Protocol of the Session on November 5, 2024

Wer entgegen dem Ausschussvotum dem Antrag der AfD-Fraktion zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die AfD-Fraktion. Gegenstimmen bitte ich anzuzeigen. – Das sind die Fraktionen von BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN, der SPD, der FREIEN WÄHLER und der CSU. Enthaltungen? – Keine. Damit ist der Antrag abgelehnt.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 10 auf:

Antrag der Abgeordneten Katharina Schulze, Johannes Becher, Patrick Friedl u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Sturzflutvorsorge beschleunigen (Drs. 19/2674)

Ich eröffne die Aussprache. Die Gesamtredezeit der Fraktionen beträgt 29 Minuten. Die Redezeit der Staatsregierung orientiert sich dabei an der Redezeit der stärksten Fraktion. Erster Redner ist der Kollege Patrick Friedl.

Herr Vizepräsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Klimakrise und ihre Auswirkungen sind längst in Bayern angekommen. Extremwetterlagen häufen sich. Unsere Gedanken, guten Wünsche und unser Mitgefühl sind heute bei den Menschen in Spanien, in den Regionen Valencia und Katalonien. Mögen viele der noch Vermissten lebend gefunden werden.

Starkregen werden leider immer heftiger, so in Bayern zuletzt im September und noch stärker Ende Mai, Anfang Juni dieses Jahres. Das gefährdet Menschenleben und führt zu massiven Sachschäden, die auch unsere Wirtschaft gefährden können. Klimaschutz und Starkregenvorsorge schützen sowohl Leib und Leben als auch unseren Wohlstand.

Bei solchen örtlichen und regionalen Hochwasserereignissen infolge von intensivem Starkregen spricht man von Sturzfluten. Diese können – das haben wir jetzt leider wieder sehen müssen – eine besonders extreme Wucht haben. Sogar große Bauwerke können beschädigt und große Gegenstände von Wassermassen mitgerissen werden. Sturzfluten kann es fast überall geben. Sie sind nicht an Bäche oder Flüsse gebunden. Es reichen Straßen, Gräben, Mulden, alles, wo Wasser zusammenlaufen und nicht schnell genug abfließen kann.

Ein wesentlicher Teil des Geldes, das der Freistaat für Hochwasserschutz ausgibt, wird in Großprojekte wie Flutpolder investiert. In Bayern gibt es aber sehr viele Kommunen, viele Städte und Gemeinden, die an kleinen Flüssen und Bächen liegen. Mindestens genauso wichtig wie technische Maßnahmen ist deshalb der natürliche Hochwasserschutz in der Fläche.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Doch dieser wird bislang von der Staatsregierung sträflich vernachlässigt. An diesen kleinen Flüssen und Bächen gibt es entsprechend oft kaum bis keine Hochwasserschutzmaßnahmen. Wenn sie also infolge von Starkregen über die Ufer treten, können die anliegenden Kommunen überschwemmt werden. Das hat sich in den vergangenen Monaten und Jahren schmerzhaft und deutlich gezeigt.

Für kleinere Gewässer, also für Gewässer dritter Ordnung, sind die Kommunen selbst zuständig. Das heißt, sie müssen für den Unterhalt dieser Gewässer und auch für den Schutz vor Hochwasser sorgen. Dafür fehlt jedoch vielerorts schlichtweg das nötige Geld. Die bisherige Unterstützung der Staatsregierung reicht bei Weitem nicht aus. Für Hochwasserschutz an Gewässern dritter Ordnung werden im Schnitt pro Jahr nur etwa 14 Millionen Euro aus der Staatskasse verwendet. Das entspricht gerade mal 7 % der Ausgaben für Hochwasserschutz. Das ist viel zu wenig.

Wir fordern deshalb, dass für alle gefährdeten Kommunen detailgenaue Starkregengefahrenkarten und Sturzflut-Risikomanagementpläne erstellt werden. Dies sollte schnellstmöglich geschehen. Wir wollen, dass bis spätestens 2030 alle gefährdeten Kommunen einen solchen Plan haben und unverzüglich in die Umsetzung gehen können. Hierfür ist wichtig, dass die Erstellung solcher Managementpläne nach den RZWas, also den Richtlinien für Zuwendungen zu

wasserwirtschaftlichen Vorhaben, vom Freistaat weiter gefördert wird. Diese Richt

linien laufen nach aktuellem Stand noch 2024 aus. Es ist dringend nötig, dass die angekündigte Verlängerung über diesen Zeitraum hinaus endlich umgesetzt wird. Die Kommunen warten darauf; denn bislang haben nur knapp 7 % der bayerischen Gemeinden eine entsprechende Förderung beantragt.

