Protocol of the Session on May 11, 2000

Ja, aber es steht trotzdem etwas darin, an dem man sich orientieren sollte! Da steht nämlich im Mittelpunkt dieses Gesetzes, so lese ich das, die Prävention. Das ist es, was wir in allererster Linie leisten müssen, dann kommt Repression, und dann kommt Sanktion, wenn man nicht mehr helfen kann.

(Beifall bei der SPD)

Es gibt in einigen Gebieten dieser Stadt, das wissen wir, das sind Obervieland, Huchting und andere Stellen, eine Cliquen- und Bandenbildung von Vierzehn- bis Zwanzigjährigen. Viele der beängstigenden Situationen in den Stadtteilen finden gar nicht in der Schule statt, sondern vor den Schulen, auf den Schulhöfen und auf den Wegen zur Schule. Dabei ist es vor allen Dingen bei uns im Stadtteil auffällig, dass es eben Gruppen sind, auf der einen Seite türkische junge Männer und auf der anderen Seite die bei uns immer so genannten russischen jungen Männer, das sind die Aussiedlerjugendlichen, die fast im gleichen Bezirk leben, in den gleichen Straßen, und in großer Rivalität zueinander stehen.

(Abg. T i t t m a n n [DVU]: Multikulti!)

Das ist völliger Quatsch, was Sie da erzählen!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen — Abg. T i t t m a n n [DVU]: Das ist das Ergebnis!)

Man muss da einfach feststellen, dass es uns bis jetzt nicht ausreichend gelungen ist, diese Jugendlichen zu integrieren. Sie sind mit falschen Erwartungen gekommen, und wir konnten teilweise diese Erwartungen nicht erfüllen. Einige von ihnen sind eben auch hergekommen, ohne die deutsche Sprache zu sprechen, und sie sind zum Teil auch nicht freiwillig hier, das muss man auch sagen. Gerade

die deutschen Aussiedlerjugendlichen sind gezwungenermaßen mit ihren Familien hier und haben insofern besondere Probleme, sich hier einzufinden.

Auch das Abziehen, von dem immer die Rede ist und was auch Angst macht, findet nicht unbedingt in der Schule statt, sondern meistens auf der Straße. Darum bekommt eine Schule auch manchmal nicht so viel davon mit, dass einzelne ihrer Schüler im Stadtteil noch einmal ganz besondere Probleme machen.

Ich habe schon gesagt, dass ich finde, dass sich seit 1998, seit der Debatte hier, eine ganze Menge getan hat in Richtung Prävention und in Richtung Zusammenarbeit. Das muss weiter ausgebaut werden, weil wir einfach zur Kenntnis nehmen müssen, dass Kriminalität und Armut eben ganz eng zusammen gehören und dass über Kleidung zum Beispiel Status, also auch Ansehen verteilt wird.

(Zuruf von der CDU: Schuluniform!)

Schuluniformen sind vielleicht sogar eine Möglichkeit, zumindest in der Schule diese Konkurrenz, die sich schon über die Kleidung ausdrückt, ein bisschen zu mildern. Ich hätte gar nichts dagegen, darüber nachzudenken, dass man so eine Art Schuluniform einführt, um wenigstens nicht schon an der Kleidung soziale Unterschiede deutlich zu machen.

(Beifall bei der CDU)

Ich finde es nicht so falsch.

Ich will jetzt noch einmal auf die Schule eingehen.

(Glocke)

Muss ich jetzt schon aufhören? Dann kann ich im zweiten Teil noch etwas zur Schule sagen.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat der Abgeordnete Tittmann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zur Großen Anfrage der CDU, Drucksache 15/210, „Ungestörter Ablauf von Schulunterricht“, muss Folgendes deutlich gesagt werden. Erstens: Die Mitteilung des Senats, Drucksache 15/274, ist eine eindeutige Bankrotterklärung Ihrer Schulund Bildungspolitik. Zweitens: Bevor wir uns über einen ungestörten Ablauf von Schulunterricht unterhalten können, schaffen Sie erst einmal die Grundvoraussetzungen für einen ungestörten Schulablauf! Dazu ist es dringend erforderlich, dass Sie die ansteigende Gewalt an Schulen rigoros bekämpfen. Dazu sind Sie aber nicht in der Lage. Deshalb

sind Ihre Lösungsvorschläge in der Mitteilung des Senats unrealistisch, weil sie nicht effektiv greifen können. Dies aber wiederum begreifen Sie nicht. Meine Damen und Herren, aus vielen Gesprächen mit Schülern, auch mit vielen ausländischen Schülern, die mich um Hilfe bitten, weil sie eben Ihre beschönigende Politik nicht mehr ertragen, nicht mehr erleiden wollen, weiß ich auch, worüber ich jetzt sprechen werde. Tatsache ist, dass unsere Kinder tagtäglich von ausländischen Jugendbanden, Schülerbanden auch mit Waffengewalt erpresst, bedroht und zusammengeschlagen werden, meine Damen und Herren, dass ethnische Gruppen, Sie haben es angesprochen, ihre Konflikte mit Gewalt an unseren Schulen austragen, dass mit Drogen in erheblichem Umfang gehandelt und gedealt wird, dass Delikte wie Diebstähle und schwere Körperverletzungen an Schulen ins Unermessliche steigen, dass das Lehrpersonal Angst vor seinen eigenen Schülern haben muss,

