Protocol of the Session on January 25, 2022

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die 102. Vollsitzung des Bayerischen Landtags, die erste im Jahr 2022, und heiße Sie alle sehr herzlich im noch jungen Jahr willkommen.

Zu Beginn weise ich darauf hin, dass der Ältestenrat angesichts der hochansteckenden Omikron-Variante entschieden hat, dass wir wie bereits zeitweise im letzten Jahr in hälftiger Besetzung tagen, und zwar zunächst bis Ende Februar.

Darüber hinaus gilt ab heute auch am Platz eine Verpflichtung zum Tragen einer FFP2-Maske. Eine medizinische Maske ist aufgrund der aktuellen Corona-Infektionslage nicht mehr ausreichend. Zudem gilt im Plenarsaal weiterhin die 3G-Regel.

Des Weiteren gebe ich bekannt, dass Dr. Marcel Huber sein Landtagsmandat niedergelegt hat. Der Kollege ist gemäß Artikel 56 Absatz 2 des Landeswahlgesetzes mit Ablauf des 15.01.2022 aus dem Bayerischen Landtag ausgeschieden.

Im Namen des Hohen Hauses und auch ganz persönlich möchte ich ihm meinen Dank und meine Anerkennung für seine langjährige Arbeit im bayerischen Parlament aussprechen. Für die Zukunft wünsche ich ihm und seiner Familie alles erdenklich Gute und vor allem Gesundheit!

(Allgemeiner Beifall)

Als sein Listennachfolger ist Herr Kollege Andreas Lorenz seit dem 16. Januar wieder Mitglied des Bayerischen Landtags. Seit dem 1. Januar ist Herr Kollege Robert Riedl als Nachfolger von Herrn Joachim Hanisch Mitglied des Bayerischen Landtags.

Im Namen des Hohen Hauses gratuliere ich den beiden neuen Kollegen sehr herzlich und wünsche alles Gute für die parlamentarische Arbeit!

Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, möchte ich die ersten Minuten dieser Sitzung der Erinnerung widmen – im Vorgriff auf den 27. Januar, den Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus.

Morgen ab 10:30 Uhr überträgt das BR Fernsehen live den Gedenkakt des Bayerischen Landtags und der Stiftung Bayerische Gedenkstätten in der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg. Die Veranstaltung kann pandemiebedingt leider erneut nur im kleinen Rahmen stattfinden – ohne Gäste, daher leider auch ohne Ihre Beteiligung, liebe Kolleginnen und Kollegen.

In diesem Jahr liegt der Schwerpunkt auf den als homosexuell verfolgten Menschen, deren Leid unter den Nationalsozialisten ohnegleichen in der europäischen Geschichte ist, ein Leid, das nach 1945 wenig benannt wurde, das erst sehr spät anerkannt wurde und das sich in schändlicher Kontinuität fortsetzte. Der UnrechtsParagraf 175 des Strafgesetzbuchs blieb in der von den Nationalsozialisten verschärften Form in Kraft, wurde erst 1969 entschärft und erst 1994 komplett gestrichen.

Und heute? – Heute leiden Mitglieder der queeren Community noch immer unter Diskriminierung und Anfeindung. Viele haben nach wie vor Angst, sich zu bekennen. Ich stelle auch heute noch fest: Diskriminierende Paragrafen aus dem Gesetz zu streichen, ist das eine, Ressentiments aus den Köpfen zu bekommen, ist das andere.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, vor wenigen Tagen jährte sich auch die Wannseekonferenz zum 80. Mal. In schönster Kulisse ersannen Vertreter der SS, der

NSDAP und mehrerer Reichsministerien ein systematisches Massenmordprogramm für die Vernichtung des europäischen Judentums – mit Beteiligung des gesamten Staatsapparates. Der Holocaust, die Ermordung von sechs Millionen jüdischen Menschen – vom Säugling bis zur Greisin –, wurde akribisch geplant, in der schrecklichsten Weise ins Werk gesetzt und industriell durchgeführt. Er ist bis ins kleinste Detail ein unvergleichbares Verbrechen in der Geschichte der Menschheit und bis heute singulär.

Jede Leugnung der historischen Fakten, aber auch jede Verharmlosung, wie wir sie auch aktuell etwa auf Protesten gegen die Corona-Politik erleben müssen, ist ein Schlag ins Gesicht der Opfer und deren Familien sowie ein Angriff auf die Grundlagen der Demokratie und des respektvollen Miteinanders.

