Dabei muss man sehr genau hinschauen, ob es zur heutigen Zeit Sinn macht, im Bereich des motorisierten Straßenverkehrs diesen Anteil in dem Mix weiter auszubauen, ob das die technologische Antwort ist. Da sagen wir: Nein! Es ist nicht sinnvoll, den Ausbau des Einsatzes von Biodiesel in der kommunalen und landeseigenen Fahrzeugflotte weiter zu forcieren.

Durch den Vorschlag der CDU, muss ich leider sagen, sehe ich mich in die Diskussion von vor zehn Jahren zurückversetzt, und die Argumente sind ja auch auf der Ebene gekommen, als man das ernsthaft diskutiert hat. Es sind viele Pilotvorhaben, Forschungen durchgeführt worden, die zu dem Ergebnis kommen, dass es keinen Sinn macht, für den motorisierten Straßenverkehr einen weiteren Ausbau stark zu forcieren, sondern dass Biodiesel insbesondere in den umweltsensiblen Bereichen Sinn macht. Umweltsensible Bereiche sind die Landwirtschaft und die Schifffahrt, wo es um Gewässerschutz

fragen geht, weil nämlich dort, wenn es zu Verschmutzungen kommt, aufgrund der biologischen Abbaubarkeit des Rapsmethylesters die Verschmutzungen nur kurzfristig sind und die Substanzen wieder in den Kreislauf integriert werden.

Das ist der Sachstand, und das hat auch die Industrie erkannt. Die Industrie setzt nicht mehr für den motorisierten Individualverkehr auf Biodiesel, sondern sie setzt auf die mit Wasserstoff betriebene Brennstoffzelle, den man dann sozusagen als Vision durch Sonnenenergie erzeugt. Das ist, was man entwickeln sollte und Biodieseltechnologie in den umweltsensiblen Bereichen. Dort werden nämlich die größten Umweltentlastungen erreicht. Das Problem hängt eben mit dem enormen Flächenanspruch zusammen, den der Rapsanbau hat.

Jetzt komme ich aber zum politischen Agieren der CDU, und da möchte ich mit Erlaubnis des Präsidenten aus dem Vorspann zu Ihrer Großen Anfrage zitieren: „Unbestreitbar ist auch die Tatsache, dass der Verkehr und da insbesondere der motorisierte Straßenverkehr in Mitteleuropa und Nordamerika den größten Teil an Schadstoffemissionen aus der Verbrennung fossiler Rohstoffe in Form von Mineralölprodukten verursacht.“ Hier hat die CDU Recht. Das Problem, das ich sehe, ist nur, dass sie völlig anders agiert.

Ich fasse den Sachverhalt, den ich jetzt versucht habe deutlich zu machen, noch einmal zusammen: Es ist nicht sinnvoll, den Einsatz von Biodiesel im motorisierten Straßenverkehr weiter voranzutreiben. Wichtig ist, die Anbaupotentiale des Ölpflanzenanbaus in Deutschland für die umweltsensiblen Bereiche zu nutzen. Das ist der Sachstand, das wissen wir. Deswegen hat die rotgrüne Bundesregierung beziehungsweise haben die Fraktionen der Grünen und der SPD am 22. Februar einen entsprechenden Antrag in den Bundestag eingebracht, und ich zitiere hier aus der Drucksache 14/2766 des Deutschen Bundestages: „Der Bundestag wolle beschließen: Der Deutsche Bundestag stellt fest, die Förderung und die Markteinführung von biogenen Treib- und Schmierstoffen in umweltsensiblen Bereichen auf der Grundlage der geplanten Mittel von 20 Millionen DM zu verstetigen und weiter auszubauen.“ Das müsste doch ganz im Sinne der Bremer CDU sein. Aber was passierte? Der Antrag wurde an den Finanzausschuss überwiesen, und in dessen Sitzung am 30. Juni 2000 stimmte die CDU gegen diesen Antrag.

Meine Damen und Herren von der CDU, Sie sind also für den Einsatz von Biodiesel und den weiteren Ausbau in Bereichen, in denen er ökonomisch und ökologisch nicht sinnvoll ist, aber in den Bereichen, in denen er Sinn macht, stimmen Sie auf Bundesebene dagegen. Das kann ich nicht mehr nachvollziehen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Vielleicht noch einmal für die Landwirtschaft: Aufgrund der Mehrheitsverhältnisse wird dieses Markteinführungsprogramm durchgeführt, und es wird in den nächsten Tagen auch ein entsprechendes Förderprogramm ausgeschrieben, nämlich Förderung eines Demonstrationsvorhabens im Rahmen des Förderprogramms Nachwachsende Rohstoffe des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zum Schwerpunkt Praxiseinsatz von neuen, serienmäßig rapsöltauglichen Traktoren. Auch dies ist ein Beispiel für die vielen Aktivitäten, die die rotgrüne Bundesregierung unternimmt, um umweltfreundliche Alternativen zum Einsatz von Mineralölprodukten zu entwickeln.

