Protocol of the Session on September 13, 2000

Im Übrigen findet eine Rechtspflegerausbildung bereits an Fachhochschulen statt, und es gibt in Deutschland bereits mehr als 20 Fachhochschulstudiengänge mit wirtschafts- oder verwaltungsrechtlicher Ausrichtung. In Norddeutschland existieren bereits drei solcher Studiengänge, an den Fachhochschulen in Osnabrück, Lüneburg und Wolfenbüttel, die mit dem Diplom zum Wirtschaftsjuristen abschließen, und wenn ich die Medien richtig gelesen habe, werden diese Ausbildungsgänge auch hoch gelobt und haben eine besondere Qualität, das muss man einfach sagen.

Darüber hinaus gibt es zahlreiche betriebswirtschaftliche Studiengänge mit dem Schwerpunkt Wirtschafts- und Steuerrecht, das kann man auch an der Hochschule Bremen studieren. Aber auch der durch unseren Koalitionspartner besonders präferierten privaten Kooperation zur Entwicklung neuer Studiengänge verweigern wir Sozialdemokraten uns nicht, sie bedarf aber natürlich einer kritischen Begleitung. Hochschulen sind nicht die verlängerte Werkbank der Wirtschaft, und die Inhalte der Studiengänge müssen auch in kooperativen Modellen gesellschaftlich definiert werden.

(Beifall bei der SPD)

Bei aller Diskussion, meine Damen und Herren, Forschung und Lehre haben, auch wenn dies unmodern klingen sollte, immer noch einen gesellschaftlichen Auftrag, der sich von rein ökonomischen Interessen absetzt. Das ist ganz wichtig. Wer Bildung und Wissenschaft nur in Finanzen und in Geld zählt, der tritt, glaube ich, dabei zu kurz.

Wir werden alle Anstrengungen machen müssen, wenn wir eine Veränderung anstreben und den Fachhochschulen neue Studiengänge zuweisen und genehmigen wollen. Die Initiative kommt ja dann von den Hochschulen selbst, da wird es immer um finanzielle Ressourcen gehen. Darüber werden wir sprechen müssen, aber ich finde, all diese Dinge werden wir dann diskutieren, wenn der Bericht vorliegt. Ich weiß nicht, ob das schon am 28. 2. 2001 möglich ist. Vielleicht wird das ein Zwischenbericht sein, aber auf jeden Fall bedanke ich mich bei allen, die diesen Anstoß gegeben haben. — Danke schön!

(Beifall bei der SPD)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Beratung ist damit geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Da der Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Drucksache 15/429, erledigt ist, lasse ich über den Antrag der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen, der CDU und der SPD, Drucksache 15/459, abstimmen.

Wer dem Antrag der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen, der CDU und der SPD, Drucksache 15/459, seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

Ich bitte um die Gegenprobe!

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) stimmt dem Antrag zu.

(Einstimmig)

Schulverweigerung spürbar reduzieren

Große Anfrage der Fraktionen der SPD und der CDU vom 12. Juli 2000 (Drucksache 15/406)

D a z u

Mitteilung des Senats vom 5. September 2000

(Drucksache 15/441)

Wir verbinden hiermit:

Mehr Prävention und Hilfe bei Schulverweigerung

Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 12. September 2000 (Drucksache 15/454)

Dazu als Vertreter des Senats Herr Senator Lemke.

Gemäß Paragraph 29 unserer Geschäftsordnung hat der Senat die Möglichkeit, die Antwort auf die Große Anfrage in der Bürgerschaft mündlich zu wiederholen. Ich gehe davon aus, Herr Senator, dass Sie darauf verzichten.

(Senator L e m k e : Ja!)

Meine Damen und Herren, wir treten dann in die Aussprache ein.

Als Erste hat das Wort die Abgeordnete Frau Hövelmann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Schulverweigerung! Manchem, der sich mit diesem Thema nur flüchtig beschäftigt, fällt dazu Schulschwänzen ein, ein bisschen Schulschwänzen. Man erinnert sich vielleicht wehmütig an seine eigene Schulzeit. Es kommen ein bisschen Feuerzangenbowlen-Stimmung und eine gewisse Wehmut und Verklärung auf.

