Ich möchte mir nicht irgendwann von meinen Kindern und vielleicht hoffentlich irgendwann Enkelkindern den Vorwurf machen lassen, dass wir uns aus Bequemlichkeit, Angst und Rücksicht nicht getraut haben, einen Schritt voranzugehen, obwohl wir eigentlich gewusst haben, dass wir mehr tun müssen. Ein "Yes we can" würde aber auch nicht ausreichen, sondern eher schon das, was Winston Churchill immer gemacht hat. Er hat bei ganz besonders schwierigen Akten immer den Stempel "Action This Day" draufgeknallt. Das ist unsere Aufgabe.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, mit dem vorliegenden Konzept, das wir gemeinsam auf den Weg bringen, bewahren und erhalten wir unser schönes Land. Gott schütze unsere wunderbare Heimat Bayern und gebe uns auch die Kraft, das zu tun, was für unser Land und die nächste Generation notwendig ist.
Vielen Dank, Herr Ministerpräsident. – Die Gesamtredezeit der Fraktionen orientiert sich auch daran, dass die Redezeitüberschreitung des Ministerpräsidenten 13 Minuten war. Daher wird die Redezeit auch jeweils erhöht. Die Redezeit der CSU beträgt nun 34 Minuten, die Redezeit der GRÜNEN 20 Minuten, die Redezeit der FREIEN WÄHLER 17 Minuten, die Redezeit von AfD und SPD jeweils 16 Minuten und die Redezeit der FDP 12 Minuten. Die fraktionslosen Abgeordneten können jeweils 4 Minuten sprechen. Ich eröffne nun die Aussprache. Das Wort hat zunächst der Kollege und Vorsitzende der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Ludwig Hartmann.
Sehr geehrtes Präsidium, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Bilder der letzten Tage aus Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Berchtesgaden sind erschütternd. Sie zeigen uns ganz deutlich, dass die Wetterextreme in einem Tempo zugenommen haben, wie wir es kaum kannten. In den letzten Jahren waren es die Dürren in Franken. Jetzt sind es die Starkregenereignisse. Weil die Erdüberhitzung immer weiter voranschreitet, haben sie ein Ausmaß erreicht, das wir nicht kannten.
Richtig ist, was von Barack Obama zitiert worden ist. Wir sind die erste Generation, die die Folgen der Erdüberhitzung zu spüren bekommt. Wir sind zugleich die letzte, die etwas dagegen tun kann. Ich möchte anfügen: Wir müssen dafür sorgen, dass die Folgen für uns, unsere Kinder und Enkelkinder irgendwie handelbar bleiben. Das ist unser Auftrag.
Wir alle wissen: Wir haben nur diesen einen Planeten. Er macht keine Kompromisse und wartet auch nicht. Das heißt, wir müssen im Hier und Jetzt handeln. Ich
möchte ganz ehrlich zu dieser Debatte sagen, dass ich wirklich enttäuscht war, was uns gerade hier vorgelegt worden ist.
Ich habe wirklich wenig Neues gehört. Ich habe vor allem einen Ministerpräsidenten gehört, der für diese Politik wahrscheinlich nicht die volle Rückendeckung in den Fraktionen der Regierung hat. Ich möchte eines noch einmal ganz deutlich machen, was ganz wichtig ist. Das kam mir deutlich zu kurz und gehört zur Ehrlichkeit der Debatte dazu: Ohne Veränderung wird Klimaschutz nicht funktionieren. "Wer nichts verändern will, wird auch das verlieren, was er bewahren möchte." – Das hat der ehemalige Bundespräsident Gustav Heinemann bereits in den Siebzigerjahren gesagt. Das gilt auch heute noch. Klimaschutz heißt verändern, um zu bewahren, nicht mehr und nicht weniger.