Hier bin ich beim zweiten und letzten Stichwort, nämlich Klimaschutz. Ich bin mittlerweile wirklich der Überzeugung, meine Damen und Herren von der CDU, dass Sie das Wort Klimaschutz eigentlich nicht mehr in den Mund nehmen dürften. Wenn man Ihre Kampagne gegen die Ökosteuer und alles zusammen nimmt

(Widerspruch bei der CDU)

und zudem weiß, dass die Vereinbarungen von Kyoto — wenn jetzt keine Trendwende passiert — vor allen Dingen aus dem Grund nicht einhaltbar sein werden, dass trotz der Reduktionsvorgaben im Straßenverkehr die CO2-Emissionen um 11,1 Prozent zugenommen haben, dann ist doch klar, dass hier in der Tat eine Trendwende erforderlich ist.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Die Säulen des Klimaschutzprogramms werden ja demnächst auch im Bundestag debattiert. Der Zwischenbericht der Bundesregierung liegt vor, und dort wird es ein ganzes Maßnahmenpaket mit Alternativen geben, und hier bin ich wirklich einmal gespannt, ob sich die CDU ebenso verhält, wie sie hier mit ihrem Antrag zum Ausdruck bringen will. — Ich bedanke mich!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Henkel.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist genau das eingetreten, was ich befürchtet habe. Parteipolitische Gesichtspunkte sind dann doch wichtiger als die Gesundheit unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger und die Umwelt.

(Abg. M ü t z e l b u r g [Bündnis 90/Die Grünen]: Das ist ziemlich frech, Herr Hen- kel!)

Frau Dr. Mathes, wir sind gemeinsam in der Umweltdeputation damit konfrontiert worden, dass wir in der Innenstadt in Bremen am Messpunkt Am Wall einen Wert an Rußemissionen, an Partikelausstoß haben, der über der 1995 festgelegten Obergrenze ist. Wenn Sie sich am Schüsselkorb hinstellen, wo nicht gemessen wird, wird es wahrscheinlich noch schlimmer sein, weil da ja ein Tunneleffekt ist. Am Messpunkt Am Wall ist ja noch relativ viel Möglichkeit, dass der Wind das vertreibt.

Es ist klar, da fährt jede Minute ein Linienbus durch. Jede Minute! Schauen Sie sich einmal den Fahrplan von der Straßenbahn an! Dann kommen noch Taxis hinzu, alles Dieselfahrzeuge. Wenn Sie jetzt beispielsweise etwas für die Bürgerinnen und Bürger tun wollen, die dort ja tagsüber nicht in geringem Maß vorkommen, sondern den Dreck dann auch einatmen, dann wäre das zum Beispiel ein erster konkreter Schritt, bevor Sie anfangen, hier über Wasserstoff zu philosophieren und gleichzeitig als Grüne bundesweit den Strom abschalten, mit dem Sie ja den Wasserstoff erst einmal erzeugen müssen.

(Beifall bei der CDU)

Wenn Sie Kernenergie stilllegen wollen, wenn Sie sie durch fossile Energie ersetzen wollen, dann schaffen Sie am Ende Wasserstoffautos, bei denen zwar kein Abgas freigesetzt wird, deren Auspuff aber das Kohlekraftwerk, Braunkohlekraftwerk, was immer Sie da fördern, ist, ob das kraft-wärme-gekoppelt ist oder nicht, es wird die Umwelt und das Klima damit belastet. Das ist die Unehrlichkeit von grüner Energie- und Umweltpolitik.

(Beifall bei der CDU)

Da muss man leider auch Ihnen sagen: Nicht immer, wenn Umwelt darauf steht oder wenn einer für sich behauptet, Umweltpolitik zu machen und das wie eine Monstranz vor sich herträgt, betreibt er wirklich Umweltpolitik. Das ist ein ganz konkreter Fall, wo wir Ihnen das belegen können.

(Beifall bei der CDU — Abg. Frau L i n - n e r t [Bündnis 90/Die Grünen]: Warum haben Sie das im Bundestag abgelehnt?)

Frau Linnert, Sie können sich gleich zu Wort melden, ich unterbreche Sie auch nicht. Oder stellen Sie eine Zwischenfrage, die beantworte ich Ihnen gern!

(Glocke)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Bitte, Frau Linnert!

Herr Henkel, erklären Sie uns doch bitte, warum Ihre Fraktion das im Haushaltsausschuss des Bundestags abgelehnt hat. Sagen Sie das doch dann einmal hier!