Meine Damen und Herren, man denkt aber nicht daran, welche sozialen Problemlagen mit diesem Thema in Verbindung gebracht werden müssen. Die heute von der SPD initiierte Diskussion setzt sich mit den gravierenden Folgen beharrlicher Abwesenheit von der Schule und fehlender schulischer Qualifizierung auseinander. Wir kommen noch dazu, genau zu klären, was Schulverweigerung überhaupt ist und welche Folgen sie hat. Den Betroffenen droht eine dauerhafte soziale Ausgrenzung.

Bundespräsident Rau kritisierte in seiner bildungspolitischen Grundsatzrede im Juni in Berlin zu Recht, dass in Deutschland noch immer fast jeder zehnte Jugendliche die Schule ohne Abschluss verlässt. Ungelernte haben aber immer schlechtere Jobchancen. Jeder vierte Ungelernte ist arbeitslos. Zum Vergleich: Nur 2,6 Prozent der Hochschulabsolventen sind ohne Arbeit. Perspektivisch übrigens, und das haben wir ja heute Vormittag schon debattiert, gehen in den nächsten Jahren weitere 2,5 Millionen Arbeitsplätze für Ungelernte verloren.

Damit wir alle gemeinsam wissen, was unter Schulverweigerung in der Wissenschaft verstanden wird, gebe ich dafür eine kurze Definition: Unter Schulverweigerern werden Kinder und Jugendliche verstanden, die unentschuldigt wiederholt, regelmäßig oder dauerhaft der Schulpflicht nicht nachkommen. Soweit hat sich das jeder höchstwahrscheinlich schon denken können. Es sind aber auch Kinder darunter, die formal entschuldigt sind, aber in

haltlich nicht nachvollziehbar dem Unterricht fernbleiben. Es zählen auch Kinder und Jugendliche dazu, die zwar körperlich anwesend sind, sich aber passiv verhalten, und genauso die Kinder und Jugendlichen, die anwesend sind, aber am Unterricht nicht teilnehmen, ordentliche Leistung verweigern und stören.

Zirka 70 000 Kinder und Jugendliche, so die Schätzungen, verweigern in Deutschland die Schule. Zu den Ursachen gehören Probleme in der Familie, gesundheitliche Störungen — das darf man nicht vergessen — und soziale Konflikte genauso wie auch Sprach- und Verständigungsprobleme. Wenn man dem Unterricht sprachlich nicht folgen kann, führt dies häufig zu Entmutigung, und der Einzelne entzieht sich. Eltern, meine Damen und Herren, sind häufig nicht mehr in der Lage, ihre heranwachsenden Kinder zum Schulbesuch zu motivieren. Der Hauptschulausschuss des Bundeselternrates stellte das nicht nur bei seiner Tagung im März fest, sondern formulierte einen umfangreichen Fragenkatalog. Kernpunkt ist die Frage nach Schulsozialarbeitern und deren Aufgabenfeld.

Ich trete hier und heute dafür ein, dass wir durch eine Vernetzung der zuständigen Ressorts diese Frage ernsthaft prüfen und sehen, inwieweit wir Schulsozialarbeiter zumindest in Stadtteilen, wo wir einen höheren Anteil von Schulverweigerern haben, einsetzen können. Frühzeitige Intervention von Eltern und Schule ist wichtig, damit sich das Verhalten nicht verfestigt. Natürlich muss die Schule auch reagieren, wenn einmal die eine oder andere Stunde vorn oder hinten abgehängt wird. Das muss thematisiert werden, denn wo keine Reaktion ist, keine Grenzen gesetzt werden, da gibt es leicht eine Tendenz zur Ausweitung dieser Verhaltensweisen.

Meine Damen und Herren, wir können feststellen, dass das Instrument, das es in der Bildungsbehörde gibt — die sehr erfolgreiche Beratungsstelle „Schulverweigerung“, früher hieß das Schulermittlungsdienst, unter diesem Titel kennen das sicher einige —, sehr erfolgreich arbeitet. 80 Prozent unmittelbare Wiederaufnahme des Schulbesuches hat sie zu verzeichnen. Das ist bei den wirklich sehr schwierigen Schülerinnen und Schülern eine tolle Quote. Bedauerlich ist, dass wir wegen der harten Sparzwänge das Personal in diesem Bereich halbiert haben. Es gab in diesem Bereich bisher vier Beamtinnen und Beamte, und heute sind es nur noch zwei.

