Protocol of the Session on May 10, 2000

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch wenn es nicht so aussieht, ich spreche jetzt hier für die große Koalition,

(Beifall bei der SPD und bei der CDU — Abg. Z a c h a u [Bündnis 90/Die Grünen]: Jetzt bin ich aber gespannt!)

und was meinen Sie, wie schwer mir das jetzt fällt!

(Beifall bei der SPD)

Von Ihren zwei Debattenbeiträgen, Herr Bürger, konnte ich mich mit Ihrem letzten Beitrag so richtig inhaltlich identifizieren. Ansonsten fiel es mir sehr, sehr schwer, Ihnen zuzustimmen in den Punkten, die Sie gefordert haben. Ich habe mir acht Punkte aufgeschrieben, zu denen ich ganz kurz etwas sagen möchte, obwohl sie ein wenig auch abweichen von den eigentlichen Fragen.

Das Erste: Ich habe das Gefühl, dass es nicht richtig ist, die Diskussion so zu führen, wie wir sie hier im Parlament führen. Ich glaube — das motiviert mich allerdings —, wir sollten so etwas Ähnliches wie ein Forum für die Reform der gymnasialen Oberstufe in Bremen einmal mit allen gemeinsam,

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

die dort in der Praxis arbeiten, durchführen, und nicht in einer Dreiviertelstunde oder eineinhalb Stunden hier im Parlament. Wir werden der Sache nicht gerecht.

(Beifall bei der SPD)

Ich möchte ganz ausdrücklich Ihnen sagen, und das wissen Sie auch sehr genau, Herr Bürger, dass ich mit Ihnen möchte, dass wir eine zukunftsorientierte Ausbildung und Bildung für unsere Kinder organisieren, aber ich möchte sie ideologiefrei organisieren.

(Beifall bei der SPD)

Ich möchte nicht von Ihnen aufgefordert werden, doch einmal bei der Kollegin Schavan oder bei der CSU in München nachzufragen, wie die ihre Bildungspolitik machen, sondern ich möchte den Bremer Weg weitergehen. Im ersten Beitrag habe ich mir bei Ihnen aufgeschrieben, dass Sie nicht zufrieden sind und die schlechten Leistungen der Schulen in unserem Land beklagen. Das haben Sie dann zurückgenommen in Ihrem zweiten Beitrag, da haben Sie gesagt, wir laufen Gefahr, dass wir schlechter werden als andere. Das habe ich mir sehr genau aufgeschrieben. Ich finde es absolut falsch, die Bildungspolitik in unserem Land auf so eine Schiene zu bringen. Ich sehe Schule für Schule, gymnasiale Oberstufe für gymnasiale Oberstufe mit Freude an. Ich war gerade in der letzten Woche bei einer Abiturprüfung im mündlichen Abitur auch vor Ort anwesend, um mir anzuschauen, wie es aussieht, und ich sage Ihnen, wir brauchen uns nicht zu schämen.

(Beifall bei der SPD — Abg. Frau H ö v e l m a n n [SPD]: Richtig!)

Es gibt keine wissenschaftliche Untersuchung, nirgendwo gibt es die in unserem Land, in der gesagt wird, in diesem Land wird besser gearbeitet als in dem. Es gibt keine Fakten, es gibt das Gerede, und leider führen Debattenbeiträge wie dieser eben uns nicht weiter, wenn Sie sagen, wir sind hier so viel schlechter als in anderen Ländern. Das ist überhaupt nicht nachgewiesen.

(Beifall bei der SPD)

Deshalb stelle ich mich ausdrücklich vor die Schulen unseres Landes und fordere Sie auf, auch im Sinne von Herrn Zachau, lassen Sie uns in den Dialog gehen! Zum Inhalt bin ich nämlich durchaus Ihrer Auffassung, dass ich mir sehr wünsche, dass wir die Qualität der Leistung, den Output genauer ansehen. Deshalb bin ich auch so vehement eingetreten, auch auf KMK-Ebene, für Pisa. Pisa schafft eine Qualitätskontrolle. Sehr eindeutig wollen wir hier als Ergebnis erreichen, und ich wünsche mir etwas Vergleichbares auch durchaus für die gymnasiale Oberstufe, dass wir sagen, wie können wir denn Qualität vergleichen, wie können wir Schulen miteinander in ihren Ergebnissen vergleichen! Wir geben in unserem Land Milliarden für die Schulen aus, wir geben hinein, aber wo überprüfen wir das, was herauskommt?

Insofern gibt es wieder einen vielleicht versöhnlichen Schulterschluss, dass ich genau mit Ihnen, allerdings auch mit meiner Fraktion, fordere, dass wir das, was wir eingeben in diese Schulen, auch überprüfen müssen, vielleicht in Zukunft auch kritischer überprüfen müssen.

Allerdings ein Widerspruch, Herr Bürger! Wie können Sie hier sagen, Sie spürten keine Vielfalt an unseren Schulen? Ich empfinde, dass wir eine ungeheure Vielfalt an unseren Schulen erleben.

(Beifall bei der SPD)

Ich habe mir das mitgeschrieben, das können Sie auch im Protokoll sicherlich nachlesen. Gleichzeitig fordern Sie ein Zentralabitur! Das ist ein diametraler Widerspruch.

(Beifall bei der SPD)

Das geht überhaupt nicht, einerseits zu beklagen, dass es keine Vielfalt gibt, und andererseits zu sagen, wir brauchen aber ein Zentralabitur. Das Zentralabitur führt nicht zu einer Vielfalt. Es lässt Vielfalt verkümmern. Ich wünsche mir aber, dass wir diesen großen Blumenstrauß, den wir haben an bildungspolitischen Angeboten, an konkreten Angeboten, nicht zerschneiden und etwas Kargeres den Schülerinnen und Schülern anbieten. Ich bin allerdings der Meinung, dass wir verstärken müssen, und, wenn ich das sagen darf — ich werde dies auch einführen in dieses Forum, das ich gern vorschlagen und initiieren möchte, auch vielleicht mit Unterstützung des Hauses —, wir müssen nicht erst in der gymnasialen Oberstufe anfangen.

Ich bin der festen Überzeugung und mit mir viele Wissenschaftler, die lange Jahrzehnte in diesem Bereich arbeiten, wir müssen in der Mittelstufe bereits Schwerpunkte setzen,

(Beifall bei der SPD)

wenn es um die Naturwissenschaften, um die Stützung der Mathematik geht. Da geht es nicht an, diese Schwerpunkte erst in der Oberstufe zu setzen, sondern hier müssen wir im naturwissenschaftlichen Unterricht, der nach meinem Empfinden noch immer so gehalten wird, wie er vor 30 Jahren von den Lehrern gelernt worden ist an den Universitäten, an den Pädagogischen Hochschulen, dringend einen Wandel schaffen. Jetzt ein Einschub für die Damen, die hier im Hause sitzen: Ich finde auch, dass wir die Mädchen verstärkt an die Naturwissenschaften und an die Informatik heranbringen müssen mit einer speziellen Förderung dieses Bereiches.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Das wird auch versäumt oder ist auch versäumt worden in den letzten Jahrzehnten. Ich meine, das hat Frau Abgeordnete Hövelmann Ihnen eben schon gesagt, das mit der Green Card, Herr Bürger, habe ich überhaupt nicht verstanden. Das war aus meiner Sicht überhaupt nicht verständlich. 1995 wurde aus weiten Kreisen der deutschen Wirtschaft gesagt, wir brauchen keine Maschinenbauer, wir brauchen keine Physiker und schon gar keine Informatiker. Ich mache keine Schuldzuweisung, aber ich finde es völlig verfehlt, diese GreenCard-Diskussion hier an dieser Stelle in diesem Haus anzuwenden.

(Beifall bei der SPD)

Da gibt es andere, die sich diese Frage stellen müssen! Zusammengefasst und vielleicht auch im Sinne Ihres letzten Satzes: Wir haben überhaupt keinen Dissens in der Frage, dass wir das, was wir an den Schulen, an der gymnasialen Oberstufe machen, gemeinsam auf den Prüfstand stellen müssen, da bin ich hundertprozentig an Ihrer Seite, und ich weiß, dass ich da auch die Unterstützung meiner Fraktion bekomme, aber bitte ohne vorher bestimmte Ideologie!

(Beifall bei der SPD)

Es interessiert mich überhaupt nicht, was für die CDU, die SPD oder für die Grünen wichtig ist. Wichtig ist, dass das Ergebnis für unsere Schülerinnen und Schüler in unserem Land richtig ist, dass wir das erreichen, was für diese Kinder richtig ist, und nicht, was für Ihre oder meine Fraktion als notwendig erachtet wird, um uns zu profilieren. Darum geht es nicht, meine Damen und Herren!

Ich möchte Sie recht herzlich zum Dialog auffordern, ich werde dieses Thema dort einbringen, wohin es gehört, nämlich in die gemeinsame Deputationssitzung, dass wir ein gemeinsames Forum, vielleicht auch mit der Unterstützung Ihrer Fraktion, durchführen, bei dem wir alle Verantwortlichen an einen Tisch bringen über einen längeren Zeitraum. Das geht nicht so kurz hoppla hopp, sondern wir wollen uns systematisch mit dieser Frage beschäftigen mit der Zielsetzung, die Qualität zu verbessern. Da sind wir wieder gemeinsam in einem Boot!

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Aussprache ist geschlossen.

Die Bürgerschaft (Landtag) nimmt von der Antwort des Senats auf die Große Anfrage der SPD Kenntnis.

Meine Damen und Herren, wir haben noch 13 Minuten Zeit. Ich könnte Ihnen vorschlagen, dass wir noch eine weitere bildungspolitische Debatte beginnen,

(Widerspruch)

nämlich „Ungestörter Ablauf von Schulunterricht“, aber ich glaube, das heben wir uns für morgen auf.

Ich schließe dann die Sitzung für heute und wünsche Ihnen einen schönen Abend.

(Schluss der Sitzung 17.48 Uhr)