Protocol of the Session on July 6, 2000

Schließlich zum letzten Punkt! Ich habe nicht ohne Grund darauf hingewiesen, dass es in den sechziger Jahren den Sputnikschock gegeben hat. Ich glaube, wir müssen uns klarmachen, dass wir im Moment an einem ganz entscheidenden Punkt sind,

wo wir uns entscheiden, ob wir das wesentliche Potential dieser Gesellschaft — viele sagen, den wesentlichen Rohstoff — weiter fördern und damit auch international wettbewerbsfähig bleiben, oder ob wir uns sozusagen nivellieren und nur noch durchschnittlich werden und damit einen Standortvorteil, den die Bundesrepublik Deutschland hat, sowohl unter humanistischen als auch unter ökonomischen Gesichtspunkten zerschlagen. Wir müssen das entscheiden.

Um das einmal deutlich zu machen: Herr Bürger sagt dann immer, wir haben eine Million DM ausgegeben für naturwissenschaftlich-technisches Unterrichtsmaterial. Das finde ich in Ordnung, Herr Bürger, dass Sie das gemacht haben! Nur, der Lehr- und Lernmitteletat, der Regeletat, in Bremen beträgt acht Millionen DM. Überlegen Sie einmal bitte, über welche Beträge wir uns unterhalten, wenn wir von der Bürgermeister-Smidt-Straße, nur von den Planungskosten für den Ocean-Park oder vom Rhodarium reden! Ich will damit jetzt nicht die Debatte haben, ob das alles sinnvoll ist. Die Proportionen und die Relationen müssen Sie sich einmal ansehen! Was sind acht Millionen DM im Verhältnis zu dem, was in dieser Stadt für alles Mögliche ausgegeben wird?

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ich bin felsenfest davon überzeugt, es reicht nicht aus, nur Geld hineinzugeben, sondern es muss klar sein, Bildung ist uns wichtig, und zwar nicht nur in Reden! In unserer Gesellschaft zählt aber auch Materie als Anlass für Wichtigkeit. Es reicht nicht aus, einfach zu sagen, Bildung ist wichtig, sondern dann muss man auch bereit sein, wirklich zu investieren, zu fordern und sich hier auch zu verändern. Wir haben eine Kulturrevolution dringend nötig, wenn wir nicht ins Hintertreffen geraten wollen, wie gesagt, sowohl ökonomisch als auch gesellschaftlich.

Deswegen noch einmal: Bitte, arbeiten Sie an solch einem Programm, machen Sie Bildung zum Diskussionsthema, legen Sie einen solchen Leitfaden vor mit der Schwerpunktsetzung, dann haben wir Anlass, darüber zu reden, ob die richtig sind oder falsch! Dann machen wir Bildung attraktiv zum Thema, indem wir definieren, was wir wollen, was uns wichtig ist. Das ist allemal besser, als gar nichts zu sagen. — Vielen Dank!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Das Wort erhält der Abgeordnete Bürger.

(Abg. Frau W a n g e n h e i m [SPD]: Sie können ihm doch heute einmal das letzte Wort lassen! — Zuruf der Abg. Frau H a m - m e r s t r ö m [SPD])

Frau Kollegin Hammerström, wir mäkeln auch nicht herum, wenn Sie sich dreimal zu umwelt- und gesundheitspolitischen Themen melden.

(Abg. Frau H a m m e r s t r ö m [SPD]: Habe ich schon lange nicht!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir wissen, dass seit einigen Jahren über Schule, Bildung und Erziehung intensiver diskutiert wird. Das geht im Wesentlichen zurück auf die vielen Stellungnahmen, die auch der vorherige Bundespräsident Herzog in die Diskussion einbezogen hat. In dem Zusammenhang ist immer wieder deutlich geworden, wie viel Geld wir in der Bundesrepublik in Bildung investieren, dass aber mit den Erfolgen doch viele unzufrieden sind. Das muss man ganz nüchtern anerkennen.

Ich meine, Herr Senator Lemke, so ganz zufrieden können Sie mit dem, was als Erfolg, als Ergebnis formuliert wird, auch nicht immer sein, trotz unserer hohen Investitionen. Ich meine jetzt Investitionen im weitesten Sinne des Wortes.

Ihre Ausführungen, die Sie hier gemacht haben, Herr Senator Lemke, kann ich weitestgehend unterstreichen. Damit habe ich kein Problem. Ich sehe nur die Schwierigkeiten, wenn es um die Umsetzung geht, dass da nach unserem Dafürhalten zu wenig umgesetzt wird im Vergleich zu dem, was Sie immer wieder auch in der Öffentlichkeit verkünden.

