Protocol of the Session on February 1, 2017

Ich möchte jetzt wirklich, dass wir uns hier so verhalten, wie wir uns immer verhalten. Ich bitte, bei der Debatte, die jetzt weiterhin geführt wird, die Unschuldsvermutung zu berücksichtigen.

(Jürgen W. Heike (CSU): Sehr gut! – Beifall bei der CSU)

Ich danke für den Hinweis, Frau Präsidentin. Aber ich denke, angesichts der Ernsthaftigkeit, mit der wir die Diskussion führen sollten, ist es durchaus angebracht, darüber nachzudenken, warum gewisse Dinge nicht funktioniert haben.

(Zuruf von der CSU: Wie am Stammtisch! – Wei- tere Zurufe von der CSU)

Es passt auch ins Bild, dass das LGL nun in einer "Klarstellung" auf seiner Homepage schreibt, dass die Lieferketten in Bayern bis auf die Ebene des Einzelhandels verfolgt wurden. Ja, dann hätte man doch wissen können, wohin die Eier gegangen sind. Im Übrigen lässt die "Klarstellung" alles im Unklaren; das war keine Klarstellung. Medienrecherchen sagen etwas ganz anderes aus.

Die entscheidende Frage ist auch, wann man damit begonnen hat, Lieferketten zu verfolgen. War das während des Ausbruchs 2014, oder war es viel später?

Sie, Frau Ministerin, haben nie gesagt, dass es in Bayern Krankheitsfälle gab, die mit Bayern-Ei zusammenhängen. Sie, Ihr Amtschef und der LGL-Präsident haben nie direkt gesagt, dass Bayern von dem Ausbruchsgeschehen betroffen war. Das Ziel war klar: die Sache zu verharmlosen und herunterzuspielen. Am Anfang war von 17 Betroffenen in Bayern die Rede; aber es konnte kein eindeutiger Bezug nachgewiesen werden. Die Staatsanwaltschaft spricht mittlerweile von 64 Fällen und kann in 13 Fällen sogar genau sagen, wo sich die Menschen die Infektion geholt haben. Wieso konnten das die Kontrollbehörden in Bayern nicht? Oder konnten sie es, und die Öffentlichkeit sollte es nicht erfahren?

Jeder Krankheitsfall und natürlich vor allem jeder Todesfall war einer zu viel, egal, ob in Bayern, Österreich oder Frankreich. Sie hätten sich vielleicht verhindern lassen, wenn bei einer Firma, die ja beileibe nicht als Musterbetrieb bekannt war, von Anfang an genauer hingeschaut worden wäre. Die Firma Pohlmann ist ja in ganz Deutschland sehr gut bekannt. Jeder kennt sie, und ein Politiker – davon gehe ich aus – kennt sie auch.

Meine Damen und Herren, sollte sich herausstellen, dass Marcel Huber von der Bayern-Ei-Affäre frühzeitig Bescheid wusste und aus der Schusslinie gebracht wurde, sollte sich herausstellen, dass Ministerin Scharf von ihrem neuen Haus nicht umfassend informiert worden ist und deshalb die Wahrheit nicht sagen konnte, und sollte sich herausstellen, dass letzten Endes durch eine Personalrochade Menschenleben aufs Spiel gesetzt wurden,

(Thomas Kreuzer (CSU): Herr Kollege!)

handelt es sich um einen Regierungsskandal erster Güte.

(Zurufe von der CSU – Unruhe)

Dieser Skandal endet dann politisch nicht bei der Frau Ministerin Scharf, sondern geht über Marcel Huber weiter direkt zu unserem Ministerpräsidenten.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Gut gemeinte Ratschläge haben leider nichts geholfen. – Lieber Herr Kollege Beißwenger, Sie sind jetzt an der Reihe. Bitte schön, Herr Kollege.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrter Herr Ministerpräsident, liebe Kollegen! Mit einer Pressemitteilung vom 10. Januar 2017 informierte die Staatsanwaltschaft Regensburg über die Anklageerhebung gegen den ehemaligen Geschäftsführer im Fall Bayern-Ei. Die Staatsanwaltschaft legt ihm Körperverletzung mit Todesfolge, gefährliche Körperverletzung, vorsätzliches Inverkehrbringen gesundheitsschädlicher Lebensmittel, gewerbsmäßigen Betrug, unerlaubtes Betreiben einer Anlage und Tierquälerei, also ein offensichtlich kriminelles Verhalten, zur Last. Die Verbraucher in Bayern haben ein Anrecht auf sichere Lebensmittel. Ich will das ganz klar differenzieren. Die Verbraucher haben auch Verantwortung. Verbraucher sind zum Beispiel mit ihrem Kaufverhalten mit dafür verantwortlich, wie die Landwirtschaft in Bayern aussieht. Bei der Lebensmittelsicherheit allerdings liegt die Verantwortung zunächst bei Erzeugern und Verarbeitern. Ich sage hier bewusst: Ich will mich vor all die redlichen Bauern und Landwirte stellen, die täglich ordentlich ihre Arbeit machen.

