Protocol of the Session on July 17, 2024

Ich rufe hiermit den Tagesordnungspunkt 15 auf:

Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Änderung des Polizeiaufgabengesetzes und weiterer Rechtsvorschriften (Drs. 19/1557) - Zweite Lesung

hierzu:

Änderungsantrag der Abgeordneten Jörg Baumann, Richard Graupner, Stefan Löw und Fraktion (AfD) (Drs. 19/2440)

und

Änderungsantrag der Abgeordneten Jörg Baumann, Richard Graupner, Stefan Löw und Fraktion (AfD) (Drs. 19/2441)

und

Änderungsantrag der Abgeordneten Holger Dremel, Petra Guttenberger, Prof. Dr. Winfried Bausback u. a. und Fraktion (CSU), Florian Streibl, Felix Locke, Wolfgang Hauber u. a. und Fraktion (FREIE WÄHLER) (Drs. 19/2442)

und

Änderungsantrag der Abgeordneten Holger Dremel, Petra Guttenberger, Prof. Dr. Winfried Bausback u. a. und Fraktion (CSU), Florian Streibl, Felix Locke, Wolfgang Hauber u. a. und Fraktion (FREIE WÄHLER) hier: Anpassung an Bundesgesetzgebung (Gesetz zur Durchführung der Verordnung (EU) 2022/2065 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Oktober 2022 über einen Binnenmarkt für digitale Dienste und zur Änderung der Richtlinie 2000/31/EG sowie zur Durchführung der Verordnung (EU) 2019/1150 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 zur Förderung von Fairness und Transparenz für gewerbliche Nutzer von OnlineVermittlungsdiensten und zur Änderung weiterer Gesetze) (Drs. 19/2443)

und

Änderungsantrag der Abgeordneten Holger Dremel, Petra Guttenberger, Alfred Grob u. a. (CSU), Florian Streibl, Felix Locke, Wolfgang Hauber u. a. und Fraktion (FREIE WÄHLER) (Drs. 19/2444)

Die Gesamtredezeit der Fraktionen beträgt 29 Minuten. Die Redezeit der Staatsregierung orientiert sich dabei an der Redezeit der stärksten Fraktion. – Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Kollegen Alfred Grob von der CSU-Fraktion das Wort.

Sehr geehrter Herr Vizepräsident, sehr geehrtes Präsidium, geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutieren heute über das Polizeiaufgabengesetz und als zentrale Bestimmung darin insbesondere über die Recherche- und Analysedatei VeRA. Sie hat es mittlerweile schon mehrfach in die Medien geschafft, weil sie durchaus heterogen diskutiert wurde. Außerdem geht es um 15

weitere Gesetzesvorschriften in Sicherheitsrecht, Polizeiaufgabengesetz, Polizeiorganisationsgesetz, Landesstraf- und Verordnungsgesetz usw.

Mir ist es wichtig – das ist die alles überlagernde Aussage –, vorweg festzustellen, dass Bayern seit Jahrzehnten das sicherste Bundesland ist. Das ist jetzt keine politische Parole, sondern es ist ein Nimbus, der jedes Jahr verteidigt werden muss. Er ist hart gemessen aufgrund der Kriminalitätsbelastungszahl, der Häufigkeitszahl und der Aufklärungsquote. Dieser Nimbus muss wie bei der Bundesliga Jahr für Jahr wieder erarbeitet werden. Das ist die objektive Seite der Kriminalität.

Es gibt aber auch die andere, die subjektive Seite. Die Menschen haben Angst, Opfer von Verbrechen zu werden. Das wird uns Politikern, auch Ihnen von der Opposition, immer wieder gesagt. Uns beschäftigt beispielsweise immer noch der Polizistenmord in Mannheim, bei dem ein Polizeibeamter untertags vor vielen Augen zu Tode gestochen wurde; die Trauerflore an den Streifenwagen sind heute noch zu sehen. Bei einer Gewalttat vor zwei Wochen in Bad Oeynhausen in NordrheinWestfalen wurde ein 19-Jähriger nach einer Abifeier im Kurpark durch einen 18jährigen Syrer erstochen. Oder: Am Freitag wurde ganz in der Nähe, in Herrsching, ein 74-jähriger Rentner in seiner eigenen Wohnung vor den Augen seiner Frau, die zur Nachbarschaft fliehen konnte, brutal ermordet; der Täter ist flüchtig.