Damit sind wir bei einem weiteren Problem: Das Förderprogramm ist noch viel zu unbekannt. Wir brauchen eine bessere Werbung dafür. Denn nur wer weiß, wo Schäden auftreten können, kann sich gut darauf vorbereiten und sich wirksam schützen. Die nötigen Maßnahmen, die sich aus den Sturzflut-Managementprogrammen ergeben, müssen dann auch umgesetzt werden. Mit der Finanzierung dieser Maßnahmen werden die Kommunen bisher fast völlig alleingelassen. Der Freistaat muss Anpassungsmaßnahmen zum Schutz vor Hochwasser angemessen fördern, anstatt die Kommunen buchstäblich im Regen stehen zu lassen.

Einen noch schnelleren Zugriff hat der Freistaat auf seine eigenen Gebäude. Die Gefährdungslage von staatlichen Einrichtungen wie Behörden, Universitäten, Schulen und vielen mehr sollte so schnell wie möglich analysiert werden. Wo nötig, sind auch hier eigene Vorsorgekonzepte zu entwickeln. Besonders ernst ist die Situation bei kritischer Infrastruktur, die gerade im Fall von Hochwasser gebraucht wird: Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienste. Einen solchen Fall hatten wir bei uns in der Region. Da ist eine Feuerwehr tatsächlich im Starkregen abgesoffen und konnte nicht ausrücken. Wenn Sturzfluten also dafür sorgen, dass diese unglaublich wichtigen Einsatzkräfte nicht mehr ausrücken können, kann das im schlimmsten Fall Menschenleben kosten.

Wir fordern deshalb eine umgehende Sonderuntersuchung Sturzflut-Risikomanagement für Katastrophenhilfsdienste sowie für Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen. Wir müssen unsere Kommunen und insbesondere unsere Rettungsdienste hochwasser- und sturzflutsicher machen. Wir müssen Hab und Gut, Handwerk und Industrie und vor allem Leib und Leben der Bürgerinnen und Bürger in Bayern schützen. Deshalb bitten wir um Ihre Unterstützung für den Antrag.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank. – Nächster Redner für die CSUFraktion: Herr Kollege Alexander Flierl.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Ja, es ist in der Tat zutreffend, dass es eine Häufung von Extremwetterlagen aufgrund des Klimawandels gibt mit Hochwassern, heftigen Niederschlägen und Sturzfluten. Wir haben es gehäuft mit extremen Hochwassern zu tun, die in der freien Fläche durch wild abfließendes Wasser zu Überflutungen führen. Ja, man muss in der Tat festhalten, dass gerade das Hochwasser und die Ereignisse um Fronleichnam gezeigt haben, dass unsere Konzepte und Maßnahmen der vergangenen Jahre auch bei diesen extremen Wetterereignissen greifen, dass sie sich bewährt haben und dass noch Schlimmeres – es sind Milliardenschäden entstanden, wir hatten Menschenleben zu beklagen – verhindert werden konnte.

Wir sind also in diesem Bereich nicht untätig, ganz im Gegenteil. Seit 2013 wurden mehr als 2 Milliarden Euro in Hochwasserschutzmaßnahmen investiert, nicht nur in den technischen Hochwasserschutz, sondern auch in den natürlichen Hochwasserschutz, in den natürlichen Wasserrückhalt und in die Versickerungsfähigkeit der Böden. Wir werden in unserem Gewässerschutzprogramm und in unserem Aktionsprogramm bis 2030 weitere 2 Milliarden Euro vorsehen.

(Beifall bei der CSU und den FREIEN WÄHLERN)

Was bereits getan wurde und noch getan wird, kann sich durchaus sehen lassen. Ihre Forderungen, soweit sie zulässig sind und erfüllt werden könnten, gehen ins Leere, und daher werden wir Ihren Antrag ablehnen. Ihre Forderungen werden bereits erfüllt, soweit es unsere Zuständigkeit betrifft.

Lassen Sie uns einmal die einzelnen Punkte durchgehen: Bereits im Februar 2024 haben wir Sturzflut-Hinweiskarten veröffentlicht. Diese enthalten für ganz Bayern, also flächendeckend, entsprechende Hinweise auf mögliche Gefährdungen durch Starkregen und Sturzfluten. Es handelt sich um wertvolle Hinweise. Sie sollen zur Eigenvorsorge anregen und für die großen Gefahren sensibilisieren. Also können wir hinter diese Forderung einen Haken setzen; das wird bereits erledigt.

