Aber Sie haben noch eine zweite Gelegenheit. – Zu einer weiteren Zwischenbemerkung hat sich der Kollege Andreas Krahl von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gemeldet. Herr Krahl, bitte.
Sehr geschätzte Kollegin Becker, ich versuche, die Frage ein bisschen kürzer zu formulieren. Wie genau definieren Sie denn Langzeit
pflege? Was unterscheidet die Tätigkeit in der Langzeitpflege bei gleicher Berufsausbildung von der Tätigkeit in der Akutpflege? Was rechtfertigt dann die Steuerbegünstigungen für die Langzeitpflege im Vergleich zur Akutpflege?
Ich fände es okay. Es ist immerhin ein Anfang. Wir haben da noch einen leichten Unterschied im Gehalt. Daher wäre es für die Altenpflegerinnen oder – wie man jetzt sagt – Langzeitpflegenden ein schnellerer, größerer Effekt. Meinetwegen können wir es gerne ausdehnen. Wie gesagt, das müsste die Bundesebene mal berechnen und da eine Idee bringen.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn nicht jetzt, wann dann? Ich würde mir wünschen, dass wir in diesem Hohen Haus nicht Klein-Klein diskutieren, sondern heute ein kraftvolles Signal an die Pflegekräfte in diesem Land aussenden, dass wir hinter ihnen stehen, dass wir jetzt Verbesserungen brauchen und dass wir gemeinsam etwas tun, was sie von uns erwarten: Vertrauen schaffen durch Taten, nicht nur durch Worte. Das muss das Signal aus diesem Haus in diesen Zeiten sein. Die Pflege sollte heute im Mittelpunkt stehen.
Ich will nicht über die Frage reden, welche Bedeutung die Pflege in diesem Wahlkampf hatte. Ich hätte mir gewünscht, dass dieses Thema in den Mittelpunkt gestellt wird und dass eine Frau Baerbock nicht nur von einer "Klimaregierung" spricht, sondern auch von der Pflege – und andere genauso. Da nehme ich alle mit ins Boot.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben in der Pandemie gesehen, wie schwierig dieses Thema war. Wir haben immer vom Brennglas gesprochen, und auf einmal hat sich keiner mehr für das Thema interessiert. Ich muss Ihnen sagen: Ich finde das echt traurig. Deswegen ist die Botschaft aus diesem Hause: Jetzt müssen die Pflöcke eingerammt werden. Jetzt ist die Zeit, dass wir diese Dinge tatsächlich in einen Koalitionsvertrag – wer auch immer dann am Tisch sitzt – schreiben, und zwar so, dass sie auch draußen wirken. Wenn wir heute über steuerliche Verbesserungen reden, dann ist das ein Baustein. Die Pflege ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Natürlich ist es richtig, dass wir da auch über Steuerfreistellungen bei Wechselschichten, bei Nachtschichten, bei Wochenenddiensten und all diesen Dingen reden.
Wenn Sie heute draußen sind, dann sagen Ihnen viele Pflegekräfte, dass sie immer kommen müssten, wenn jemand ausfiele. Wenn jemand krank würde, würde man angerufen und gefragt, ob man nicht einspringen könne. Natürlich käme man dann, weil man die Verantwortung habe und niemanden im Stich lassen wolle. Sie alle wissen das ja auch, weil Sie draußen mit Pflegekräften sprechen. Natürlich brennen die Pflegekräfte für das, was sie tun. Aber sie brennen halt auch aus, wenn wir es jetzt nicht schaffen, die Arbeitsbedingungen fundamental zu verbessern. Darum geht es. Es geht um die Arbeitsbedingungen, und es geht um Si
Es gehört noch viel mehr dazu. Die Steuer ist nur eine Stellschraube, mit der wir deutlich machen, dass der Staat bereit ist, sich zu engagieren und hier etwas zu tun. Dazu gehört, den Kompetenzberuf herauszustellen; dazu gehört die Heilkundeübertragung. Es gehören viele Bereiche dazu, die wir gemeinsam angehen müssen. Stichwort: Akademisierung. Hier müssen wir auch noch die Finanzierung nachziehen und überlegen, wie wir mit Stipendienprogrammen helfen können. Es gibt noch andere Bereiche. Das will ich: Ich will, dass wir die Pflege jetzt gemeinsam auf gute Füße stellen, dass wir das vorher mit Klatschen zum Ausdruck Gebrachte jetzt auch mit Taten begleiten. Darum geht es jetzt. Das ist ein ganz wichtiges Thema, und dieses Thema muss ganz oben auf die politische Agenda.
