Die Frage ist letztendlich oftmals nur, ob es bei Sitzungen, die 15 Stunden dauern und bei denen die ersten anderthalb Stunden für Bremen sehr wichtig sind, die letzten zwölf Stunden aber nicht mehr
so sehr wichtig, erforderlich ist, dass Herr Scherf oder Herr Perschau 14 Stunden im Bundesrat sitzen,
um diesen Platz für Bremen zu besetzen. Da können dann auch die Staatsräte sehr wohl ihre Aufgabe wahrnehmen. — Danke schön!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich entschuldige mich für die Zwischenrufe! Herr Dr. Kuhn hat uns direkt angesprochen, und da haben wir beide gemeint, wir dürften ausnahmsweise einmal direkt antworten. Das gehört sich nicht, ich weiß, aber vielleicht ist das ja auch gar nicht schlecht, wenn wir Temperament zeigen.
Herr Dr. Kuhn, ich glaube, Sie haben so etwas wie ein Novum in der deutschen Verfassungsgeschichte versucht, dass Sie als Opposition meinen, Sie hätten ein Mandat dafür, die Zahl der Senatsmitglieder und dann auch noch die Besetzung zu entscheiden. Das haben Sie eben gemacht. Sie haben gesagt, wir schlagen ihnen vor, das zu erweitern, und wir wählen Bettermann. Das ist, ich habe das ja studiert, in der Verfassungsgeschichte und in der Verfassungspolitik und -wirklichkeit ohne Beispiel. Ich weiß gar nicht, wer Ihnen das zugetragen hat. Das muss Ihr dichterisches Talent gewesen sein, das Sie auf diese Idee gebracht hat.
Das ist eine klassische Regierungsaufgabe. Wenn ich auch nur den Eindruck erwecken würde, ich müsste Herrn Dr. Kuhn fragen, wie wir unseren Senat zusammensetzen und zusammenschneiden, dann wäre ich von allen guten Geistern verlassen. Das ist und bleibt Regierungsaufgabe, und zwar klassisch. Da kann Karoline Linnert sagen, was sie will, das ist unsere Aufgabe, und wir haben das entschieden.
(Abg. Frau L i n n e r t [Bündnis 90/Die Grünen]: Das Senatsgesetz wird vom Par- lament beschlossen!)
Ich möchte jetzt erst einmal seine ersten Fragen beantworten! Wenn er dann noch Lust hat, kann er sich gern wieder melden!
Die Tatsache, dass ein Oppositionspolitiker meint, er hätte ein Mandat, die Zusammensetzung und Größe der Regierung zu bestimmen, ist ohne jedes Beispiel. Lieber Herr Dr. Kuhn, ich würde Ihnen gern einmal einen guten Beratungskurs anbieten, damit Sie so etwas nicht wiederholen.
Das Zweite mit dem Geld ist eine defensive Argumentation. Sie haben das öffentlich gemacht, ich habe das aus dem „Weser-Kurier“. Ich habe mich mit Direktzitaten aus dem „Weser-Kurier“, die Sie produziert haben, auseinandergesetzt. Dazu habe ich gesagt, sein Vorschlag ist teuer, unser Vorschlag ist kostenbewusst. Das ist wichtig. In einer Zeit, in der wir vorn und hinten und eigentlich überall kürzen, will ich von niemandem, auch nicht von der Opposition, nachgesagt bekommen, die organisieren ihre Arbeit auf Kosten des Steuerzahlers. Das genau ist nicht unsere Absicht.
Die dritte Sache begreife ich à la bonne heure auch nicht, dass der Vizepräsident dieser Bürgerschaft meint, er könne fröhlich über die Geschäftsordnung einen Tagesordnungspunkt, der abgeschlossen ist, an dem ich nicht teilgenommen habe, deren Debattenverlauf ich gar nicht kenne, einmal eben durch Zuruf wieder eröffnen und mich hier zitieren. Das hat überhaupt nichts mit Parlamentarismus und Geschäftsordnung zu tun. Wir müssen uns vor solchen Initiativen schützen, damit das ganz klar ist! Das ist eine Missachtung der Geschäftsordnung durch den Vizepräsidenten der Bürgerschaft.
Das kann ich nicht akzeptieren! Da mache ich nicht mit, Karoline Linnert! Da können Sie reden, was Sie wollen, wir halten uns an die Geschäftsordnung, und das ist auch gut so.
