Protocol of the Session on March 14, 2017

Aber letztlich kaschieren Sie damit nur, dass eigentlich niemand von Rang und Namen mit Ihnen reden will. Herr Kollege Rosenthal, Sie haben recht: Außenpolitik wird in Berlin gemacht, nicht in München. Ihr Außenminister Sigmar Gabriel war kürzlich zu seinem Antrittsbesuch in Russland. Ich bin mir sicher: Ihr Genosse hat dort bestimmt die Ihnen wichtigen Punkte angesprochen. Sigmar Gabriel war einmal Wirtschaftsminister. Als solcher hat er eine Lockerung der Sanktionen gefordert. Was war die Reaktion der SPD, Herr Rinderspacher? – SPD-Mitglieder haben einen Arbeitskreis gegen Gabriels Ostpolitik gegründet. Ich kann nur sagen: Klären Sie erst einmal innerhalb Ihrer Partei den Kurs gegenüber Russland, bevor Sie uns Belehrungen erteilen.

(Beifall bei der CSU)

Wir brauchen dafür keinen selbsttherapeutischen Stuhlkreis. Unser Ministerpräsident Horst Seehofer hat einen ganz klaren Kurs in der Russlandpolitik. Er wird die für Bayern wichtigen Punkte ansprechen, und zwar handelt es sich hierbei um die Punkte der Zusammenarbeit, wo die Länderzuständigkeit greift und ureigenste Interessen Bayerns berührt sind: in der Bildung, in der Kultur, in der Wissenschaft und in der Wirtschaft. Besonders auch im Interesse der Landwirtschaft müssen wir mit Russland im Gespräch bleiben. Einfuhrverbote hat es zum Beispiel wegen der Schweinepest bereits vor der Krim-Annexion gegeben. Mehrere Importverbote wurden aus verschiedenen Gründen erlassen und belasten die Landwirtschaft bis heute. Man muss also unabhängig von der Frage der Sanktionen und der Gegensanktionen darauf drängen, zu einer guten Zusammenarbeit zurückzukehren. Ja, es ist notwendig, dass sich die Lage in der Ukraine verbessert und die Minsker Vereinbarungen umgesetzt werden. Aber mit wem sollen wir darüber reden, wenn nicht mit der Ukraine und auch mit Russland?

(Beifall bei der CSU)

Hier ist es wichtig, im Gespräch zu bleiben und Lösungen zu erarbeiten. Das geht nicht mit einem öffent

lichen Schaulaufen. Da ist eine zuverlässige Basis der vertrauensvollen Diplomatie gefordert. Natürlich beschäftigt auch uns die humanitäre Lage in Syrien. Es ist notwendig, dass die Hilfsorganisationen vor Ort nachhaltig und unbehindert ihre Hilfe leisten können.

(Markus Rinderspacher (SPD): Das ist eine Selbstverständlichkeit in Europa!)

Mit wem sollen wir darüber reden, wenn nicht auch mit Russland? Russland ist für viele Krisen in der Welt der Schlüssel zur Lösung. Deshalb stellen wir aber noch keinen Freibrief aus, sondern handeln in größter Verantwortung für Bayern und im Bewusstsein der Krisenherde dieser Welt.

(Beifall bei der CSU)

Schon allein aufgrund der Verbindungen, die zwischen den Russlanddeutschen und ihrer ehemaligen Heimat bestehen, dürfen die Gesprächsfäden nicht abreißen. Ein offener Austausch sollte deshalb auch in deren Sinne wichtig sein. Diese Reise ist mit Sicherheit nicht einfach, aber unser Ministerpräsident Horst Seehofer duckt sich nicht weg, sondern handelt im Interesse Bayerns. Deshalb ist – die Kollegin Schulze hat es angesprochen – ein Treffen mit russischen Nichtregierungsorganisationen wie der Gorbatschow-Stiftung angesetzt. Eine große und langjährige bayerische Nichtregierungsorganisation ist sogar in der Delegation vertreten, Herr Rinderspacher. Bayern setzt nicht auf Abschottung, sondern auf den Dialog mit Russland. Das ist doch der Grundgedanke von Europa. Sie sprechen im Titel der heutigen Aktuellen Stunde von "Verantwortung für europäische Werte". Aber was genau ist der größte europäische Wert, den wir heute haben? – Dass die Vertreter der Staaten am Konferenztisch zusammensitzen und dort um Lösungen ringen, nicht auf dem Schlachtfeld. Russland bekommt keinen Freibrief und hat ihn auch nicht verdient. Sie schreiben im Titel zwar "Kritischer Dialog", aber nach der bisherigen Debatte meinen Sie eigentlich "Kein Dialog".

(Markus Rinderspacher (SPD): Das ist Quatsch! Völliger Schmarrn!)

