Protocol of the Session on July 5, 2000

Ich bin mir sicher, meine Damen und Herren, dass wir mit unserer heutigen Beschlussfassung ein gutes Fundament für die zukünftigen Aufgaben schaffen. Wir geben der Bremer Arbeit GmbH einen großen Entscheidungsspielraum und auch einen Vertrauensvorschuss, und ich bin mir sicher, die neue GmbH wird diesen Raum mit Kompetenz ausfüllen und zum Wohle der Arbeitsuchenden in Bremen wie auch in Bremerhaven nutzbar machen. — Ich danke Ihnen!

(Beifall bei der CDU)

Als Nächste hat das Wort die Abgeordnete Frau Linnert.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Glaube, Liebe, Hoffnung, aber die schönste davon — —! Heute

wollen wir also in erster Lesung das so genannte Beleihungsgesetz beraten. Das soll geändert werden. Das Beleihungsgesetz war ja hier schon Thema in der Fragestunde bei der Frage des Kollegen Mützelburg. Es wurde im Mai 1998 von der Bremischen Bürgerschaft beschlossen, und Ziel dieses Gesetzes sollte sein, der BIG, Bremer Investitions-Gesellschaft, der BIS, Bremerhavener Gesellschaft für Investitionsförderung und Stadtentwicklung, und BBI, Bremen Business International, Wirtschaftsförderung und Stadtentwicklungsaufgaben als Instrumente zu übertragen. Die Übertragung von bisher von der Kommune und dem Land vorgenommenen Aufgaben, hoheitlichen Aufgaben und Aufgaben der öffentlichen Verwaltung, sollte auf diese Gesellschaften möglich gemacht werden. Das steht in diesem Gesetz, und ich will auch vor allen Dingen über die rechtliche Seite der ganzen Problematik reden und weniger über den Bereich Arbeitsmarktförderung.

Was da passiert ist, ist, dass Aufgaben, die bisher in der öffentlichen Verwaltung wahrgenommen worden waren, auf eine private Gesellschaft, in diesem Fall eine GmbH, übertragen werden, und dann, weil man merkt, dass es nicht so einfach geht mit den hoheitlichen Aufgaben, und weil man dann vielleicht doch irgendwie kalte Füße bekommt und denkt, so weit kann man es vielleicht doch nicht treiben, wird das Beleihungsgesetz verabschiedet, in dem geregelt wird, wie eben doch das, was die Verfassung uns an parlamentarischer Kontrolle vorschreibt, gewährleistet werden kann.

Dieses Gesetz ist im Mai 1998 von der Bürgerschaft beschlossen worden. Einen Monat später wurde es durch Anlagen ergänzt. Im März 1999 wurde es hier dadurch ergänzt, dass auch die Bremer Aufbau-Bank Teil des Beleihungsgesetzes werden soll, und jetzt soll das Beleihungsgesetz geändert werden, damit eben auch die Arbeit Bremen GmbH und die Arbeit Bremerhaven GmbH — wer denkt sich eigentlich solche geschmacklosen Namen aus? —

(Zuruf vom Bündnis 90/Die Grünen: AFB!)

auch die hoheitlichen Aufgaben übernehmen können, also hoheitliche Aufgaben im Rahmen einer GmbH, dass sie eben auch beliehen werden können. Im Herbst werden wir hier bestimmt noch einmal über dieses Gesetz reden, nicht nur, weil die zweite Lesung ansteht, sondern weil es ja immer so weiter geht. Im Umweltbereich gibt es Planungen, und das mit der KMB ist ja auch schon ziemlich weit fortgeschritten. Die Sache geht also weiter.

