Protocol of the Session on February 22, 2017

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Was kann man eigentlich als Bürger oder als Bürgerin erwarten, wenn man eine Staatsregierung hat? Kann man da nicht erwarten, dass ein Kultusminister bei einer sich abzeichnenden Veränderung kraftvoll nach vorne geht und eine klare pädagogische Ansage macht? Kann man und darf man das erwarten,

(Beifall bei der SPD)

oder muss man darauf bauen, dass es einen Ministerpräsidenten gibt, der die Zeichen der Zeit erkannt hat und der dem Kultusminister sagt, wie er eine bildungspolitische Entscheidung angehen muss? – Ich frage Sie: Was dürfen wir jetzt erwarten? Herr Staatsminister, hier handelt es sich doch um Ihr Ressort, um Ihre Zuständigkeit und um Ihre Fachlichkeit. Sie müssen uns sagen, wie ein modernes neues Gymnasium aussieht. Dieses Thema kann man doch nicht auf irgendjemanden delegieren. Sie sollten Eckpunkte festlegen, über die wir dann reden und die wir da und dort angleichen können. Wir brauchen hier den umgekehrten Prozess. Wir sind es leid, diese Diskussion hier immer wieder führen zu müssen. Das ist unerträglich.

(Beifall bei der SPD – Gudrun Brendel-Fischer (CSU): Wir sind es auch leid!)

Das versteht draußen kein Mensch mehr. Herr Kollege Lederer, in der Tat, es gibt in der Bildungspolitik andere Themen. Die Gymnasiastinnen und Gymnasiasten und ihre Lehrerinnen und Lehrer haben es aber verdient, dass wir über dieses Thema fundiert und sauber sprechen. Sie sollten deshalb nicht immer sagen: Wir sind im Zeitplan! Wir sind im Zeitplan!

Jetzt ist die Zeit für eine Ansage. Für Sie müsste es doch ganz einfach sein, unserem Dringlichkeitsantrag zuzustimmen, da damit nur die Erstellung eines Plans gefordert wird, wie dieses Thema zu managen ist. Dagegen spricht doch nichts. Damit wären wir miteinander auf dem richtigen Weg. Sie sagen dazu Nein. Sollte es uns bei dieser Diskussion nicht gelingen, am Ende zu einem Schulfrieden zu kommen, weiß ich nicht, wie wir diese Diskussion in den nächsten Jahren weiterführen sollen.

Ich sage hier und heute: Sollten wir das gemeinsam hinbringen, werden wir von der Opposition sagen: Die Sache ist erledigt. Mit diesem Gymnasium gehen wir in die nächsten 20 Jahre. Mit dieser Herumeierei kommt in diese Diskussion aber keine Ruhe. Das ist Ihre Verantwortung, nicht unsere.

(Beifall bei der SPD – Prof. Dr. Gerhard Waschler (CSU): Nur die Opposition eiert herum!)

Danke schön, Herr Kollege Güll. – Nun hat sich Herr Staatsminister Dr. Spaenle noch einmal zu Wort gemeldet.

Sehr geehrter Herr Kollege Güll! Zum Verfahren, zum Vorgehen und zu den Themenfeldern, mit denen wir die Entwicklung des Gymnasiums vorantreiben wollen, ist alles Notwendige gesagt. Eines wundert mich aber, nämlich Ihr Verständnis von parlamentarischer Arbeit.

(Beifall bei der CSU)

Ich halte das für sehr bemerkenswert. Wir haben die Entscheidungsalternativen klar benannt. Wir haben Themenfelder, die wir inhaltlich vertieft zu bearbeiten haben. Die Regierungsfraktion befindet sich derzeit in der Meinungsbildung. Wir haben einen mehrmonatigen Dialogprozess angekündigt, der momentan durchgeführt wird. Die Staatsregierung und meine Fraktion nehmen in diesen Tagen eine inhaltliche Richtungsbestimmung vor. Die gewonnenen Erkenntnisse werden jetzt zu einer wichtigen Entscheidung mit den entsprechenden Folgeentscheidungen gerinnen. Sie erwecken gegenüber der Öffentlichkeit den Eindruck, als ob Sie die Rolle des Parlaments in der wichtigsten bildungspolitischen Frage dieser Legislaturperiode ignorieren wollten.

(Beifall bei der CSU)

Vielen Dank, Herr Staatsminister. – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Dazu werden die Anträge wieder getrennt.

Wer dem Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 17/15593, das ist der Antrag der Fraktion der FREIEN WÄHLER, seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen der SPD, der FREIEN WÄHLER und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Gegenstimmen, bitte! – Das ist die Fraktion der CSU.

(Prof. Dr. Michael Piazolo (FREIE WÄHLER): Zählen!)