Das ist auch die Botschaft der Resolution, mit der sich die Generalversammlung der Vereinten Nationen am letzten Donnerstag mit Ausnahme des Iran klar und scharf gegen die Leugnung und Verharmlosung des Holocausts ausgesprochen und die Relevanz der Erinnerung hervorgehoben hat.

Wie wichtig das Erinnern ist, zeigen übrigens auch die täglichen Nachrichten. Allerorten sehen wir, wie verletzlich die Errungenschaften von Freiheit und Demokratie sind, von Frieden einmal ganz zu schweigen. Nicht die Geschichte wiederholt sich. Es sind die Menschen, die bereit sind, sie zu wiederholen, die bereit sind, Unmenschlichkeit wieder zuzulassen.

Deswegen sage ich klar: Menschenverachtung ist nie eine Kleinigkeit. Stellen wir uns gegen Radikalität und Fanatismus, egal woher sie kommen! – Ich darf Sie bitten, sich zum Gedenken zu erheben.

(Die Anwesenden erheben sich)

Wir gedenken der jüdischen Kinder, Frauen und Männer, der Sinti und Roma, der Menschen mit Behinderungen, der als homosexuell Verfolgten. Wir gedenken aller aus politischen oder religiösen Motiven Verfolgten und Ermordeten und all der Abermillionen Männer, Frauen und Kinder, die Opfer des NS-Regimes und des von Deutschland ausgegangenen Vernichtungskriegs wurden. – Sie haben sich zum Gedenken erhoben. Ich danke Ihnen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch an so einem Tag gibt es auch gute Nachrichten, nämlich eine ganze Reihe von Geburtstagen, die in der Zwischenzeit gefeiert werden durften:

Am 4. Januar konnte Kollege Michael Busch einen halbrunden Geburtstag feiern. Am 5. Januar hat unser Ministerpräsident auch einen halbrunden Geburtstag gefeiert. Am 6. Januar hatte der Kollege Jan Schiffers einen halbrunden Geburtstag. Am 9. Januar konnte der Kollege Holger Dremel einen runden Geburtstag begehen. Am 10. Januar hat Frau Susann Enders einen halbrunden Geburtstag gefeiert. Am 16. Januar konnte Frau Doris Rauscher einen halbrunden Geburtstag begehen. Und am 23. Januar hat der Herr Kollege Dr. Spitzer einen halbrunden Geburtstag gefeiert. Ich gratuliere allen Geburtstagskindern. Im Nachhinein alles Gute zum Geburtstag, Gesundheit, Glück und Zufriedenheit!

(Allgemeiner Beifall)

Bevor wir in die Tagesordnung einsteigen, möchte ich noch Folgendes bekannt geben:

Die Fraktion FREIE WÄHLER hat mitgeteilt, dass unser neuer Kollege Robert Riedl dem Ausschuss für Kommunale Fragen, Innere Sicherheit und Sport anstelle unse

res ehemaligen Kollegen Joachim Hanisch sowie dem Ausschuss für Arbeit und Soziales, Jugend und Familie anstelle des Kollegen Johann Häusler als Mitglied angehört. Kollege Johann Häusler wiederum wechselt in den Ausschuss für Bildung und Kultus anstelle des Kollegen Dr. Leopold Herz.

Außerdem hat die Fraktion FREIE WÄHLER mitgeteilt, dass sie anstelle von Herrn Joachim Hanisch den Kollegen Robert Riedl als neues Mitglied für den Landessportbeirat gemäß Artikel 2 Absatz 2 des Gesetzes über den Bayerischen Landessportbeirat nominiert. Ich wünsche allen vorab Genannten viel Erfolg und gutes Gelingen in ihren neuen Tätigkeitsfeldern.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf:

Aktuelle Stunde gemäß § 65 BayLTGeschO auf Vorschlag der CSUFraktion "Inflation bekämpfen - Lebenshaltungskosten und Energiepreise müssen bezahlbar bleiben"

Für die heutige Sitzung ist die CSU-Fraktion vorschlagsberechtigt. Sie kennen das Prozedere: grundsätzlich 5 Minuten Redezeit pro Rednerin oder Redner bzw. für eine Rednerin oder einen Redner 10 Minuten. Als Erster beginnt der Kollege Alexander König mit 10 Minuten für die CSU-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Zur Daseinsvorsorge gehört, dass Güter des täglichen Bedarfs verfügbar, aber auch bezahlbar sind. Das gilt namentlich für unverzichtbare Güter wie Nahrungsmittel, Strom und Brennstoffe. Die Bürgerinnen und Bürger sehen sich bei diesen Gütern seit Monaten mit Preissprüngen konfrontiert, die die Haushaltskasse vieler Menschen durcheinanderbringen und bei dem einen oder anderen auch schon zu plötzlicher Leere im Geldbeutel führen.

Im Dezember stiegen die Nahrungsmittelpreise gegenüber dem Vorjahresmonat um 5,9 %, die Gemüsepreise um 9,9 %, die Preise für Strom, Gas und Brennstoffe um 11 % und die Heizöl- und Kraftstoffpreise für sich allein genommen um 38 %. Insgesamt erreichten wir eine Inflationsrate von 5,3 %. Das Leben muss für alle Menschen in unserem Land bezahlbar bleiben.

(Beifall bei der CSU sowie Abgeordneten der FREIEN WÄHLER)

Deshalb muss der Inflation aktiv entgegengewirkt werden. Dass Inflation ein schwieriges Thema ist, kann man an den unterschiedlichen Prognosen der Fachleute zur zu erwartenden weiteren Entwicklung ablesen. Das hilft allerdings den Menschen, die nicht mehr wissen, wie sie ihre Strom- und Gasrechnung bezahlen sollen, nicht. Dem Bürger nutzt es nichts, wenn die Weiterentwicklung mit ruhiger Hand abgewartet wird – gefragt ist Handeln, nicht Zuschauen.

(Zuruf)

Das erfordert zunächst eine Analyse der Ursachen. Unstrittig ist, dass die Absenkung der Mehrwertsteuer im zweiten Halbjahr 2020 ebenso für einen Teil der Inflation verantwortlich ist wie der coronabedingte Preisverfall der Mineralölprodukte im Jahr 2020. Die Rückkehr zum früheren Niveau trieb die Preise. Klar dürfte auch sein, dass krisenbedingte Effekte wie der Mangel an Ausgangsgütern und Transportkapazitäten für den stärksten Anstieg der gewerblichen Erzeugerpreise seit den 1950er-Jahren verantwortlich sind.

Für den sprunghaften Anstieg der Preise sind allerdings eindeutig die sprunghaft steigenden Energiepreise ursächlich. Preistreibend wirken der CO2-Preis und die

Rohstoffpreise, die durch die anziehende Weltkonjunktur und geopolitische Auseinandersetzungen angestiegen sind. Für die Zukunft bestehen sogar weitere Risiken wie die Weiterentwicklung der Corona-Pandemie und eine etwaige durch entsprechende Lohnabschlüsse ausgelöste Lohn-Preis-Spirale.

Auch der von der Bundesregierung vorgesehene Anstieg des Mindestlohns wird seinen Teil dazu beitragen, dass Güter teurer werden. Einen wirklich großen Einfluss auf die Weiterentwicklung wird die Entscheidung darüber haben, ob die Geldmenge im europäischen Wirtschaftsraum weiter überdurchschnittlich gesteigert wird oder nicht.

Die Leidtragenden sind die Bürgerinnen und Bürger: Ihre Konsummöglichkeiten verringern sich. Der Wert ihrer kapitalgedeckten Altersvorsorge verringert sich. Die Lohn- und Einkommensteuerzahler in unserem Land werden durch die Inflation auf der einen Seite und den progressiven Steuertarif auf der anderen Seite von der kalten Progression geschröpft wie noch nie. Das heißt auf gut Deutsch: Den Bürgern bleibt weniger Geld, und die Kaufkraft sinkt.

Gleichzeitig wird Wohnen noch teurer, weil der Immobilienmarkt weiter angeheizt wird. Auch die preisliche Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft leidet unter der Inflation. Der Staat erzielt noch höhere Steuereinnahmen als bisher, hat allerdings auch höhere Tarifausgaben und muss für Schulden wieder mehr Steuergeld aufwenden. – Das alles sind keine guten und erstrebenswerten Entwicklungen. Deshalb müssen wir die Sorgen der Bürgerinnen und Bürger ernst nehmen. Vor allem sind alle Akteure aufgefordert, alles zu tun, was in ihrer Macht steht, um die Inflation einzudämmen.