Es ist aber noch kein Problem gelöst worden, indem man nicht miteinander gesprochen hat. Früher wurden sogar Foren zum Dialog und zur Zusammenarbeit gegründet, um miteinander im Gespräch zu bleiben. Denken Sie nur an die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, die OSZE, die aus der gleichnamigen Konferenz entstanden ist und bis heute besteht. Es war eine einzigartige Errungenschaft dieses Dialogs und dieser Verhandlungen, die damaligen Ostblockstaaten für die Anerkennung von Menschenrechten zu gewinnen. Genau dieser Dialog

für den Frieden und für die Menschenrechte macht Europa aus. Genau das gilt es zu erhalten und im Gespräch mit unseren Nachbarn deutlich zu machen. Natürlich gibt es im Verhältnis zu Russland auch kritische Punkte. Entscheidend ist dabei aber doch, ob Putin glaubt, mehr durch Konfrontation als durch Kooperation gewinnen zu können.

(Markus Rinderspacher (SPD): Was ist Ihre Antwort darauf?)

Deswegen liegt es doch auch an uns, deutlich zu machen: Die Vorteile durch Kooperation überwiegen. Deswegen müssen wir miteinander reden.

(Volkmar Halbleib (SPD): Bedingungen?)

Außerdem zeigt die Erfahrung aus der Geschichte, vor allem aus der jüngeren Geschichte: Sie erreichen bei Russland nichts, wenn Sie es auf offener Bühne brüskieren, im Gegenteil: So manche Krise, die wir derzeit erleben, hat sich dadurch eher noch verschärft. Russland ist ein stolzes Land und eine stolze Nation und nicht irgendeine Provinz oder irgendeine Regionalmacht. Manchmal ist es besser, an der richtigen Stelle zu flüstern, als an der falschen Stelle laut zu brüllen. Vertrauensvolle und gerade deshalb offene und ehrliche Diplomatie ist für Bayern das Gebot der Stunde gegenüber Russland. Dafür steht unser Ministerpräsident Horst Seehofer.

(Beifall bei der CSU)

Danke schön, Herr Kollege. – Als Nächster hat nun der Herr Ministerpräsident das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! In diesem Raum schwebt seit einer Stunde ein gewaltiger Widerspruch. Auf der einen Seite kommt von jeder Oppositionsfraktion der Hinweis: Außenpolitik ist doch nicht Zuständigkeit des Freistaats Bayern. Auf der anderen Seite werde ich in der gleichen Rede pausenlos mit außenpolitischen Forderungen konfrontiert, die ich gegenüber Staatspräsident Putin vorbringen soll.

(Beifall bei der CSU – Volkmar Halbleib (SPD): Entweder – oder!)

Jetzt müssen Sie sich mal darüber klar werden, was Sie eigentlich wollen.

(Volkmar Halbleib (SPD): Entweder – oder!)

Wenn Sie dem Freistaat diese Zuständigkeit absprechen, was per se falsch ist, dann können Sie aber nicht anschließend den Bayerischen Ministerpräsiden

ten auffordern, ausschließlich außenpolitische Gesichtspunkte in die Debatte mit Putin einzubringen.

(Beifall bei der CSU – Volkmar Halbleib (SPD): Aber wenn er fährt, wird er das machen!)

Das Zweite richtet sich mehr an die Öffentlichkeit; denn die Öffentlichkeit könnte ja meinen, morgen setzt sich eine Delegation unter Führung des Bayerischen Ministerpräsidenten nach Moskau in Bewegung und die Opposition bleibt zu Hause. Aber die Opposition – das möchte ich der bayerischen Öffentlichkeit mitteilen – schimpft zwar über die Reise, ist aber morgen sehr gerne dabei, und zwar ausnahmslos.

(Beifall bei der CSU – Zurufe von der CSU: Hört, hört! – Volkmar Halbleib (SPD): Unterste Schublade, Herr Ministerpräsident! Das ist Ihrer nicht würdig! Das ist ein unwürdiges Argument!)

Wir haben drei ganz klare Wegweisungen für unsere Politik. Das gilt für meine Vorgänger wie für mich. Bayern liegt im Herzen Europas. Das ist gesagt worden. Wir legen größten Wert darauf, dass wir mit unseren unmittelbaren Nachbarn, aber auch mit den entfernteren Nachbarn, eine vernünftige Partnerschaft, ja, in vielen Fällen sogar Freundschaften haben. Einer meiner größten Erfolge ist, mit unserem unmittelbaren Nachbarn, nämlich Tschechien, wieder in Freundschaft zu leben.