Von Anfang an gab es ganz starke verfassungsrechtliche Bedenken, ob man auf dem Wege der Beleihung in solch einem großen Umfang öffentliche Aufgaben an Private übertragen kann, und die Grünen bleiben bei zwei zentralen Kritikpunkten, die wir auch von Anfang an geäußert haben. Es kommt zu einer aus unserer Sicht verfassungsrechtlich nicht

zu vertretenden Verminderung der parlamentarischen Kontrolle,

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

und es kommt zu einem Aushöhlen des Haushaltsrechts durch globale Mittelzuweisungen. Berichte, die ja dann noch nicht einmal, obwohl das ja gesetzlich vorgeschrieben war, hier auch anständig abgeliefert werden, ersetzen keine parlamentarische Kontrolle, sondern sie berichten darüber, was schon passiert ist. Das Parlament hat aber das Recht und die Pflicht, auch in laufende Verwaltungsverfahren einzugreifen und diese zeitnah zu begleiten. Es reicht nicht, wenn man dann irgendwann später einmal einen großen Bericht bekommt.

Das Beteiligungscontrolling übrigens, das empfehle ich hier jedem Kollegen des Hauses zur Lektüre, ist ein Datenfriedhof, und Parlamentarier sind auf der Basis dieses Controllings nicht in der Lage, ihre Arbeit so zu machen, wie das eigentlich vorgesehen ist.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen — Zuruf der Abg. Frau D r e y e r [CDU])

Nein, auch Sie nicht, Frau Dreyer!

Was finden wir jetzt vor nach dem Beleihungsgesetz, so wie es hier bisher verabschiedet wurde? Wir finden ein BIG-Imperium vor, das eine dem Parlament unbekannte Zahl von Untergesellschaften gegründet hat mit auch dem Parlament nicht bekannten Aufgaben. Dazu ist die BIG ermächtigt worden. Wer weiß eigentlich noch, wie diese ganzen Gesellschaften so heißen? BIG, BIF, BAF, PIF, PLUF, BRR!

Ich will Ihnen einmal etwas sagen, das ist auch nur begrenzt witzig, wenn ein Parlament nicht mehr in der Lage ist zu wissen, in welcher Form der Staat in den von ihm beauftragten und gegründeten und in seinem Besitz befindlichen Gesellschaften den Bürgerinnen und Bürgern in diesem Land begegnet. Dann nimmt das irgendwann ein Ausmaß an, dass es eine ernste Angelegenheit ist und man zumindest irgendwann zu dem Ergebnis kommen muss, dass man einen Stopp einlegen und auswerten muss, was bisher passiert ist.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Die BIG hat des Weiteren eine fast generelle Ermächtigung, Geld auszugeben. Der Wirtschaftssenator hat nicht nur keine Berichte abgeliefert, wie er das nach dem Gesetz eigentlich machen sollte, sondern, noch viel schlimmer, er gibt gar keinen Finanzrahmen vor! Das heißt, die BIG präsentiert sich der Wirtschaft in der Stadt, kommt alle zu uns her, die ihr mühselig, bedürftig und beladen seid, wir bewilligen Geld unter Haushaltsvorbehalt, und irgendwann ist dann genug Druck entstanden.

Übrigens haben die Unternehmen ja auch ein Recht darauf, dass solche Bescheide nicht einfach nur irgendwo an die Wand gehängt werden, sondern dass sie sich auch irgendwann materialisieren. Diese Bescheide werden unter Haushaltsvorbehalt gegeben, und dann gerät der Haushaltsgesetzgeber unter Druck, im Vorgriff auf die Haushalte 2005, 2020, 2050, das ist ja unendlich ausdehnbar, was Sie da treiben, Mittel zu bewilligen. Das ist das, was Sie mit dem Beleihungsgesetz und der Beleihung der BIG hier in Bremen angerichtet haben!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Es gibt also dieses Beleihungsgesetz ohne Gesamtkonzept. Welche Dimension des Haushalts darf man eigentlich in dieser Rechtsform an Gesellschaften weitergeben? Es gibt dieses Beleihungsgesetz ohne verfassungsrechtliche Prüfung. Die Bedenken sind immens.

Andere Landtage gründen Enquetekommissionen, um sich genau dieser Frage zu widmen. Das vom Vorstand der Bremischen Bürgerschaft einstimmig beschlossene Gutachten, das uns helfen soll zu klären, was das jetzt eigentlich für unsere Arbeit heißt, was hier angeregt wird, schmort weiter. Wir wollen einmal sehen, ob die Absprache, die unter den Haushaltspolitikern getroffen wurde, dass es das jetzt endlich geben soll, noch eingehalten wird. Dieses Gesetz wird jeweils von der Bürgerschaft, ich habe ja den Ablauf geschildert, interessengeleitet aufgefüllt. Die nächsten Sachen sind schon in der Planung.

