Protocol of the Session on February 1, 2017

Frau Vizepräsidentin, Hohes Haus! Ich bedanke mich bei meinem Vorredner für sehr ernsthafte und wichtige Gedanken. Herr Rosenthal, ich danke auch für die Glaubwürdigkeit, die Sie bei diesem Thema wirklich bewiesen haben und immer wieder beweisen. Ich bedanke mich, dass Sie auf die Gemeinsamkeit hingewiesen haben. Diese Gemeinsamkeit hat beispielsweise an dieser Stelle auch in der letzten Woche geherrscht.

Ich bedanke mich aber in ganz besonderer Weise für die Gemeinsamkeit, die ich am vergangenen Freitag mit einigen Kolleginnen und Kollegen dieses Hauses in Tschechien erleben durfte. Bei den drei Veranstaltungen in Prag, Leitmeritz und Theresienstadt waren Vertreter aller Fraktionen dabei. Darüber habe ich mich sehr gefreut. Vielen herzlichen Dank, Kolleginnen und Kollegen, dass Sie mit drüben waren. Es waren würdige Veranstaltungen, die deutlich gemacht haben, dass die vier demokratischen Parteien des Bayerischen Landtags Flagge zeigen. Besonders be

rührt hat mich aber die Tatsache, dass es gelungen ist, zum ersten Mal über die Grenzen hinweg eine Gedenkfeier durchzuführen. Dass dies gerade mit Tschechien gelang, hat mich tief bewegt; denn wir haben dem tschechischen Volk sehr viel angetan. Für mich war es eine tief beeindruckende Reaktion der tschechischen Seite, dass sie die Präsidentin des Bayerischen Landtags haben reden lassen, dass sie uns alles an protokollarischem Aufgebot gegeben haben, was von uns nie verlangt war, was von uns aber sehr hoch wertgeschätzt wurde.

Ich glaube, es ist wichtig, dass wir mit den gemeinsamen Gedenkfeiern des Landtags und der Gedenkstätten jeweils im Januar ein deutliches Zeichen nach außen setzen. Ich sage das nicht ohne Stolz, aber es ist ein gemeinsamer Stolz, der uns einen darf: Wir sind das einzige Länderparlament in Deutschland, das es schafft, nicht nur im Saal des Parlaments, sondern auch an den Stätten der Opfer zu gedenken. Das tun wir jetzt schon im siebten Jahr. Ich höre es immer wieder, dass andere Stiftungen sehr dankbar wären, wenn ihre Parlamente mitziehen würden. Das ist auch eine Anregung. Wer immer wo regiert, sollte es aufgreifen und es auch in anderen Bundesländern umsetzen. Das wollte ich sagen, weil auch das ein Thema ist, das uns heute bewegt.

Nun zum Antrag selbst. Vor allem das Stichwort "Antisemitismus" beherrscht die Überschrift und Teile Ihres Antrags. Meine sehr verehrten Damen und Herren, dieses Wort geht durch Mark und Bein. Mit dieser Geisteshaltung sind im letzten Jahrhundert sechs Millionen Menschen in den Tod geschickt worden. Antisemitismus, der Hass gegen Juden, ist das Schlimmste, was Deutschland je hervorgebracht hat, obgleich die Kultur Europas, die Kultur Mitteleuropas eine christlich-jüdische Kultur ist. Meine sehr verehrten Damen und Herren, unser Europa, wie wir es kennen und schätzen, hat christlich-jüdische Wurzeln. Das sollte man nie vergessen. Viele Teile Europas, auch Deutschlands, sind mit jüdischem Geist gegründet, geschaffen und über viele Jahre und Jahrzehnte betrieben worden.