Ich bin durch die Geschäftsordnung der Bürgerschaft geschützt, so dass nicht hier zu jedem beliebigen Tagesordnungspunkt einer kommen und sa
gen kann, ich greife einmal den Tagesordnungspunkt von heute Vormittag wieder auf, bei dem ich gar nicht anwesend war. Das geht nicht! Nein, Karoline Linnert, wenn das bei den Grünen geht, à la bonne heure! Seht zu, wie ihr eure Parteitage durchbekommt! Wir machen hier eine ordnungsgemäße Geschäftsführung, und damit findet das nicht statt, schon gar nicht mit mir.
(Beifall bei der CDU und bei der SPD — Abg. Frau L i n n e r t [Bündnis 90/Die Grünen]: Klären Sie das mit Herrn Weber!)
Ich habe Parteitage der Grünen bisher nur über das Fernsehen verfolgt, aber dabei soll es auch bleiben. Das kommt dabei heraus, wenn man sich nicht an die Ordnung hält. Dann geht es durcheinander, und es weiß zum Schluss keiner mehr, wer an der Reihe ist, wozu gesprochen wird und wann ein Punkt in einer Sache ist. Das führen wir hier nicht ein! — Ich danke Ihnen für die Debatte!
(Abg. Frau L i n n e r t [Bündnis 90/Die Grünen]: Das ist das Verständnis von Ge- waltenteilung! Das ist ungeheuerlich! — Abg. Z a c h a u [Bündnis 90/Die Grünen]: Das ist Monarchie ganz unten!)
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Dass die Debatte einen so emotionalen Verlauf nehmen würde, habe ich nicht gedacht. Ich hatte an sich gehofft, der Bürgermeister begründet noch einmal diesen Gesetzentwurf, und dann ist die Sache klar. Es hat sich aber doch gezeigt, dass beide Beiträge noch einmal Anlass geben, etwas zu sagen.
Ich glaube, Herr Kuhn, wir müssen uns nicht darüber streiten, da hat der Bürgermeister nun einmal Recht, dass man die Tagesordnung nicht während einer Debatte verändern kann.
(Abg. Frau L i n n e r t [Bündnis 90/Die Grünen]: Aber das ist Sache des Präsiden- ten der Bürgerschaft! Da sind wir uns doch einig!)
Der Tagesordnungspunkt ist heute Morgen abgehandelt worden, da bedarf es auch keiner Diskussion. Das ist nun so, da hat man Pech gehabt, oder man muss ihn wieder auf die Tagesordnung der nächsten Bürgerschaftssitzung setzen lassen. _______
Im Übrigen darf ich Ihnen sagen, Sie verwechseln Zitierrecht mit dem Zwang, Sie reden zu lassen. Wir können als Bürgerschaft beschließen, dass der Senat hier erscheint, aber mehr nicht, dann kann er hier sitzen wie jetzt und schweigen. Das kann er natürlich machen. Was sollen wir denn machen? Wir können ihn ja nicht in Beugehaft nehmen.
Ich meine jetzt in Bezug auf heute Morgen, er hat hier jetzt geredet. Weil sich jetzt verschiedene Verfassungsinterpretationen entwickeln, müssen wir das wieder hineinholen, Herr Vizepräsident, immer ein bisschen ruhiger, denke ich, dann kommen wir da auch klar!
Ich habe vorhin nicht so ganz verstanden, Herr Bürgermeister, wie hier in Bremen ein Senat entsteht. Also, wir als Parlament haben natürlich schon etwas damit zu tun.
Ich habe das einmal gelesen. Klatschen Sie nicht alle, aus der Zeit von 1854, das war die reaktionäre Verfassung, stammt immer noch unser Deputationsrecht, das die eigenen Abgeordneten verbissen verteidigen, nach dem ja kein Bericht der Deputation direkt in die Bürgerschaft gelangt. Aber nun muss ich aufpassen, das gehört hier auch nicht direkt zum Tagesordnungspunkt. Aber ich finde, es hat einen gewissen Charme, dass man in diesem Parlament das auch nicht so ganz streng nimmt, ein Zwischenruf belebt ja auch.
Es ist klar, der Senat wird von der Bürgerschaft gewählt, und die Bürgerschaft sind alle, egal, wer gerade zufällig in der Opposition ist oder regiert. Herr Dr. Kuhn, die Wähler nun zu kritisieren, dass das Wahlergebnis so ausgefallen ist, wie es ist, das sollte man auch nicht tun.
