Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Thomas Kreuzer, Karl Freller, Erwin Huber u. a. und Fraktion (CSU) Meisterpflicht und sog. reglementierte Berufe schützen (Drs. 17/15591)
Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Hubert Aiwanger, Florian Streibl, Johann Häusler u. a. und Fraktion (FREIE WÄHLER) Meisterpflicht und reglementierte Berufe in der derzeitigen Form erhalten (Drs. 17/15607)
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Warum stellen wir heute diesen Dringlichkeitsantrag? – Vorweg möchte ich sagen, dass ich unserem Arbeitskreis Wirtschaft, unserer gesamten Fraktion und Herrn Kollegen Erwin Huber sehr dankbar bin, dass sie bei Europaangelegenheiten aufpassen und darauf achten, dass unsere Meisterpflicht geschützt wird. Ich hoffe, dass ich nachher der gesamten Opposition dankbar sein werde, weil sie un
Die EU-Kommission hat am 10. Januar 2017 ein Maßnahmenpaket zur Dienstleistungswirtschaft vorgelegt. Was will sie damit erreichen? – Unternehmern und Freiberuflern soll damit die Erbringung von Dienstleistungen in anderen Mitgliedstaaten erleichtert werden. Das Ziel soll Wirtschaftswachstum in Europa sein. Oberflächlich betrachtet hört sich das ganz gut an. Wir müssen aber sehen, was hinter diesen Plänen steht.
Die EU plant Einzelmaßnahmen. Sie will eine Dienstleistungskarte einführen. Sie will das Notifizierungsverfahren nach der Dienstleistungsrichtlinie stärken. Und sie will die Verhältnismäßigkeitsprüfung bei Berufsreglementierungen neu ordnen. Das soll sogar rechtlich verbindlich sein. Als Empfehlung stellt die EU fest, dass sie bei den EU-Reglementierungen einen Reformbedarf sieht.
Zur Dienstleistungskarte: Die EU will, dass jeder Mitgliedstaat eine Koordinierungsbehörde einrichtet. Dort sollen sogenannte Dienstleistungserbringer eine Dienstleistungskarte beantragen können. Diese berechtigt dann zu einer Dienstleistungserbringung in einem anderen Mitgliedstaat. Das hört sich nicht nur kompliziert an, es ist auch furchtbar kompliziert. Ich denke, dass wir damit eine weitere Bürokratie einziehen würden, die wir überhaupt nicht brauchen. Wir würden damit nur eine weitere Verwaltungsstruktur einbauen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich spüre Ihre Begeisterung ob dieses Themas. Dieses Thema ist aber sehr wichtig. Das alles hört sich sehr kompliziert an, und es ist auch kompliziert. Wir müssen hier achtsam sein; denn die Meisterpflicht in Bayern ist sehr wichtig.
Allein die Ausdrücke für die Punkte, die hier geregelt werden sollen, sind bemerkenswert. Normalerweise müsste die Überschrift meiner Rede lauten: Schützt unsere Meisterpflicht und unsere reglementierten Berufe. Damit wäre der Antrag abgeschlossen. So leicht dürfen wir es uns aber an dieser Stelle nicht machen.
Welche weiteren Gefahren bestehen? – Mit dieser Regelung wäre die Gefahr verbunden, dass in einem Mitgliedstaat die Zulassung für eine Dienstleistungserbringung erfolgt, auf die ein anderer Staat überhaupt keinen Einfluss mehr hätte. Die EU will das sogenannte Notifizierungsverfahren stärken. Mitgliedstaaten müssen nicht, wie bisher, neue Regelungen lediglich mitteilen, sondern die EU kann das per Erlass verzögern oder sogar unterbinden.
Wir lehnen das ab – ich habe es vorhin schon bei der Frau Präsidentin gehört –, weil es ganz klar gegen das Subsidiaritätsprinzip verstößt. Damit hat sich bereits der Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie regionale Beziehungen beschäftigt. Die EU will eine Verhältnismäßigkeitsprüfung bei Berufsreglementierungen. Auch das verstößt ganz klar gegen das Subsidiaritätsprinzip; denn es besteht die große Gefahr, dass die Berufsausübungsregelungen beim Handwerk und bei den freien Berufen ausgehöhlt werden. Das ist eigentlich der Kernpunkt. Hier wird die Meisterpflicht untergraben, und das sollten wir auf alle Fälle verhindern.
Die Begeisterung wird nicht wirklich größer, wie ich merke. Aber sie kommt von der Wirtschaftsministerin, und das ist sehr schön.
Das Handwerk und die freien Berufe sehen das übrigens genauso. Auch sie haben sich intensiv mit diesem Thema beschäftigt; das ist auch gut so. Wir von der CSU-Fraktion stehen selbstverständlich an der Seite unserer freien Berufe und unseres Handwerks. Einen solchen Antrag wie den vorliegenden gibt es relativ selten. Ich gehe davon aus, dass wir zum Schluss einstimmig darüber befinden werden.
Ich bitte die Staatsregierung – die Staatsministerin ist anwesend –, auf Europaebene weiterhin sehr wachsam zu sein und sich weiterhin für die Meisterpflicht und für die Reglementierung der freien Berufe einzusetzen. Dafür wäre ich sehr dankbar; denn die Meisterpflicht ist Garantin für eine hohe Ausbildungsqualität und somit für einen hohen Arbeitsstandard, wie wir ihn hier in Deutschland kennen.
Wie gesagt, auch wenn sie trocken klingt: Diese Angelegenheit ist sehr wichtig, und ich wäre Ihnen ausgesprochen dankbar, wenn wir heute einen einstimmigen Beschluss fassen könnten. Ebenso dankbar wäre ich, wenn sich die Staatsregierung auf europäischer Ebene für diese Sache einsetzte.
Herr Kollege Straub, verbleiben Sie bitte am Rednerpult. Frau Kollegin Celina möchte eine Zwischenbemerkung machen.
Sehr geehrter Herr Straub, die vier Grundfreiheiten in der EU beinhalten den freien Verkehr von Waren, von Personen, von Dienstleistungen und von Kapital. Wie bringen Sie die Grundfreiheit des Verkehrs von Dienstleistungen innerhalb
der EU mit der Ablehnung der Richtlinie der EU, die Sie deutlich zum Ausdruck bringen, in Übereinstimmung?
Ich habe es bereits gesagt: All diese Dinge sind bereits geregelt, und sie sind sehr gut geregelt. Es geht darum, dass sie durch die Hintertür ausgehöhlt werden könnten. Da müssen wir sehr wachsam sein. Das Maßnahmenpaket allein bringt noch keine Änderung in diesen Bereichen. Deswegen fällt die Meisterpflicht noch nicht zwangsläufig; das ist ganz klar.
Wir sollten jedoch weiterhin aufmerksam sein. Es finden sich gewisse Formulierungen und einige Aspekte, die unter anderem das Handwerk und die freien Berufe genauso sehen. Auch Sie von der GRÜNEN-Fraktion sollten diese Zeichen des Handwerks und der freien Berufe aufnehmen und unserem Antrag folgen, auch wenn es Ihnen noch so schwerfällt, Frau Celina.
Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die FREIEN WÄHLER hat jetzt der Kollege Häusler das Wort. Herr Kollege Häusler, bitte ans Rednerpult.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr verehrte Frau Staatsministerin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Dringlichkeitsantrag der CSU wendet sich gegen wiederholte Versuche der EU – in diesem Fall der Kommission –, die Berufsausbildung und -ausübung weiter zu liberalisieren. Gleichzeitig soll die nationale Verantwortung eingeschränkt und durch neue administrative Regelungen bürokratisch aufgebläht werden. Das EUDienstleistungspaket, vorgelegt von der EUKommission am 10. Januar 2017, greift massiv in die Zulassung und Ausübung der freien Berufe, aber auch in die Deutsche Handwerksordnung ein. Dieses Dienstleistungspaket erhöht den Rechtfertigungs- und Deregulierungsdruck auf die freien Berufe und damit auf deren Selbstverwaltungsorgane, sprich: die Kammern.
Aus Sicht des Bundesverbandes der Freien Berufe ist dies ganz exakt der Ansatzpunkt, warum wir uns, wie es auch mein Vorredner schon gesagt hat, zusammentun und gemeinsam dagegen angehen sollten. Wir unterstützen als Fraktion der FREIEN WÄHLER deshalb diesen Dringlichkeitsantrag.