Ich bin froh, dass wir wieder jüdisches Leben bei uns in Bayern haben. Das Beste, was wir gegen den Antisemitismus leisten konnten, war, dass wir es in der Nachkriegszeit, bis zum heutigen Tag, geschafft haben, dass die Politik dieses Hauses einen gepflegten Umgang mit den jüdischen Gemeinden Bayerns führt und deren Existenz sichert und weiterentwickelt. Was hier an Verträgen geschlossen worden ist, das ist gut. Ich erinnere an den Staatsvertrag. Beim Staatsvertrag durfte ich quasi als Zeuge dabei sein, als im Kabinett die damals noch drei Vorsitzenden der jüdischen Verbände anwesend waren. Inzwischen ist

Nürnberg in den Landesverband eingegliedert worden. Bayern hat inzwischen zwei große, eigenständige Verbände, die Israelitische Kultusgemeinde München-Oberbayern und den Landesverband der Israelitischen Kultusgemeinden Bayern. An der Spitze stehen mit Frau Dr. Knobloch und Herrn Dr. Schuster außerordentlich glaubwürdige Personen. Nürnberg war früher auch eigenständig, es ist inzwischen aber mit eingemeindet. Ich will es hier aber ausdrücklich nennen. Der Zusammenhalt, die Zusammenarbeit sind eng. Der Staatsvertrag war ein wichtiger Beginn und Schritt, der Synagogenbau der nächste. Ihr Oberbürgermeister von der SPD, Herr Ude, und Edmund Stoiber, beide zusammen haben es geschafft, dass der Bau der Synagoge, deren zehnten Geburtstag wir erst vor Kurzem feiern konnten, überhaupt begonnen wurde.

Wer in den Memoiren von Edmund Stoiber nachliest, wird einen bemerkenswerten Satz finden. Ich kann mich noch gut erinnern: Damals kam im Kabinett eine kritische Frage des damaligen Finanzministers, wie man denn rechtlich begründen will, dass für den Synagogenbau so viele Millionen ausgegeben werden. Die Antwort von Edmund Stoiber war unwahrscheinlich gut. Edmund Stoiber sagte schlicht und einfach: Mit der deutschen Vergangenheit.

Das heißt: Hier haben wir ein Miteinander, das wir fortsetzen sollten. Ich kann mir noch vieles vorstellen, was darüber hinaus möglich wäre. Unabhängig von den Funktionen, die ich an anderer Stelle habe, könnte ich mir vorstellen, dass im Bereich der Erwachsenenbildung neben dem katholischen und dem evangelischen Bildungswerk auch ein jüdisches Bildungswerk hochgezogen werden könnte. Dazu gibt es einige konkrete Überlegungen. Solche Projekte bieten sich in den nächsten Jahren an. Das können wir fortsetzen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Antisemitismus ist in Bayern da und dort leider immer wieder latent vorhanden, so wie es auf der ganzen Welt ist, in den arabischen Ländern natürlich ganz extrem. Dass er in den arabischen Ländern so extrem ist, hat uns 2014 wahnsinnig wehgetan. Damals haben wir alle miteinander ein bisschen lange gezaudert, auch daran will ich erinnern. Im Frühjahr 2014 waren die hässlichsten Demonstrationen, an die ich mich persönlich in meiner politischen Zeit erinnere. Damals wurden antisemitistische Parolen schlimmster Art gegrölt. In Berlin schritt man zu wenig dagegen ein, und auch in München musste fast die Israelitische Kultusgemeinde eine Veranstaltung initiieren. Gott sei Dank haben sich dann aber alle unsere Redner dagegen ausgesprochen. Das war 2014, das will ich nur erwähnen.

