Aber es erübrigt sich nicht, dass ich auf die Begründung Ihres Antrags eingehe. Das will ich tun, weil die Begründung viel mehr sagt als die Forderungen, die ohne strategisches Konzept einfach als erratische Abfolge dargelegt sind. Sie sprechen von einer "chronisch gewordenen Migrationskrise". "Chronisch"? Ist das eine Krankheit? Über Menschen redet man so nicht. Das tut man nicht.
Sie sprechen davon, "übermäßige Wohlstandseinbußen zu vermeiden". Höre ich da eine Relativierung? "Übermäßige Wohlstandseinbußen" vermeiden. Nehmen wir das Beispiel der Agrarsubventionen. Bei Demos sind Sie dafür, im Parteiprogramm sind Sie dagegen. Will man da relativieren, damit man eine möglichst große Manövriermasse hat? – Auch das stört mich.
Sie sprechen davon, dass der Freistaat wieder "lebenswerter" werden muss. Ist dieser Freistaat nicht lebenswert, meine Damen und Herren? – Ich wüsste das nicht.
Wenn wir von "lebenswert" sprechen: Die Kollegin Schorer-Dremel – Wo ist sie? – Da ist sie! – hat es ja angesprochen, meine Damen und Herren: Sie sprechen vom Dexit. Sie sprechen vom Abschied aus der EU, Sie sprechen vom Austreten aus dem Binnenmarkt. Meine Damen und Herren, wer das Geschäftsmodell Deutschlands der letzten Jahrzehnte kennt, weiß: Das war freier Handel, das war europäischer und globaler Handel. Das hat am Ende des Tages die Wohlfahrt gebracht. Was Sie fordern, ist vorsätzlich wohlfahrtsfeindliche Politik.
Meine Damen und Herren, es ist die Aufgabe aller demokratischen politischen Gruppierungen, die hier in diesem Hause sind, das täglich draußen zu sagen. Wir müssen es immer wieder sagen, dass das kein wirtschaftspolitisches Konzept ist. Es ist weder wirtschaftspolitisch, noch ist es friedensfördernd. Die Europäische Union war nämlich in den letzten siebzig Jahren unser Friedensgarant und unser Wohlfahrtsmehrer.
Dann kommen wir zum letzten Eyecatcher in Ihrer Begründung, dem selbstzerstörerischen Handeln. Also, die Halemba-Inszenierung ist doch ein Beispiel für Destruktivität. Das, was Sie mit der Landtagspräsidentin durch die Halemba-Inszenierung vorhatten, das ist ein Paradebeispiel für Destruktion.
Und: Was die Remigrationsdebatte angeht, so macht es mich sprachlos, was Sie gesagt haben, Herr Prof. Hahn. Viele Passagen Ihrer Rede waren einfach unanständig.
Und weil es so ist, wie es ist, meine Damen und Herren, sage ich: Sie sind die Spezialisten für selbstzerstörerisches Handeln. Ihrem Antrag ist nicht stattzugeben.
Herr Kollege, bitte bleiben Sie noch am Rednerpult. Es liegt eine Meldung zu einer Zwischenbemerkung vor. Hierzu erteile ich dem Abgeordneten Prof. Dr. Ingo Hahn, AfD-Fraktion, das Wort.
Geschätzter Herr Kollege von den FREIEN WÄHLERN, Sie haben eben pauschal über den Antrag hergezogen, aber nur ein einziges Beispiel gebracht. Das war die chronisch gewordene Migrationskrise. Es ist doch völlig klar, dass das Wort "chronisch" in diesem Zusammenhang die Verstetigung der Probleme und gerade auch die Kosten dieser Migrationskrise anspricht. Den Zusammenhang mit der Gesundheit bzw. mit der Krankheit von Menschen haben Sie als FREIER WÄHLER hergestellt. Wenn man bedenkt, dass wir pro Jahr 50 Milliarden Euro Kosten haben für alles, was mit dieser Migration und Versorgung der Migranten in Deutschland zusammenhängt, dann sage ich Ihnen: Von diesem Geld könnte man wahrlich sehr, sehr viele Krankenhäuser bauen. Ja, man müsste sie in Bayern überhaupt erst einmal retten, damit die Leute hier, die dafür gezahlt haben, auch endlich wieder eine anständige ärztliche Versorgung bekommen.
