Protocol of the Session on July 6, 2000

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Beratung ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Wer dem Antrag der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen, der SPD und der CDU mit der DrucksachenNummer 15/401 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür SPD, CDU und Bündnis 90/ Die Grünen)

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen Abg. T i t t m a n n [DVU])

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) stimmt dem Antrag zu.

Gegen das Vergessen des Leidens deutscher Zwangsarbeiter

Antrag des Abgeordneten Tittmann (DVU) vom 19. Juni 2000 (Drucksache 15/386)

Dazu als Vertreterin des Senats Frau Senatorin Adolf.

Die Beratung ist eröffnet.

Das Wort hat der Abgeordnete Tittmann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Im Juli begrüßte Bürgermeister Dr. Scherf bei einem Empfang im Rathaus Gäste aus Polen, die während des Zweiten Weltkrieges in Bremen Zwangsarbeit geleistet hatten, mit den Worten, ich darf zitieren: „Erschrecken Sie nicht, das ist ein Essen für hohe Staatsgäste. Wir wollen Ihnen unseren Respekt zeigen und verneigen uns davor, dass Sie trotz dieses Unrechts wieder in ein friedliches Bremen zurückgekehrt sind. Wir haben Sie nicht vergessen.“

Meine Damen und Herren, vergessen sind aber dagegen Millionen Deutsche, die unter entsetzlichen Bedingungen in ausländischen Konzentrationslagern Zwangsarbeit leisten mussten, viele von ihnen bis zum qualvollen Tod, und zwar nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges. Weder die wenigen überleben

den Opfer noch deren Hinterbliebene haben auch nur die geringste Entschädigung beziehungsweise Wiedergutmachung erhalten.

Millionen deutscher Zivilisten wurden nach 1945 unter unmenschlichen Bedingungen zur Zwangsarbeit in die Sowjetunion verschleppt und ermordet, darunter auch viele Tausende von Kindern. Mindestens 500 000 deutsche Zivilisten aus dem OderNeiße-Gebiet, aus Nieder- und Oberschlesien, Hinterpommern, Ostbrandenburg, Posen, West- und Ostpreußen und Polen und des Weiteren über 30 000 Sudetendeutsche sowie rund 160 000 deutsche Zivilisten aus Südosteuropa wurden nach 1945 aus ihrer Heimat zur Zwangsarbeit in die UdSSR deportiert, um dort für Jahre unter größter Brutalität ausgebeutet zu werden. Allein auf den Transporten nach Russland starben bereits mehr als zehn Prozent an Misshandlungen, Hunger und Kälte.

Meine Damen und Herren, das „Regensburger Bistumsblatt“ bemerkt dazu, ich darf zitieren: „Aber der Transport war erst die Vorhölle. Fast die Hälfte der Verschleppten starb in den Lagern. Hierüber berichtet eine deutsche Jüdin entsetzt und fragt: ‚Warum brachen sowjetische Offiziere einem siebzehnjährigen Mädchen beim Verhör die Schlüsselbeine und traten ihr die Rippen ein?‘ Das Leben der Frau war unglücklich, aber dafür kurz.“

Ich weiß, meine Damen und Herren, dass Sie das nicht hören wollen und ertragen können. Die Wahrheit schmerzt, und dabei lege ich jetzt erst richtig los, damit Sie die Leiden von deutschen Zivilisten auch nach 1945 niemals vergessen werden, denn nicht nur in die UdSSR wurden deutsche Zwangsarbeiter deportiert, auch in Polen, in der Tschechoslowakei und Jugoslawien gab es Vernichtungslager für Millionen von Deutschen. Allein in Polen und in den polnisch besetzten Gebieten gab es in 1255 Lagern mehr Tote als bei den verbrecherischen Vertreibungsaktionen. Im rotpolnischen Lager Lambsdorf/Oberschlesien kamen von 8000 Insassen über 6000 Menschen elendig zu Tode.

(Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Darauf kochen Sie Ihr Süppchen!)

Die Grausamkeiten in diesen Konzentrationslagern waren unbeschreiblich. Planmäßiges Erschießen von Alten, Kranken, Frauen und Kindern war an der Tagesordnung. Allein in der Tschechoslowakei wurden nach 1945 2160 Vernichtungslager unterhalten. Die Grausamkeiten in diesen Lagern waren unbeschreiblich. Allein im Lager Mährisch-Ostrau wurden bis Anfang Juli 1945 350 Insassen zu Tode gefoltert. Laut Aussage von seriösen ausländischen Geschichtsforschern waren die Zustände in solchen Vernichtungslagern noch vielfach schlimmer. Allein im Vernichtungslager Rudolfsgnad sind von 33 000 Menschen nach Aufzeichnungen eines

Lagerarztes 9503 Deutsche in kürzester Zeit verstorben, davon 8012 Erwachsene und 491 Kinder.

Ich könnte hier noch stundenlang darüber diskutieren und mit Ihnen darüber reden und Zahlen und Fakten benennen, und ich frage Sie allen Ernstes: Sollen diese Schicksale, diese Qualen deutscher Zwangsarbeiter etwa vergessen sein, nur weil es sich um Deutsche handelt? Ich sage Ihnen hier im Namen der Deutschen Volksunion: Es ist dringend erforderlich, eine Regelung für eine angemessene Entschädigung der noch lebenden Opfer oder deren Hinterbliebenen deutscher Zwangsarbeiter durch jene Staaten, die hierfür verantwortlich sind, zu treffen, und es ist ein zwingendes Gebot der Gerechtigkeit, dass die noch lebenden Verantwortlichen für die an Deutschen begangenen Verbrechen endlich durch Aburteilung entsprechend bestraft werden.