Allerdings will ich auch nicht verschweigen, dass der Antisemitismus in der arabischen Welt sehr intensiv ist. Mit den vielen Hunderttausenden von Menschen aus diesem Raum ist er auch zu uns importiert worden. Wie wir damit umgehen werden, weiß ich nicht; da stehen für mich noch viele Fragezeichen. Ich sage das emotionslos, als Beschreibung dessen, was ich von jüdischer Seite höre. Das führt natürlich zu neuen Ängsten. Auch das Rechtsextreme schaukelt sich hoch, das ist die zweite Bedrohung. Im linksextremen Bereich besteht leider nicht immer eine Ablehnung des Antisemitismus, wie man das vielleicht glauben möchte. Auch da gibt es Entwicklungen, wo sich der Kreis des Extremismus schließt. Das will ich nur einmal der Vollständigkeit halber erwähnen. Meine Damen und Herren, zurück zum Antrag. Sie haben die Gedenkstätten angesprochen. Dort ist in den letzten Jahren sehr viel geschehen. Ich will der Kollegin Eiling-Hütig nicht vorgreifen; sie wird vor allem zu den schulischen Maßnahmen etwas sagen. Darüber, was in den Gedenkstätten in den letzten zehn Jahren geschehen ist, könnte ich eine halbe Stunde lang reden und aufzählen. Ich würde es auch gerne tun. Ich denke nur an Neubauten wie an die Eröffnung des Besucherzentrums in Dachau, an den Umbau des Verwaltungsgebäudes, die Neuanlage des Gedenkortes "Schießplatz Hebertshausen" oder an die neue Dauerausstellung in Flossenbürg. Dort wurde der Außen- und Eingangsbereich völlig umgestaltet. Das alte Offizierskasino wurde in ein Seminarhaus für Lehrerbildung umgebaut, die Bewirtung erfolgt dort durch Menschen mit Handicaps. Ein Denkmal für Sinti und Roma wurde geschaffen. In Hersbruck wurde beim Außenlager ein Informationspavillon gebaut.

In Mühldorf planen wir Umbauten. Marcel Huber, vielen herzlichen Dank für die Bemühungen vor Ort. Es ist höchst kompliziert, dort etwas voranzubringen. Wir werden mit dem Waldlager und dem Massengrab sicherlich heuer noch Erfolge haben und erste Ergebnisse zeigen. Der Bunkerbogen wird von uns allen massiv bearbeitet. In Dachau haben wir für über viereinhalb Millionen Euro den Parkplatz neu gestaltet. Die Kritik an der Dauerausstellung ist nachvollziehbar. Auch dort wird einiges gemacht werden müssen. Die Ausstellung ist allerdings nicht ganz so alt. Sie stammt vom Beginn dieses Jahrtausends. Bei den Fachleuten und auch den ehemaligen Häftlingen war eine gewisse Reserviertheit gegenüber moderner Museumspädagogik festzustellen. Hier müssen wir vorsichtig und behutsam sein, weil wir auch die Überlebenden auf den Weg, wie das Lager präsentiert wird, mitnehmen wollen.

Das Interesse an den Gedenkorten hat uns überholt. Vor sechs Jahren hatten wir noch etwas 600.000 bis 700.000 Besucher in Dachau. Eintrittskarten werden

dort zwar nicht verkauft, aber die Stadt Dachau hat 2007 eine Zählung durchgeführt. Jetzt schätzen alle Beteiligten, dass die Besucherzahl mindestens um ein Drittel zugenommen hat. Wir liegen damit also nahe bei oder schon über der Millionengrenze. Dachau ist, von der Arena abgesehen, der am drittstärksten besuchte staatliche Ort nach Neuschwanstein und dem Deutschen Museum. Deshalb ist es wichtig, dass wir in Dachau Personal bekommen. Frau Hasselfeldt hat sich dafür eingesetzt, der Kultusminister hat sich dafür eingesetzt, dass wir jetzt dreieinhalb Stellen bekommen haben. Diese Stellen waren nötig, weil unser Personal sonst in Schwierigkeiten kommen würde.

Wir müssen die Schülerströme etwas verteilen. In den Sommermonaten ist oft so viel los, dass nicht nur das Personal nicht reicht, sondern dass auch der Platz knapp wird und es an der Würde eines Gedenkstättenbesuches mangelt, wenn sich die Leute gegenseitig fast auf die Füße treten. Ich habe das auch schon in Yad Vashem erlebt. Das ist dort auch grenzwertig.

