Protocol of the Session on March 23, 2000

Ich möchte noch einmal wiederholen, die Verantwortlichen sind in diesem Fall in erster Linie die Unternehmer, und die sollten entsprechend zur Kasse gebeten werden!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Ich möchte nur sagen, es gibt ein bekanntes neues Einkaufszentrum im Bremer Westen. Es wurde 70.000 DM Geldbuße bezahlt. Das bezahlen die doch aus der Portokasse. Das wurde locker eingespart, indem sie die Leute nicht nach Tarif bezahlt haben. Da muss man auch einmal herangehen. Die Unternehmer lachen sich doch tot. Die Geldbußen müssen erhöht werden, und die Unternehmen müssen auch für eine bestimmte Zeit, Berlin hat das vorgemacht, von der Auftragsvergabe ausgeschlossen werden.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Seit dem 1. Januar 1998 ist es möglich, dass die Verfolgungsbehörden mit Vergabebehörden enger kooperieren, bloß, es macht irgendwie keiner so rich

tig. Man kann sagen, wer nichts wissen will, der erfährt auch nichts. Ich finde, da muss man stärker am Ball bleiben.

Wir halten es für notwendig, dass unabhängige Vergabeprüfstellen eingerichtet werden, an die sich die Bieter oder die Beschäftigten mit Beschwerden wenden können. Ich sage hier nur Stichworte: Bahnhofsvorplatz oder Börsenhof. Das stand ja auch in der Zeitung. Daran wird noch einmal deutlich, dass die bestehende Gesetzeslage nicht eingehalten wird. Nicht nur, weil man nicht kann, sondern einfach, weil man bisher auch politisch nicht will. Deswegen, denke ich, wäre eine unabhängige Vergabeprüfstelle ein richtiger Schritt.

Es gibt auch große Defizite bei der Kontrolle der Subunternehmer. Manche Unternehmer, die einen Auftrag erhalten, machen nur noch die Bauaufsicht und vergeben dann immer weiter. Sie vergeben an die Subunternehmer, die wiederum an Subsubunternehmer vergeben. Das sind manchmal dann nur zwei Personen. Wie die ihre Arbeitnehmer dann entlohnen, interessiert dann schon nicht mehr. Eine Tariftreueerklärung bei der Auftragsvergabe unterschreibt jeder, sie wird sozusagen als „Lügenblatt“ bezeichnet, denn die Chance erwischt zu werden ist sehr, sehr gering.

(Glocke)

Ich komme zu meinem Schlusssatz! Es gibt eine Reihe von Gesetzen, wenden Sie die Gesetze endlich an! Wir unterstützen als Grüne Ihren Beschlussvorschlag. Er ist ja nicht schädlich, sondern treibt die Sache auch noch voran. Wir sind nicht kleinlich. Machen Sie endlich Schluss mit Lohndumping und hören Sie auf, immer auf die Kleinsten einzuschlagen!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Jägers.

Herr Präsident, meine Damen, meine Herren! Herr Tittmann ist nun irgendwo wieder in seiner Beratungsstruktur verschwunden.

(Abg. Frau D r e y e r [CDU]: Gott sei Dank! Lassen Sie ihn ruhig weg!)

Herr Tittmann hat weder Kenntnisse von der Materie, das hat er hier eben bewiesen, noch Ahnung davon, um was es eigentlich geht. Leider melden sich manche Leute zu Dingen zu Wort, von denen sie gar keine Ahnung haben.

(Beifall bei der SPD)

Weil die Gewerkschaften so angegriffen worden sind, will ich das nicht stehen lassen. Den Begriff

Bonze weise ich zurück, das lasse ich mir auch nicht gefallen!

(Beifall bei der SPD)

Wenn Herr Tittmann behauptet, Mitglieder treten aus der Gewerkschaft in Scharen aus, dann ist das schlicht falsch. Herr Tittmann, ich weiß, wovon ich rede. Wenn ich in meine Statistik schaue, dann haben wir eher Zuwächse als Austritte, aber Sie erzählen hier nicht das erste Mal blühenden Unsinn.

(Beifall bei der SPD — Abg. Frau H ö - v e l m a n n [SPD]: Das wissen die in München nicht!)