Formaljuristisch ist es Aufgabe der Europäischen Zentralbank, für stabile Preise zu sorgen. Hierzu könnte die EZB auch tatsächlich einen Beitrag leisten, wenn sie zeitnah den Ausstieg aus dem geldpolitischen Krisenmodus einleiten, die Anleihekäufe reduzieren und eine moderate Steigerung des Leitzinses einleiten würde, wie es zum Beispiel die Federal Reserve der USA vorgemacht hat. Allerdings müsste sich die EZB dann von ihrem seit geraumer Zeit verfolgten Hauptziel abwenden, die wirtschaftliche und fiskalische Situation vor allem in den südlichen EULändern dadurch zu verbessern, dass immer mehr Geld in den Markt gepumpt wird. Beide Ziele sind nicht gleichzeitig erreichbar.

Einen großen Beitrag zur weiteren Entwicklung könnten alle Regierungen in der EU leisten, wenn sie bereit wären, zu den Zielen der Stabilitäts- und Wachstumspolitik zurückzukehren, und zumindest schrittweise die mittlerweile übermäßige Staatsverschuldung wieder abzubauen beginnen würden. Leider bleibt auch der Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung bei der Frage sehr vage, ob in Europa auf solide Finanzen oder auf hemmungsloses Geldausgeben gesetzt werden soll.

Die CSU setzt ganz klar auf eine solide Finanz– und Geldpolitik in Bayern, Deutschland und Europa einschließlich der Einhaltung der Maastricht-Kriterien. Wir fordern die EZB auf, Artikel 127 AEUV, des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, zu beachten, für stabile Preise zu sorgen, die Anleihekäufe endlich zurückzuführen und den Leitzins schrittweise zu erhöhen. Letzteres ist schon alleine deshalb erforderlich, um eine Abwertung des Euro gegenüber dem Dollar und damit noch teurere Importe und noch teurere Energiepreise zu vermeiden.

Wir fordern aber auch nationale Maßnahmen; Abwarten und Zuschauen gilt nicht. Wenn man nach Berlin schaut, hat man den Eindruck, dass bei dem Thema "abwarten und Tee trinken" angesagt ist. So geht die Zukunft nicht: Die Bundesregierung muss auch handeln.

(Beifall bei der CSU sowie Abgeordneten der FREIEN WÄHLER)

Die Staatsregierung hat bereits mit ihrer Bundesratsinitiative am 21. September letzten Jahres Vorschläge unterbreitet, wie die Auswirkungen der Teuerung auf Sparer und Verbraucher abgemildert werden können. Erforderlich sind demnach steuerliche Maßnahmen zur Entlastung der Sparer, vor allem aber eine Entlastung der Haushalte bei den Energiekosten über eine Absenkung der Stromsteuer, die zeitnahe und vor allen Dingen vollständige Abschaffung der EEG-Umlage und die systematische Erhöhung der Pendlerpauschale. Auch alle weiteren Energiesteuern gehören in dieser Situation auf den Prüfstand.

Die CSU hält es weiterhin für dringend erforderlich, die kalte Progression bei der Lohn– und Einkommensteuer dadurch abzubauen, dass der Tarif in kürzeren Intervallen überprüft und den Entwicklungen angepasst wird. Der Staat darf die Steuerzahler nicht mithilfe des widrigen Gesellen Inflation wie eine Weihnachtsgans ausnehmen. Das ist schäbig; das werden sich die Steuerzahler nicht bieten lassen.

Nachdem offensichtlich ist, dass die sprunghaften Energiepreissteigerungen auch zu sprunghaften Inflationsschüben führen, ist es meines Erachtens dringend erforderlich, ehrlich, klar und deutlich zu sagen, welche Energiemengen aus welchen Grundstoffen in Deutschland wie gedeckt werden sollen.

(Zuruf)

Wenn klar ist, dass der Gasbedarf in unserem Land nach dem vollständigen Ausstieg aus der Atom– und Kohlestromerzeugung zumindest mittelfristig weiter ansteigen wird, wenn gesagt wird, dass wir soundso viele weitere Gaskraftwerke brauchen, sollte auch klipp und klar gesagt werden, wo dieses Gas herkommen soll. Zurzeit decken wir unseren Gasbedarf etwa zur Hälfte mit Gas aus Russland, den restlichen Bedarf mit Gas aus Norwegen und den Niederlanden. Wir wissen, dass wir auch zukünftig auf diese Lieferanten angewiesen sind. So sollten wir auch reden und handeln. Gaspipelines, die das Gas nach Deutschland bringen, werden wir nutzen, weil wir sie brauchen. Alles andere Gerede ist unrealistisch und auch unverantwortlich, weil auch dadurch der Gaspreis steigt und steigt.