(Beifall bei der CSU)

Weil ein Agrarindustrieller, offensichtlich ein schwarzes Schaf, kriminelle Machenschaften, so könnte man sagen, an den Tag gelegt hat, dürfen wir nicht alle verunglimpfen. Falls aber die Lebensmittelerzeugung nicht auf dem Niveau funktioniert, wie wir es uns erwünschen, sollten natürlich die notwendigen Kontrollen greifen. Hier muss unsere Bevölkerung die größtmögliche Sicherheit haben. Eine hundertprozentige, eine absolute Sicherheit wird es kaum geben können. Lebensmittelsicherheit hat allerdings für uns die absolut höchste Priorität.

(Markus Rinderspacher (SPD): Na ja!)

Aus diesem Grund kommt es auch zu den bekannten Umstrukturierungen der lebensmittelrechtlichen Kontrollen.

Wir sind von den Vorgängen erschüttert und betroffen, aber auch entschlossen, den Fall Bayern-Ei aufzuklären und die aus den Ergebnissen der Ermittlungen resultierenden Schlüsse zum Wohle der Verbraucher zu

ziehen. Wir wollen, dass die Staatsregierung berichtet, ob den bayerischen Verbraucherschutzbehörden durch das Verfahren gegen den ehemaligen Geschäftsführer der Firma Bayern-Ei neue Erkenntnisse zum Salmonellen-Geschehen im Jahr 2014 bekannt geworden sind und, wenn ja, natürlich welche.

Weiterhin soll die Staatsregierung berichten, ob sich daraus Schlussfolgerungen zur weiteren Verbesserung der Lebensmittelüberwachung in Bayern ableiten lassen, weil die Lebensmittelsicherheit natürlich auch in die Zukunft gedacht werden muss.

Den Ermittlungsbehörden stehen grundsätzlich weitergehende Befugnisse im Vergleich zur Lebensmittelüberwachung und weitere Instrumente zur Verfügung.

(Horst Arnold (SPD): Nein!)

Sollte das Gericht das Hauptverfahren eröffnen, könnten im Verfahren gefundene neue Erkenntnisse über die Vorgänge bei der Firma Bayern-Ei zur weiteren Verbesserung der Lebensmittelkontrollen in Bayern herangezogen werden. Das heißt, wir wollen alles genau prüfen, um danach unsere Schlussfolgerungen zu ziehen. Jeder von uns will die Aufklärung des Sachverhaltes – alles im Sinne des Verbraucherschutzes. Vorfestlegungen lehnen wir allerdings ab.

(Beifall bei der CSU)

Wir bitten um Zustimmung zu unserem Antrag und lehnen die Anträge der Opposition ab. – Danke.

(Beifall bei der CSU)

Vielen Dank. – Jetzt hat für die Staatsregierung Frau Staatsministerin Scharf das Wort. Bitte schön, Frau Staatsministerin.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben in der Politik eine besondere Verantwortung gegenüber den Menschen, erst recht, wenn es um sichere Lebensmittel und die persönliche Gesundheit geht. Bei allem Verständnis für politischen Ehrgeiz appelliere ich heute noch einmal an die Kolleginnen und Kollegen dieses Hauses: Nehmen wir diese Verantwortung auch wahr, betreiben wir Sachpolitik und orientieren wir uns an den Fakten

(Lachen bei der SPD)

und nicht an Vermutungen. Verzichten wir auf eine Politik der Verunsicherung.

(Beifall bei der CSU)

Die Beiträge der Opposition sind einmal mehr eine Orgie von Verzerrung und Verfälschung.

(Thomas Gehring (GRÜNE): Das ist eine Orgie von Fakten!)

Ich frage mich wirklich: Verstehen Sie den Sachverhalt nicht – er ist nicht einfach –, oder wollen Sie ihn nicht verstehen?

(Beifall bei der CSU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, uns liegt die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Regensburg nicht vor, aber ich sage: Jede zusätzliche Erkenntnis der Staatsanwaltschaft ist für uns hilfreich. Erinnern wir uns: Die Staatsanwaltschaft hat jetzt mehr als zwei Jahre Ermittlungsarbeit hinter sich. Sie hat den Verdacht – ich zitiere aus der Pressemitteilung vom 30. Januar –, dass "187 Personen an einer Salmonelleninfektion erkrankten", die auf den Verzehr von Eiern zurückzuführen sei, die aus den Betriebsstätten der Firma Bayern-Ei stammten. Davon sollen 86 Fälle in Deutschland sein. 64 Personen sollen ihren Wohnsitz in Bayern haben. Allerdings teilt die Staatsanwaltschaft auch mit, dass sich – ich zitiere noch einmal – "nur in 18 dieser Fälle" ein Infektionsort habe ermitteln lassen, davon 13 in Bayern. In den übrigen Fällen sei der Infektionsort nicht bekannt.

(Hans-Ulrich Pfaffmann (SPD): Wie Sie das so runterspielen – Wahnsinn!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Staatsanwaltschaft bewertet strafrechtlich relevantes Verhalten. Sie bewertet aufgrund einer Ex-post-Betrachtung, das heißt, im Nachhinein. Sie nimmt sich zu Recht sehr viel Zeit für die Ermittlungen, und sie hat vor allen Dingen das volle Spektrum an Maßnahmen und Möglichkeiten, etwa Telefonüberwachung, umfassende Mitarbeiterbefragung, Befragung von Zeugen und vieles mehr. Das heißt: Natürlich kann die Staatsanwaltschaft zu neuen Erkenntnissen kommen. Welchen Sinn neben dem laufenden Justizverfahren ein Sonderermittler haben soll, bleibt das Geheimnis der SPD.

Die Überwachungsbehörden hingegen sind für die Gefahrenabwehr zuständig. Sie müssen auf der Grundlage des jeweiligen Kenntnisstandes in einem laufenden Geschehen schnell und vor allen Dingen rechtssicher handeln; denn mögliche Gefahren für die Menschen erfordern eine konsequente Reaktion. Eine solche Konsequenz kann beispielsweise das Umstellen eines A-Eier-Betriebes auf B-Eier sein.

Wir haben das bereits umfassend aufgearbeitet, und ich wiederhole noch einmal: An der Bewertung des

Handelns der Veterinär- und Lebensmittelsicherheitsbehörden vom Sommer 2014 hat sich auch nach unserem heutigen Kenntnisstand nichts geändert. Auch nach mehrfacher Überprüfung bleibt es bei der Feststellung, dass die Behörden die ergriffenen Maßnahmen im Sommer 2014 nach geltendem Recht und Gesetz ergriffen haben.

Ich wiederhole noch einmal: Eine bayernweite öffentliche Warnung der Verbraucher ist an fachliche und vor allen Dingen an rechtliche Voraussetzungen geknüpft. Diese Voraussetzungen lagen nicht vor. An der Einschätzung des LGL hat sich bis zum heutigen Stand nichts geändert. Damals konnte der Nachweis nicht erbracht werden, dass Eier der Firma Bayern-Ei für Salmonellenerkrankungen in Bayern ursächlich waren. Das LGL hat mehrfach ausgeführt, dass neben dem mikrobiologischen Befund, der als alleiniger Nachweis nicht ausreichend ist, auch ein epidemiologischer Nachweis notwendig ist. Sollte das laufende Justizverfahren weitere Erkenntnisse ergeben, prüfen wir diese und werden dem Landtag darüber berichten.

Für die Befragung der Erkrankten, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind die Gesundheitsbehörden zuständig, die vom LGL eingeschaltet wurden. Die Gesundheitsbehörden haben diesbezüglich Nachforschungen angestellt. Aus den Fragebögen der Erkrankten, die dem LGL in diesem Zusammenhang von den Gesundheitsbehörden in anonymisierter Form übermittelt wurden, ergab sich in keinem Fall ein Hinweis auf eine konkrete Infektionsquelle oder gar ein Hinweis auf die Firma Bayern-Ei.

Anders ist die Situation in Frankreich und in Österreich. Dort gab es Ausbruchscluster. Das erleichterte die Aufklärung wesentlich. Ein Ausbruchscluster stellt etwa eine Feier dar, nach der viele Menschen erkranken. Dort hat man Eier der Firma Bayern-Ei gefunden. Auf den Eiern steht die Kennung des Betriebs. Sie wissen, dass uns die ausführliche lange Nummer auf den Eiern genau nachverfolgen lässt, aus welchem Betrieb diese kommen. Durch den Fund der Eier und das Ausbruchscluster konnte die Verbindung zu Bayern-Ei hergestellt werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Ausschussmitglieder unter Ihnen erinnern sich: Ich habe die Falschbehauptungen des verbraucherschutzpolitischen Sprechers der SPD am 14. Januar letzten Jahres ebenso umfassend wie unwidersprochen richtiggestellt. Sie können das in den Protokollen des Landtags gern nachlesen.

Eines ist klar: Lebensmittelsicherheit ist nichts, was man einmal regelt und dann abhakt, sondern Lebens

mittelsicherheit ist ein Dauerauftrag im Dienste der Menschen. Diesen Auftrag nehme ich an, und zwar ernsthaft. Ich habe eine Vertrauensperson Lebensmittelsicherheit zur Entgegennahme von vertraulichen Hinweisen und einen Expertenrat Lebensmittelsicherheit berufen. Ich habe das Programm "Gute Lebensmittel aus Bayern" aufgelegt. Wir haben die größte Strukturreform auf den Weg gebracht, seit es die staatliche Veterinärverwaltung und Lebensmittelüberwachung in Bayern gibt. Eine neue zentrale Kontrollbehörde wird in Zukunft komplexe Betriebe, im Übrigen auch Geflügelgroßbetriebe, kontrollieren und für noch mehr Sicherheit für die Verbraucher sorgen.

Ich danke für die Unterstützung bei diesem wirklich wichtigen Zukunftsprojekt. Wir werden gemeinsam neue Wege in der Lebensmittelsicherheit gehen, gerne eines Tages auch mit den Kolleginnen und Kollegen der Opposition, auch gern im Wettstreit um die besten Ideen, aber nicht im Modus der persönlichen Verunglimpfung.