Es wird vielfach diskutiert, was jungen Menschen heute in der Schule mit auf den Weg gegeben werden soll, auf den Berufs- und den Lebensweg. In dem Zusammenhang möchte ich auch noch einmal deutlich machen — in Ihre Richtung, Herr Senator Lemke, aber auch in die Richtung von Herrn Zachau —, es geht nicht darum, dass wir uns immer nur gegenseitig vorwerfen, was wir nicht wollen, es geht nicht um die Einseitigkeit, da gebe ich Ihnen Recht. Wenn wir uns auf die Vielfalt im Bildungsbereich verständigen, auf die vielfältigsten Bildungsarten, dann haben Sie uns auf Ihrer Seite! Daraus mache ich überhaupt kein Hehl.

(Abg. Frau L i n n e r t [Bündnis 90/Die Grünen]: Jetzt kommt das vielfältige Ge- samtschulzwiebeln!)

Dabei müssen auch Freude an der Schule, das Spiel auf der einen Seite und Arbeit und Leistung auf der anderen Seite kein Gegensatz sein. Auch das will ich deutlich sagen, obwohl das immer wieder verteufelt wird.

(Abg. Frau H a m m e r s t r ö m [SPD]: Das hat der Senator doch wortwörtlich auch gesagt!)

Ich will ein Zitat anführen, Herr Senator Lemke, aus einem Interview von Ihnen im „Hamburger Abendblatt“. Da steht: „Bei der ideologiebeladenen Diskussion der Nach-Achtundsechziger, die uns viel Kraft gekostet hat, sind einige Dinge schlicht falsch gelaufen, etwa dass Schule auf Teufel komm heraus Spaß bringen muss, damit Leistung entsteht. Heute würde ich sagen, Schule soll und darf Spaß bringen, kann aber nicht immer Spaß bringen.

(Abg. Frau L i n n e r t [Bündnis 90/Die Grünen]: Das gilt auch für Parlamentsde- batten!)

Es muss Leistung abverlangt werden.“

Herr Senator, das unterstreiche ich hundertprozentig, aber dann müssen Sie auch einmal die Konsequenz aus solch einem Satz ziehen und tatsächlich auch das eine oder andere in Richtung Leistung in der Stadtgemeinde, im Lande Bremen auf den Weg bringen! Das vermissen wir.

(Beifall bei der CDU — Abg. Frau L i n - n e r t [Bündnis 90/Die Grünen]: Soll er jetzt auch noch die Peitsche schwingen?)

In dem Zusammenhang bedauere ich, wenn Sie sagen, wir haben in der Grundschule in den Klassen eins und zwei 20 Wochenstunden, und Sie sehen dann nicht unbedingt das Erfordernis, diese zu erhöhen. Wenn es aber richtig ist, was wir immer wieder betonen, dass die Grundlegung in der Grundschule entsteht, dann muss man doch auch darüber nachdenken, ob nicht die Grundschulzeit insgesamt erhöht werden sollte, auch in den Klassen eins und zwei.

Ich sage einmal ganz lapidar, von nichts kommt nichts. Wenn die Thüringer 100 Stunden haben, dann macht das pro Jahr 25, die Bayern haben 104, das macht 26 pro Schuljahr. Irgendwo wird sich das natürlich am Ende der Grundschulzeit dann auch bemerkbar machen,

(Abg. Frau J a n s e n [SPD]: Können wir das nicht in der Deputation diskutieren?)

wenn man vier, fünf oder sechs Stunden Unterricht in der Woche mehr erteilt.

(Abg. Frau H ö v e l m a n n [SPD]: Aber Ihren Haushaltsantrag dazu habe ich ver- misst, Herr Bürger!)

Frau Kollegin Hövelmann, Sie haben vorhin wieder nicht zugehört! Ich habe doch deutlich gesagt, dass wir uns in den nächsten Jahren bei diesem

Punkt anstrengen müssen, dass wir das im Moment aber finanziell nicht darstellen können!

(Abg. Frau H ö v e l m a n n [SPD]: Dann dürfen Sie es ihm nicht vorwerfen! Wir sind die Haushaltsgesetzgeber!)

Ich habe Herrn Senator Lemke gerade vorgeworfen, dass er gar nicht bereit ist, darüber nachzudenken! Das ist ein Unterschied. Das hat er gerade eben ausgeführt.