Das war jetzt weniger eine Frage als vielmehr ein Statement von Ihnen. Nachdem ich den Begriff "chronisch" aus Ihrer Sicht falsch eingeordnet habe – so habe ich Ihre Einlassung verstanden –, sage ich Ihnen: Mehr Präzision im Ausdruck, damit solche Missverständnisse nicht entstehen können! Dann ist der Antrag vielleicht auch verständlicher.
Herzlichen Dank. – Nächster Redner ist für die SPD-Fraktion Herr Kollege Volkmar Halbleib. Herr Kollege, Sie haben das Wort.
Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wenn die AfD wirklich etwas für Bayern und für die Bürgerinnen und Bürger in Bayern tun wollte, dann würde ich ihr empfehlen, in Zukunft auf Anträge zu verzichten, die eine krude Mischung sind, ein Sammelsurium aus allen möglichen populistischen Forderungen und Schlagwörtern. Sie werfen alles in einen Topf und rühren um; aber daraus wird nur eine ziemlich trübe, um nicht zu sagen, braune Brühe.
Wenn Sie noch dazu undeutlich werden, indem Sie sich nämlich nicht dazu bekennen, was wirklich gemeint ist, dann stelle ich fest: Sie wollen mit dem Verzicht auf die Rundfunkbeiträge einfach die Abschaffung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks erreichen, dabei ist er eine Kernsäule unserer Demokratie.
Natürlich. Ihr Gelächter zeigt doch, wo Sie stehen. Deswegen sage ich ganz klar: Wenn die AfD etwas für Bayern und für die Bürgerinnen und Bürger in Bayern tun will, dann lassen Sie die aggressive, denunziatorische antidemokratische Unterminierung der demokratischen Instanzen. Ihr Vorgehen gegenüber der Präsidentin,
die Äußerung Ihres Kollegen zur Delegitimierung dieses Hauses und der Präsidentin, ist ein Skandal, ein demokratischer Skandal! Es geht weiter: Wenn ein Herr Böhm von Nackenschlägen für Karnickel in den Parlamenten spricht, dann ist klar, was damit gemeint ist. Sie haben einen mutmaßlichen Volksverhetzer und einen Heinrich-Himmler-Fan in Ihren Reihen, der bei der Kandidatenaufstellung zur Landtagswahl auch noch manipuliert hat. Kronzeuge ist der Bundesvorstand der AfD. In Ihrer Fraktion machen Sie zu großen Teilen eine verfassungsfeindliche rechtsradikale Politik. Das ist zum Schaden Bayerns und zum Schaden der Bürgerinnen und Bürger in Bayern. Das muss an dieser Stelle deutlich gesagt sein.
(Lebhafter Beifall bei der SPD, der CSU, den FREIEN WÄHLERN und den GRÜNEN – Zuruf der Abgeordneten Katrin Ebner-Steiner (AfD))
Wenn der Kollege Prof. Dr. Hahn hier die Remigrations-Fantasie noch einmal ausmalt, dann muss man ihm deutlich widersprechen.
Noch ein Letztes. Wenn die AfD wirklich etwas für Bayern, für die Bürgerinnen und Bürger und für den Wirtschaftsstandort tun will, dann sollte sie künftig beachten, dass Sie das größte Wirtschaftsrisiko für diesen Standort sind, sei es in Deutschland oder in Bayern. Das Ausland schaut auf uns und macht sich Sorgen wegen der AfD und ihrer braunen oder braun gefärbten Politik. Verzichten Sie auf den Hass, auf die moralischen und demokratischen Verfallskriterien, die Sie immer wieder einbringen! Verzichten Sie auf Diskriminierung und das gesellschaftliche Spalten! – Dann würden Sie etwas für Bayern und die Bürgerinnen und Bürger in Bayern tun.
Herzlichen Dank, Herr Kollege. Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Die Aussprache ist hiermit geschlossen, und wir kommen zur Abstimmung.