Wir sind uns da ziemlich sicher, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, dass es hier im Ergebnis darum geht, dass das Parlament entmachtet wird und sich selbst entmachtet. Da, meine Damen und Herren, sind wir uns ziemlich sicher, das Parlament darf sich nicht selbst entmachten! Es geht darum, ob wir hier unsere Arbeit richtig machen. Parlamentarier haben Rechte und Pflichten. Wir können nicht an irgendwen, weil uns das besser passt, weil es bequemer ist, weil man damit weniger Scherereien und weniger Verantwortung hat, irgendwo möglichst weit weg, Aufgaben verteilen, in der vagen Hoffnung, dass es dann billiger und besser wird.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Eine effektive Kontrolle der Regierung ist nicht nur Aufgabe der Opposition, sondern des gesamten Parlaments. Das gehört mit zu Ihren Pflichten, liebe Kollegen von der SPD und von der CDU! Diese zentrale Aufgabe, die können Sie nicht an irgendjemand anderen abgeben.

Sie geben, ohne die Erfahrung mit der BIG und mit der BIS auszuwerfen, einen weiteren zentralen Bereich kommunaler Aufgaben, nämlich die der Arbeitsmarktförderung, in eine privatrechtliche Form. Fragen Sie einmal in Bremerhaven, was da über die

BIS geredet wird! Das geht hier trotzdem locker so weiter.

(Abg. T ö p f e r [SPD]: Aber die BIS hat doch Biss in Bremerhaven!)

Ja, dass das verfassungskonform ist, können Sie trotzdem nicht behaupten!

Wir bleiben dabei, Sie machen, trotz der bisherigen negativen Erfahrungen, trotz der Probleme, die es mit der BIG gibt, trotz der verfassungsrechtlichen Bedenken, fröhlich so weiter, schaffen Fakten, verhalten sich nach dem Motto „Nachdenken schadet nur“. Zweifel werden hier generell denunziert, als hätten Abgeordnete nicht die Pflicht, Zweifel zu äußern und Fragen zu stellen. Der Verweis auf Recht und Gesetz wird hier belächelt, und das Beharren auf Verfassungsgrundsätzen, das konnten wir uns heute Morgen hier anhören, wird als Formalismus in Misskredit gebracht.

Dieses Parlament muss seine Arbeit machen. Sie werden dann, wenn Sie das Beleihungsgesetz hier so beschließen, nicht im Stande sein, Ihre Arbeit so zu machen, wie das von der Verfassung vorgesehen ist.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ich möchte nur ganz kurz noch inhaltlich auf die Werkstatt Bremen eingehen, weil es mir vor allen Dingen darum ging, aus der Sicht der Grünen darzustellen, was dieses Gesetz eigentlich für diesen Staat hier bedeutet. Wir haben inhaltlich über die Werkstatt Bremen schon in der letzten Sitzung länger geredet, und wir werden auch in der Deputation und im Haushaltsausschuss noch die Möglichkeit haben, inhaltlich darüber zu reden.

Sie schlagen vor, einen funktionierenden Eigenbetrieb zu zerschlagen. Es gibt keinerlei Nachweis finanzieller Vorteile — das übrigens schreibt das Haushaltsgesetz aber auch vor —, im Gegenteil, Herr Pietrzok hat das hier auch schon eingeräumt, Sie werden eine Million DM Umsatzsteuer zusätzlich bezahlen müssen. Das sind 20 Stellen für Sozialhilfeempfängerinnen und Sozialhilfeempfänger. Da kann ich nur sagen, Bremen hat es ja! Nur damit man Staatsrätespielwiesen und dem Parlament entzogene Gesellschaften hier gründen kann!