Die Morde und Verbrechen des NSU, die Terrorstraftaten des islamistischen Terrorismus, auch hier in Bayern, Ansbach, Würzburg – das sind Dinge, die die Menschen ängstigen. Es gibt Steigerungen bei Kindesmisshandlung und weltumspannender Kinderpornografie im Netz. Es vergeht kein Tag, an dem nicht besorgte Eltern sich darüber beklagen, ganz allgemein Angst vor Kriminalität zu empfinden. Meine Damen, meine Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, sie erwarten vom Staat nichts anderes, als dass sie geschützt werden und er für ihre Sicherheit sorgt. Das ist eine der wichtigsten und edelsten Aufgaben, die der Staat zu erfüllen hat, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CSU und den FREIEN WÄHLERN)

Sie erwarten aber nicht nur irgendwelche Verbalattacken, sondern sie erwarten vor allem digitale und persönliche Präsenz da, wo es gefährlich ist, an Brennpunkten und in Angsträumen. Deshalb glaube ich, dass diese Novelle des Polizeiaufgabengesetzes in der Zweiten Lesung heute genau zum richtigen Zeitpunkt kommt. Die Polizistinnen und Polizisten, die jeden Tag im wahrsten Sinne des Wortes ihren Kopf hinhalten, brauchen diese gesetzlichen Regelungen, um professionell arbeiten zu können. Wir wissen alle: Unsere Polizei leistet an sieben Tagen in der Woche rund um die Uhr eine hervorragende Arbeit. Deshalb mein Dankeschön an meine Kolleginnen und Kollegen!

(Beifall bei der CSU und den FREIEN WÄHLERN)

Die Kolleginnen und Kollegen verlassen sich aber darauf, dass sie die modernen und technisch möglichen Werkzeuge, mit denen sie professionell umgehen können, an die Hand bekommen. Meine Damen, meine Herren, in den letzten Jahren hat sich eines wirklich stark geändert, auch in der Kriminalitätsbekämpfung: Das ist die technologische und digitale Entwicklung, auch für die Kriminellen. Wir reden immer wieder von der Globalisierung und Digitalisierung der Kriminalität; dann brauchen wir auch endlich eine ebensolche Entwicklung der Globalisierung und Digitalisierung im Bereich der Kriminalitätsbekämpfung, das heißt nichts anderes als die digitalen Instrumente, um das zu tun.

(Holger Dremel (CSU): Genau so ist es!)

Bei der Bekämpfung von Terrorismus, Organisierter Kriminalität oder internationaler Bandenkriminalität kann man nicht mit Einzelabfragen oder Excel-Dateien hantieren. Da braucht man ein konkurrenzfähiges, sich auf dem Markt befindliches Recherchesystem. Dafür werben wir heute. Das brauchen wir unbedingt.

(Beifall bei der CSU sowie Abgeordneten der FREIEN WÄHLER – Holger Dre- mel (CSU): Bravo!)

Es ist wirklich notwendig, dass wir der Polizei jetzt endlich die erforderlichen neuen digitalen Mittel an die Hand geben, um die Herausforderungen zu bestehen. Wir brauchen eine Recherche- und Analysedatei, die den Profis der Polizei auch wirklich helfen kann. Das haben wir jetzt technisch geschaffen; jetzt brauchen wir die rechtlichen Grundlagen, um diese Technik auch anwenden zu können.

Wir machen nichts anderes, als letztendlich einen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts umzusetzen; das war der Beschluss vom 16. Februar 2023. Hier wurde die Parallelvorschrift in Hamburg und Hessen gekippt und für verfassungswidrig erklärt. In unserer neuen Bestimmung machen wir nichts anderes, als eine Recherchegrundlage zu schaffen, die mit den polizeieigenen Datensystemen arbeitet. Wir verwenden nicht Daten aus dem Internet oder fremde Daten. Das sind die polizeieigenen Daten, die analysiert werden. Deswegen verstehe ich die teilweise Skandalisierung in der Vorbereitung auch überhaupt nicht.

(Beifall bei der CSU sowie Abgeordneten der FREIEN WÄHLER – Holger Dre- mel (CSU): Wir auch nicht!)

Artikel 61a PAG ist eine wirklich sensibel abgestimmte Rechtsanwendung, die die Verhältnismäßigkeit berücksichtigt – wie es das Bundesverfassungsgericht verlangt. Es ist eine Rechtsgrundlage, die es den Spezialisten der Polizei ermöglicht, digital, schnell, fehlerfrei und effizient zu recherchieren statt umständlich mit Papier oder Excel-Listen. Deswegen ist es nötig, dass wir jetzt diese Rechtsgrundlage schaffen.

Zur Rechtsgrundlage selbst: Artikel 61a Absatz 1 PAG regelt die schweren Rechtseingriffe bei besonderer Schutzbedürftigkeit: Leib, Leben oder Freiheit einer Person, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes, Anlagen der kritischen Infrastruktur usw. Artikel 61a Absatz 2 PAG regelt abgestuft mit wesentlich höheren Zugangsvoraussetzungen die Unterbindung von schweren und schwersten Straftaten, die abschließend in § 100b Absatz 2 der Strafprozessordnung geregelt sind. Das ist ein klarer Katalog. Er schafft Rechts- und Anwendersicherheit für die Polizei.

Mir ist wichtig zu betonen: VeRA ist keine Künstliche Intelligenz. Es handelt sich ausdrücklich nicht um eine Anwendung von selbstlernenden Systemen und ist auch keine automatisierte Entscheidungshilfe. Die Entscheidung darüber, was analysiert wird und welche Ergebnisse letztendlich herauskommen, trifft der Analyst und Profi, der Mensch und nicht die Maschine. Das muss man hier festhalten.

Weiterhin gibt es rechtliche Begrenzungen in Artikel 61a Absatz 2 bis 4 PAG, wonach die Anwendung wirklich den Verhältnismäßigkeitsgrundsätzen unterliegt und eingeschränkt werden kann. Dort sind die Anordnungsbefugnis des Behördenleiters sowie klare Protokoll- und Dokumentationspflichten geregelt – wie es sich gehört.

Meine Damen, meine Herren, Bayern übernimmt hier – das will ich wirklich überzeugt sagen – eine Vorreiterrolle, und zwar technisch und auch rechtlich, wenn diese Vorgaben umgesetzt sind. Ich kann nur sagen: Wir geben diese Ergebnisse

gerne an die anderen Bundesländer weiter; denn bei der Bekämpfung von Organisierter Kriminalität und Bandenkriminalität sollte es keine Landesgrenzen geben.

Wer nicht auf die sofort nutzbare Analysedatei VeRA in Bayern zurückgreifen, sondern auf die Bundes-VeRA warten will, dem wünsche ich viel Spaß und gute Gesundheit; denn das wird er nicht erleben. Die Polizei braucht die Anwendung jetzt, und zwar sofort.

(Beifall bei der CSU sowie Abgeordneten der FREIEN WÄHLER – Holger Dre- mel (CSU): Das dauert noch ewig!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, am Ende kann ich aus tiefer Überzeugung als langjähriger Leiter großer Ermittlungskommissionen sagen: Wir haben hier ein Rechtsmittel geschaffen, das die Ermittlungs- und Präventionsarbeit erheblich verbessert und erleichtert. Es ist höchste Zeit, unseren professionellen Polizeibeamtinnen und -beamten auch die professionellen Werkzeuge an die Hand zu geben. Daher bitte ich um Zustimmung zum Gesetzentwurf, der mit allen Änderungsanträgen intensiv im Ausschuss beraten und beschlossen wurde.

(Beifall bei der CSU und den FREIEN WÄHLERN)

Herzlichen Dank. – Nächster Redner ist der Abgeordnete Richard Graupner für die AfD-Fraktion. Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.

Herr Vizepräsident, Kolleginnen und Kollegen! – Wir beschäftigen uns heute in Zweiter Lesung nochmals mit den Änderungen im Polizeiaufgabenbesetz. Es muss nicht wiederholt werden, was bereits in Erster Lesung an Fakten und Argumenten ins Feld geführt worden ist.

Wir hatten eine sehr interessante Expertenanhörung. 80 Sachverständige haben ihre Stellungnahmen zu den geplanten Änderungen im Gesetz abgegeben. Wir konnten dabei für unsere Fraktionsarbeit wertvolle Anregungen mitnehmen. Die AfD-Fraktion hat infolge dieser Anhörung auch zwei Änderungsanträge herausgearbeitet, welche die geplanten Änderungen noch rechtssicherer und bürgerfreundlicher gestalten sollen; darauf komme ich dann noch zu sprechen.

Zunächst will ich aber noch einmal bekräftigen, was ich auch schon in den Ausschussberatungen vorgetragen habe: Unsere Fraktion sieht die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts gut umgesetzt. Dreh- und Angelpunkt der Diskussion war und ist die Einführung der datenübergreifenden Rechercheplattform VeRA, im Klartext: das automatisierte Zusammenführen und Auswerten bisher separat vorliegender polizeilicher Datenbestände, und zwar nur für solche Fälle, bei denen besonders schwere Straftaten zu erwarten sind, wie etwa terroristische Anschläge, Kinderpornografie oder auch die organisierte Bandenkriminalität.

Das Zusammenführen dieser Daten war auch bisher schon möglich, nur eben mühsam, händisch und mit entsprechendem Zeitaufwand. Es kann eigentlich keine zwei Meinungen geben: Wenn Kriminelle und vor allem Organisierte Kriminelle sowie Terroristen organisatorisch, technisch und personell aufrüsten, dann können und dürfen der Staat und die Polizei hier nicht untätig bleiben. Man muss in dieser Wettlaufspirale mitziehen und optimalerweise den Kriminellen auch immer einen Schritt voraus sein.

Selbstverständlich muss aber auch die Verhältnismäßigkeit zwischen dem polizeilichen Informations- und Aufklärungsinteresse, den Persönlichkeitsrechten und Datenschutzbelangen gewahrt sein. Es gilt eben herauszustellen: VeRA arbeitet nur

mit polizeiinternen Datenbeständen. Es gibt keinen automatisierten Abgleich mit öffentlichen Quellen, zum Beispiel aus dem Internet oder anderer Behörden.

Die automatisierte Verarbeitung von DNA-Mustern, Fingerabdrücken, Bild- und Tonmaterial aus Überwachungen ist ebenfalls unzulässig. KI oder selbstlernende Systeme dürfen nicht zum Einsatz kommen. Zudem hat auch nur eine ganz kleine Anzahl von Spezialisten überhaupt Zugriff auf diese Daten. Wir reden hier am Anfang von vielleicht 100 bis 140 Beamten. Im Laufe der Zeit kann sich das vielleicht auf bis zu 700 Beamte ausweiten; bei 45.000 Polizeibeamten in Bayern wird aber deutlich, dass mitnichten jeder Polizeibeamte überhaupt Zugriff auf dieses System hat.

Man kann summarisch also sagen, dass die Verhältnismäßigkeit im Allgemeinen gut gewahrt ist.

Trotzdem gibt es Verbesserungspotenzial. Die AfD-Fraktion hat dazu ihrerseits zwei Änderungsanträge eingebracht. Diese beziehen sich nicht konkret auf VeRA, sondern zum Ersten auf die Verwendung von Bild- und Videomaterial aus externen Quellen, also zum Beispiel von Überwachungskameras in Stadien oder Flughäfen. Hier möchten wir, dass gesetzlich fixiert wird, dass die Polizei nur auf rechtmäßig erlangte Daten zugreifen darf. Anders als die anderen Fraktionen, die unseren Antrag im Ausschuss leider abgelehnt haben, sind wir der Meinung, dass diese Bedingung in jedem Fall auch wörtlich im Gesetz benannt werden sollte. Wir halten es auch für durchaus zumutbar und für ohne großen Aufwand realisierbar, polizeilicherseits deren Einhaltung sicherzustellen.

Zum Zweiten beantragen wir, dass verdeckt arbeitende Ermittler keine intimen Beziehungen mit ihren Ziel- und Kontaktpersonen eingehen dürfen. Es besteht Einigkeit, dass Informationen, die aus solchen Beziehungen resultieren, nicht polizeilich verwendet werden dürfen. Es wurde angeführt, eine derartige Ergänzung sei unnötig, da dies bereits in Artikel 49 PAG geregelt sei. Das sehen wir nicht so; denn dort sind tatsächlich Einschränkungen aufgeführt, aber die intimen Beziehungen stehen dort nicht explizit drin. Es wäre also im Sinne der Rechtssicherheit für mögliche Betroffene ein Leichtes, diesem ebenfalls nachzukommen und dies ins Gesetz aufzunehmen.

Ich komme zum Schluss: Die AfD-Fraktion wird dem vorgelegten PAG-Änderungsentwurf zustimmen. Ich werbe nochmals für die Zustimmung zu unseren beiden Änderungsanträgen, welche die Qualität des Entwurfs nochmals deutlich verbessern würden.

(Beifall bei der AfD)