Protocol of the Session on February 22, 2017

Herr Kollege, die zwei Minuten sind um.

Ich frage Sie: Wären Sie eventuell bereit, diesen Beschluss in eigener Zuständigkeit auszusetzen und erneut zu prüfen?

(Beifall bei der SPD – Widerspruch bei der CSU)

Herr Kollege, die Regeln für Zwischenbemerkungen sind doch bekannt! – Herr Minister, bitte schön.

Herr Kollege Pfaffmann, ich habe sehr klar und mit Bedacht dargelegt, dass wir jeden Einzelfall prüfen. Ich sehe keinen Anlass dafür, Abschiebungen jetzt pauschal auszusetzen. In Bayern gibt es insgesamt 1.436 ausreisepflichtige Afghanen. Wir werden weiter jeden Einzelfall prüfen. Wir machen ja nicht irgendwelche Massenaktionen. Es wird Einzelfälle geben, in denen eine Person aus humanitären Gründen nicht abgeschoben wird. Ich sehe keinen Anlass

dafür, dass wir jetzt niemanden mehr abschieben. Davon wird die Lage auch nicht besser. Deshalb sage ich Ihnen klipp und klar: Für solche pauschalen Urteile gibt es keinen Anlass.

(Beifall bei der CSU)

Sie alle zitieren aus dem UNHCR-Bericht. Dieser ist auf Bitte des Bundesinnenministers im Dezember ausgegeben worden. Dies spricht auch dafür, dass die Bundesregierung die Lage ständig und immer wieder neu beurteilen lässt. Auch der UNHCR-Bericht weist darauf hin, dass sich die Sicherheitslage verschlechtert hat. Der Bericht kommt aber nicht zu dem Ergebnis, dass es unvertretbar wäre, Menschen in bestimmte Gebiete Afghanistans zurückzuführen. Das ist letztendlich die Quintessenz, und auf dieser Grundlage halte ich unser Vorgehen nach wie vor für gerechtfertigt.

(Beifall bei der CSU)

Frau Kamm, bitte schön.

Erst einmal zu Ihren Bemerkungen: Natürlich sind wir dankbar für den Einsatz der Sicherheitskräfte, der Bundeswehr und auch der Hilfsorganisationen in Afghanistan. Das ändert aber nicht die derzeitige Situation. Wir dürfen die derzeitige Situation nicht sicher reden.

Wir haben uns bezogen auf die Berichte von UNHCR, IOM, Rotem Kreuz und den United Nations. Weil Sie gerade den UNHCR-Bericht zitiert haben: Im aktuellen Bericht vom 22. September steht, dass es vielleicht solche Regionen gibt; die Lage hat sich aber deutlich verschlechtert, und es bedarf jeweils einer aktuellen und genauen Einzelfallprüfung, um festzustellen, wer denn in der Lage ist, sich in diese Regionen zu integrieren. Dies wird derzeit aber nicht gemacht.

Jetzt haben wir jede Menge Flüchtlinge, die zum Teil in den Abschiebefliegern waren, die in Afghanistan überhaupt keine Verwandten mehr haben, weil sie in der Türkei oder in Pakistan oder sonst wo sind oder ums Leben gekommen sind. Wir schieben Menschen ab, die keine Angehörigen haben.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Wie sollen die in der Lage sein, sich zu integrieren? Ich vermisse, dass man dementsprechend eine aktuelle Prüfung durchführt.

Das Zweite ist: Wir haben natürlich ein außerordentlich anspruchsvolles Verfahren zur Prüfung, wer asylberechtigt ist und wer nicht.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Aber nicht alle Ablehnungsentscheide werden von der Bevölkerung verstanden, vor allem nicht der Fall einer Flüchtlingsfamilie, die in Deutschland bleiben darf, während der 18-jährige Sohn alleine zurück nach Afghanistan muss. Solche Entscheidungen gibt es vom BAMF. Oder der aus Augsburg abgeschobene Traumatisierte: Er verließ Afghanistan schon als Kleinkind; sein Vater arbeitete für das amerikanische Rote Kreuz in Pakistan und hat die Familie dorthin mitgenommen. Dort hat er einen Anschlag erlebt usw. usf. In Pakistan hat er keinen Schutzstatus, in Afghanistan keinen Pass. Trotzdem hat man ihn nach Afghanistan abgeschoben.

Frau Kollegin Kamm, zwei Minuten sind um.

Wie kann das denn sein? – Da wünsche ich mir, liebe Kolleginnen und Kollegen, –

Frau Kollegin! – Frau Kollegin!

– dass man die individuelle Situation besser prüft, dass man Bleiberechtsanerkennungen schafft wie in anderen Bundesländern.

(Widerspruch bei der CSU)

Frau Kollegin!

Da sind wir in Bayern hintendran.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Frau Kollegin Kamm, die von Ihnen genannten Beispiele enthalten in der Quintessenz allesamt die Forderung, dass ich mich über die Entscheidungen des BAMF hinwegsetzen soll. Sie haben lauter Beispiele genannt, in denen das BAMF Fälle geprüft hat, bei denen Sie der Meinung sind, dass das BAMF zu falschen Ergebnissen gekommen ist. Ich respektiere Ihre Meinung. Aber – Entschuldigung! – wir hebeln diesen gesamten föderalen Rechtsstaat aus, wenn wir damit anfangen, uns nach Belieben über Entscheidungen hinwegzusetzen.

(Beifall bei der CSU)

Wenn morgen irgendwo in Bayern ein Gericht ein aus Ihrer Sicht falsches Urteil fällt und irgendjemanden zu fünf Jahren Strafhaft verurteilt, dann sagen Sie hier doch auch nicht, dass dieses Urteil rechtswidrig war, und fordern nicht, auch wenn die Rechtsmittel ausgeschöpft sind, den Innenminister auf, den nicht ins Gefängnis zu bringen. Bei dem Thema Asyl meinen Sie immer, jeder könnte sich beliebig über rechtsstaatliche Entscheidungen hinwegsetzen. Das kann nicht funktionieren, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CSU – Zurufe von der CSU: Bravo!)

Ich sage Ihnen noch einmal: Es gibt auch Menschen in unserem Land, die finden, dass viel zu viele Asylbewerber vom BAMF anerkannt werden. Ich erwarte von jedem Bürger in der Bundesrepublik Deutschland, dass er die Entscheidungen des BAMF respektiert, und dass jeder, dem hier Schutz zugesprochen wird, akzeptiert wird. Dagegen kann sich auch kein anderer wenden. Ich erwarte, dass das jeder respektiert. Wir wollen sie dann ordentlich integrieren.

Genauso muss aber auch die Kehrseite gelten: Wenn jemand in einem rechtsstaatlichen Verfahren abgelehnt worden ist, dann ist der Regelfall, dass er in seine Heimat zurückkehrt. Anders kann es nicht funktionieren.

(Beifall bei der CSU)

Zwischenbemerkung: Kollege Zierer. Bitte schön.

Herr Innenminister Herrmann, wieso bekommen wir dann solche Fälle, die vom BAMF entschieden worden sind, in den Petitionsausschuss – in der Absicht, dass wir uns zerfleischen?

(Widerspruch bei der CSU)

Wenn doch alles klar ist, warum werden sie uns dann vorgelegt? Folgt das nicht einer gewissen Taktik, um darzustellen, wir können hier nicht entscheiden? Das ist unverständlich. Wenn schon, dann sollten wir in diesem Ausschuss auch den Spielraum haben, in gewissen Härtefällen auch zu entscheiden.

(Unruhe)

Lieber Herr Kollege, diese Frage ist durchaus berechtigt. Ich würde mich freuen, wenn Sie dazu beitragen würden, dass sich der Petitionsausschuss des Landtags in der Tat ausschließlich mit der Frage nach der Rechtslage befasst, ob ein echtes Abschiebungs

hindernis vorliegt, und eben nicht mit der Frage, ob die Entscheidungen des BAMF vorher richtig waren. Das ist auch Gegenstand dessen, was im Petitionsausschuss beraten wird.

(Beifall bei der CSU)

Da haben Sie völlig recht. Gegen die Entscheidung des BAMF kann man eine Petition beim Bundestag einreichen. Nur befasst sich der Bundestag in aller Regel damit überhaupt nicht – aus guten Gründen. Aber das ist Sache der Kollegen im Bundestag. Nur in wenigen Einzelfällen befasst man sich dort damit. Das ist aber Sache des Bundestages.

(Unruhe bei der CSU)

Wir sind für das Abschiebungsverfahren zuständig. Da ist die Rechtslage in der Tat genau so, wie Sie das selbst wohl auch erkannt haben.

(Beifall bei der CSU)

Vielen Dank, Herr Staatsminister. – Damit ist die Aussprache geschlossen. Wir beginnen jetzt mit den Abstimmungen. Dazu werden die Anträge wieder getrennt.

Ich beginne mit der nicht namentlichen Abstimmung. Das ist die Abstimmung zum Dringlichkeitsantrag der Fraktion FREIE WÄHLER auf Drucksache 17/15610. Wer diesem Antrag seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. – FREIE WÄHLER, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Gegenstimmen! – Das ist die CSU-Fraktion. Gibt es Stimmenthaltungen? – Gibt es keine.

(Zurufe: Eine Enthaltung!)

Gut. Eine Enthaltung. Dann ist dieser Dringlichkeitsantrag abgelehnt.

Dann kommen wir zur namentlichen Abstimmung zum Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 17/15594. Das ist der Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN. Ich eröffne die Stimmabgabe. Drei Minuten!

(Namentliche Abstimmung von 18.57 bis 19.00 Uhr)