Wir müssen uns auch nicht dafür entschuldigen, dass wir nun die stärkste Fraktion geworden sind, das ist die zweitstärkste mit Abstand. Wir haben immer gesagt, wir regieren zusammen weiter, darüber gab es auch kein Vertun.
Aber jetzt zur Verfassungsänderung selbst! Ich habe da ja auch das letzte Mal schon einen schwierigen Part gehabt, aber ich möchte es einmal allen Ernstes sagen: Die Position, die Sie vertreten, ist die, wir wollen die Tradition dieser Verfassung in diesem Bereich erhalten. Wie ist die innere Verfassung des Senats, Stichwort: Kollegialverfassung? Diese Position kann man vertreten, das heißt, man kann eine bewahrende, konservierende Position einnehmen. Ich habe Ihnen, wenn Sie sich erinnern, das letzte Mal vorgetragen, dass in den Stadtstaaten, die ähnliche Strukturen haben, die Diskussion weitergegangen ist. Ich erinnere an das Stadtstaatengutachten! Aus diesem Gutachten haben vor vier, fünf Jahren die Stadtstaaten Hamburg und Berlin bezogen auf das Regierungsmodell Konsequenzen gezogen. Im Sinne einer Modernisierung der Verfassung hat der Erste Bürgermeister in Hamburg inzwischen die Richtlinienkompetenz, weil es durchaus Gründe gibt, einmal trefflich darüber zu diskutieren: Entspricht unser Senatsverfassungsmodell noch den Anforderungen an ein schnelles Reagieren und Regieren in den heutigen Zeiten? Dazu kann man unterschiedlicher Auffassung sein, das ist damals in dem Gutachten besprochen worden. Eine neuerliche Schrift, die hier im Parlament ausliegt, kritisiert sogar Bremen und sagt, ihr habt euch nicht richtig bewegt. Nun kann man allerdings sagen, was ihr jetzt macht, ist nur ein halber Schritt. Ihr führt ja nicht die Richtlinienkompetenz ein. An diesem Punkt muss man seine Kritik etwas differenzieren. Wir belassen es im Prinzip beim Kollegialprinzip, jeder Senator ist künftig weiterhin — übrigens auch die Staatsräte — gegenüber dem Parlament verantwortlich. Das soll ja überhaupt nicht geändert werden. Intern wird die Verfassung in diesem Punkt nicht angetastet. Wir organisieren die Delegation der Arbeit um. Professor Schefold hat uns im Ausschuss gesagt, das ist an sich vernünftig. Wenn man den Senat verkleinert, das ist jetzt diese Voraussetzung, muss man natürlich die Arbeit, die dann vorhanden ist, anders verteilen. Die Lösung ist dann, diese an Staatsräte zu übertragen, natürlich nachvollziehbar und rechtlich übrigens völlig korrekt, darauf hat Herr Kollege Teiser noch einmal hingewiesen. Wir reden hier über eine verfassungspolitische, nicht über eine rechtliche Problematik. Nun haben wir gesagt, wir werfen einmal einen Blick in andere Verfassungen, zum Beispiel in die von Baden-Württemberg und von Bayern, in denen es dieses Modell gibt. Wir haben dann nach der Abwägung gesagt, wir können es verantworten — rechtlich allemal, auch nach Beratung durch Professor Schefold, dieses Modell, das ja verschiedentlich im Laufe der Diskussion geändert worden ist, es ist ja immer besser geworden — und vertreten. Es ist Ihr völliges Recht zu sagen, wir hätten sie lieber so gelassen. Aber im Zusammenhang mit der
Begründung, die auch der Präsident des Senats hier noch einmal gegeben hat, dass, der Name ist ja hier genannt worden, Herrn Bettermann, der faktisch die Rolle als Bevollmächtigter des Landes Bremen schon hat, jetzt auch das Stimmrecht im Vermittlungsausschuss und im Bundesrat gegeben wird, ist sie doch nicht völlig abwegig, im Gegenteil. Sie sagen das ja auch, aber Sie wollen den Weg über den achten Senator wählen.
Wir wählen diesen Weg, weil er zulässig ist, weil er schon Vorbilder in der Bundesrepublik hat und weil er, aber das kommt zum Schluss, sicherlich auch kostengünstiger ist. Deswegen wird unsere Fraktion und auch die Koalition dieser Verfassungsänderung in der dritten Lesung zustimmen. — Danke schön!