Deshalb fordere ich Sie auf, dem vorliegenden Antrag der Deutschen Volksunion zuzustimmen, denn es ist unerträglich, dass in Bezug auf deutsche Opfer weiterhin tiefes Schweigen herrscht. — Ich bedanke mich!

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Dr. Käse.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Während wir hier heute tagen, werden unsere Kolleginnen und Kollegen im Bundestag im Parteienkonsens von CSU bis zur PDS

(Abg. T i t t m a n n [DVU]: Eben darum!)

die Einrichtung einer Stiftung zur Entschädigung von Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern beschließen.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Dass diese Stiftung zustande kommen konnte, ist einem Kraftakt der rotgrünen Bundesregierung, aber auch der breiten Unterstützung der demokratischen Opposition zu verdanken, was wir an dieser Stelle als Leistung von historischer Bedeutung würdigen sollten.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ich möchte die Gelegenheit aber auch nutzen, bei den Unternehmen in Deutschland und natürlich insbesondere in Bremen ihren Beitrag zum Stiftungskapital anzumahnen. Bitte stellen auch Sie sich Ihrer Verantwortung gegenüber unserer Geschichte und gegenüber dem Ansehen der Bundesrepublik in der Welt!

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Herr Tittmann, Ihr Antrag ist in dieser Situation ein kläglicher und beschämender Versuch, diese Leistung herabzuwürdigen, ein Rückfall in das Denken des kalten Krieges und in ein von Revanchismus geprägtes Geschichtsverständnis.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Sie fordern eine Entschädigung der Reparationsverschleppten durch die Nachfolgestaaten der Sowjetunion und andere osteuropäische Länder. Haben Sie vergessen, wer den Zweiten Weltkrieg begonnen hat, wer die Schuld an dieser furchtbarsten Katastrophe des zwanzigsten Jahrhunderts trägt? Es war Nazideutschland, das die Welt in diesen Krieg gestürzt hat!

Die größten Opfer des Krieges hingegen hatte neben der jüdischen Bevölkerung Europas die Sowjetunion zu beklagen. Sie haben hier auch Zahlen genannt. Man kann das nicht gegeneinander aufwiegen, aber vielleicht ist es doch einmal ganz sinnvoll, solche Bilanzen in Erinnerung zu rufen. Am Ende des Zweiten Weltkriegs hatte die Sowjetunion 7,7 Millionen tote Zivilisten zu beklagen, 13,6 Millionen getötete Soldaten, davon, besonders perfide, fast vier Millionen, die als Kriegsgefangene ermordet und zu Tode gehungert wurden. In dem Land waren 25 Millionen Menschen obdachlos, 1700 Städte und 70 000 Dörfer, 32 000 Industriebetriebe und 65 000 Kilometer Schienenweg zerstört.

Es ist nie ein Friedensvertrag geschlossen worden, und deshalb kam es auch nie zu offiziellen Reparationszahlungen. Dies ist der Hintergrund, vor dem deutsche Kriegsgefangene und eben auch Zivilisten zu Reparationsleistungen unter anderem in der Sowjetunion herangezogen wurden.

Sicherlich rechtfertigt erlittenes Unrecht nicht die Begehung eines anderen. Aber mir, und das sage ich auch als Spätgeborener, ist die Haltung der Sieger des Krieges zumindest gegenüber den deutschen Kriegsgefangenen verständlich und nachvollziehbar.

Die Betroffenen müssen dafür entschädigt werden. Diese Entschädigung aber von den Staaten zu fordern, die von Nazideutschland überfallen und ausgeplündert wurden, das ist wahrlich absurd!

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Die Entschädigung ist eine Aufgabe des Rechtsnachfolgers des Dritten Reichs, also der Bundesrepublik Deutschland. Bereits 1954 wurde von der damaligen Bundesregierung das Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz auf den Weg gebracht, 1970 folgte die Einrichtung der Heimkehrerstiftung. Mit diesen Instrumenten wurden und werden Millionenbeträge an ehemalige Kriegsgefangene, Internier

te, Verschleppte und auch deren Hinterbliebene ausgezahlt. Das ist gut und richtig so, auch wenn selbstverständlich nicht alle Schäden mit Geld beglichen werden können.

Herr Tittmann, Sie haben mit Ihrem Antrag wieder einmal deutlich gemacht, dass Sie Ihre historischen Kenntnisse vorwiegend aus „Landser“-Heftchen beziehen. Die Fraktionen von SPD, CDU und Bündnis 90/Die Grünen werden Ihren Antrag daher selbstverständlich ablehnen! — Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Tittmann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ihre Stellungnahmen zum DVUAntrag beweisen einmal mehr und deutlich, dass Ihnen das Leid, das Angehörige unseres Volkes ertragen mussten, völlig gleichgültig ist. Diese unschuldigen Deutschen sind für Sie offenbar Menschen zweiter Klasse!

(Abg. Z a c h a u [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Rede doch nicht so einen Blödsinn!)

Sie propagieren hier zweierlei Recht. Sie ignorieren einfach, dass über 1,7 Millionen deutsche Zivilpersonen allein in Russland völkerrechtswidrig jahrelang Zwangsarbeit leisten mussten, und es interessiert Sie überhaupt nicht, dass deutsche Zwangsarbeiter bis heute nicht entschädigt wurden!

Es ist eine große Schande und ein Armutszeugnis deutscher Politiker, wenn ausgerechnet Ausländer wie der tschechische Publizist Bumihl Dulecel für die Interessen deutscher Zwangsarbeiter und Vertriebenen eintreten. Er fordert nämlich als Tscheche eine Entschädigung für deutsche Zwangsarbeiter und Vertriebene. Daran sollten Sie und deutsche Politiker sich einmal ein Beispiel nehmen!