(Zuruf von der SPD)

Ja, dabei bleibe ich! Natürlich sind das Staatsrätespielwiesen. Schauen Sie sich doch einmal an, wer in diesem Bremer Imperium, das hier angerichtet wurde, überall sitzt, und zwar fern und weg von der parlamentarischen Kontrolle!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Das ist uns diese eine Million DM wert, wir haben es ja! Die Ausweitung der Macht der Verwaltung beschneidet nicht nur die hier so viel gelobten Oppositionsrechte — es ist ja am Anfang der Legislaturperiode gesagt worden, dass Ihnen das so wichtig ist —, sondern sie beschneidet auch die Rechte des gesamten Parlaments. Es ist unbedingt nötig und hoch an der Zeit, dass Sie damit aufhören und die verfassungsrechtliche Prüfung dessen, was bisher passiert ist, anstellen, um sich dann gemeinsam zu einigen, wie moderne Instrumente der Haushaltssteuerung in Zukunft sinnvoll für unser Gemeinwesen eingesetzt werden können.

Was hier passiert, ist eine vollkommen einseitige Ausuferung zu Lasten parlamentarischer Kontrolle. Wir werden dem nicht zustimmen. Wir werden alle Instrumente, die uns zur Verfügung stehen, einsetzen, um Sie daran zu hindern, das hier so weiter zu betreiben.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als Nächste hat das Wort Frau Senatorin Adolf.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Bevor ich auf den Redebeitrag von Frau Linnert eingehe, erlauben Sie mir, für den Hintergrund, vor dem wir diese Debatte führen, noch einmal auf die aktuellen Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt einzugehen, weil ich glaube, dass sie nicht ganz unwichtig sind und aufzeigen, warum wir uns auch Überlegungen in die Richtung machen, die wir Ihnen hier vorgeschlagen haben, die das Parlament in seiner Mehrheit offensichtlich mitträgt.

Bundesweit können wir zurzeit einen kräftigen Anstieg der Arbeitsplätze und eine deutliche Abnahme der Arbeitslosigkeit verzeichnen. Die Zahl der Arbeitslosen ist im Mai 2000 um 198.000 auf 3,788 Millionen gesunken. Das sind immerhin 210.000 weniger als im Vorjahr und 409.000 weniger als im Mai 1998, fast eine halbe Million!

(Beifall bei der SPD)

Gleichzeitig stieg die Zahl der gemeldeten offenen Stellen im Mai 2000 gegenüber dem Vorjahr um 17,7 Prozent. Mit 567.000 gemeldeten offenen Stellen haben wir jetzt den höchsten registrierten Wert seit der Wiedervereinigung erreicht. Es ist absehbar, dass die Beschäftigung in den nächsten Monaten weiter wachsen wird. Auch im Land Bremen können wir eine solche positive Entwicklung feststellen. Im Mai des Jahres gab es im Land Bremen 2900 Arbeitslose weniger als im Mai 1999. Allein von April bis Mai dieses Jahres verringerte sich die Arbeitslosenzahl um 1100.

Auch die Nachfrage nach Arbeitskräften stieg weiter an. Gegenüber Mai 1999 ist eine Zunahme der

offenen Stellen um 17 Prozent auf fast 5000 zu registrieren. Neben der demographisch bedingten Abnahme des Arbeitskräfteangebots trägt zunehmend auch im Land Bremen die konjunkturelle Erholung zum Rückgang der Arbeitslosigkeit bei. Meine Damen und Herren, das ist der Hintergrund.

Wir wollen diesen Wirtschaftsaufschwung, den wir verzeichnen, der sich in Zahlen deutlich macht, nutzen. Wir wollen durch eine Neustrukturierung unserer Arbeitsförderung die strukturellen und die organisatorischen Grundlagen dafür schaffen, dass zukünftig zum Beispiel auch arbeitslose Sozialhilfeempfängerinnen und Sozialhilfeempfänger stärker als bisher an den Beschäftigungsmöglichkeiten des ersten Arbeitsmarktes teilhaben können.

Diese Neustrukturierung soll von zwei wesentlichen Elementen geprägt sein. Das ist einmal, dass wir die bislang ineinander verwobenen, unterschiedlichen Entscheidungsebenen in eine strategischsteuernde und eine operativ-umsetzende Ebene aufteilen. Dieser Schritt ist, glaube ich, überfällig, muss passieren und soll jetzt geschehen.