Immer mehr Menschen sehen die Herausforderung und spüren die Auswirkungen. Sie wissen, dass wir so nicht weitermachen können. Sie wissen, dass wir etwas ändern müssen. Sie wollen auch nicht, dass wir ihnen länger vorgaukeln, dass wir Probleme mit Klein-Klein-Maßnahmen lösen können. Ja, es ist richtig: Der Umbau unserer Wirtschaftsform hin zu einer nachhaltigen Lebens- und Wirtschaftsform im laufenden Betrieb ist eine große, gewaltige Aufgabe. Es ist wirklich ein Gemeinschaftsprojekt und eine Generationenaufgabe. Aber dementsprechend muss man auch handeln, und zwar mit guten Ideen und Überzeugungen.
Vor allem eines hat mich heute echt erstaunt, Herr Ministerpräsident: Sie haben einen Konflikt in Ihrer eigenen Regierung zwischen Ministerpräsident, der für eine Solarpflicht ist, aber gegen Windkraft im Land, und Wirtschaftsminister, der für Windkraft ist, aber gegen eine Solarpflicht. Sie lösen das dann, indem Sie einfach nur sagen, Berlin soll doch bitte etwas vorgeben. Das ist keine Führungsstärke.
Aber Führungsstärke brauchen wir dringend, um die Klimaherausforderung gemeinsam mit den Menschen zu meistern.
Führungsstärke statt Inszenierung, darauf wartet der Klimaschutz, meine sehr geehrten Damen und Herren. Bäume zu umarmen, das reicht nicht mehr aus.
Wir reden heute nicht zum ersten Mal über den Klimaschutz. Das muss ich ganz deutlich sagen. Herr Kreuzer grinst gerade etwas. Sie können sich vielleicht gut daran erinnern, als Edmund Stoiber 2007 eine ganz große Klimashow auf der Zugspitze mit ganz großen Ankündigungen gemacht hat. Was ist daraus geworden? – Gar nichts. Jetzt will ich gar nicht so weit zurückgehen, weil ich immer so ehrlich bin, mich mit dem auseinanderzusetzen, der gerade an den Schalthebeln der Macht sitzt.
Schauen wir uns die letzten dreieinhalb Jahre in Bayern an. Was ist denn konkret beim Klimaschutz in diesem Land in der Zeit von Markus Söder passiert? Was haben wir denn in der Zeit erlebt? – Wir haben erlebt, dass in der Koalitionsvereinbarung ein Klimaschutzgesetz angekündigt wurde. Das war gut. Umweltminister Glauber hat bereits im Frühjahr 2019 von einem fertigen Entwurf gesprochen. In diesem sollten die Themen Gebäudesanierung, Dämmung, Minimierung der Prozesswärme und Verkehr eine zentrale Rolle spielen. Auch damals gab es noch Hoffnung; gekommen ist allerdings gar nichts. Stattdessen hat der Ministerpräsident im Hochsommer 2019 verkündet, dass das Kabinett im Herbst ein Klima
schutzgesetz mit dem zentralen Bestandteil eines Waldplans beschließen wird. Die Optimisten konnten wieder Hoffnung schöpfen; vorgelegt wurde aber nichts.
Erst Ende April 2020 kam der lang angekündigte Gesetzentwurf der Staatsregierung zum Klimaschutzgesetz. 541 Tage sind vergangen, bis dem Landtag der erste Entwurf vorlag. Zum Vergleich: Baden-Württemberg schafft das in 63 Tagen. Daran sieht man, wo ernsthaft Klimaschutzpolitik betrieben wird.
Es wird noch besser. Das von Ihnen Vorgelegte war unkonkret und unverbindlich. Nicht einmal das, was Sie selber angekündigt haben, hat man nachher im Gesetz gefunden. Alle Ankündigungen dienten bloß für Überschriften. Alles Stattgefundene war nur Blenderei und eine große PR-Show.
Ich rede von dieser Landesregierung. Ich rede von dieser Staatsregierung. Darauf können wir uns verständigen. Ich bin überzeugt davon, dass Karl Valentin seine große Freude gehabt hätte; denn es geht noch weiter.