(Beifall bei der CSU)

Das ist die bayerische Auffassung. Ich fahre aus diesem Grunde zum dritten Mal nach Moskau und werde auch zum dritten Mal mit Präsident Putin zusammentreffen. Ich sage: Jede dieser Reisen war ein großer Erfolg, und ich würde jede Reise wieder genauso anlegen wie in der Vergangenheit.

(Markus Rinderspacher (SPD): Um Gottes willen, Herr Seehofer! – Volkmar Halbleib (SPD): Das kann nicht Ihr Ernst sein!)

Wir haben als Freistaat Bayern eine Partnerschaft mit der Stadt Moskau. Das wird oft vergessen. Ich persönlich könnte – das dürfen Sie mir glauben –, wenn ich nur danach ginge, was weltweit an Wünschen vorhanden ist, jede Woche eine große Reise antreten, so geachtet, respektiert und wichtig ist der Freistaat Bayern für viele.

(Beifall bei der CSU)

Im Übrigen wird nach der Bayerischen Verfassung der Freistaat Bayern vom Bayerischen Ministerpräsidenten nach außen vertreten. Jeder Bayerische Minister

präsident hat diesen Verfassungsauftrag äußerst ernst genommen. Ferner darf ich darauf hinweisen, dass der Freistaat Bayern und die CSU, die diesen Freistaat Bayern in der Regierung trägt, Teil der Bundesregierung sind und von daher durchaus eine Kompetenz und Zuständigkeit aus der Bundespolitik erwächst.

Ich erinnere Sie daran, dass solche Reisen selbstverständlich mit dem Außenminister, mit der Kanzlerin und vielen anderen, die sich auf diesem Feld auskennen, abgesprochen und beraten werden. Erst kürzlich hat mir Sigmar Gabriel über seinen Staatssekretär wichtige Unterlagen zu seiner Reise zugeleitet. Dabei wird sorgfältig vorgegangen. Zu einer sorgfältigen Außenpolitik gehört auch, wichtige Punkte gelegentlich für sich zu behalten. Das trifft für den Außenminister zu, der mir immer sagt, ich dürfe ihn im Landtag nicht zu sehr loben, weil er sonst Schwierigkeiten mit Ihnen bekomme.

(Inge Aures (SPD): Das stimmt doch gar nicht!)

Heute sage ich Ihnen: Das betrifft auch die Vorbereitungen auf solche Reisen.

Wir sind nicht auf einem Auge blind. Am Rande der Sicherheitskonferenz in München habe ich mich erneut mit Herrn Poroschenko, dem Staatspräsidenten der Ukraine, getroffen und mit ihm die Situation in der Ukraine besprochen. Am liebsten wäre ich schon im April zu ihm gereist. Er hält ein Treffen im Mai jedoch für sinnvoller. Deshalb möchte ich dem Parlament mitteilen, dass wir im Hinblick auf unsere Bemühungen um Dialog und Partnerschaft nicht nur in eine Richtung marschieren. Wir bemühen uns um ehrliche und kluge Partnerschaften mit allen. Es gehört im Interesse Bayerns zum Auftrag des Bayerischen Ministerpräsidenten, im Mai die Ukraine zu besuchen, um mit Poroschenko zusammenzutreffen.

(Beifall bei der CSU)

Die Opposition macht den Spagat, zwar alles zu kritisieren, was ich tue, aber morgen fröhlich und freundlich mit mir im Flugzeug zu sitzen. Wir werden uns sicher auch angenehm unterhalten. Deshalb will ich heute zwei Unwahrheiten, die Sie wiederholt vorgetragen haben, korrigieren. Sie sagten, ich würde zum ersten Mal mit Menschenrechtsorganisationen in Moskau zusammentreffen. Unausgesprochen meinen Sie damit: Gäbe es nicht die Opposition, die mich dazu aufgefordert hat, würde das Treffen auch nicht stattfinden. Das ist immer Ihr Spagat. Die Wahrheit ist, dass ich im Rahmen meiner letzten Reise einen ganzen Abend mit Nichtregierungsorganisationen in der deutschen Botschaft gesprochen habe. Das war im Vor

feld der Duma-Wahlen. Deshalb war das besonders interessant.

(Beifall bei der CSU)

Das war ein sehr gutes Gespräch. Auch diesmal wird es zu solchen Begegnungen kommen. Diesmal werden die Gespräche nicht wie damals abends in der deutschen Botschaft stattfinden, sondern in der Früh um zehn Uhr. Wahrscheinlich werden Sie auch dabei sein. Ich habe auch gar nichts dagegen, selbst wenn ich weiß, dass das unterschiedlich interpretiert wird. Das ist jedoch das Risiko, wenn man Delegationen demokratisch und liberal zusammensetzt. Das habe ich in China auch schon erlebt. Das ist eine objektiv unzutreffende Ausführung, die Sie heute gemacht haben.