Wir haben uns als Bauleute, als Bauarbeitnehmer, das tun wir schon längere Zeit, schützend vor unsere ausländischen Kollegen gestellt.

(Beifall bei der SPD)

Die Gesetzesbestimmungen, das Entsendegesetz und der Mindestlohntarifvertrag, der ausschließlich für unsere ausländischen Kolleginnen und Kollegen da ist, sind eine Errungenschaft der Gewerkschaften. Wir haben richtig und echt etwas für die Leute, für die Menschen getan. Sie, Herr Tittmann, schwafeln nur!

Wir haben hier an dieser Stelle schon des Öfteren über die Thematik der Bekämpfung der illegalen Beschäftigung diskutiert und auch gestritten. Darüber, dass die letzten zwei Jahre ohne greifbare Ergebnisse ins Land gegangen sind, bin ich auch ein bisschen traurig. Man hätte mehr machen können, auch mehr machen müssen, aber wir bewegen uns zumindest nach vorn.

Frau Dreyer, ich habe Ihnen ja Beifall geklatscht. Das kommt so oft von mir bei Ihren Redebeiträgen nicht vor,

(Abg. B o r t t s c h e l l e r [CDU]: Ich den- ke, ihr seid beide in der Gewerkschaft!)

aber in der Sache ist das schon richtig. Von daher finde ich es gut, dass wir uns bewegen. Ich zitiere Frau Dr. Barbara Hendricks mit Erlaubnis des Präsidenten, parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Finanzen. Sie hat am 21. Februar zu den Ergebnissen der Bundeszollverwaltung bei der Bekämpfung der illegalen Beschäftigung gesagt:

„Das Ausmaß und die volkswirtschaftliche Auswirkung der illegalen Beschäftigung, die inzwischen zum Teil die Züge gewalttätiger, organisierter Kriminalität angenommen hat, geben Anlass zur Sorge. Nach Einschätzung wissenschaftlicher Forschungsinstitute gehen dadurch zirka 500 000 Arbeitsplätze und jährlich etwa 125 Milliarden DM Steuereinnahmen verloren.“

Sie kennen alle die Faustregel, ein Prozent davon in Bremen. Das wären für Bremen 5000 Arbeitsplätze, die wir neu schaffen könnten. Das wäre doch ein großer Schritt, um unsere Sanierungsziele zu erreichen.

(Beifall bei der SPD)

Wir reden hier, meine Damen und Herren, von einer großen Bandbreite, die sich vom Ordnungswidrigkeitenrecht bis hin zur organisierten Kriminalität erstreckt. Es gibt durchaus Hinweise, dass sich die Mafia den Baumarkt unter den Nagel reißen will. Wir müssen dagegen angehen! Es gibt in Bremen und im Umland eine Vielzahl engagierter Mitarbeiter in den Verfolgungsbehörden, die mehr machen, als in ihrem Arbeitsvertrag steht. Wir dürfen uns auch einmal dafür bedanken, dass diese Mitarbeiter so fleißig arbeiten.

(Beifall bei der SPD)

Wie sieht es in Bremen aus? Ein paar Beispiele sind hier schon genannt worden. Zum Bahnhofsvorplatz habe ich vor anderthalb Jahren gesagt, ihr werdet am Pflaster erkennen können, wo die Billiglohnarbeiter gearbeitet haben. Es ist eingetroffen, man kann es am Pflaster erkennen. Wir lernen daraus, wer Qualität haben will, muss einen anständigen Preis bezahlen.

(Beifall bei der SPD)

Ich habe nicht gesagt teuren Preis, ich habe gesagt, anständigen Preis bezahlen. Die Qualität ist eigentlich kein Wunder. Wenn man Langzeitarbeitslose als Praktikanten einstellt und sie uns als Vollarbeitnehmer verkauft, dann ist das Ergebnis so, wie es ist. Ich habe nichts dagegen, dass Langzeitarbeitslose wieder in den Beruf eingegliedert werden. Der Börsenhof ist angesprochen worden. 14 Tage bevor die erste Razzia durchgeführt wurde, wusste die Geschäftsleitung, dass auf der Baustelle irgendetwas nicht mit rechten Dingen zugeht, auch die Behörde wusste das. Die erste Razzia war 14 Tage später, die Illegalen waren schneller, als die Polizei erlaubt, sie sind weggelaufen. Beim zweiten Mal hat es dann geklappt. Es ist also kein Zufall, dass da illegal gearbeitet wird, die Sache hat offensichtlich Methode. Das Bußgeld, Frau Stahmann, das vom Arbeitsamt gegen eine Baufirma verhängt worden ist, die übrigens wieder öffentliche Aufträge in Bremen erhalten hat, betrug nicht 70.000 DM, sondern 700000 DM.