Sie haben den Gesetzentwurf zum Ende des letzten Jahres beschlossen. Das Klimaschutzgesetz ist dann zum 01.01.2021 in Kraft getreten. Dann kam das Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Also nicht einmal vier Monate später mussten Sie es selber wieder in die Tonne treten. Vorher haben Sie hier ganz groß verkündet, dass es das modernste Klimaschutzgesetz in ganz Deutschland ist. Was stimmt denn jetzt nun? So kann man doch nicht Politik machen. Das ist doch keine Verlässlichkeit! Da fehlt doch die klare Linie! Wo wollen Sie eigentlich hin? Heute erzählen Sie das Gleiche wie damals: etwas mehr Tempo, etwas mehr dazu. Das löst das Problem nicht. Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie müssen eine Politik finden, die unsere Lebensgrundlagen grundlegend schützt, und auch nach ihr handeln.
Was muss man jetzt aktuell lesen? – Minister Glauber hat seit elf Wochen auf seinem Schreibtisch in der Staatskanzlei einen Entwurf zu einem neuen Klimaschutzgesetz liegen. Liegt er denn dort gut? Macht man denn so Politik? Kann man den Entwurf nicht vorlegen und über ihn diskutieren? Sie haben gerade selber gefragt: Wäre nicht der erste Schritt, das fertig Vorliegende dem Landtag zu zeigen, darüber zu diskutieren und Wege aufzuzeigen? Sie haben es gerade angeboten. Stattdessen liegt der Entwurf seit elf Wochen bei Ihnen! Das muss anders werden. Ich möchte Bayern noch einmal mit Baden-Württemberg vergleichen. Ich glaube, das bringt es gut auf den Punkt.
In Baden-Württemberg wurde am 11. Mai 2021 die Koalitionsvereinbarung unterschrieben, mit der das Klimaschutzgesetz verschärft werden soll. Übrigens war das schon die dritte Novelle des Klimaschutzgesetzes. Baden-Württemberg hatte schon 2013 ein Klimaschutzgesetz!
Das Gesetz ist schon nach 63 Tagen trotz Regierungsbildung und trotz neu besetzter Ministerien gefolgt. Trotz Corona wurde geliefert. Auch inhaltlich ist Baden
Württemberg Bayern um Lichtjahre voraus. Das Ziel, die Klimaneutralität bis 2040 zu erreichen, ist gesetzlich festgelegt. Die Solarpflicht für Neubauten und für den Bestand ist gesetzlich festgelegt. 2 % der Landesfläche dienen als Vorrangflächen für die Stromerzeugung mit Wind und Sonne. Auch das ist gesetzlich festgelegt. Die Einrichtung einer wissenschaftlichen und unabhängigen Expertenkommission ist gesetzlich festgelegt worden. Sie sehen: Man kann es anders machen, wenn man regiert und an den Schalthebeln der Macht sitzt.
Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, ich bin ehrlich: Herr Ministerpräsident, ich spreche Ihnen die Kompetenz gar nicht ab. Ich meine das absolut ernst. Mir geht es darum: Man muss gemäß dem handeln, was man sich vorgenommen hat. Ich glaube und bin davon überzeugt, dass Sie die Zusammenhänge begriffen haben. Ich bin da ganz bei Ihnen. Das Wissen und die richtige Kenntnis zu haben, reicht aber nicht aus, wenn das politische Handeln nicht entsprechend folgt.
Sie haben angeboten, man könne ein Praktikum in Bayern machen, um bestimmte Sachen im Umweltbereich zu lernen. Ich würde Ihnen aber – ich glaube, ein Praktikum würde gar nicht ausreichen – eine Lehre in Baden-Württemberg beim Ministerpräsidenten von den GRÜNEN anbieten. Er kann ganz deutlich zeigen, wie man gemeinsam mit einem schwierigen Koalitionspartner – den haben Sie und auch Herr Kretschmann – gemeinsam in 63 Tagen ein weitgehendes Klimaschutzgesetz aufs Gleis setzen kann. Das wäre der richtige Weg.