(Abg. Frau L i n n e r t [Bündnis 90/Die Grünen]: Schlechte Pädagogen!)

dass Lehrer von ausländischen Schülern angegriffen, bedroht und zusammengeschlagen werden und so weiter. Ich könnte hier noch stundenlang über Ihre verfehlte Politik debattieren. Meine Damen und Herren, Politiker aller Altparteien wissen und ergötzen sich maßlos an den Prognosen, an beschönigenden Umfragen, an beschönigenden Gutachten und so weiter. Das Volk, die Schüler aber, meine Damen und Herren, leben in der Realität. Tatsache ist doch, dass es in Deutschland Schulklassen gibt, in denen der ausländische Anteil bei weit über 70 Prozent liegt. Da ist es doch selbstverständlich und auch logisch, dass deutsche Schüler weit hinter den gesteckten Lernzielen zurückbleiben müssen. Sie betreiben Ihre Multikultipolitik, Wahnpolitik auf Kosten der Zukunft unserer Kinder! Meine Damen und Herren, allein die Tatsache, dass Deutschland angeblich Fachkräfte aus dem Computerentwicklungsland Indien braucht, ist doch beschämend und eine Bankrotterklärung Ihrer Bildungs- und Schulpolitik schlechthin. Ich bin stolz, Deutscher zu sein, aber ich schäme mich für Politiker, die so etwas zulassen. Eine solche Politik auf Kosten und zu Lasten unserer Kinder ist unverantwortlich. Meine Damen und Herren, hinzu kommt selbstverständlich auch der Einfluss der Medien, die mit immer mehr und immer härteren Gewaltdarstellungen und Gewaltverherrlichungen unsere Schüler negativ beeinflussen. Hier muss schnellstens von Seiten der politisch Verantwortlichen effektiv gehandelt werden. Ein weiterer wichtiger Punkt ist der zum größten Teil schreckliche Zustand unserer Schulen. Unsere

Schulen sind in einem erbärmlichen Zustand. Man kann sie sogar zum Teil mit Ruinen vergleichen. Einige Klassenzimmer — Herr Senator Lemke hört nicht zu, das sollte er aber — haben nicht einmal Fenster. Klassenmöbel sind alt und kaputt. Unterrichtsmaterial ist alt und kaputt. Schulfenster sind so marode, dass der Wind hindurchpfeift. Fußböden bestehen aus Pressplatten, die auf schäbigem, rissigem Beton liegen.

(Abg. Frau L i n n e r t [Bündnis 90/Die Grünen]: Wann waren Sie denn das letzte Mal in der Schule?)

Meine Damen und Herren, Drogen, Ungeziefer, Ratten, Gewalt und Mobbing an Bremer und Bremerhavener Schulen sind Tatsachen, die selbst Sie nicht wegleugnen können! Nun frage ich Sie allen Ernstes, meine Damen und Herren: Wie sollen unsere Kinder sich da wohl fühlen? Wie sollen unsere Kinder da eine Motivation bekommen, die ihnen einen ungestörten Ablauf von Schulunterricht ermöglicht? Das ist einfach unmöglich. Hier ist Herr Bildungssenator Lemke gefordert.

Ich fordere Sie hiermit auf, Herr Senator, schnell und effektiv zu handeln, bevor es zu spät ist. Es langt eben nicht, Herr Senator, überall nur der liebe, nette, gute Willi sein zu wollen. Herr Senator, Sie sind Bildungssenator und kein Autogramm gebender Manager für Fußballmillionäre mehr. Sie tragen die Verantwortung für die Zukunft unserer Kinder. Dass Sie das nicht vergessen werden, dafür werde ich hier stehen, und dafür werde ich sorgen, Herr Senator!

(Abg. Frau L e m k e - S c h u l t e [SPD]: Das ist ja eine Drohung! Wie soll man das denn verstehen? Wir sind hier im Parla- ment!)

Meine Damen und Herren, bevor wir uns hier überhaupt über einen ungestörten Ablauf von Schulunterricht unterhalten können — hören Sie einfach einmal zu! —, schaffen Sie doch erst einmal mit einer sozial gerechteren Familienpolitik die Voraussetzungen dafür, dass Eltern ihre Kinder wieder richtig erziehen können!

(Abg. Frau L i n n e r t [Bündnis 90/Die Grünen]: Wir sind hier im Parlament und nicht in Ihrer Stammkneipe!)

Ich weiß! Dann können Sie sich auch gleich einmal hier vorn hinstellen und versuchen, das zu widerlegen.

(Abg. Frau H ö v e l m a n n [SPD]: Aber wir sorgen uns um Ihre Gesundheit!)