(Abg. M ü t z e l b u r g [Bündnis 90/Die Grünen]: Es gab einmal acht!)

Ich hoffe, Herr Senator, dass wir es gemeinsam schaffen werden, diesen erfolgreichen Dienst nicht auslaufen zu lassen, wie teilweise befürchtet, sondern in seiner erfolgreichen Arbeit weiter zu stärken. Die Leute wissen nämlich Bescheid, wenn man dort anruft. Sie kennen die Stellen, die Stadtteile und

auch die Vernetzungsmöglichkeiten. Daher trete ich hier an dieser Stelle, mit Unterstützung meiner Fraktion, ganz energisch dafür ein, dass wir den Schulermittlungsdienst nicht nur erhalten, sondern personell wieder auf den Stand bringen, auf dem er gewesen ist.

Die Einstellung von Schulsozialarbeitern müssen wir prüfen, das ist richtig. Wir müssen sehen, woher das Geld dafür kommt. Wir haben bei der Vernetzung mit dem Ressort Jugend und Soziales bei der sehr erfolgreichen Einführung der verlässlichen Grundschule gezeigt, dass durch Bündelung der Ressourcen vieles möglich ist. Die Folgekosten von Schulverweigerung sind jedenfalls um ein Vielfaches höher als das, was wir heute dafür in die Schulen investieren müssten.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Meine Damen und Herren, erfreulicherweise gibt es schon gute und nachahmenswerte Präventionsmaßnahmen. Das können wir ja aus der sehr umfangreichen und sehr gut recherchierten Antwort des Senats ersehen. Ich spreche hier von Huchting, Walle; und neuerdings hat sich auch in der Neustadt ein Präventionsrat gebildet, der den hübschen Namen „Schups“ hat wie anschubsen. Es heißt aber in diesem Fall „Schulvermeidungsprävention“. Dieser vernetzte Ansatz muss in alle Stadtteile in Bremen und Bremerhaven ausgeweitet werden. Die Unterstützung der Parlamentarier der SPD-Fraktion ist hier sicher.

Zu den stadtteilbezogenen Kooperationsmodellen gehören die Ressorts Bildung, Jugend, natürlich Gesundheit, Inneres und Justiz. Nur eine vernetzte, zeitnahe und intensive frühe Intervention kann dafür sorgen, dass sich im Interesse der Jugendlichen das Fernbleiben von der Schule nicht zur Normalität entwickelt und es dadurch immer schwieriger wird, wieder in einen geordneten Rhythmus zu kommen.

(Vizepräsident D r. K u h n übernimmt den Vorsitz.)

In der Antwort des Senats wird eine Untersuchung zitiert, die davon ausgeht und als Ergebnis hat, dass, ich zitiere, „bei 81 Prozent aller Straffälligen das unentschuldigte Fehlen in der Schule kein vorübergehendes Ereignis gewesen ist“. Also, meine Damen und Herren, Investitionen jetzt und gerade hier an diesem Punkt, der oft bei Schuldebatten vergessen wird, sind wirklich Investitionen in die Zukunft, denn die dauerhafte Ausgrenzung der Betroffenen ist etwas, was wir erstens nicht verantworten können, aber es ist zweitens etwas, was uns in der Folge nicht aus der Verantwortung entlässt.

Zum Antrag der Grünen! Herr Mützelburg, ich habe es Ihnen ja schon gesagt, ich würde diesen Antrag gern mitgemacht haben mit ein paar kleinen

Ergänzungen, aber wir haben uns verständigt, dass wir diesen Antrag, den ich für gut und auch dem Thema angemessen halte, an die Deputation für Bildung überweisen und dort gemeinsam behandeln werden. Ich glaube, dass wir dann auch gemeinsam hier insgesamt einen Weg finden, um dem gerecht zu werden, was die Überschrift unserer Großen Anfrage ist, nämlich wirklich Schulvermeidung spürbar und dauerhaft zu reduzieren. Ich fordere Sie auf, dies zu unterstützen. Sie haben gehört, es sind viele Ressorts betroffen. — Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der SPD)

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Mützelburg.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es gibt auch Parlamentsvermeidung bei Bildungsdebatten, nicht nur bei den Schülern die Schulvermeidung.

(Zuruf des Abg. B ü r g e r [CDU])