Ich sage Ihnen noch eines: Ihnen wird niemand einen Plagiatsjäger auf den Hals hetzen, wenn Sie dort fleißig kopieren.
Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, wir sollten so ehrlich sein: Ein gutes Gesetz allein reicht für einen guten Klimaschutz nicht aus. Das wurde vorher schon angesprochen. Umso wichtiger ist es doch, endlich einen Klimapakt mit den Menschen im Land zu schließen. Wir müssen Klimaschutz als Gemeinschafts- und Generationenaufgabe begreifen und dauerhaft nach ihr handeln. Wir haben doch so viele Stadtwerke, Energiegenossenschaften, Unternehmen, Dörfer und Städte, die für mehr Klimaschutz in Bayern anpacken wollen. Die Menschen möchten Verantwortung für den Erhalt unserer Lebensgrundlagen übernehmen. Hören Sie bitte endlich auf, diese Personen zu bremsen! Unterstützen Sie sie!
Sie haben das Thema Bahn angesprochen. Wäre es nicht der erste Schritt, die Blockade der Reaktivierungsbemühungen betreffend Bahnstrecken endlich fallen zu lassen? Baden-Württemberg und Hessen haben einen ganz anderen Weg gewählt, nämlich um der Bahn im ländlichen Raum etwas zu ermöglichen und nicht um etwas zu verhindern. Hier kann man grundlegend von heute auf morgen etwas ändern. Dazu bräuchten Sie den Landtag nicht. Sie können es einfach machen, und das erwarten wir.
Eines muss ich aber noch sagen. Auch mein Kollege Martin Stümpfig wird das noch ansprechen. Ich habe oft das Gefühl, dass hier bei den Regierungsfraktionen durchaus beim Thema Klimaschutz eine Politik vorherrscht, die man mit den Wörtern "verschleppen", "verzögern", "verhindern" und "ausbremsen" beschreiben
kann. Ich möchte es so deutlich sagen, weil die Debatten der vergangenen Wochen und Monate nicht dafür gesprochen haben, dass aus den Fraktionen Ideen kommen, um diese Herausforderungen wirklich angehen zu können.
Neben einem Pakt zwischen den Menschen im Land ist es wichtig zu begreifen: Wir müssen die Natur im Kampf für unsere Lebensgrundlagen als Verbündete begreifen und sie auch so behandeln. Sie haben zu Recht die Themen Wälder, Moore und Wiesen angesprochen. Diese drei sind unsere natürlichen Verbündeten im Kampf gegen die Erdüberhitzung. Dann sorgen Sie aber bitte auch für deren Schutz, und unterbinden Sie endlich, dass diese Flächen weiter zerstört werden! Man muss es so deutlich sagen. Hören Sie endlich auf, den Staatswald, den Wald im Besitz der Bürgerinnen und Bürger, für Gewerbegebiete zu verkaufen! Stoppen Sie den Verkauf staatlicher Waldflächen für Gewerbeansiedlungen!
Zum Beispiel in der Oberpfalz in Teublitz. Ein kerngesunder Klimaschutzwald soll dort einem Gewerbegebiet weichen. Der Eigentümer ist der Freistaat Bayern. Sie können heute zum Telefonhörer greifen und die Staatsforsten anweisen, keine Waldgebiete mehr zu verkaufen, die nachher gerodet werden. Ein gesunder Wald, der schon da ist, ist allemal besser als ein Wald, der neu gepflanzt werden muss. Das muss doch jedem klar sein.
Machen statt Reden ist das Gebot der Stunde. Das ist das Entscheidende, was heute gefehlt hat. Es waren viele Ankündigungen. Man kann auch sagen: Eine Ankündigung hat die nächste gejagt.