Ich kann über das, was jetzt in der Bundestagsfraktion diskutiert worden ist, schlicht und ergreifend nichts sagen, weil ich nicht mit den Kollegen dort gesprochen habe. Nur macht es natürlich wenig Sinn, wenn Sie das begrenzt vorhandene Rapsöl für irgendwelche Traktoren draußen einsetzen — übrigens würde es gar nicht für die gesamte Landwirtschaft reichen —, und in den wirklich umweltsensiblen Bereichen, sprich urbanen, innenstädtischen Bereichen, wo die Leute unmittelbar mit den Emissionen aus den Auspuffrohren konfrontiert werden, interessiert Sie das nicht.

Wenn Sie zum Beispiel die Dieselfahrzeuge mit RME betreiben, haben Sie ohne Katalysator bereits eine Reduktion um 50 Prozent. Arbeitsmediziner der Göttinger Universität haben 1998 belegt, dass die Rußpartikel, die bei Biodiesel ausgestoßen werden, außerdem zehnmal weniger Krebs erregend sind als die des Mineralöldiesels. Statten Sie diese Biodieselfahrzeuge mit Oxydationskatalysatoren aus, die Sie nämlich nur mit dem schwefelfreien Kraftstoff betreiben können, dann haben Sie einen Rußausstoß, der an der Nachweisgrenze liegt. Das ist ein ganz konkreter, unmittelbar umsetzbarer Beitrag für Gesundheit und Umwelt hier in Bremen, für Ihre Bürgerinnen und Bürger!

(Beifall bei der CDU)

Da verweigern Sie sich. Da ist die Stunde der Wahrheit.

Es geht nämlich um etwas ganz anderes! Wenn das Umweltbundesamt hier gemeinsam mit Standard Oil, Esso ist ja nichts anderes, früher war Rockefellers Standard Oil das beliebteste Objekt aller Kapitalismuskritiker, jetzt auf einmal Seite an Seite stehen, ist das hochinteressant! Ja, um was geht es denn? Es geht um Geld! Wenn hier fünf Prozent Diesel substituiert werden, also ersetzt werden, dann geht natürlich der Bundesregierung Mineralölsteuer in Höhe von 1,3 Milliarden DM verloren. Für Pflanzenöl können Sie genauso wenig Mineralölsteuer verlangen, wie Sie für Mineralwasser Sektsteuer verlangen können. Das ist klar!

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU)

Da ist das Problem! Dann sehen Sie natürlich mit Ihrer Ökosteuer nicht ganz gut aus, weil Sie auch schlecht Ökosteuer erheben können. Es ist ja ein

ökologischer Treibstoff. Sehen Sie, und so schnell schließt sich der Kreis.

(Beifall bei der CDU)

Wenn Standard Oil auf Grüne trifft und es ans Geld geht, dann reagieren Sie mit Pawlow‘schem Reflex: Nein, das wollen wir nicht, hier geht es um Kohle, Staatsknete, schlicht und ergreifend! Das ist doch die Wahrheit!

(Beifall bei der CDU)

Haben Sie sich einmal durchgelesen, was das Umweltbundesamt geschrieben hat? Das ist eine abenteuerliche Argumentation! Wo man zugeben muss, dass die Energiebilanz ja eigentlich günstiger ist, weil bei der Herstellung von RME auch Glyzerin anfällt, das die chemische Industrie braucht und zu wenig aus biologischen Quellen vorhanden ist — darum wird es aus fossilen hergestellt —, da wird gesagt, der Vorteil wäre gar nicht so groß. Wenn nämlich mehr Glyzerin hergestellt wird, dann fällt bestimmt der Marktpreis, dann bringt das nicht mehr so viel.

Es entsteht bei der Herstellung von RME auch Viehfutter, Rapsschrot. Da wird gesagt — das kann man ja nicht leugnen, das ist ja auch eine Energieeinsparung, die in die Energiebilanz einfließt —, das können wir nicht machen, denn wir haben ein Abkommen mit den USA, dass wir deren Sojaschrot einführen. Sehr ökologisch! Das Soja wird quer über den Atlantik geholt, und das Rapsschrot dürfen wir hier nach dem Blairhouse-Abkommen nicht verwenden. Anstatt dann den richtigen Schluss zu ziehen und zu sagen, dass man dann solche Abkommen ändern muss, wenn man ökologisch und umweltorientiert ist, wird das als absolute Tatsache, als unveränderlich angenommen.

(Beifall bei der CDU)

Das ist die Qualität Ihrer Argumentation und Ihrer Politik!

(Abg. Frau L i n n e r t [Bündnis 90/Die Grünen]: Den Vertrag hat wahrscheinlich damals die von Ihnen geführte Bundesre- gierung geschlossen!)

Es gibt nichts Schlimmeres, als wenn das Thema Umwelt von Ideologen besetzt wird, die statt Umwelt nur noch den Fetisch haben: Ausstieg aus der Kernenergie, ohne Rücksicht auf Verluste und Klima! Das ist das Problem. — Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU)