Sie stellen zum einen heraus, wie wichtig doch gegenseitige Kritik zur Befruchtung der freien Wirtschaft ist, gleichzeitig regen Sie sich auf, und zwar in beleidigender Form, wenn jemand einen anderen kritisiert. Wenn der Rechnungshof seinen Be––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
richt vorlegt, dann steht darüber nicht „Im Namen des Volkes“, und unten darunter steht auch nicht „Dieser hat Anspruch auf Allgemeinverbindlichkeit und ist nicht mehr zu kritisieren“, sondern es ist völlig üblich, dass solche Rechnungshofberichte bei denen, die es betrifft, auf Diskussionsbedarf treffen.
Üblich ist, wenn der Bericht für das Rechnungsjahr 1998 dann irgendwann dem Parlament vorliegt, dass sich vorher der Rechnungsprüfungsausschuss ausgiebig damit befasst und die senatorischen Behörden jeweils mit ihren Stellungnahmen versuchen, die Kritik zu entkräften, oder Mängel einsehen. In der Regel werden tatsächliche Mängel auch abgestellt.
Wenn Sie sich allerdings hier hinstellen und Form und Stil von Dingen kritisieren, von denen ich sage, sie sind durchaus im Rahmen des Zulässigen, und das hier als Ausschusseinschüchterung, also praktisch Einschüchterung von Abgeordneten, schon fast ein Straftatbestand, Feudalherrenallüren, Arroganz, Denunziation darstellen und dann aber gleichzeitig kritisieren, dass andere sich möglicherweise in irgendeinem Wort oder Halbsatz aufregen, wobei Sie sich besonders darüber aufregen, wenn das Ganze mit dem Begriff politisch unterlegt wird, dann ist das wenig nachvollziehbar.
Punkt eins: Richtig wäre gewesen, wir hätten abgewartet, bis der Rechnungsprüfungsausschuss sich damit ausgiebig befasst hat.
Punkt zwei: Das muss man einräumen, und das ist der Kern der Sache. Dafür hätten Sie allerdings keine Aktuelle Stunde zu beantragen brauchen und eigentlich nicht müssen, sondern Sie hätten sagen können, der eine Teil geht durch den Rechnungsprüfungsausschuss, aber es zeigt sich ein Problem, über das debattiert werden muss, und das hätte man dann in Ruhe machen können. Möglicherweise werden sich die entsprechenden Ausschüsse und das Parlament damit auch noch befassen, denn der Kern des Ganzen ist im Prinzip selbst vom Rechnungshof auf Seite fünf dargestellt, indem er schreibt: „Der Rechnungshof hat, wie auch alle anderen Rechnungshöfe, seine Prüfung beschränkt. Er hat ganze Bereiche ungeprüft gelassen.“ Dann kommt der Satz: „Einer der Gründe dafür liegt in der zunehmenden Verlagerung der Finanzkontrolle von der klassischen Prüfung von Belegen zu Querschnitts- und Themenprüfung. Dies spiegelt sich im diesjährigen Bericht in einer Reihe von Beiträgen zum Thema Wirtschaftlichkeit wider.“
Da sind wir beim Kernpunkt des Ganzen. Durch die Entwicklung der Dinge, die diese Rechnungshofberichte betreffen, durch die Entwicklung der Politik, die im Übrigen von Herrn Böhrnsen hier, von den beiden großen Fraktionen und vom Senat ja insgesamt getragen worden ist, ergibt sich logischerweise auch eine Fortentwicklung der Arbeit der Rechnungshöfe, nämlich nicht mehr wie früher die
klassische Prüfung, stimmt dies, stimmt das, ist das rechnerisch richtig, war das erforderlich, war möglicherweise irgendetwas anderes wirtschaftlich. Hier taucht zum ersten Mal in massiver Form Kritik an Dingen auf, die politisch motiviert und politisch beschlossen sind.
Das ist nicht vergleichbar, so wie der Rechnungshof das vielleicht überpointiert dargestellt hat, mit der freien Wirtschaft, denn auch in der freien Wirtschaft gibt es nicht die Endkalkulation, in der ich rechnerisch genau nachweisen kann, wann sich irgendetwas wirtschaftlich trägt. Wenn das so wäre, würden wahrscheinlich 70 Prozent aller Investitionsvorhaben in Deutschland gar nicht stattfinden, die Bedeutung für die Unternehmen wäre gar nicht abzusehen, sondern es bleiben immer Risiken, die man unter Hinzuziehung von Fachleuten, unter Hinzuziehung von Gutachtern versucht zu minimieren.
Dass das letztlich alles nur dazu führt, dass man in Wahrscheinlichkeitsnähe kommt, ist völlig nachvollziehbar, aber man muss, wenn etwas kritisiert wird, was politisch gewollt, politisch beschlossen ist und was auch durch den Sachverstand, den man sich einkaufen kann, wenn man ihn selbst in den Behörden nicht hat, untermauert ist, dann darauf auch antworten können. Das hat der Senat getan, und darüber wird die Auseinandersetzung fortgesetzt werden müssen.
Die Frage stellt sich: Sind die Rechnungshöfe in Deutschland überhaupt auf solche Aufgaben eingestellt, reicht die Struktur der Rechnungshöfe bis hin zu Stellenplänen dafür überhaupt aus, braucht man möglicherweise künftig Wirtschaftsleute, die da beschäftigt sind, müssen sie selbst die Möglichkeit haben, sich im großen Umfang wirtschaftlichen Sachverstand einzukaufen? Der Rechnungshof selbst erklärt ja für sich, er könnte zum Beispiel Dinge wie Ocean-Park, Space-Park gar nicht überprüfen. Insofern wird das künftig die Debatte sein.
Dass diese Debatte dann allerdings dafür genutzt wird, dass jeder versucht, so für sich da etwas herauszuholen, da muss ich sagen, Herr Böhrnsen, das ist schon so ein bisschen verwunderlich. Sie haben ja nicht, so wie Frau Linnert hier behauptet hat, sich voll und ganz hinter den Rechnungshof gestellt und haben gesagt, der Senat liegt völlig falsch, sondern Sie haben den Punkt herausgezogen, der Ihnen angenehm war, indem Sie gesagt haben, bei dem Rhodarium hatte ich doch Recht, jetzt ist es bestätigt worden. Großer Sieg für Sie! Ob der Rechnungshof da nicht die Prüfung überhaupt hätte einstellen können, nachdem Sie sich politisch davon verabschiedet haben, ist eine andere Frage.
Dann haben Sie sich noch einen Punkt herausgesucht, der natürlich auch nicht eines der von Ihnen geführten Ressorts betrifft, sondern Finanzen, indem Sie bei den Finanzämtern etwas gefunden haben. Sie haben sich natürlich nicht die Punkte herausge
sucht, die zum Beispiel Ihre Sozialsenatorin betreffen, bei der es sehr viel einfacher gewesen wäre zu fordern, soll sie doch die Dinge so regeln, wie sie in Bremerhaven geregelt werden, dann wird sehr viel Geld eingespart.
Kurzum, meine Damen und Herren, wir wollen die Debatte nicht zu hoch hängen. Frau Linnert ist das im Zuge einer kleinen Effekthascherei gelungen, man sieht es an den Vertretern der Presse, die da oben sitzen. Über den Umweg haben wir auch noch einmal betont, wir wollen hier natürlich dem Rechnungsprüfungsausschuss nicht vorgreifen, haben Sie deutlich gemacht, dass solche zulässige Kritik von Ihnen nicht akzeptiert wird, haben gleichzeitig erklärt, Kritik müsste überall sein, und haben selbst auch massiv kritisiert.
Insofern weise ich hier abschließend noch einmal deutlich zurück, dass Sie kritisieren, dass der Senat kritisiert hat, dass der Rechnungshof ihn kritisiert hat.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Teiser, ich glaube, der Beginn Ihrer Rede, das kann ich nur feststellen, wie Sie mit der Kritik von Frau Linnert hier umgegangen sind, hat wirklich eine Arroganz zum Ausdruck gebracht.
Was die Kritik des Senats am Rechnungshof und diesen Bericht anbelangt, kann ich nur die Auffassung meines Fraktionsvorsitzenden teilen. Ich glaube, hier ist der Senat mit der Presseerklärung über das Ziel hinausgeschossen. Es kann nicht angehen, dass einer parlamentarischen Institution, dem Rechnungshof, der von uns allen gewollt ist, der uns in unserer Arbeit unterstützt und von dem wir alle wissen, dass er genau diese Unabhängigkeit hat, eine politische Motivation unterstellt wird. Ich denke, auch der Senat sollte vorsichtig sein in seiner Wortwahl.
(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen) ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft. Diese Kritik des Senats können wir so nicht teilen. (Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)
Mit Ihren Angriffen vorhin auf die Bedenken von Frau Linnert, was den Ausschuss anbelangt, haben Sie auch teilweise verkehrt gelegen. Sie haben zum Beispiel gesagt, ein Teil der Punkte werde diskutiert. Der gesamte Rechnungshofbericht wird im Ausschuss diskutiert.
Frau Linnert, Ihnen hier an dieser Stelle: Ich gehe davon aus, dass wir alle stark genug sind, gemeinsam in diesem Rechnungsprüfungsausschuss dafür zu sorgen, dass wir selbstbewusst einen eigenen Bericht anfertigen. Das haben wir immer getan, und wir haben auch in der letzten Legislaturperiode — wer sich erinnert — schwierige Berichte gehabt. Es ist uns auch gelungen, gemeinsam mit allen Abgeordneten in diesem Haus einen Bericht zu verabschieden. Ich glaube nicht, und ich würde es auch keinem der Senatsmitglieder unterstellen, dass mit der Stellungnahme, die der Senat sich selbst für seine eigene Arbeit, so würde ich das erst einmal interpretieren, zur Aufgabe gemacht hat — —. Die können doch den Bericht auswerten, was spricht denn dagegen?
Ich weise es aber von uns, dass die Regierungskoalition gemeinsam mit dem Senat hier den Versuch unternehmen würde, diesen Ausschuss einzuschüchtern. Als Vorsitzende muss ich das insbesondere zurückweisen, dem wird nicht so sein, Sie werden es sehen. Ich glaube auch, dass wir gemeinsam konstruktiv mit diesem Bericht umgehen werden.
Es hat keiner gesagt, dass sich jetzt jemand eingeschüchtert fühlt! Ich weiß gar nicht, warum Sie mich jetzt angreifen, Herr Teiser. Vielleicht sollten Sie einmal besser zuhören. Ich habe gerade Frau Linnerts Mutmaßung zurückgewiesen, dass der Senat zurzeit versuchen würde, durch eine eigene Stellungnahme den Ausschuss einzuschüchtern. Das passiert natürlich nicht. Der Ausschuss wird erstmalig im Oktober tagen. Ich bin ganz zuversichtlich, dass wir auch hier wieder einen gemeinsamen Bericht, der von allen Abgeordneten getragen wird, abgeben werden.
einmal ausführlicher mit dem Thema Finanzen auseinandergesetzt hat. Einige der Diskussionen haben wir schon geführt, auch im Rahmen der Beratung des letzten Rechnungshofberichts, insbesondere die Frage der Kapitaldienstfinanzierung. Das ist hier nichts Neues, es gibt teilweise gegenüber dem Rechnungshof auch abweichende Meinungen im Ausschuss zu einigen Positionen. Es ist also nicht so, dass wir automatisch alles, was der Rechnungshof hier aufschreibt, für gut befinden.
Ich finde, man sollte sich dann auch mit den Vorwürfen, die hier vom Rechnungshof kommen, wirklich im Einzelnen sehr genau auseinandersetzen. Wir werden feststellen, da gibt es Teile, die wir schon längst in den Ausschüssen diskutiert haben. Ich brauche nur diese Wirtschaftlichkeitsberechnungen in der Frage betriebswirtschaftlich rentable Maßnahmen anzuschauen. Dankenswerterweise hat der Rechnungshof hier verschiedene Möglichkeiten einer Wirtschaftlichkeitsberechnung aufgeführt. Wir werden dazu auch Stellung nehmen müssen.
Die Frage aber, ob denn die Ressorts wirklich eine Überprüfung vornehmen, ob die Maßnahmen, die sie anmelden, anschließend betriebswirtschaftlich auch rentabel sind, haben wir als Haushälter schon längst im Haushalts- und Finanzausschuss gestellt. Ich erinnere mich daran, dass wir einige Zeit darüber diskutiert haben und dass die Ressorts allzu leicht geneigt waren, nur zu argumentieren, sie zahlten das Geld zurück. Gerade das ist eben kein Wirtschaftlichkeitskriterium. Das ist hier ein Punkt, den der Rechnungshof aufgezeigt hat, und ich glaube, da sind wir sicherlich auch in Übereinstimmung mit dem Finanzressort, das werden wir auch gemeinsam angehen.
In einer anderen Sache, finde ich, ist er dann wieder zu kleinlich bei der Frage, ob nun kleinere Organisationsuntersuchungen aus diesem Topf finanziert werden können. Das gibt im Moment vielleicht unsere Richtlinie, die wir da haben, nicht her, aber ich denke, das ist ein Punkt, den wir ändern können. Wir sollten durchaus darüber diskutieren, ob man das nicht aufnimmt, weil natürlich diese kleineren Organisationsuntersuchungen mit dem Ziel durchgeführt werden, anschließend betriebswirtschaftlich rentabler arbeiten zu können. Das, denke ich, ist eine Formalie, bei der ich dann die Kritik teilweise auch schon wieder teilen kann, wenn man sagt: Mein Gott, muss der sich immer an jedem einzelnen Wort festhalten?
Wo der Rechnungshof meiner Meinung nach noch ein bisschen dazulernen muss, ist die Unterscheidung zwischen betriebswirtschaftlich und volkswirtschaftlich. Das ist nicht immer ganz stringent, wie das hier gemacht wird. Einerseits wird immer betriebswirtschaftliche Rentabilität gefordert, wir wissen aber, dass wir gerade bei großen Investitionsprojekten auch regionalwirtschaftliche Effekte haben. Ob diese dann immer so groß sind, wie uns jetzt
bei „Jekyll and Hyde“ vorgerechnet wurde, weiß ich nicht, aber es gibt sie, und das ist auch nicht zu leugnen, und man kann eben nicht alles nur mit betriebswirtschaftlichen Kriterien messen. Auf der anderen Seite sagt der Rechnungshof aber zu Recht, wenn wir dann Arbeitsplätze reduzieren, können wir uns natürlich nicht nur damit brüsten, wie viel Personalkosten wir einsparen, sondern müssen dann auf der anderen Seite auch schauen, welche volkswirtschaftlichen Effekte das hat, und müssen diese berücksichtigen. Wenn wir es also auf der einen Seite tun, dann müssen wir es auch auf der anderen tun.
Ich bin mir aber sicher, dass wir das auch gemeinsam mit dem Finanzressort, mit dem gesamten Senat und dem Rechnungshof diskutieren werden. Ich finde es bedauerlich, dass der Rechnungshof hier heute nicht vertreten ist.
Ich hoffe, dass er am Radio sitzt und sich die Debatte anhört. Mir fällt nur auf, dass der Rechnungshof immer vertreten ist, wenn wir an dieser Stelle Investitionsvorhaben diskutieren, wenn es um Geldausgeben geht, geht es aber um die eigene Sache und um die Kritik am Finanzgebaren, dann ist er nicht hier. Das finde ich ein bisschen schade. Ich glaube, es wäre nett gewesen, wenn Herr Spielhoff heute hier der Debatte gefolgt wäre.
Für unsere Fraktion: Wir stehen hinter dieser Einrichtung des Rechnungshofes, teilen nicht alles, was der Rechnungshof sagt, aber wir teilen auch nicht alles, was der Senat in der Öffentlichkeit zu diesem Rechnungshofbericht von sich gegeben hat.
Wir werden gemeinsam diesen Rechnungshofbericht durcharbeiten, und vielleicht haben wir dann ja die Chance, demnächst hier im Parlament die Ergebnisse zu diskutieren.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Dr. Trüpel hat mich gebeten, zu beginnen mit: Meine liebe Frau Linnert! Wenn diese Bitte so von Herzen kommt, will ich es auch gern tun. ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
Ich muss gestehen, ich habe ein bisschen an meine eigene Vergangenheit gedacht. Sie wissen, ich war selbst zehn Jahre Oppositionsführer, und wir haben damals als Opposition auch immer auf diesen Rechnungshofbericht gewartet, weil natürlich ein Rechnungshofbericht immer eine beachtliche Quelle für Entrüstungspotential bietet. So etwas ist eigentlich für eine Opposition immer hilfreich, denn es ist Aufgabe des Rechnungshofs, Fehlersuche zu betreiben, und das akzeptiert ja auch jeder.