Wir haben aber auch einen eigenen Dringlichkeitsantrag nachgezogen, weil wir glauben, dass man das Problem ganzheitlich angehen muss. Zur ganzheitli
chen Sichtweise gehört auch die Einbeziehung möglicher künftiger internationaler Freihandelsabkommen, die auch über Europa hinaus wirken sollen. Daher wird auch der ganzheitliche Ansatz benötigt.
Das Dienstleistungsangebot, nach Maßgabe der EU gezimmert, soll mehr Wirtschaftswachstum in der EU generieren. Das ist der Ansatzpunkt. Darüber hinaus soll es aus Kommissionssicht auch überflüssige nationale Regelungen verhindern.
Bei dieser Gelegenheit können wir einen Blick zurück ins Jahr 2003 werfen. Seinerzeit hatte Wirtschaftsminister Clement unter der rot-grünen Bundesregierung mit der gleichen Begründung den Gesetzentwurf für eine Reform des Handwerksrechts vorgelegt. Damit sollten Wachstums- und Innovationschancen verbessert werden. Von 94 Handwerksberufen mit Meistervorbehalt sollten 65 Berufe herausgelöst und liberalisiert werden. Im Vermittlungsausschuss des Bundestages verständigte man sich schließlich auf 53 Berufe, bei denen der Meistervorbehalt letztlich aufgehoben wurde. Dankenswerterweise blieben bis zum heutigen Tag 41 Berufe in sogenannten gefahrgeneigten Bereichen erhalten, bei denen der Meistervorbehalt nicht aufgehoben wurde. Sie bilden die Grundlage unserer dualen Ausbildungsordnung, die wiederum die Voraussetzung dafür ist, dass wir heute wirtschaftlich wettbewerbsfähiger dastehen als viele unserer Nachbarstaaten und dass wir heute in unserem Land keine Jugendarbeitslosigkeit mehr kennen.
Was geschah in den Bereichen, in denen die Meistervorbehalte abgeschafft wurden? Wir konstatieren vielerorts eine niederschwelligere Ausbildung, einen absolut ruinösen Wettbewerb und ganz massive Qualitätseinschränkungen. Ich darf in diesem Zusammenhang auf europaweite Ausschreibungen verweisen und nenne hierfür als Beispiel die Justizvollzugsanstalt Aichach. Bei den Fliesenarbeiten wurde von einer spanischen Firma ein unglaublicher Pfusch abgeliefert. 4.800 m² Fläche mussten nachgebessert bzw. erneuert werden; die Gebäude konnten nicht bezogen werden. Das Ganze hat einen Schaden in Höhe von einer halben Million Euro verursacht. Das sind die Auswirkungen dieser ganzen Sache. Nicht umsonst forderten die Fliesenhersteller und die Fliesenverleger gemeinsam im Jahr 2013 die Wiedereinführung der Meisterpflicht. Sie begründen das mit dem zunehmenden Wissensverlust und dem Abbau des Know-how. Der Meistervorbehalt bedeutet nun einmal, dass der Meisterbrief die Voraussetzung für die Gründung oder Übernahme eines Handwerksbetriebs ist. Das darf sich nicht nur, wie es derzeit der Fall ist, auf die Berufe beschränken, bei deren Ausübung und Ausführung eine Gefahr für die Gesundheit oder das Leben von Menschen besteht. Der
Meister ist nun einmal der Garant eines hohen Qualitätsstandards, von Zuverlässigkeit und fachlichen Könnens.
Handwerk und Mittelstand sind das Rückgrat unserer Volkswirtschaft und die Garanten für dauerhafte Stabilität. Das Fundament dafür – ich habe es bereits gesagt – sind die duale Ausbildung und der Meistervorbehalt. Deshalb müssen wir dieses Thema auch ganzheitlich angehen.
Wir als Landtagsfraktion der FREIEN WÄHLER haben hierfür vielfältige Leitplanken und Stabilisierungsanker angeboten. Diese sind von der Mehrheitsfraktion leider nicht in allen Bereichen konsequent mitgetragen worden. Ich erinnere an unseren Antrag zur ergänzenden Klarstellung der Sicherung des Meistervorbehalts im Rahmen der TTIP-Verhandlungen. Da geht es um den transantlantischen Ansatz. Ich erinnere auch an Themen wie Bildungsgutscheine für die Meisterausbildung und die Gleichstellung von dualer und akademischer Bildung. Das ist ein ganz wichtiger Aspekt, wenn wir über den Facharbeitermangel sprechen.