Frau Kollegin Waldmann, natürlich ist es ein Teil der Wahrheit, dass der Bundesfinanzminister nicht bereit war, bei der jetzigen kleinen Pflegereform, bei der es natürlich um die Tarifverträge ging, mehr als eine Milliarde Euro einzusetzen. Natürlich hätte man mehr Geld in die Hand nehmen müssen, damit die Finanzierung nicht zulasten der Gepflegten geht. Natürlich hätte der Bundesfinanzminister auf das Schreiben des Kollegen Füracker vom 26.04.2021 inzwischen antworten müssen.
Ja klar, warum denn nicht? Ist das zu viel verlangt, dass man in dieser Zeit einmal zurückschreibt und signalisiert, dass man sich mit dem Thema auseinandersetzt? Ich bin wirklich gespannt, was jetzt kommt oder ob die vielfach produzierte heiße Luft weiter produziert wird und es nur bei Lippenbekenntnissen bleibt. Lippenbekenntnisse sind zu wenig für die Pflegekräfte dieses Landes, und zwar für alle.
Lassen Sie uns gemeinsam an diesem Projekt arbeiten, damit die Pflege in der Zukunft den Stellenwert hat, den sie verdient. Das hat etwas mit der Würde der Menschen zu tun. Das hat etwas damit zu tun, nahe an den Menschen zu sein. Das muss unser Ziel sein, und dafür müssen wir gemeinsam politisch arbeiten. Dafür müssen wir jetzt die richtigen Rahmenbedingungen setzen.
Herr Staatsminister, es freut mich, dass Sie sich gleich zu mir gedreht haben. Wenn ich ehrlich bin, dann habe ich schon festgestellt, dass auch die CSU Wahlkampf geführt hat. Auch bei der CSU hat die Pflege keine Rolle gespielt. Das möchte ich hier einmal festhalten.
Allerdings habe ich heute nichts von Ihrem kraftvollen Zeichen, von dem Sie gesprochen haben, sondern nur kraftvolle Worte gehört. Ich habe gleichzeitig vom Kollegen Mehring gehört, dass der Antrag ausschließlich auf die Langzeitpflege abzielt. Die Kollegin Becker hat gesagt, man könne schon alles ausweiten. Der Kollege Mehring meinte, die FREIEN WÄHLER wollten das, aber die CSU wolle das nicht. Jetzt haben wir ein Problem mit dem kraftvollen Zeichen. Wie lösen wir das Problem hier vor Ort? Mit diesem Antrag? Machen wir daraus ein kraftvolles Zeichen, oder bleibt es bei dem Schaufensterantrag?
Herr Kollege Krahl, ich habe mich Ihnen zugewendet, weil Sie aus der Pflege kommen und weil ich weiß, dass Sie viel Sachverstand einbringen, und weil ich davon ausgehe, dass die GRÜNEN – in welcher Konstellation auch immer – am zukünftigen Kabinettstisch sitzen werden. Ob uns das gefällt oder nicht, es wird so sein. Daher gehe ich davon aus, dass Sie das von Ihnen immer wieder Angesprochene dann auch in Berlin umsetzen. Wenn wir mit dabei sind, dann will ich Ihnen zusichern, dass wir das mit aller Macht unterstützen
und vonseiten des Freistaates hundertprozentig dabei mithelfen, dass Sie die von Ihnen hochgehaltenen Ideale auch in Zukunft in echte Politik umsetzen können.
Das ist ein Antrag, der heute mit der Langzeitpflege beginnt. Die Kollegin Becker hat es dargestellt. Die Altenpflege steht sicherlich auch vom Gehalt her noch ein bisschen dahinter. Natürlich wollen wir alle mitnehmen. Es ist ein Anfang. Ich habe schon in der Debatte gemerkt, dass man sich jetzt daran irgendwie hochzieht. Aber darum geht es ja gar nicht. Es geht um ein Signal, dass wir Steuergeld in die Hand nehmen und Dinge steuerfrei stellen, weil es eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist und weil damit auch der Einsatz von Steuermitteln gerechtfertigt ist. Ich habe gesagt, dass es ein Baustein ist. Wir wissen doch, dass das unser Problem nicht löst. Es ist nur ein starkes Signal. Daneben brauchen wir viele weitere, um da wirklich voranzukommen. Aber ich bin überzeugt: Sie werden die Chance haben, mit Ihren Kolleginnen und Kollegen in Berlin genau das Richtige zu tun. Wir werden uns in diesem Haus dann weiter darüber unterhalten können.