Meine Damen und Herren, mit einer unsozialen Familienpolitik sorgen Sie dafür, dass auf der Grund

lage Ihrer Politik in der heutigen Gesellschaft beide Elternteile arbeiten müssen, um überhaupt die steigenden Kosten tragen und ausgleichen zu können. Da bleibt natürlich für eine familiäre Erziehung überhaupt keine Zeit mehr. Aber eine familiäre Erziehung, die geprägt ist von Moral, Ethik, Ordnung, Disziplin und Achtung gegenüber unseren älteren Mitmenschen ist die Grundvoraussetzung für einen ungestörten Ablauf von Schulunterricht, meine Damen und Herren.

Das Grundgesetz stellt im Artikel 6 Ehe und Familie unter den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung. Eine asoziale ehe-, familien- und kinderfeindliche Politik prägt Ihre Politik, das ist Tatsache. — Ich bedanke mich, meine Damen und Herren!

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Zachau.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Eine Ursache von Gewalt haben Sie eben hier erlebt.

(Beifall)

Das ist eine echte Aggressionsquelle für mich, aber ich habe ja gelernt, mich im Rahmen meiner Möglichkeiten zu beherrschen, und das will ich hier auch tun.

Jetzt kommen wir zu dem Geburtstagsgeschenk, das Herr Rohmeyer uns hier ins Nest gelegt hat.

(Zuruf der Abg. Frau D r e y e r [CDU])

Ohne Gackern! Die Anfrage, die Sie gestellt haben, finde ich ausgesprochen suggestiv. Die ganzen Fragen beinhalten Unterstellungen und transportieren eine Stimmung, ohne sich rational damit auseinanderzusetzen. Das ist, finde ich, ganz gefährlich. Das wurde auch an einigen Zwischenrufen deutlich. Ein Zwischenruf, dass das an den Privatschulen nicht so sei und so tut, als ob das das Ergebnis der dortigen Arbeit sei und dabei gesellschaftliche Ursachen völlig ausblendet, weil an die Privatschulen bestimmte gesellschaftliche Spannungspotentiale nicht herankommen, begegnet dem Phänomen nicht fair.

(Abg. B ü r g e r [CDU]: Das stimmt aber auch nicht immer!)

Er verschließt sich damit auch Lösungswegen. Wenn Sie Lösungen wollen, finde ich, dann müssen Sie sich den Realitäten stellen. Ich gebe Ihnen hierzu auch einen Tipp, für jedermann erreichbar, aus „Politik und Zeitgeschichte“. Die neueste Ausgabe liegt unten als Beilage zum „Parlament“, und dort findet sich ein Artikel „Der Umgang mit Aggression

und Gewalt bei Kindern und Jugendlichen“. Dieser Artikel geht punktgenau auf das Thema ein.

Ich möchte zitieren, wenn ich darf: „Medienberichte erwecken zuweilen den Eindruck, Deutschland und Deutschlands Schulen gingen unter in einer Welle von Gewalt. Ein solcher Eindruck ist falsch. Richtig ist, dass es in Deutschland tatsächlich im Verlaufe der letzten zehn Jahre eine quantitative Zunahme an physischer Gewalt gegeben hat, auch unter Jugendlichen. Dies gilt ebenso für die physische Gewalt an der Schule.“ Das sagen die Verfasser. Es ist in der Gesellschaft insgesamt eine zunehmende Gewaltbereitschaft, eine abnehmende Bereitschaft, sich verbal über den Kopf mit bestimmten Dingen auseinander zu setzen. Ich bin Frau Jansen sehr dankbar, dass sie das hier ausführlich thematisiert hat.

Man kann auch platt sagen, irgendwo haben die Kinder das alles her, und die Quelle können eigentlich nur wir sein. Insofern muss jede Gewaltdebatte damit anfangen, dass wir fragen, was wir als Erwachsene falsch gemacht haben, und wir haben uns in Frage zu stellen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Damit verbietet sich auch, die Begriffe Jugend und Kinder ständig mit solchen Negativimplikationen zu transportieren, also Jugendgewalt und Ähnlichem. Zeitweilig, wenn man die Zeitung liest, muss man ja denken, dass unsere junge Generation eine Generation von Monstern ist, doch wenn man genau hinschaut, relativiert sich einiges. Das sind junge, nach vorn schauende Menschen, die ihre Zukunft vor sich haben, die überwiegend flexibel sind, die in den allermeisten Fällen wirklich sehr kreativ und gestaltend sind und optimistisch nach vorn blicken, und nicht die, die in den Medien sehr gern mit den Begriffen Jugendkriminalität, Jugendgewalt, Jugendbanden und Ähnlichem belegt werden.

Ich finde, wir sollten als Allererstes transportieren, dass wir in unserer Jugend die Zukunft sehen, dass wir sie positiv sehen und dass wir durchaus differenziert mit negativen Begleiterscheinungen in dieser Generation umgehen können.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)