Wer dem Dringlichkeitsantrag der AfD-Fraktion auf Drucksache 19/268 seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die AfD-Fraktion. Gegenstimmen! – BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, die SPD-Fraktion, die FREIEN WÄHLER und die CSU-Fraktion. Gibt es Stimmenthaltungen? – Ich sehe keine. Damit ist dieser Dringlichkeitsantrag abgelehnt.
Bevor wir zum nächsten Dringlichkeitsantrag kommen, gebe ich das Ergebnis der vorher durchgeführten Nachwahl einer Vertrauensperson für den Ausschuss zur Wahl der ehrenamtlichen Richter beim Finanzgericht München bekannt. Gewählt ist, wer mehr als die Hälfte der abgegebenen gültigen Stimmen erhält. Bei der Ermittlung der erforderlichen Mehrheit werden Enthaltungen nicht berücksichtigt. An der Wahl haben 170 Abgeordnete teilgenommen. Ungültig waren null Stimmen. Auf Herrn Hans Friedl entfielen 132 Ja-Stimmen und 17 Nein-Stimmen. Der Stimme enthalten haben sich 21 Abgeordnete.
Meine Damen und Herren, damit ist Herr Hans Friedl zur Vertrauensperson für den Ausschuss zur Wahl der ehrenamtlichen Richter beim Finanzgericht München gewählt. Der Tagesordnungspunkt 4 ist damit erledigt.
Klaus Holetschek, Michael Hofmann, Prof. Dr. Winfried Bausback u. a. und Fraktion (CSU), Florian Streibl, Felix Locke, Martin Scharf u. a. und Fraktion (FREIE WÄHLER), Katharina Schulze, Johannes Becher, Ludwig Hartmann u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN), Florian von Brunn, Ruth Müller, Volkmar Halbleib u. a. und Fraktion (SPD) Gezielten Angriffen auf die demokratische Ordnung des Freistaates Bayern und seiner Verfassungsorgane entschieden entgegentreten! (Drs. 19/269)
Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Katrin Ebner-Steiner, Christoph Maier, Martin Böhm u. a. und Fraktion (AfD) Gezielten Angriffen auf die verfassungsmäßige freiheitlichdemokratische Grundordnung entschieden entgegentreten! Grundrechte, Gewaltenteilung und Demokratie verteidigen! (Drs. 19/278)
Ich eröffne die gemeinsame Aussprache und erteile dem Fraktionsvorsitzenden der CSU-Fraktion, Herrn Kollegen Klaus Holetschek, das Wort. Bitte schön.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich stehe immer noch unter dem Eindruck der Veranstaltung von heute Vormittag. Es war eine sehr würdevolle, eindrückliche Veranstaltung. An dieser Stelle möchte ich noch einmal allen danken, die dort gesprochen haben, speziell aber unserer Landtagspräsidentin für ihre großartige Rede.
Heute reden wir über ein sehr ernstes Thema. Ich will mich bei den demokratischen Fraktionen und Parteien hier im Plenum bedanken, dass wir dies gemeinsam tun, in großer Einigkeit. Ich hätte mir vorher bei der anderen Abstimmung gewünscht, dass auch da die staatspolitische Verantwortung etwas deutlicher hervorgetreten wäre. Aber es ist wichtig, dass wir hier Flagge zeigen. Ich spreche über die Würde. Allerdings gibt es, glaube ich, hier im Landtag eine Fraktion, die es mit der Würde bei bestimmten Themen nicht sehr ernst meint, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Der Angriff auf die Würde des Hohen Hauses, auf die Würde der Verfassungsorgane, ist ein Angriff auf uns alle. Den dürfen wir nicht dulden, liebe Kolleginnen und Kollegen!
Man muss sich das noch einmal im Gesamtkontext ansehen. Was ist denn hier passiert? – Neben vielen Tabubrüchen in der letzten Zeit steht auf einmal etwas im Raum, das meiner Meinung nach eine völlig neue Qualität hat: Ein führender Vertreter der AfD-Fraktion räumt ein, dass man die konstituierende Sitzung des Landtags dazu nutzen wollte, um die Verhaftung eines AfD-Abgeordneten medienwirksam zu missbrauchen. Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen! Worum geht es denn in unserem Rechtsstaat? Worum geht es denn eigentlich? Geht es um Inszenierung? Geht es um eine Show? Was wollen Sie denn eigentlich