Stimmenthaltungen? – Keine Enthaltungen.

Die genaue Zahl der Stimmen ist in der Tat nicht klar. Deshalb würde ich sagen, wir führen einen Hammelsprung durch. – Kolleginnen und Kollegen, ich bitte Sie, den Plenarsaal zu verlassen. Der Hammelsprung wird vorbereitet.

(Folgt Abstimmung gemäß § 129 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Bayerischen Landtags)

Kolleginnen und Kollegen, bitte nehmen Sie die Plätze ein, damit wir sehen können, ob die Zählung abgeschlossen ist. – Ich schließe die Abstimmung.

(Glocke der Präsidentin)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, sobald Sie die Plätze eingenommen haben, kann ich das Ergebnis der Abstimmung bekanntgeben. Das Ergebnis der Abstimmung zum Dringlichkeitsantrag der FREIEN WÄHLER auf der Drucksache 17/15593 lautet: Mit Ja haben 63 Kolleginnen und Kollegen gestimmt, mit Nein 81, Enthaltungen gab es keine. Damit ist dieser Antrag abgelehnt.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU – Zuruf von der SPD: Ein Wunder ist geschehen! – Glocke der Präsidentin)

Wer dem Dringlichkeitsantrag der SPD-Fraktion auf der Drucksache 17/15595 seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen der SPD, der FREIEN WÄHLER und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Gegenstimmen! – Das ist die CSU-Fraktion. Enthaltungen? – Keine. Damit ist auch dieser Antrag abgelehnt.

(Glocke der Präsidentin)

Ich würde gerne fortfahren mit der Abstimmung. – Wer dem Dringlichkeitsantrag von BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN auf der Drucksache 17/15597 seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FREIEN WÄHLER. Gegenstimmen! – Das ist die CSU-Fraktion. Enthaltungen? – Keine. Damit ist auch dieser Antrag abgelehnt.

Zur gemeinsamen Beratung rufe ich auf:

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Katharina Schulze, Ludwig Hartmann, Christine Kamm u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Abschiebungen nach Afghanistan aussetzen! (Drs. 17/15594)

und

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Markus Rinderspacher, Alexandra Hiersemann, Franz Schindler u. a. und Fraktion (SPD) Abschiebungen nach Afghanistan umgehend aussetzen! (Drs. 17/15609)

und

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Hubert Aiwanger, Florian Streibl, Dr. Hans Jürgen Fahn u. a. und Fraktion (FREIE WÄHLER) Augenmaß nicht verlieren Sicherheitslage in Afghanistan neu bewerten (Drs. 17/15610)

Zu den Dringlichkeitsanträgen der GRÜNEN und der SPD ist jeweils namentliche Abstimmung beantragt worden. Wir werden also nach der Debatte zwei namentliche Abstimmungen durchführen. Ich eröffne die gemeinsame Aussprache. – Erste Rednerin ist die Kollegin Kamm.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Sammelabschiebungen im Dezember letzten Jahres und Januar dieses Jahres und insbesondere die Schicksale der hiervon Betroffenen haben in der Öffentlichkeit, bei den Helferkreisen, in den Schulen, bei den Mitschülerinnen und Mitschülern, bei den Menschen, die die von der Abschiebung Betroffenen kannten, bei den Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern, bei den Kolleginnen und Kollegen und natürlich auch in der afghanischen Community und bei den anderen Flüchtlingen hier im Lande Unverständnis, Betroffenheit, Trauer, Bestürzung und Entsetzen ausgelöst.

(Glocke der Präsidentin)

Ein deutsches Ehepaar, das einem ihm bekannten Abgeschobenen nachreisen wollte, um ihm etwas Unterstützung zukommen zu lassen, erfuhr von der Deutschen Botschaft in Kabul: Für Afghanistan besteht Reisewarnung, und zwar für das ganze Land. Es gibt keine sicheren Gebiete, und wir raten von Reisen nach Afghanistan ab.

Diese Auskunft steht in diametralem Gegensatz zu den derzeitigen Ausführungen des Bundesinnenministers, der behauptet, dass die Lage in Afghanistan zwar kompliziert sein möge, es jedoch irgendwo sichere Ecken gebe. Wo diese aber sein sollen, das verrät der Bundesinnenminister nicht. Tatsache ist: Es gab mehr als 50 Tote in den letzten Wochen, allein bei Anschlägen in Kabul über 90 Verletzte, Anschläge auf das Parlament, auf Gerichtsgebäude, auf eine schiitische Moschee und sonst wo.