(Abg. Frau S t a h m a n n [Bündnis 90/ Die Grünen]: Ach so, pardon!)

Ja, manchmal macht auch eine Null etwas aus!

Ich sage noch etwas zur organisierten Kriminalität. Es gab in einem sehr großen Bremer Betrieb Italiener und auch Griechen, die nur türkisch sprechen. Die Situation mit den Italienern erklärt sich folgendermaßen: In Genua sind vor ein paar Jahren einmal 200000 Blankopässe verschwunden, sie tauchen jetzt wieder auf. Die anderen hatten einfach falsche Pässe. Ich will damit nur sagen, wie weit das geht, wie weit wir da im illegalen und hochkriminellen Bereich sind. Illegale Beschäftigung und Schwarzarbeit sind nicht irgendwie weit weg, in Berlin oder Hannover, illegale Beschäftigung und Schwarzarbeit finden hier in Bremen statt, gleich um die Ecke, nicht nur auf den Baustellen, auch in den Gaststätten und in anderen Gewerbezweigen. Wir haben also Grund zu handeln.

Wir haben auch einen weiteren Grund zum Handeln, wir müssen, meine Damen und Herren, unsere Investitionen, die wir tätigen, vor Ausplünderung schützen. Das ist notwendig, damit uns die Bevölkerung versteht, wenn wir sagen, wir müssen sparen und investieren. Sparen und investieren ist ja richtig, wir haben das ja in der Haushaltsdebatte festgestellt, aber wenn wir investieren, dann muss die Investition auch schon während der Bauphase bei den arbeitenden Menschen in Bremen und im Umland ankommen. Das ist notwendig.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Die Sonderkommission „Ermittlungen“ wird dringend gebraucht. Wir müssen den Verfolgungsdruck, das Risiko, erwischt zu werden, dringend erhöhen. Wir brauchen einen fairen Wettbewerb mit auskömmlichen Preisen. Der ehrliche Unternehmer, der sich an Gesetze und Tarifverträge hält, darf nicht länger der Dumme sein.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Außerdem ist Folgendes notwendig: Die Tarifvertragsparteien müssten zur Problemlösung zum Beispiel durch Branchendialoge, soziale Dialoge auch auf der europäischen Ebene beitragen. Lohndumping ist kein deutsches, sondern ein europäisches Problem und auch ein außereuropäisches Problem. Die polnischen Bauarbeiterkollegen haben Probleme damit, dass die Rumänen dort für zwei DM in der Stunde arbeiten. Wenn das so weitergeht, arbeiten die Chinesen demnächst für 30 Pfennig in der Stunde in Bukarest. Wir haben ein internationales Problem.

Weiterhin brauchen wir eine neue Verantwortung und Ethik. Für Herrn Tittmann: Das ist die Lehre vom sittlichen Verhalten! Das heißt, dass der Mensch in den Mittelpunkt des Wirtschaftens zu bringen ist.

Die Wirtschaft muss für die Menschen da sein und nicht umgekehrt. — Schönen Dank!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Als Nächste erhält das Wort die Abgeordnete Frau Dreyer.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich werde mich nicht mit Herrn Tittmann auseinandersetzen, weil ich nicht glaube, dass das irgendeinen Sinn machen könnte.

(Beifall bei der CDU)

Ich möchte aber ganz deutlich sagen, dass in allen Branchen, in allen Berufen viele ausländische Kolleginnen und Kollegen arbeiten. Ich glaube, wir und auch dieses Haus empfinden das als ausgesprochene Bereicherung. Wir wollen, dass das so bleibt.