Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Heute wurde in zwei großen Tageszeitungen die Liste der Opfer von rechtsextremen Terror- und Mordanschlägen veröffentlicht. Eine Liste, die sich über drei Seiten hinzieht! Die Opfer werden namentlich genannt, und ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
die Tatvorgänge werden kurz beschrieben. Es ist eine Liste, die 1990 beginnt, und vor ein paar Wochen hat die letzte Tat stattgefunden. Ich befürchte, es war nicht die allerletzte.
Ich habe schon gedacht, dass man anstelle einer Rede zu Ehren dieser Opfer nur einmal diese Liste mit ihren Namen und diesen grauenhaften Taten verlesen sollte. Ich empfehle jedem, das einmal nachzulesen. Es verschlägt einem die Sprache.
Diese Blutspur hat es nach 1945 in Deutschland noch nicht gegeben. 96 Tote werden hier aufgelistet, wobei man an dieser Stelle auch kritisch anmerken muss, dass die Bundesregierung, die ja ebenfalls eine Statistik über diese Opfer führt, auf 26 kommt. Die SPD-geführte Bundesregierung, die rotgrüne Koalition! Die Kohl-Regierung hatte immerhin noch 35 Opfer auf dieser Liste. Ich sage das hier ganz offen als Sozialdemokrat, wie offensichtlich auch mit Zahlen manipuliert wird, um einer angeblichen Dramatisierung dieses Themas vorzubeugen.
Es ist völlig richtig, was der Kollege Dr. Güldner sagt, es ist kein Thema, und das hat ja auch Herr Eckhoff gesagt, das man jetzt dramatisiert und so womöglich noch den Eindruck erweckt, wir hätten bereits das Jahr 1932. Das waren ganz andere gesellschaftliche Rahmenbedingungen, ein ganz anderes gesellschaftliches Klima. Aber zum Verharmlosen und vor allen Dingen zum Verschweigen der Fakten, was in dieser Gesellschaft stattfindet, besteht nun allemal kein Anlass.
Ich hoffe, dass der Deutsche Bundestag das zum Thema macht, dass die demokratischen Fraktionen das dort auch aufgreifen und aufklären über das, was hier in Deutschland passiert und was ja im Grunde genommen so empörend ist, dass einem fast die Worte dafür fehlen.
Ich verstehe auch nicht, dass es dann führende Politiker sowohl bei der CDU als auch bei der SPD gibt, die vor einer Dramatisierung dieses Themas Rechtsextremismus warnen. Das ist nicht nur Roland Koch, der das gesagt hat, der damit ja in die Kritik gekommen ist. Nein! Es war auch schon vor Jahren Stolpe, der meinte, als die ständigen Nachrichten über rechtsextremistische Terrorüberfälle von Skinheads in Brandenburg auftauchten, es handele sich doch um Bubenstreiche. Das ist eine Art, ein Klima in der Bevölkerung hervorzurufen, mit der man im Grunde genommen von staatlicher Seite den Eindruck erweckt, das sei alles gar nicht so schlimm,
das kann man als Jugendsünde und wenn nötig dann eben mit Jugendarrest und Jugendstrafe ahnden. Sicherlich! Die strafrechtliche Ahndung ist das eine, auch bei Jugendlichen. Das ist völlig klar. Aber dieses Problem Rechtsextremismus, was wir erleben und eben nicht seit heute und nicht seit gestern, seit Wochen, sondern seit geraumer Zeit, geht tief in diese Gesellschaft und verunsichert auch deswegen, weil es gleichzeitig auch politische Entwicklungen gibt. Gott sei Dank noch nicht so sehr bei uns, aber in dem kleinen deutschsprachigen Nachbarland Österreich gibt es mit der FPÖ eine rechtspopulistische Entwicklung, die sicherlich nicht in unmittelbaren Zusammenhang mit Brandstiftungen und Mordtaten zu bringen ist, aber uns dennoch sehr beunruhigt und umtreibt, dass hier ein Klima entsteht, wo viele rechte Stammtischspießbürger meinen, das ist so schon in Ordnung, man muss sich darüber zumindest nicht groß aufregen, oder wir schauen weg. Dies ist eine Kultur, die wir als demokratische Parteien bekämpfen müssen als eine Unkultur.
Wir müssen, wenn wir hier zu Zivilcourage auffordern, und zwar alle demokratischen Fraktionen, auch beim Namen nennen, dass im Grunde genommen hier womöglich ein Klima entsteht, das solche Taten fördert, weil sich die Täter möglicherweise in Übereinstimmung mit Teilen dieser Bevölkerung glauben. Da müssen ihnen Grenzen aufgezeigt werden. Aus diesem Grund will ich auch an dieser Stelle einmal eine Frage aufgreifen, denn das Verbot einer rechtsextremen Organisation oder Partei wie der NPD ist ja sehr umstritten. Da kann man Gründe pro und kontra aufführen, wobei die wichtigste Frage ist, ob solch ein Verbot überhaupt Erfolg hat. Es wäre verheerend, einen Verbotsantrag einzubringen, und das Bundesverfassungsgericht sagt, die vorgelegten Beweise reichen nicht aus, um zu diesem Verbot zu kommen. Das wäre in der Tat verheerend auch für die weitere demokratische Entwicklung, denn die Rechtsextremen würden natürlich jubeln und Auftrieb bekommen. Daher Vorsicht vor der Verbotsfrage, aber die Prüfung ist natürlich dringend notwendig! Ich denke aber, dass die Frage des Verbots doch auch vielen aufzeigt, auch vielen hier deutlich Grenzen aufgezeigt werden, die jetzt meinen, das irgendwie in Ordnung zu finden, dass man sich gegen Ausländer wendet. Deswegen halte ich die Diskussion über das NPD-Verbot für notwendig. Ich warne nur davor, das Bundesverfassungsgericht anzurufen und sich womöglich eine Niederlage dort zu holen. Wer im „Spiegel“ in dieser Woche das Interview mit einem Bundesverfassungsrichter, mit Hoffmann-Riem, gelesen hat, der weiß, welche Schwierigkeiten in der Verbotsfrage bestehen.
Ich denke auch, ein Verbot kann nur ein, wenn auch nicht ganz unwichtiges, Instrument sein, um gegen diese rechtsextremistische Entwicklung anzutreten. Das Verbot nützt uns überhaupt nichts — abgesehen davon, dass die sich womöglich gleich wieder neu organisieren —, wenn nicht ein breiter Konsens in der Gesellschaft vorhanden ist, für diese Demokratie und für diese Werte einzutreten, die wir hier im Grundgesetz verankert haben, für die wir aber täglich leben müssen. Wenn die Gesellschaft sich hier nach und nach abwendet, insbesondere auch die Jugend damit nichts mehr anfangen kann, sich fragt, was eigentlich Mitmenschlichkeit ist, was es heißt, sich für Behinderte, für Ausländer und deren Nöte einzusetzen, wenn die Solidarität in dieser Gesellschaft nicht gelebt wird, wenn wir hier nicht als Parteien vorbildlich sind, nützen uns Organisationsverbote überhaupt nichts! Dann kommen wir an dieser Stelle nicht weiter!
Ich denke, dass wir in der gegenwärtigen Debatte zweierlei aufzeigen müssen: Wir müssen den Rechtsextremen und ihren geistigen Mitläufern die Grenzen aufzeigen und mit den Mitteln des Rechtsstaats mit aller Entschiedenheit darauf reagieren, so dass hier kein Irrtum entsteht, diese Gesellschaft sei so liberal, dass sie sich das gefallen lässt. Nein, wir sind, ich mag diesen Begriff an sich nicht so gern, aber an dieser Stelle werde ich ihn doch einmal sagen, in dieser Beziehung eine wehrhafte Demokratie. Wir haben hier Instrumente, und die werden wir anwenden, um etwas zu verhindern, worunter Deutschland, aber auch die halbe Welt, wenn nicht darüber hinaus, gelitten haben von 1932 bis 1945.
Das wird sich hier nicht wiederholen, auch nicht als Farce! Es war eine Tragödie, aber es wird sich auch nicht als Farce wiederholen. Dafür, denke ich, werden alle demokratischen Parteien sorgen.
Wir werden aber auch deutlich machen, dass wir unsere sozialen, wirtschaftlichen, rechtsstaatlichen und politischen Errungenschaften nicht von völkischen Schlägern und Hetzern in Frage stellen lassen. Hier werden wir auch eindeutig mit den Instrumenten der Strafverfolgung und des Polizei- und Verwaltungsrechts reagieren. Insofern sind alle, auch die Polizei und Justiz, aufgefordert, diese Auseinandersetzung zu führen.
Aber entscheidend ist die Auseinandersetzung in der gesellschaftlichen Mitte. Ich sage einmal, in einer Gesellschaft, wo am Frühstückstisch sich Eltern womöglich vor ihren Kindern über Vorgänge in dieser Gesellschaft auslassen, ist das gefährlicher als so mancher öffentliche Auftritt von Rechtsextremen.
Das heißt, diesem Rechtsextremismus der Mitte, den man verbreitet vorfindet, muss durch entsprechende Aufklärung, muss durch die politischen Parteien, durch Gewerkschaften und durch Verbände begegnet werden. Der ist viel gefährlicher als der organisierte Rechtsextremismus, der zum Beispiel durch einen Abgeordneten hier in diesem Parlament dargestellt wird. Entscheidend ist also die politische Auseinandersetzung in unserer politischen Mitte.
Meine Damen und Herren, der Kampf gegen Rechts darf nicht die Einschränkung demokratischer Rechte und rechtsstaatlicher Prinzipien zum Ziel haben. Gegner in dieser Auseinandersetzung sind die Verfassungsfeinde, aber nicht die Verfassung selbst. Deswegen warnen wir als Sozialdemokraten an dieser Stelle auch immer davor, selbst Einschränkungen in der Verfassung vorzunehmen, um uns, sage ich einmal, selbst an die Kette zu legen. Diese freiheitliche Verfassung muss bestehen bleiben, deswegen auch Vorsicht bei dem Verbot von Parteien!
Meine Damen und Herren, wir haben Ihnen mit diesem Antrag den Vorschlag gemacht, den Senat zu bitten, im Grunde genommen seinen Bericht über Rechtsextremismus und das Aktionsprogramm, das wir in den letzten Jahren bereits hatten, fortzuschreiben. Wir hatten in der Legislaturperiode von 1991 bis 1995 hier längere Debatten über dieses Thema und seinerzeit mit dem Senat und dem Parlament einen hervorragenden Bericht und einen Maßnahmenkatalog erarbeitet. Ich denke, dass neue Maßnahmen insofern nicht erforderlich sind, sondern es ist notwendig, diese Maßnahmen fortzuschreiben.
Wir haben das in unserem Antrag vorgeschlagen. Wir erwarten, dass der Senat bis Ende des Jahres vorschlägt und Überlegungen anstellt, wie er im Einzelnen auf diese neue Herausforderung reagieren will. Ich denke, dass wir diesem Antrag so zustimmen können. — Schönen Dank!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Nun wollen wir hier einmal Tacheles reden! Bei Ihren Ausführungen könnte man ja meinen, der Leibhaftige sei wieder auferstanden.
Meine Damen und Herren, eine noch nie da gewesene Hetzkampagne der Altparteien, Hand in Hand mit der Medienmafia und willigen Helfern aus der Skinheadszene, gegen alles, was demokratisch rechts ist, stellt die vorhergehenden Aktionen ge
gen Kampfhunde oder die Serben ja mühelos in den Schatten. Die Bosse der Medienmafia geben unumwunden zu, dass sie um die verheerenden Wirkungen ihres Tuns wissen. Da gibt es zum Beispiel ein Positionspapier des Rundfunkrates des Westdeutschen Rundfunks aus dem Jahre 1994. Zum Thema „Rechtsradikalismus/Ausländerfeindlichkeit“ heißt es da, Herr Präsident, ich darf zitieren: „Es ist davon auszugehen, dass die Berichterstattung zu Nachahmungstaten führen kann. Durch sensationsgierige Berichte würden namenlose Psychopathen zu Prominenten hochstilisiert.“
In dieser Zeit einer hysterischen Hetze gegen rechte Demokraten passt dieser hilflose Antrag natürlich wie die Faust auf das Auge, um von dem politischen Versagen und von den Skandalen der Altparteien abzulenken. Ich frage mich als Demokrat, besorgt um unsere Demokratie,
wann Sie endlich einmal ein Zeichen setzen wollen, ein Bündnis gegen Fremdenfeindlichkeit, fremdenfeindliche Sprüche der ach so toleranten und so genannten demokratischen Altparteien gründen wollen.
Meine Damen und Herren, ich habe hier einen Artikel aus der unverdächtigen „taz“ zum Thema „Rechtsradikalismus/Rechtsextremismus“ mit der Überschrift „Euch haben sie beim Wort genommen — Stichworte aus der politischen Mitte, die die Straße mobilisieren“. Zitiert werden hier Politiker aller, aber auch aller Altparteien in Bezug auf rechtsradikalistische und fremdenfeindliche Sprüche.
Ich will nur einige Zitate, da ich nun leider nur eine begrenzte Redezeit habe, zitieren dürfen. Herr Präsident, ich darf zitieren. Meine Damen und Herren, hier sagt zum Beispiel Otto Schily, SPD, ehemals Grüner: „Die Grenze der Belastbarkeit Deutschlands durch Zuwanderung ist überschritten.“ Es geht doch noch weiter, bleiben Sie ganz ruhig!
