Wer das Gesetz zur Änderung des Bremischen Abgeordnetengesetzes und des Gesetzes über die Entschädigung der Mitglieder von Deputationen in zweiter Lesung beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen!
Im Übrigen nimmt die Bürgerschaft (Landtag) von dem Bericht des Vorstands nach Paragraph 24 Bremisches Abgeordnetengesetz Kenntnis.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das Leben ist kurz, aber voller Überraschungen, insofern sollte man auch nie solche verbindlichen Prognosen treffen. Aber ich gebe gern zu, es spricht einiges dafür.
Der Anlass für den heute vorgelegten Antrag ist die Studie der OECD zu der Bildungssituation im internationalen Vergleich, die ja in Deutschland vom Präsidenten der Kultusministerkonferenz vorgestellt und kommentiert wurde. Dies ist auch im Internet nachzulesen. Das habe ich hier auch gelernt, wie man sich solche Informationen besorgt. Senator Willi Lemke hat hier auch einiges an Kommentaren dazu abgegeben.
Die Ergebnisse möchte ich ganz kurz rekapitulieren, damit ein bisschen klar ist, warum wir auf bestimmte Forderungen eingehen, die wir am Ende für einen Bericht und für ein Aktionsprogramm aufstellen.
Im Bildungstrend ist die Bundesrepublik Deutschland im internationalen Vergleich auf dem absteigenden Ast. Das macht sich daran fest, dass es zum Beispiel in Deutschland heute schon deutlich weniger Hochschulabsolventen als in fast allen anderen Ländern der Vergleichsstudie gibt.
Vor diesem Hintergrund finde ich es bemerkenswert, dass Bildungspolitiker in der Bundesrepublik immer noch davon reden, nicht jeder könne Abitur machen, nicht jeder könne zur Hochschule gehen, wir brauchten auch den ordentlichen Hauptschüler und Ähnliches mehr. 40 Prozent aller jungen Menschen haben im internationalen Vergleich durchschnittlich einen Hochschulabschluss. In Deutschland sind das gerade 28 Prozent, und hier ist ein erheblicher Nachholbedarf, das muss man ganz klar sehen,
(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD — Vizepräsident R a v e n s übernimmt den Vorsitz.)
zumal wir wissen, dass die Möglichkeit, erwerbstätig zu sein, mit der Höhe des Bildungsabschlusses deutlich zunimmt.
Die Bildungsbeteiligung nimmt in der Bundesrepublik ab. Das bedeutet ganz klar, dass weniger Kinder die Abschlüsse der schulischen und der hochschulischen Einrichtungen erreichen, auch in Bremen. Dies ist ein deutlicher Trend und ein großes Problem für uns alle!
Trotzdem hat die Bundesrepublik ein relativ hohes Qualifizierungsniveau, was aber durch die Studie nicht ausgewiesen wird als Ergebnis im Wesentlichen der staatlichen Einrichtungen, sondern durch ein hohes Niveau der Abschlüsse im berufsbilden––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
den Bereich, also eines Bereiches, der überwiegend privatwirtschaftlich organisiert ist, zum Beispiel in Form der dualen Berufsausbildung. Das muss man hier an dieser Stelle einmal sagen.
Die Bildungsausgaben in Deutschland sinken im Verhältnis zum Bruttosozialprodukt und auch im Verhältnis pro Kopf der Bevölkerung. Wenn wir das etatistisch betrachten, verursacht ein Grundschüler ein Drittel der Kosten eines Sekundarstufe-II-Schülers und die Hälfte der Kosten eines SekundarstufeI-Schülers. Also, wenn man das platter sagt, je kleiner die Kinder, desto unwichtiger werden sie für Investitionen. Damit sind die Brüche aber im weiteren Bildungsverlauf, denn die Grundschule heißt Grundschule, weil sie die Basis des Ganzen ist, programmiert. Ich glaube, dass wir mit dieser Verteilung der Mittel allesamt einen schweren Fehler machen.