Ein aus Bayern, nämlich aus Bamberg abgeschobener Flüchtling – ein junger Altenpfleger, gut integriert,

gut Deutsch sprechend, für seinen eigenen Lebensunterhalt in einem Mangelberuf sorgend –, wurde bei einem dieser Anschläge in einem vermeintlich sicheren Gebiet in Kabul verletzt. Das Rote Kreuz verlor kürzlich bei einem Anschlag sechs Mitarbeiter, sie wurden erschossen; zwei wurden entführt und seither nicht mehr aufgefunden. Das Rote Kreuz hat seither seine Arbeit in Afghanistan ausgesetzt. Es ist absurd, zu meinen, Zivilisten seien nicht Ziel von Taliban-Anschlägen, sondern nur deren Opfer. Zynisch finde ich das angesichts 11.500 ziviler Opfer im letzten Jahr und angesichts der Tatsache, dass die Zivilbevölkerung die Polizei, das Bildungs- und Gesundheitswesen, die Minenräumer, das Rote Kreuz und sonstige Hilfsdienste zu ihrer Sicherheit braucht. Es ist einfach zynisch, so zu argumentieren.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Hinzu kommt, dass es in Afghanistan bereits jetzt zwei Millionen Binnenflüchtlinge gibt, die in elenden Umständen leben, geflohen aus Gebieten, wo sie von den Taliban vertrieben wurden. Herr Innenminister, Gebiete, die gestern noch sicher waren, sind es nachts oder morgen möglicherweise nicht mehr.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wie viele Menschen müssen sterben, damit ein solcher Krieg endlich ernst genommen wird? Was muss geschehen, bis man endlich damit aufhört, ihn wegdiskutieren zu wollen?

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir müssen uns die Frage stellen, inwieweit die Sicherheitslage in Afghanistan es zulässt, Ausreisepflichtige dorthin abzuschieben. Diese Beurteilung vorzunehmen, fällt in die Kompetenz des Bundes. Den Ländern steht hier nur ein eingeschränkter Beurteilungsspielraum zu. Hieraus erwächst für die Bundesregierung, an der Sie auch beteiligt sind, die Aufgabe, auf Veränderungen der Sicherheitslage schnell und sachgerecht zu reagieren.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Baden-Württembergs Ministerpräsident Kretschmann forderte Bundesaußenminister Gabriel dringend auf, eine aktualisierte Bewertung der Sicherheitslage unter Einbeziehung des Roten Kreuzes, des UNHCR und der IOM, der Internationalen Organisation für Migration, vorzunehmen. Der UNHCR – das ist Ihnen wahrscheinlich bekannt – stellt für das gesamte Staatsgebiet Afghanistans einen innerstaatlichen bewaffneten Konflikt fest und sagt, man könne nicht zwischen sicheren und unsicheren Gebieten unterscheiden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen der CSU-Fraktion, fordern auch Sie mit den anderen Fraktionen des Bayerischen Landtags die Bundesregierung auf, eine neue, aktuelle Sicherheitsbewertung vorzunehmen. Wir fordern dies in unserem Antrag. Wir fordern aber auch weiter, langjährig hier lebende, gut integrierte Flüchtlinge nicht abzuschieben und ihnen entsprechend den §§ 25 ff. des Aufenthaltsgesetzes Bleiberechtsanerkennungen zuteilwerden zu lassen. Bei diesen Bleiberechtsanerkennungen hinkt Bayern, wenn man sich die Fallzahlen in Bayern und anderen Bundesländern anschaut, schwer hinterher. Andere Bundesländer integrieren langjährig hier lebende Geflüchtete, die selbst für ihren Lebensunterhalt sorgen können. Bayern tut dies nicht – zum Schaden gut integrierter Geflüchteter aus Augsburg, Landshut, Bamberg, Weitnau und anderen Orten, die in den Abschiebefliegern saßen.

Vielleicht hierzu noch eine kurze Stellungnahme des Geschäftsführers der IHK Schwaben: Er stellt fest, dass in Schwaben aktuell knapp ein Drittel von rund 550 Auszubildenden in einem IHK-Beruf mit Fluchthintergrund aus Afghanistan stammt. Gerade die afghanischen Flüchtlinge seien aufgrund ihrer hohen Motivation, ihrer realistischen Berufswünsche und ihrer guten Deutschkenntnisse passende Bewerber für viele unserer Betriebe im Lebensmittelbereich, im Textilbereich, bei der Logistik, beim Handel, in der Gastronomie, in der Hotellerie – überall dort, wo wir dringend nach Bewerbern suchen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir fordern in unserem Antrag weiter, kranke und traumatisierte Flüchtlinge nicht abzuschieben. Hierzu sagte der Diözesan- und Caritasdirektor Dr. Andreas Magg, als er von der Abschiebung eines Geflüchteten vom Hilfswerk für besonders schutzbedürftige Flüchtlinge in der Diözese Augsburg erfuhr: