Protocol of the Session on February 1, 2017

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Wir sollten uns jetzt wieder beruhigen. Bitte schön, Frau Staatsministerin, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich erst einmal bei der SPD und bei den GRÜNEN bedanken, dass sie dem Antrag zustimmen. Es ist durchaus im bayerischen Interesse, dieses Thema heute zu diskutieren. Ich denke es ist systemimmanent, dass es zu diesem Thema in Nordrhein-Westfalen andere Ansichten gibt. Ich hoffe, wir sind uns einig, dass wir als Abgeordnete des Bayerischen Landtags bzw. als Staatsregierung in erster Linie die Bürgerinnen und Bürger Bayerns vertreten sollen. Was momentan bei den Netzentgelten geplant ist, ist nicht im Interesse Bayerns. Deshalb ist der Antrag richtig. Ich danke für die Unterstützung in diesem Bereich.

(Beifall bei der CSU)

Ich will gar nicht mehr im Detail darauf eingehen, weil ich auf die Aussagen des Kollegen Aiwanger eingehen möchte. Der Kollege ist nicht nur aus der Zeit gefallen, sondern ich weiß nicht, was man überhaupt noch erklären soll. Ich möchte dies an einem konkreten Beispiel festmachen. Lieber Hubert Aiwanger, wir schreiben das Jahr 2017. Es gibt eine 80-prozentige Preiserhöhung im Netzgebiet des Strombetreibers TenneT. Dabei ist noch kein einziger Kilometer an Kabeln verlegt worden. Daraus kann geschlossen werden, dass die Preiserhöhung nichts mit den Erdkabeln zu tun hat, und zwar Null.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Ihr habt es aber drinstehen!)

Nein. Wenn man beim Lesen schon Fehler macht, dann wird es schwierig, mit Verlaub. Noch mal, das Problem, das im Moment besteht, liegt ausschließlich daran, dass wir schon bestellten Strom bezahlen. Dieser wird im Norden durch Windenergie produziert. Übrigens haben wir das alle über den Bundestag beschlossen. Der Strom kann aber nicht transportiert werden, stattdessen muss er abgeregelt, bezahlt und weggeschmissen werden.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Ihr regiert ja seit zehn Jahren! Das ist euer Fehler!)

Die Kosten, die jetzt dazukommen, sind zu 95 % aufgrund der Netzstabilisierungsmaßnahmen entstanden. Das hat also nicht mit einem Zuviel an Leitungskosten, sondern mit einem Zuwenig an Leitungskosten zu tun. Damit wir uns über die Größenordnung einig sind, nenne ich folgende Zahlen: Im

Moment wenden wir dafür 1 Milliarde Euro pro Jahr auf.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Daran seid ihr schuld! Ich regiere nicht!)

Die Prognose geht dahin, dass wir in drei bis vier Jahren bei 4 Milliarden Euro pro Jahr sind. Jetzt kann ich nur nochmal sagen, dass wir die Frage, ob wir die Leitungen brauchen oder nicht, ausführlich beim Energiedialog diskutiert haben. Ich weiß, die FREIEN WÄHLER waren anderer Meinung, aber nur, weil sie das System immer noch nicht verstanden haben.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Euer System kann man nicht verstehen!)

Ich habe mittlerweile aufgegeben, euch das System zu erklären. Allein dieses Faktum spricht bereits Bände.

(Beifall bei der CSU)

Jetzt komme ich trotzdem auf die Kosten zu sprechen, weil diese gestern im Rahmen des Netzentwicklungsplans veröffentlicht worden sind. Ja, es wird Mehrkosten geben. Aber noch mal, es geht auch um die Frage der Verträglichkeit. Der Kollege Ländner hat bereits gesagt, was in den Wahlkreisen vor Ort gefragt wird, nämlich, wie wir diese für die Menschen so verträglich wie möglich gestalten können. Noch mal, mit Verlaub: Die Kosten sind auf 40 Jahre gerechnet. Es ist ein Unterschied, ob es Mehrkosten von 8 Milliarden Euro für die Erdverkabelung gibt oder ob es zukünftig 4 Milliarden Euro pro Jahr geben wird. Das ist ein Riesenunterschied. Lieber Hubert Aiwanger, du sagst, dass 30 Milliarden Euro drinstehen, und zwar nur für die Erdverkabelung. Diese Aussage ist von wenig Sachkenntnis geprägt.

Die Kosten, die drinstehen, fallen für das gesamte Netz an, auch für das Verteilnetz. Das Verteilnetz wird gebraucht, um den produzierten Strom der Photovoltaikanlagen, die in Niederbayern auf den Dächern sind, und den Strom der Biogasanlagen bzw. der Windkraftanlagen in die großen Verteilnetze einspeisen zu können. Deshalb bitte ich darum, irgendwann zuzustimmen und nicht nur zu filibustern. Hängen Sie nicht immer Wunschgedanken nach, sondern verstehen Sie einfach, wie das System funktioniert. Dafür gebe ich Ihnen gerne noch ein Privatissimum in Nachhilfeunterricht. Aber wenn man schon keine Ahnung hat, dann soll man – Entschuldigung – auch nicht reden.

(Beifall bei der CSU)

Danke schön, Frau Staatsministerin. – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Damit ist die Aussprache geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Dazu werden die Anträge wieder getrennt.

Wer dem CSU-Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 17/15169 seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind CSU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Gegenstimmen? – Keine. Stimmenthaltungen? – Das ist die Fraktion der FREIEN WÄHLER. Damit ist der Dringlichkeitsantrag angenommen.

Wir kommen nun zum Dringlichkeitsantrag der SPD auf Drucksache 17/15184. Wer diesem seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen der SPD und von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Gegenstimmen? – Das ist die Fraktion der CSU. Stimmenthaltungen? – Das ist die Fraktion der FREIEN WÄHLER. Damit ist dieser Dringlichkeitsantrag abgelehnt.

Wer dem Dringlichkeitsantrag der GRÜNEN auf Drucksache 17/15185 seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen der SPD und von BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN. Gegenstimmen? – Das sind die Fraktionen der CSU und der FREIEN WÄHLER. Stimmenthaltungen? – Sehe ich keine. Damit ist auch dieser Dringlichkeitsantrag abgelehnt.

Wir kommen jetzt abschließend zum Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 17/15186. Das ist der Antrag der FREIEN WÄHLER. Wer diesem seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die Fraktion der FREIE WÄHLER. Gegenstimmen? – Das sind die Fraktionen der CSU, der SPD und von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Stimmenthaltungen? – Sehe ich keine. Damit ist auch dieser Dringlichkeitsantrag abgelehnt.

Zur gemeinsamen Beratung rufe ich nun auf:

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Markus Rinderspacher, Martin Güll, Kathi Petersen u. a. und Fraktion (SPD) Antisemitismus in Bayern: Straftaten konsequent verfolgen Politischhistorische Bildung stärken (Drs. 17/15170)

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Thomas Kreuzer, Karl Freller, Oliver Jörg u. a. und Fraktion (CSU) Politische Bildung als wirksame Prävention gegen Antisemitismus und Extremismus (Drs. 17/15187)

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Hubert Aiwanger, Florian Streibl, Prof. Dr. Michael Piazolo u. a. und Fraktion (FREIE WÄHLER) Extremismus auch durch Bildung bekämpfen: Prävention durch gelebte Demokratie! (Drs. 17/15188)

Ich eröffne die gemeinsame Aussprache. Erster Redner ist der Kollege Rosenthal von der SPD. Bitte schön, Herr Kollege, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Thema zeigt, dass insgesamt das Parlament erneut gefordert ist. Die nachgezogenen Dringlichkeitsanträge bedeuten auch, dass wir uns im Grundsatz durchaus einig sind. Der Ausgangspunkt, weshalb wir heute diesen Dringlichkeitsantrag eingebracht haben, ist eine Anfrage an das zuständige Staatsministerium, die wir als Fraktion gestellt haben. Aus dieser Anfrage ist sehr deutlich hervorgegangen, dass die Zahl der antisemitischen Straftaten in Bayern im vergangenen Jahr dramatisch angestiegen ist. 2015 waren es 132 erkannte Straftaten. 2016 waren es bereits 176 erkannte Straftaten. Auch die Schwere der Straftaten hat dramatisch zugenommen: 2015 sind es Fälle von Körperverletzung. 2016 sind in der Statistik ein Mord, ein Fall von Totschlag und Körperverletzungen verzeichnet.

Das Fazit lautet: Antisemitismus ist wieder ein zentrales Thema in der Gesellschaft. Die strafrechtliche Verfolgung ist das eine. Sie wird konsequent erfolgen, und sie ist wichtig, aber längst nicht mehr ausreichend. Die Vorbeugung muss wieder ins Zentrum dieser Auseinandersetzung um die Stärkung von Demokratie gerückt werden. Bei genauer Betrachtung der populistischen und der rechtsextremistischen Strömungen und der Gewaltanwendungen, aber auch des Versuchs der Länder, die rechtsextremistischen und die NPD-Wurzeln durch ein Verbot der NPD einzudämmen, kommt man zu folgender Erkenntnis: Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil, das sehr differenziert ausgefallen ist, auf der einen Seite das Parteienprivileg wieder in den Mittelpunkt gestellt und ein Verbot nicht zugelassen, aber uns andererseits gleichzeitig einen großen Aufgabenkatalog hinterlassen, indem es uns auferlegt hat, unterhalb des Parteienverbotes sehr viel mehr Aktivitäten zu entfalten.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Es gibt ein problematisches Defizit an politischer Bildung sowohl im schulischen als auch im außerschulischen Bereich. Bürgerinnen und Bürger – das zeigen Untersuchungen – neigen dazu, in ihrer Urteilskraft ungenügend qualifiziert zu sein und Auffassungen zu vertreten, die populistisch inszenierte einfache Lösungen favorisieren. Das bedeutet: Demokratie lernen ist erneut eine Aufgabe, die als eine verpflichtende Veranstaltung nicht nur in der Fort- und Weiterbildung an den Universitäten einen Stellenwert einnehmen sollte, sondern auch in den Schulen.

(Beifall bei der SPD)

Nun ist ganz klar, dass Sie sagen werden: Da sind wir uns ja einig, das ist als Teil im Katalog der Schulen verzeichnet. – Das ist einerseits richtig, aber andererseits falsch oder unzureichend, um mich an dieser Stelle präziser auszudrücken. Was meine ich damit? – Institutionenkunde sagt noch nichts darüber aus, ob man in der politischen Bildung zu Hause ist. Es geht darum, in der Schule andere Lernformen möglich zu machen, das heißt, auch Mitbestimmungsmöglichkeiten für Schülerinnen und Schüler stärker in den Fokus zu rücken. Das haben die KMK – die Ständige Konferenz der Kultusminister – und die 16 Bundesländer in mehrfachen Anläufen so formuliert und angemahnt. Die politischen Bildner und die Didaktiker im Politikbereich plädieren für eine Institutionalisierung dieser Aufgaben in der Lehrerbildung und eine Stärkung der Demokratieerziehung. Sie plädieren für vielfältigere Lernformen. Das heißt, der Ansatz, der hier im Parlament gelegentlich angeboten wird, Schülerinnen und Schüler einzuladen und hier einen Tag als Parlamentarier in einer Lernwerkstatt zu verbringen, ist richtig. Bei genauer Betrachtung, wie viele Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit haben, diese Lernworkshops für Demokratie zu besuchen, sind wir uns – glaube ich – sehr schnell einig, dass das zwar ein guter Ansatz ist, der aber hinten und vorne nicht ausreichend ist.

(Beifall bei der SPD)

Wir sind uns vermutlich auch einig, dass die finanziellen Mittel dafür unzureichend sind. Wir haben als SPD-Fraktion eine Anhörung durchgeführt, in der wir diejenigen eingeladen haben, die sich an den Lernorten der ehemaligen KZs bemühen, dort politische Bildung zu vermitteln. Dabei wurde sehr deutlich, dass das didaktische Material verbesserungsbedürftig und würdig ist, um es vorsichtig auszudrücken. Für besondere andere Lernformen unter Beteiligung von Schülerinnen und Schüler bedarf es Örtlichkeiten, die geeignet sind, das Lernen in diesen Lernformen einzustudieren. Das heißt, es fehlen die geeigneten

Räumlichkeiten. Es fehlt an der Ausstattung in diesem Bereich. Es fehlt auch an der Fort- und Weiterbildung; denn an den Hochschulen könnten wir an dieser Stelle, um es vorsichtig zu formulieren, mehr tun. Dort müssen wir mehr tun.

Wir können an dieser Stelle aufgrund der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland unsere Erfahrung bündeln und feststellen: In den 1970er-Jahren waren wir ähnlichen Bedrohungen ausgesetzt. In der Bevölkerung waren ähnliche rechtsextremistische Bestrebungen verbreitet. Aber wir waren als Demokratie wehrhafter. Die Landeszentralen für Politische Bildung und die Bundeszentrale für Politische Bildung erhielten Sondermittel zur Verfügung. – Es gab andere didaktische Lernformen. Es gab Aktivitäten an den Universitäten. Wir waren an dieser Stelle in der Umsetzung erfolgreich.

Es ist in einer anderen Generation erneut an der Zeit, Demokratie bei den Bürgerinnen und Bürgern vor Ort in einer verstärkten Form zu verankern, weil die populistischen und rechtsextremistischen Strömungen keine Besonderheit der Bundesrepublik Deutschland sind. Wir sollten von Europa und anderen Nationen in unserer Europäischen Union lernen. Wir stellen fest, dass wir einerseits noch gut aufgestellt sind. Andererseits aber müssen wir bei Betrachtung der letzten Jahre feststellen: Diese Diskussionen, zum Beispiel die grenzwertigen Pegida-Diskussionen, sind die Boten einer sich verändernden demokratischen Kultur in der Gesellschaft. Eine Demokratie – das ist ein Allerweltssatz – lebt davon, wie viele aktive Demokratinnen und Demokraten in der Lage sind, diese Demokratie an ihrem Arbeitsplatz vor Ort, in ihren gemeinnützigen Organisationen zu verteidigen. Das ist an vielen Stellen – das zeigen alle wissenschaftlichen Untersuchungen – völlig unzureichend. Vielleicht sagen Sie, der Rosenthal überzieht an dieser Stelle. Dann verweise ich auf ein Interview, das Herr Parigger, Direktor der Landeszentrale für Politische Bildungsarbeit,

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

mit dem Bayerischen Lehrerinnen- und Lehrerverband geführt hat. Darin hat er sehr deutlich gesagt, was alternative Lernformen ausmacht, wie das demokratische Handeln beim Lernen in Situationen und Simulationen besser verankert werden kann, wie Lehrer stärker eingebunden werden können und wie Schülerinnen und Schüler in der Schule selbstständig und aktiv lernen können, dass politische Bildung mit ihrem Tun zusammenhängt. Es gibt Schulverfassungen. Darin stehen hehre Grundsätze. Diese müssen in die Praxis umgesetzt werden. Sie müssen gelebt werden und ständig präsent sein. Wir als Parlament tragen

dabei eine große Verantwortung, diejenigen nicht alleine zu lassen, denen wir diese Aufgaben in der schulischen und außerschulischen Bildung gegeben haben. Vor allem bei der außerschulischen politischen Bildung ist die finanzielle und die personelle Ausstattung völlig unzureichend.

(Beifall bei der SPD)

Wenn man sich die Berufsschulen ansieht, wenn man anschaut, wie dort der Rechtsextremismus und die vereinfachenden Diskussionen Fuß gefasst haben, auf welch fruchtbaren Boden sie bei den Schülerinnen und Schülern fallen, dann muss man sagen: Wer diese Menetekel nicht erkennt, versündigt sich an der demokratischen Werteerziehung dieses Landes. Wir haben viel zu verlieren an dieser Stelle, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte, dass wir die Einigkeit, die wir in diesen Anträgen zum Ausdruck bringen, in Taten umsetzen und dann auch tatsächlich finanzielle und personelle Mittel zur Verfügung stellen. Nur so können wir denjenigen, die vor Ort für uns kämpfen, das Signal geben, dass wir nicht nur verbal bei ihnen sind oder an besonderen Erinnerungsorten. Wir sind auch da, wenn es um finanzielle und personelle Verbesserungen geht.

(Beifall bei der SPD)

Danke schön. Nächster Redner ist Herr Kollege Freller.

Frau Vizepräsidentin, Hohes Haus! Ich bedanke mich bei meinem Vorredner für sehr ernsthafte und wichtige Gedanken. Herr Rosenthal, ich danke auch für die Glaubwürdigkeit, die Sie bei diesem Thema wirklich bewiesen haben und immer wieder beweisen. Ich bedanke mich, dass Sie auf die Gemeinsamkeit hingewiesen haben. Diese Gemeinsamkeit hat beispielsweise an dieser Stelle auch in der letzten Woche geherrscht.