Ich mache deshalb einen Vorschlag, mit dem ich Ihre Gedanken nicht abwerten will. Ein Dringlichkeitsantrag hilft uns bei diesem Thema nur begrenzt weiter. Deshalb schlagen wir einen Bericht vor. Wir haben einen Berichtsantrag eingebracht und möchten einen ordentlichen Bericht über alles bekommen. Dann haben wir sicherlich noch die Möglichkeit, ausführlich über das eine oder andere Thema zu diskutieren.

(Beifall bei der CSU)

Herzlichen Dank. Nächste Rednerin ist Kollegin Gottstein.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Freller, ich habe Sie hoffentlich nicht so verstanden, dass Sie die Anträge der SPD und der FREIEN WÄHLER deswegen ablehnen, weil nach Ihrer Meinung ein Berichtsantrag genügt. Das wäre in meinen Augen das falsche Signal. Wir werden allen Dringlichkeitsanträgen zustimmen.

Der Hintergrund dieser drei Anträge ist klar. Er ist für unser Land und für unser Volk sehr beschämend. Der Statistik ist zu entnehmen, dass die Zahl der extremistisch und antisemitisch motivierten Straftaten sich nach oben entwickelt. Wir haben eine Zunahme zu verzeichnen. Das wird auch von uns, den FREIEN WÄHLERN, aufs Schärfste verurteilt. Das ist auch der Hintergrund dieser drei Anträge. Zu begrüßen ist – und dafür danke ich auch dem Hauptantragsteller, der SPD –, dass dieses Thema aufgegriffen und im Rahmen dieser Dringlichkeitsanträge behandelt wird.

Wir sind genauso, wie es auch dem SPD-Antrag zu entnehmen ist, der Meinung, dass diese Straftaten zunächst einmal strafrechtlich konsequent verfolgt werden müssen. Wir müssen Extremismus durch Bildung bekämpfen, dürfen die strafrechtliche Verfolgung aber auch nicht unterschätzen; denn die strafrechtliche Ahndung ist zunächst entscheidend.

Dann stellt sich aber immer die Frage, wie man dem Extremismus vorbeugen kann, wie die Prävention dagegen zu gestalten ist. Dabei sind wir FREIE WÄHLER ganz klar der Meinung, dass wir noch mehr Sozialkundeunterricht und andere Unterrichtsmethoden brauchen. Entscheidend ist aber die gelebte Demokratie. Die kann ich von Klein an üben. Jeder, der Kinder hat und in der Familie Demokratie lebt, weiß sehr wohl, wie anstrengend es ist, Demokratie auch in der Familie zu leben. Das heißt nicht unbedingt, dass ich das Kind machen lasse, was es will. Ich muss aber altersgemäße, verstandesgemäße und gefühlsgemäße Mitbestimmung zulassen. Diese gelebte Demokratie fehlt teilweise in den Institutionen für unsere Jugendlichen und unsere Kinder. Deswegen haben wir uns in unserem Antrag auf die Bildungseinrichtungen konzentriert.

Wir brauchen wesentlich mehr gelebte Demokratie in der Schule. Wir haben dazu die Möglichkeiten. Das sagte ich schon immer, seit ich hier im Landtag an diesem Pult stehe. Das Erziehungs- und Unterrichtsgesetz sieht eigentlich sehr viel vor, aber es wird oft nicht mit Leben erfüllt. Dabei hilft die Fortbildung nichts, sondern ich muss darauf achten, dass der Lehrer oder der Schulleiter die Demokratie auch umsetzt. Diese Umsetzung fehlt oft. Das beginnt schon bei der Klassensprecherwahl und der Wahl der Schülervertretung und setzt sich bei der Mitbeteiligung oder Mitbestimmung der Schüler bei Schulfahrten fort. Für manchen großen Theoretiker sind es nur Kleinigkeiten. Aber das ist die Praxis.

Wenn ich bei der Klassensprecherwahl sage, zweiter Klassensprecher ist der, der die zweithöchste Stimmenzahl bekommt, dann ist es falsch. Die Schulordnung sieht auch für den zweiten Klassensprecher eine eigene Wahl vor. Wenn ich auf solche Kleinigkeiten, die eigentlich gar keine Kleinigkeiten sind, nicht achte, dann unterlasse ich es, ein Demokratieverständnis zu schulen. Bei den Schülerfahrten kann ich auch die Schüler miteinbeziehen. Jugendliche sind nicht so dumm, wie wir manchmal tun. Wenn ich sie Demokratie miterleben lasse, wird auch diese Ohnmacht nicht gespürt. Wir wissen genau, dass Ohnmachtsgefühle oft die Basis für antisemitisches oder extremistisches Verhalten sind. Dem kann ich vorbeugen.

Ich könnte jede Menge Beispiele aufzählen, aber ich möchte zu unserem zweiten Punkt, zum Service-Learning kommen. Auch das brauche ich nicht näher zu erläutern. Wir FREIE WÄHLER haben schon öfter gefordert, dass wir an den Schulen und Hochschulen, wo demokratische Werteerziehung positiv beeinflusst werden kann, mit dem Service-Learning Partizipationsmöglichkeiten zulassen, und das muss nachdrücklich gefordert werden.

Wir fordern nicht die Einführung, sondern lediglich die Prüfung eines freiwilligen politischen Jahres. Deswegen könnte die CSU dieser Forderung doch zustimmen. Wir haben ein freiwilliges soziales Jahr, ein freiwilliges ökologisches Jahr und ein freiwilliges kulturelles Jahr. Ein freiwilliges politisches Jahr gibt es aber noch nicht. Warum denn nicht? Wir reden darüber, wie man Jugendliche dazu bringen kann, zu unserer Demokratie zu stehen und in unserer Demokratie zu erfahren, dass es etwas bringt, wenn man sich für Demokratie einsetzt. Dann aber lassen wir solche Erfahrungen nicht zu. In den Landkreisen, in den Stadtverwaltungen und auch in den Fraktionen hier im Landtag hätten wir diese Möglichkeiten.

(Zuruf von den GRÜNEN: Es gibt doch Praktika!)

Praktika sind sicher richtig. Ich kann es aber doch auch ganz offiziell als freiwilliges politisches Jahr machen. Warum nicht? Das würde doch auch den Stellenwert zeigen, den wir der politischen Bildung zumessen.

Bei der Öffnung der Schule für außerschulische Angebote stimmen wir mit Ihnen, Herr Freller, ganz überein. Bei der Museumspädagogik gebe ich Ihnen völlig recht. In vielen Fällen sind für moderne Unterrichtsformen und außerschulische Projekte die Museumspädagogen zuständig. Sie werden auch gefördert. Wir FREIEN WÄHLER erinnern uns schmerzlich daran, dass unser Antrag abgelehnt wurde, den Schulen einen jährlichen Besuch in den Gedenkstätten vorzuschreiben. Das sollte in den Lehrplänen stehen. Ich war als Lehrerin 36 Jahre in der Schule tätig. Oftmals werden Schüler von außerschulischen Projekten mehr berührt als vom vermittelnden Lehrer. Wir haben die Angebote. Das darf nicht vom "good will" des Lehrers oder des Schulleiters abhängen. Der Lehrer kann sagen: Jetzt haben wir den Skikurs und die Schulaufgaben, aber nicht: Jetzt kommen Sie mit Dachau oder Flossenbürg. Das geht nicht. – Wir müssen eine Vorschrift schaffen. Je größer der zeitliche Abstand ist, desto mehr Erinnerungskultur brauchen wir.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Wir meinen, dass gelebte Demokratie am besten geeignet ist, um die Jugendlichen in die richtigen Spuren