Meine Damen und Herren, Schule muss fordern und fördern. Das Fordern muss aber auch so weit gehen, dass wir, ich will das ausdrücklich noch einmal betonen, die Besten fördern, ebenso auch die Hochbegabten. Das wird in Bremen nur sehr zurückhaltend gemacht. Es geht darum, wie Herr Zachau gesagt hat, alle Begabungsreserven auszuschöpfen. Nur, wenn ich an die letzte Vorlage denke, Herr Senator Lemke, in der es um die Förderung Hochbegabter gegangen ist, dann, meine ich, kommen wir der Sache nicht näher. Das ist ein ganz winziger Schritt, der dort angedeutet worden ist, aber bezogen auf eine Intensivierung des Unterrichts sind wir da noch keinen Schritt weiter gekommen.

Dazu gehören, meine ich, auch die Ausweisung von mehr Standorten zum Modell „Zwölf Jahre bis zum Abitur“, ferner Gymnasien mit Schwerpunkten Mathematik, Naturwissenschaften, Technik, Sprachen auf der anderen Seite, Kunst, Musik, und ich füge auch hinzu Sport. Dafür bin ich sehr, Herr Senator. Nur, es reicht nicht aus, dass Sie dies auch noch einmal betonen.

Ich darf das Beispiel Schulzentrum Obervieland in dem Zusammenhang ansprechen. Wir waren vor 14 Tagen dort, haben erfahren, dass dort zwei Sportklassen zusätzlich eingerichtet werden, aber auf der anderen Seite die Schule nur drei Stunden Sport mehr erhalten hat. Ich finde, dann wird man der Sache eben nicht gerecht. Ich möchte Ihnen ja folgen, Sie müssen nur dann auch die Schlussfolgerungen richtig ziehen.

(Abg. Frau H ö v e l m a n n [SPD]: Herr Bürger, Sie plaudern!)

Klar, aber dass das alles etwas mit Qualität zu tun hat, das geht in Ihren Kopf leider nicht hinein!

(Abg. Frau H ö v e l m a n n [SPD]: Das ist wie mit dem Wetter und der Umwelt! Wol- len wir nicht über Umwelt auch noch re- den?)

Ich will deutlich sagen, dazu gehören auch Gymnasien mit den entsprechenden Profilen. Ich will aber auch hinzufügen, dass im Haupt- und Realschulbereich diese Schwerpunkte genauso gesetzt und for

muliert werden müssen. Dafür haben wir uns immer und bei jeder Gelegenheit auch eingesetzt.

(Abg. Frau H ö v e l m a n n [SPD]: Aber daran denken Sie selten!)

Nein, daran denken wir nicht selten! Fördern und fordern von guten und besten Schülern, von Schnelllernenden in eigenen Bildungsgängen hat zur Konsequenz, dass auch die weniger Guten, die mehr Zeit brauchen und sich später entwickeln, auch in eigenen Bildungsgängen besser gefördert und gefordert werden können. Ich finde, das ist ein wichtiger Aspekt.

(Abg. Frau M ö b i u s [SPD]: Das ist ge- nau das Prinzip der Gesamtschule!)

Sie können sich durchaus noch einmal melden, wenn Sie anderer Meinung sind! Dem steht doch gar nichts im Wege. Meine Damen und Herren, das alles hat auch etwas, wenn wir von Qualität reden, mit Inhalten zu tun. Die Inhalte werden immer wichtiger. Das hat auch der vorherige Bundespräsident Herzog betont, und zwar Bildungsinhalte bezogen auf die jeweiligen Bildungsgänge. Damit werden wir uns in Zukunft viel intensiver beschäftigen und auseinander setzen müssen. Diese zukünftige Auseinandersetzung und Diskussion wird nach meinem Dafürhalten eher in Richtung Inhalte gehen und weniger in Richtung Struktur.

(Präsident W e b e r übernimmt wieder den Vorsitz.)

Aber die Inhalte können nicht völlig getrennt und losgelöst von den Systemen diskutiert werden. Wenn wir den einzelnen Bildungsgängen gerecht werden wollen, dann müssen wir auch ehrlich über das System reden.

(Zurufe von der SPD)

Ich möchte davor warnen, wenn wir über die Lehrplaninhalte diskutieren, populistisch, Frau Hövelmann, neue Lehrplaninhalte zu fordern, weil sich unendlich viel Wissen fast nicht beziehungsweise überhaupt nicht überholt.

(Abg. F o c k e [CDU]: Lass dich nicht beirren, Klaus!)

Die Lehrpläne, meine Damen und Herren von der SPD, müssen auch das berücksichtigen, was Bestand hat. Bildungsinhalte dürfen nicht einfach über Bord geworfen und durch inhaltliche Beliebigkeit ersetzt werden.

(Abg. Frau H ö v e l m a n n [SPD]: Sie wollen doch eine Konzentration!)