Sie haben außerdem behauptet, ich hätte im Zusammenhang mit dem Minsker Abkommen und der Frage nach Sanktionen die bedingungslose Aufgabe dieser Sanktionen gefordert. Das ist falsch. Das letzte Gespräch wurde mit Vertretern des Petersburger Dialogs, mit Herrn Ischinger, dem damaligen Außenminister und der Bundeskanzlerin vorbereitet und auch nachbereitet. Ich lege immer Wert darauf, die Ergebnisse des Gesprächs mit Staatspräsident Putin am Ende auch mit der Bundesregierung zu besprechen. Abgesehen davon ist der deutsche Botschafter ohnehin dabei und erstattet der Bundesregierung direkt Bericht. Das zeigt, dass Sie nicht immer wissen, wie solche Gespräche ablaufen. Die Ergebnisse werden der Bundesregierung eins zu eins übermittelt.

Wir haben in diesem Gespräch über die Sanktionen gesprochen. Im Minsker Abkommen sind 13 Punkte vereinbart worden. Leider müssen wir feststellen, dass bis heute keiner dieser 13 Punkte vollumfänglich umgesetzt worden ist. Den Zusammenhang zwischen der Umsetzung des Minsker Abkommens und der Beendigung der Sanktionen muss man einem erwachsenen Menschen nicht erklären. Das ist selbstverständlich. Wir haben über alle Facetten gesprochen. Übrigens habe ich auch mit Poroschenko über alle Facetten gesprochen. Auf beiden Seiten ist das nicht so einfach. Deshalb wird man sich noch schwer bemühen müssen. Zum Schluss unseres letzten Gespräches sagte der Staatspräsident: Sie können öffentlich sagen, dass beide Seiten noch Hausaufgaben zu erledigen haben. Ich fand es bemerkenswert, dass uns einer der beiden Vertragspartner – wir sind nicht Vertragspartner – sagt: Sie können öffentlich mitteilen, dass von beiden Seiten noch Hausaufgaben zu machen sind, damit das Minsker Abkommen als erfüllt gelten kann.

Anfang dieses Jahres habe ich gesagt, ich würde mir wünschen, im Laufe dieses Jahres die Voraussetzungen zu schaffen, um auf die Sanktionen verzichten zu können. Mitnichten habe ich gefordert, als Vorleistung die Sanktionen auf jeden Fall aufzuheben in der Hoffnung, dass sich die Partner irgendwann richtig verhalten werden. Ich weiß sehr wohl um diesen inneren Zusammenhang, der besprochen worden ist und in der gleichen Weise wieder besprochen wird. Ich kann Ihnen nur sagen: Setzen Sie solche Unwahrheiten nicht in die Welt. Sie nutzen Ihnen nicht, sie nutzen den Menschen nicht, und sie nutzen dem Friedensprozess in der Ukraine nicht. Ich sage Ihnen noch einmal: Auch an dieser Stelle haben Sie die Unwahrheit gesagt.

Wir haben eine große Delegation aus Vertretern der Wirtschaft, der Wissenschaft, der Kultur und der Landwirtschaft zusammengestellt. Unter vier Augen habe ich Ihnen gesagt, dass sich die Delegationsmitglieder nicht schämen müssen. Sie haben alle ernsthafte Bemühungen im Gepäck, um die Partnerschaft und Freundschaft zwischen Russland und Bayern und den jeweiligen Organisationen zu vertiefen. Wir sollten sie nicht in cumulo als Mitglieder einer Delegation einstufen, die zunächst das Laufen lernen muss. Das ist gegenüber den Delegationsmitgliedern ungerecht.

(Beifall bei der CSU)

Wir werden viele Gespräche führen. Wir werden manche Vereinbarungen treffen. Bemerkenswert ist auch ein Ergebnis des letzten Gesprächs mit Putin. Wir treffen auch Vereinbarungen mit der Russischen Föderation. Wir arbeiten zwar auch mit Regionen wie der Stadt Moskau zusammen, weil sie unsere Partnerstadt ist. Wir treffen jedoch auch Vereinbarungen auf der Ebene der Russischen Föderation. Das ist eine große Anerkennung für den Freistaat Bayern. Staatsrechtlich ist der Partner Russlands die Bundesrepublik Deutschland. Zu Beginn des letzten Gesprächs hat der Staatspräsident angesichts der Bedeutung der Beziehungen – Herr Kollege Schwartz hat das im Detail geschildert – eine Zusammenarbeit zwischen dem Freistaat Bayern und der Russischen Föderation im Rahmen von Abkommen begrüßt. Ich finde, das ist ein Ausdruck der Anerkennung für den Freistaat Bayern.