zu bringen und von Ohnmachtsgefühlen abzuhalten. Deshalb werden wir allen Anträgen zustimmen, auch dem Antrag der SPD. Dort steht aus unserer Sicht nichts Verkehrtes drin. Wir werden dem Berichtsantrag zustimmen, um zu hören, wie toll alles jetzt schon ist. Herr Kollege Freller, Sie haben jedoch selber gesagt, dass es nichts gebe, was nicht noch verbessert werden könnte. In diesem Sinne bitten wir um Zustimmung zu unserem Antrag.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Danke schön. – Die nächste Rednerin ist Frau Kollegin Schulze.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin ehemalige Schülerin des Christoph-Probst-Gymnasiums. Christoph Probst war Widerstandskämpfer der Weißen Rose. Er hat sich als junger Mensch gegen das Nazi-Regime gestellt. Wie viele andere auch habe ich mich in der Schule regelmäßig gefragt: Was hätte ich damals gemacht? Ich bin sehr froh, auf diesem Gymnasium gewesen zu sein. Aufgrund des Namensgebers ist das Thema Erinnerungskultur an meiner Schule stark präsent. Wir hatten auch regelmäßig Max Mannheimer zu Gast. Ich habe immer noch seine wichtige Aussage im Ohr: "Ihr seid nicht verantwortlich für das, was geschah. Aber ihr seid dafür verantwortlich, dass es nicht wieder geschieht." Das muss der Leitsatz für unsere politische Arbeit und für unser Handeln sein.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Letzten Freitag war der alljährliche Holocaust-Gedenktag. Wir als Bayerischer Landtag waren in Tschechien und haben gemeinsam der Opfer des Nationalsozialismus gedacht. Es war eine würdige Veranstaltung. Ein offizielles Gedenken finde ich gut und wichtig. Aber – das möchte ich an diesem Ort sagen – auch an den anderen 364 Tagen des Jahres muss es heißen: Nie wieder! Auch an den anderen 364 Tagen des Jahres müssen wir alles dafür tun, um Antisemitismus, Rassismus, Rechtsextremismus und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit zurückzudrängen. Das ist bitter nötig; denn der Antisemitismus in Bayern wächst von Jahr zu Jahr. Wir alle kennen die Zahlen. Antisemitische Straftaten haben um 33 % zugenommen. Das ist nicht hinnehmbar. Gleichzeitig wissen wir auch, dass die Quote der polizeilichen Aufklärung in diesen Fällen sehr gering ist. Das ist ebenfalls nicht hinnehmbar.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir müssen somit den Fahndungs- und Ermittlungsdruck massiv verstärken. Als GRÜNE-Fraktion hatten wir erst diesen Montag eine Veranstaltung zu der

rechtsextremen Gefahr der sogenannten Reichsbürger im Landtag. Die Experten, die wir geladen haben, haben uns deutlich aufgezeigt, welchen antisemitischen Kern die sogenannte Reichsbürger-Bewegung in sich trägt. Leider muss ich feststellen, dass die CSU diese sogenannte Reichsbürger-Bewegung viel zu lange nicht ernst genommen hat. Leider muss ich auch feststellen, dass der Rechtsextremismus, der Rassismus und die rechtsextremen Gruppierungen in Bayern nicht schwächer, sondern stärker werden. Erst heute war in den Nachrichten zu sehen, dass endlich der Bombenleger des antisemitischen Sprengstoffanschlags im Juli 2000 in Düsseldorf gefasst wurde. Somit stellen wir erneut fest: Rechtsterrorismus ist Fakt in unserem Land.

Wir wissen auch – das wiederholen wir in Debatten und Gesprächen regelmäßig –, dass die Taten immer nur die Spitze des Eisberges darstellen. Eine konsequente Strafverfolgung allein reicht nicht. Die antisemitische Grundhaltung ist in der Gesellschaft breit verankert. Das zeigen immer wieder verschiedene Studien. Dagegen kommen wir nur an, wenn wir die politische Bildung und die Prävention verstärken.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir GRÜNE fordern das regelmäßig. Wir werden das so lange fordern, bis endlich flächendeckend mehr finanzielle und personelle Unterstützung für politische Bildung und Prävention in Bayern zur Verfügung gestellt wird. Wir brauchen den Sozialkundeunterricht ab der 8. Klasse. Wir möchten, dass die politische Bildung als eine Querschnittsaufgabe an den Schulen verstanden wird. Wir sind fest davon überzeugt, dass Erinnerungsorte personell und im Hinblick auf ihre Ressourcen besser ausgestattet werden müssen, damit wirklich jede Schule diese Erinnerungsorte besuchen kann.

Mit den Jahren wird es immer weniger Zeitzeugen geben. Darüber haben wir schon geredet. Deshalb müssen andere Formen des Gedenkens schnellstmöglich ausgebaut werden. Mir ist es jedoch wichtig, dass wir uns nicht nur auf die Schulen konzentrieren. Als jüngerer Mensch möchte ich ganz klar feststellen, dass Antisemitismus keine Frage des Alters ist. Antisemitismus ist in allen Altersgruppen unserer Gesellschaft vorhanden. Darum müssen wir vor allem die finanzielle Unterstützung für außerschulische Bildungs- und Demokratieprojekte stärken. Wir als GRÜNEFraktion haben bei den Verhandlungen zum Doppelhaushalt mehrere Anträge diesbezüglich eingebracht. Leider wurden sie von der CSU-Fraktion abgelehnt. Wir GRÜNE fordern immer – das werden wir auch weiterhin tun –, die Gesellschaft mehr zu informieren, zu sensibilisieren und aufzuklären. Das gilt

auch für den auf Israel bezogenen Antisemitismus und den Antisemitismus in der Einwanderungsgesellschaft.

Der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, Donald Trump, hat bei seiner Erklärung zum Holocaust-Gedenktag mit keinem Wort die sechs Millionen jüdischen Opfer erwähnt. Ich weiß nicht, ob Sie das alle mitbekommen haben. Ich wiederhole: Er hat die Opfer mit keinem Wort erwähnt. Ich weiß, dass wir der Bayerische Landtag sind und nicht die Geschicke in den USA mitsteuern können. Wir sollten Trump jedoch wenigstens nicht loben.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und den FREIEN WÄHLERN)

Als Bayerischer Landtag können wir jedoch das jüdische Leben in Bayern stärken. Ich möchte daran erinnern, dass wir als GRÜNE-Fraktion schon im Jahr 2015 auf die anderen Fraktionen zugegangen sind und gesagt haben: Lasst uns doch eine Arbeitsgruppe zur Stärkung des jüdischen Lebens in Bayern einrichten. Ich habe mir extra noch einmal den Brief angeschaut, den uns damals Herr Kreuzer geschickt hat. Er hat diesen Vorschlag abgelehnt. Jetzt, zwei Jahre später, haben sich die Ereignisse in der Welt verschärft. Die Zahl der rechtsextremen und antisemitischen Taten ist gestiegen, die antisemitischen und menschenfeindlichen Einstellungen der Gesellschaft sind weiterhin breit vorhanden. Deshalb werden wir GRÜNE erneut auf alle Fraktionen im Bayerischen Landtag zugehen und noch einmal den Vorstoß machen: Lasst uns gemeinsam darüber nachdenken, wie wir das jüdische Leben in Bayern stärken können.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wenn wir auf Sie zukommen, bitten wir um Unterstützung, damit den Worten der Landtagspräsidentin beim Gedenktag in Tschechien auch Taten folgen.

(Anhaltender Beifall bei den GRÜNEN)