Ich kann aber auch etwas Positives erwähnen, nämlich das Engagement, mit dem sich die CSU dem gemeinsamen Antrag der SPD und der FREIEN WÄHLER angeschlossen hat, wonach der Standard im Handwerk und den freien Berufen geschützt werden soll. Das war ein sehr guter Ansatzpunkt. Im Sinne des damaligen Ansatzes sollten wir auch dieses Thema gemeinsam anpacken. Daher bitte ich um Zustimmung zu beiden Anträgen. Wir werden auf jeden Fall zustimmen.
Herr Kollege, bitte verbleiben Sie am Rednerpult. Frau Kollegin Celina hat eine weitere Zwischenbemerkung.
Herr Häusler, Sie haben ziemlich am Anfang Ihrer Rede von einer massiven Beeinträchtigung gesprochen, die durch diese EURichtlinie entstehe. Was ist denn bitte "massiv"? Und was meinen Sie mit einer Beeinträchtigung?
Ich kann es ganz kurz machen; der Kollege Straub hat ja bereits vorhin die Details dargestellt. Ich kann Ihnen, wenn Sie wollen, aber auch noch einmal die Details nennen. Zum einen bedeutet es einen bürokratischen Mehraufwand, und zum anderen geht damit vor allem die Entmündigung der nationalen Kompetenz einher. Wir nehmen die nationalen Möglichkeiten, die uns im
Bereich der Ausbildung zur Verfügung stehen, zugunsten einer europäischen Nivellierung zurück. Die Nivellierung führt letztendlich zu einer Liberalisierung. Die Liberalisierung – das haben wir dargestellt – führt schließlich dazu, dass wir von unseren Qualitätsstandards ein Stück weit abrücken.
Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die SPD erteile ich nun Frau Kollegin Karl das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, es gibt kaum ein Thema, bei dem in weiten Teilen dieses Parlaments eine solche Einigkeit herrscht wie bei dem Anliegen, bewährte duale und reglementierte Berufsstrukturen zu erhalten und zu schützen. Wir werden, denke ich, auch gemeinsam weiterhin alle Versuche abwehren, der EU Hintertürchen oder Scheunentore zu öffnen. Wir stehen in der EU vor drei zentralen Herausforderungen: Das ist zum einen die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit, zum anderen die Sicherung der globalen Wettbewerbsfähigkeit des Mittelstands sowie die Generierung von Wirtschaftswachstum. Die Frage ist: Welche Maßnahmen fördern die Bewältigung dieser Herausforderungen, und welche tun dies nicht? Dabei ist zu sagen, dass gerade das duale Ausbildungs- und Qualifizierungsmodell ein Garant für niedrige Jugendarbeitslosigkeit ist.
Es ist der Grund dafür, dass Deutschland die niedrigste Jugendarbeitslosigkeit in Europa hat. Alle beneiden uns um dieses System. Die Güte dieser Berufsqualifikation ist auch maßgeblich für die internationale Wettbewerbsfähigkeit. Die duale Ausbildung sichert den Nachwuchs in der gewerblichen Wirtschaft und bietet attraktive Möglichkeiten der Weiterqualifizierung. Gerade in der Meisterfortbildung werden fachliche Qualifikationen, pädagogische Kompetenzen und gesellschaftliche Verantwortung vermittelt. Nur so ist ein Meister dann auch in der Lage, Menschen gut auszubilden. Außerdem wird durch die Meisterqualifikation das Rüstzeug für Selbstständigkeit und Unternehmertum vermittelt. Das ist für langfristigen wirtschaftlichen Erfolg und Wirtschaftswachstum auch nötig; denn jemand, der ein Geschäft eröffnet, aber die Grundlagen der Buchhaltung nicht beherrscht, wird schnell an das Ende seiner Selbstständigkeit kommen. Deshalb gilt auch weiterhin: In unserer Volkswirtschaft brauchen wir Master und Meister.
Diese Qualifikationsanforderungen an Handwerksberufe beeinträchtigen unserer Meinung nach gerade nicht die Mobilität von Selbstständigen und Beschäf