Herr Minister Holetschek, es ist rhetorisch nicht ungeschickt, Ihren Redebeitrag vor allem auf die Pflege und den Pflegenotstand zu konzentrieren. Ich habe vorhin ganz bewusst den Punkt angesprochen, was das denn hieße. Ich habe immer gedacht, dass wir gemeinsam versuchen, das Steuersystem so einfach wie möglich zu machen oder wenigstens zu halten. Ich hätte Ihnen und Ihrem Kollegen Füracker, der zufällig gerade jetzt gegangen ist, folgende Frage gestellt: Wo ist die Grenze, ab der diese Regel nicht mehr gilt und ab der man die Steuersysteme verkompliziert, weil irgendetwas einen höheren Wert hat?
Noch einmal: Ich habe volles Verständnis dafür, dass man in der Pflege etwas tun muss, und dafür, dass man aus politischen Gründen versucht, etwas nach Berlin zu schieben. Aber das löst das Problem doch überhaupt nicht. Wenn man jetzt sagt, man gebe ihnen die Steuererleichterungen, sonst kriege man den großen
Wurf nicht hin, dann macht man es sich ein bisschen einfach. Meine Frage: Wo bitte ist die Grenze? Ab wann darf man das Steuersystem verkomplizieren? Wo gibt es einen höheren Wert?
Entschuldigung, das ist ja so. Das ist das Wählervotum. Wir akzeptieren das im Übrigen. Das ist halt so. – Auch Sie werden dann die Chance haben, nicht nur im Bereich privater Versicherungsmodelle – der Pflegeversicherung –, sondern auch in den anderen Bereichen entscheidende Pflöcke für die Pflege einzuschlagen. Beim Steuerrecht haben wir einen Ansatz. Die Wechselschichtzulage macht circa155 Euro brutto aus. Nimmt man das, vergleicht man das mit anderen Zuschlägen und stellt man diese in der Langzeitpflege komplett steuerfrei, dann bleibt einfach mehr übrig. Das ist in diesen Bereichen ein Signal.
Ich könnte mir zum Beispiel auch vorstellen, dass dann Jüngere vielleicht bereit wären, ein Stück weit mehr Dienste zu übernehmen, Wiedereinsteiger sagen würden, dass sie jetzt andere Arbeitsbedingungen wollten. Da gibt es ganz kreative Modelle, die Dinge gemeinsam anzugehen. Ich will Sie auch beruhigen: Wir wollen auch in Bayern weiter daran arbeiten. Es ist nun einmal so, dass es eine Verteilung gibt. Die Sozialgesetzbücher sind zum Teil in Berlin normiert; da müssen wir etwas tun. Ich finde es unglaublich, dass ich heute Buurtzorg nicht umsetzen kann, weil die Sozialgesetzbücher das nicht abbilden. Wir können Pflege ja nicht von den Abrechnungsmodalitäten her denken; wir müssen Pflege von den Bedürfnissen der Menschen her denken. Das ist doch das Entscheidende. Was wir machen müssen, tun wir: gute Pflege daheim in Bayern, Sektoren verbinden und flexibler machen und die Frage unserer Richtlinie "PflegesoNah" klären. Wir geben 60 Millionen Euro für stationäre Pflege aus; es ist ja nicht so, dass wir nur zuschauen, sondern wir setzen auch hier kraftvolle Zeichen.
Ich finde es ja hochinteressant, dass Sie sagen, Pflege hätte im Wahlkampf eine größere Rolle spielen müssen. Was hat die CSU davon abgehalten, hier ein Feuerwerk abzubrennen und die Pflege in den Mittelpunkt zu stellen? Sie haben gesagt, genau jetzt sei die Zeit, in der ein kraftvoller Aufschlag für die Pflege kommen muss. Wenn der richtige Moment, um endlich Veränderungen voranzubringen, dann ist, wenn Sie die Verantwortung im Bund und auch das Bundesministerium für Gesundheit abgeben müssen, dann lässt das doch tief blicken.