Die Dauer der Ausbildung, wenn man von einem Fünfjährigen ausgeht, ist in der Bundesrepublik mit 16,8 Jahren im Wesentlichen durch die Einbeziehung der dualen Berufsbildung nicht besonders lang, sie liegt damit im Mittelfeld. Die Dauer der Ausbildung nimmt in der Bundesrepublik ab im internationalen Vergleich, in den anderen Staaten nimmt sie zu. Auch hier erfolgt eine Angleichung, es ist absehbar, wann wir überholt werden. Es gibt qualitativ erhebliche Defizite, noch nicht einmal die Hälfte der Abiturienten der Bundesrepublik erreicht einen Hochschulabschluss, vor dem Hintergrund dessen, dass das Abitur klassisch ja immer so diskutiert wird, als würde es nur dazu dienen, zur Universität zu gehen.
Herr Bürger, ich glaube, da hat insbesondere Ihre Fraktion einigen Grund, darüber nachzudenken, was das Abitur heute wirklich ist. Es ist nicht mehr der alleinige Schlüssel zum Hochschulstudium, sondern es führt hin in die Berufsausbildung. Real erreicht nur die Hälfte — —.
Ja, aber Sie haben es nicht gemerkt, Sie wollen ja immer noch die Schule der fünfziger Jahre, das ist doch das Problem!
Die mathematisch-naturwissenschaftlichen Qualifikationen sind bei uns unterbelichtet, das weist auch diese Studie in der Tendenz wieder aus, wenn auch nicht ganz so dramatisch wie die „Third International Mathematics and Science Studies“, TIMSS heißt das denn, das kennen wir besser. Die Bundesrepublik als ein Hightechland hat ursprünglich Ingenieurdienstleistungen exportiert. Inzwischen müs
sen wir Ingenieurdienstleistungen per saldo importieren, das heißt, wir haben weniger Technik im Lande zur Verfügung, weniger Ingenieure, als wir brauchen.
Was heißt diese Generalaussage nun für unser doch ganz kleines, aber trotzdem außerordentlich wichtiges Bundesland? Wir haben in der Entwicklung zu sehen, dass es einen demographischen Knick gibt, die Alterspyramide entwickelt sich ungünstig, wir haben verhältnismäßig wenig junge Leute, jedenfalls im Verhältnis zu den Älteren. Das heißt, wir werden strukturell Nachwuchsprobleme in vielen Bereichen des Erwerbslebens, der Wissenschaft, der Qualifikation bekommen. Das ist absehbar.
Diese Entwicklung ist deutlich dramatischer, weil sie einhergeht mit einer wissenschaftlich-technischen Revolution ungeheuren Ausmaßes, als der konstatierte Sputnikschock in den sechziger Jahren. Damals hat uns nur erschreckt, dass ein Ostblockland plötzlich über eine Hochtechnologie verfügt, aber jetzt haben wir richtig Probleme, wenn unser Land im globalisierten Weltmarkt mithalten will. Deswegen ist es notwendig, dass wir alle Begabungsreserven in unserer Gesellschaft systematisch erschließen, mehr noch als in den sechziger Jahren.
Chancengleichheit, Chancengerechtigkeit müssen wieder stärker ins Blickfeld genommen werden. Wir können es uns nicht leisten, dass 20 Prozent der Migrantenkinder die Schulen ohne Abschluss verlassen. Wir müssen hier die strukturellen Ursachen beseitigen, wir müssen Bildungsbarrieren abbauen.
Auch aus diesem Grund, aber nicht nur, und wegen der Elternwünsche ist der Ausbau der integrierten Stadtteilschulen unbedingt notwendig.
Wir wollen mit unserem Antrag dafür sorgen, dass die Fähigkeiten aller Kinder in ihren unterschiedlichsten Ausprägungen gefördert werden. Das ist die Anforderung, die wir für die Zukunft sehen. Senator Lemke macht eine unkonventionelle Politik, das ist dem Bildungsbereich gut bekommen. Sein Einstieg war außerordentlich erfrischend, auch wenn er es uns als Opposition nicht leicht gemacht hat, einen Platz zu finden, aber inzwischen haben wir ihn, er hat ihn. Er hat viele Tabus aufgebrochen, und das ist auch gut so.