Dann sagt hier zum Beispiel Christine Ostrowski, PDS: „Jeder dritte Bauarbeiter im Osten ist arbeitslos, gleichzeitig arbeiten nicht wenige ausländische Beschäftigte auf dem Bau.“ Da kommen dann noch einige radikalere Sprüche von der PDS-Dame.
Dann zum Beispiel ein gewisser Wolfgang Zeitlmann, CSU-Bundestagsabgeordneter: „Das Boot ist mehr als voll, es sinkt bereits! Wo steht geschrieben, dass Ausländer dieselben sozialen Leistungen erhalten müssen wie Deutsche?“
Dann unser Herr Bundeskanzler Schröder, genüsslich zitiere ich den einmal: „Wir dürfen nicht mehr so zaghaft sein beim Ertappen ausländischer Straftäter. Wer unser Gastrecht missbraucht, für den gibt es nur eins: raus, und das so schnell wie möglich.“
„Die Zeit der Gastfreundschaft geht zu Ende.“ Dann noch eines: „Wenn Ausländer eine Bereicherung sind, dann können wir schon seit langem sagen, wir sind reich genug. Eine multikulturelle Gesellschaft ist eine latente Konfliktgesellschaft, die inneren Frieden und Sicherheit gefährdet.“
Meine Damen und Herren, das sind Ihre Abgeordneten! Diesbezüglich möchte ich Sie noch einmal darauf hinweisen, dass ich als DVU-Abgeordneter noch nie, aber noch nie eine so Ekel erregende und fremdenfeindliche Aussage gemacht habe wie der hessische CDU-Landtagsabgeordnete Clemens Reif, der den hessischen Fraktionschef vom Bündnis 90/Die Grünen, Herrn Al-Wazir, doch tatsächlich aufgefordert hat, nach Sanaa zurückzukehren, obwohl Herr Al-Wazir deutscher Staatsbürger ist. Herr Eckhoff, solche Ekel erregenden fremdenfeindlichen Aussagen Ihrer Parteikollegen und auch von der SPD müssen Sie mir erst einmal erklären, bevor Sie hier einen solchen hilflosen Antrag einbringen, bevor wir uns hier überhaupt über Rechtsradikalismus unterhalten können.
Also, meine Damen und Herren der Altparteien, räumen Sie erst einmal im Bereich Extremismus in den eigenen Reihen auf, bevor wir uns hier darüber unterhalten können! Obwohl ich mich fragen muss, wenn damals schon ein Bündnis gegen Linksextremisten gegründet worden wäre, ob wir dann heutzutage einen so kampferprobten ehemaligen Straßenkämpfer wie unseren heutigen Außenminister Fischer hätten! Ich glaube kaum.
Herr Eckhoff, in Bezug auf diesen Antrag äußern Sie sich in der „taz“ vom 24. 8. 2000 wie folgt, ich darf zitieren: „Auf die Unterstützung von Herrn Tittmann legen wir keinen Wert, da die DVU den Nährboden für Rechtsextremismus bereiten würde.“
Nachdem ich eben die Aussagen Ihrer Kollegen aus der „taz“ zitiert habe und auch die der SPDAbgeordneten, können wir uns ja wirklich darüber streiten, wer hier die wirklichen Extremisten sind!
Meine Damen und Herren, die Zahlen und Statistiken belegen ganz eindeutig, dass es in Bremen und Bremerhaven praktisch überhaupt keinen Rechtsextremismus gibt. Auch ist es Tatsache, dass es in den ganzen 13 Jahren, in denen die Deutsche Volksunion in Bremerhaven politische Mitverantwortung trägt, nicht einen einzigen Fall politisch motivierter gewalttätiger Angriffe oder Übergriffe gegen Aus
länder gab. Diese Tatsachen beweisen die Richtigkeit meiner Aussagen, meine Damen und Herren. Wenn ich wirklich ein so großer schlimmer Hetzer und Demagoge bin, wie Sie hier ja immer behaupten, dann müssen Sie mir diesen nicht vorhandenen Rechtsextremismus im Lande Bremen erst einmal erklären. Wie wollen Sie denn etwas bekämpfen, was praktisch nicht existiert? Hier erinnern Sie mich alle an Don Quichote, der ebenfalls damals erfolglos gegen Windmühlen angekämpft hat.
Meine Damen und Herren, und nun hören Sie genau zu! Der beste Demokratieschutz sind nicht die staatliche Repression, Verbote oder solche hilflosen Anträge gegen angeblichen Rechtsextremismus, es wird in einer Demokratie immer ein linkes und ein rechtes politisches Spektrum geben. Damit müssen Sie sich abfinden, das ist eben Demokratie.