Wir stehen in Kontakt mit dem Bundesamt für Kartographie und Geodäsie. Auch dort werden Starkregengefahrenkarten erstellt, aber diese geben nur grobe Hinweise, wo Gefährdungslagen entstehen können. Wir sind mit drei Pilotregionen – Otting, Leidersbach und Ortenburg – beteiligt.

(Zuruf des Abgeordneten Martin Stümpfig (GRÜNE))

Wir verschneiden das dann mit den Sturzflut-Risikomanagementkonzepten. Ich möchte darauf hinweisen, dass wir diese Konzepte schon lange fördern. Seit 2017 werden in den Förderrichtlinien der RZWas diese Managementkonzepte gefördert.

(Beifall bei der CSU und den FREIEN WÄHLERN)

Allerdings – da gebe ich Ihnen recht – könnten es mehr Kommunen sein, die dies in Anspruch nehmen. Etwas mehr als 240 Kommunen haben diese Konzepte erst erstellen lassen. Hier sind noch mehr Hinweisarbeit und eine stärkere Sensibilisierung für das Thema notwendig.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nachher gerne. – Wir haben auch diesen Punkt bereits erfüllt. Wir können einen Haken hinter diese Forderung machen. Ich sage ganz ehrlich, dass wir die Beratungsangebote fortsetzen werden. Wir bieten einen Hochwasser-Check für sämtliche Kommunen an. Wir stellen den Kommunen ein integrales Beratungsangebot zur Verfügung, um mehr zu tun. So können die Kommunen ihre eigene Verantwortlichkeit in diesem Bereich, die sie dort ohne Zweifel haben, wahrnehmen. Ein besonders wichtiger Punkt ist, dass wir unser Beratungsangebot ständig fortentwickeln, dass wir nicht stehen bleiben und uns nicht auf dem bisher Erreichten ausruhen. Wir bauen die breite Palette weiter aus und ermöglichen zusätzliche Angebote.

Deswegen ist immer wieder darauf hinzuweisen, dass der Umgang mit Hochwasser eine Gemeinschaftsaufgabe ist. Die Kommunen nehmen in diesem Bereich eine Schlüsselrolle ein. Wir können nur im Schulterschluss mit den Kommunen vorankommen. Wir unterstützen, wo immer es geht. Wir unterstützen beispielsweise die Maßnahmen bei kleinen Gewässern, bei Gewässern dritter Ordnung, wieder über die RZWas mit 75 %. Wir können aber nicht in die kommunale Planungshoheit eingreifen. Wir stellen fest, dass Hochwasser, Überflutungen oder Sturzfluten auch dort auftreten, wo keine großen Gewässer in der Nähe sind, und oft sind die Ereignisse auch losgelöst von Gewässern dritter Ordnung.

Wir bieten mit den Sturzflut-Risikomanagementkonzepten das richtige und passende Werkzeug, mit dessen Hilfe die Kommunen ihre Planung anpassen können, beispielsweise bei ihrer kritischen Infrastruktur, bei den Feuerwehrhäusern etc. So können auch die Rettungskräfte entsprechend abgesichert werden und auch die

Bürgerinnen und Bürger mit ihrem Hab und Gut, ihrer Gesundheit und ihrem Leben geschützt werden.

(Beifall bei der CSU und den FREIEN WÄHLERN)

Wir werden hier nicht nachlassen. Auch das ist eine klare Forderung von uns. Wir stehen hier als Regierungskoalition klar und geschlossen dafür, dass wir die Förderrichtlinien, die Richtlinien für Zuwendungen zu wasserwirtschaftlichen Vorhaben, auch über den 31.12.2024 hinaus fortsetzen werden. Wir werden wieder für vier Jahre ein Programm auflegen. Dankenswerterweise ist es auch unserem Finanzminister gut gelungen, die RZWas im kommunalen Finanzausgleich finanziell gut auszustatten, sodass wir auch im Doppelhaushalt 2024/2025 die notwendigen Mittel, die über den kommunalen Finanzausgleich hinausgehen, im Bereich der Hochwasservorsorge weiter zur Verfügung stellen können. Ich möchte klar festhalten, dass die Forderung in diesem Bereich ebenfalls erledigt ist und wir einen Haken dahinter machen können. Deswegen brauchen wir Ihren Antrag nicht.

Soweit die Forderungen an den Freistaat Bayern zulässig sind und erfüllt werden können, nicht in die kommunale Planungshoheit eingreifen – es soll nichts von oben aufoktroyiert werden, sondern wir wollen anregen, eigene Vorsorge zu betreiben, eigene Planungen vorzunehmen und Maßnahmen zu ergreifen –, setzen wir das um und stellen die entsprechenden Mittel sowie die Beratungsleistungen und Konzepte zur Verfügung. Deswegen werden wir Ihren Antrag ablehnen.

(Beifall bei der CSU und den FREIEN WÄHLERN)

Wir haben zwei Zwischenbemerkungen. – Zunächst der Kollege Ralf Stadler.

Sehr geehrter Herr Flierl, ich habe eine Frage: Ist bei Ihrem Sturzflut-Risikomanagement auch die Flurbereinigung, die Anfang der Fünfzigerjahre durchgeführt wurde, berücksichtigt? Was damals gut und recht war, ist jetzt in Zeiten von Flächenfraß und Klimaveränderungen doch infrage zu stellen. Man muss sich einmal überlegen, dass täglich über vier Hektar der landwirtschaftlichen Fläche der Photovoltaik zum Opfer fallen. Unklar ist, ob das Versiegeln der Sickerungsleitungen schon einmal berücksichtigt worden ist. Es ist ja dann nicht mehr notwendig, dass das Wasser so schnell abläuft.

Herr Stadler, ich glaube, es erschließt sich niemandem hier in diesem Haus außer der AfD, wie Freiflächenphotovoltaikanlagen zur Flächenversiegelung beitragen, dass das abfließende Wasser behindert wird. Ich gebe Ihnen aber auch gerne eine Antwort auf Ihre Frage. Man braucht natürlich Geländemodellierungen, man muss Mulden anlegen, wir müssen auch eine Änderung der Flächenbewirtschaftung und die Schaffung von weiteren Rückhalteräumen in die Konzeption einbeziehen. Das ist doch selbstverständlich. Genau dazu dient das Konzept. Für Gebiete weiter weg von den Fließgewässern wollen wir auch Möglichkeiten aufzeigen, wie man mit Sturzfluten oder Hochwasser umgehen kann. Dazu dient dieses Managementkonzept. Dazu brauchen wir eben den Schulterschluss mit denjenigen, die sich vor Ort auskennen, und das sind halt die Kommunen.

(Beifall bei der CSU und den FREIEN WÄHLERN)

Herr Kollege Friedl, bitte schön.

Lieber Herr Kollege Flierl, der Umweltminister hat letztes Jahr bei einem Berichtsantrag am 4. Oktober selbst unterzeichnet, dass 540 Millionen Euro zusätzlich pro Jahr für Wasserschutz, Hochwasserschutz und Wasser

wirtschaft notwendig sind, um die zukünftigen Aufgaben schultern zu können. Davon habe ich im Haushalt bisher wenig feststellen können. Können Sie mich aufklären, wo die zusätzlichen Mittel zu finden sind? Können Sie mir sagen, wie die Wasserwirtschaftsämter die zusätzlichen Aufgaben wie den Hochwasser-Check leisten können sollen, nachdem laut Antwort auf eine Anfrage weiter Personal abgebaut werden soll? Als Kommunalpolitiker kann ich Ihnen sagen, die Kommunen wären froh, wenn Sie ihnen aufoktroyierten und ihnen die Mittel dafür gäben, dass sie die notwendige Sturzflutvorsorge und den Hochwasserschutz vor Ort an den Gewässern dritter Ordnung leisten könnten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Kollege Flierl, bitte.

Herr Kollege Friedl, das zeigt wieder einmal, dass Sie vielleicht aus einer Großstadt kommen.

(Arif Taşdelen (SPD): Das ist doch keine Schande!)

Gerade in den kleineren Kommunen sind wir uns unserer Verantwortung auch bewusst. Wir wissen ganz genau, dass wir das zusammen mit fachlicher Begleitung der Wasserwirtschaftsämter und Fachbehörden umsetzen müssen, wissen aber gut und genau, was wir vor Ort brauchen. Darauf zielt auch unser Maßnahmenpaket ab.

Es gibt 200 Millionen Euro pro Jahr für den Hochwasserschutz. Ich habe es bereits ausgeführt: Seit 2013 haben wir 2 Milliarden Euro ausgegeben und werden weitere 2 Milliarden Euro bis 2030 ausgeben. Wir müssen das natürlich auch finanziell schultern und in haushaltsrechtlich wie fiskalisch schwierigen Zeiten stemmen. Wir könnten jetzt darüber diskutieren, wer für diese miserable Haushaltslage – gerade des Bundes – und die miserable wirtschaftliche Entwicklung Verantwortung trägt. Wir haben nicht mehr Geld zur Verfügung. Es ist eine gewaltige finanzielle Kraftanstrengung, die wir schaffen. Es ist klar und deutlich in den Berichten dargestellt worden, dass wir Personal –