Protocol of the Session on December 15, 2016

Vielen Dank, Herr Kollege Kränzlein. – Nun haben wir eine Zwischenbemerkung vom Kollegen Steiner. Bitte schön.

Ich habe eine Frage, Herr Kollege Kränzlein. Sie haben in Ihrer Rede bei den Krankenhäusern die Kliniken im Berchtesgadener Land angesprochen. Was wollten Sie damit zum Ausdruck bringen? Die Kliniken im Berchtesgadener Land sind zusammen mit den Kliniken im Landkreis Traunstein in kommunaler Trägerschaft. Das ist ein sehr positiver Weg. Auch wirtschaftlich entwickelt sich dieses Konsortium aus Kliniken, diese Klinik AG gut. Können Sie mir erläutern, was Sie mit dem Hinweis auf die Berchtesgadener Kliniken gemeint haben?

Bitte schön, Herr Kränzlein.

Aber gerne, Herr Kollege Steiner. Der Hinweis auf die Berchtesgadener Kliniken hat damit zu tun, dass das Berchtesgadener Land mein Betreuungsstimmkreis ist. Er hat aber noch viel mehr damit zu tun, dass mein Schwiegersohn lange Jahre in einer dieser Kliniken als Chirurg gearbeitet hat. Deshalb hat es mich sehr interessiert, wie in Berchtesgaden, in Bad Reichenhall oder in Freilassing – natürlich gehören auch die Verbundkliniken dazu – die finanzielle Entwicklung verlaufen ist und ob dort ein finanzieller Notstand aufgetreten ist. Ich war auch selber einige Male dort und habe mit Chefärzten und Verwaltungsmitarbeitern reden können. Wir haben dort Probleme. Freilassing könnte nach den Plänen, die in Berlin zur Betteneinsparung gemacht wurden, nicht mehr aufrechterhalten werden. Ich verstehe, warum sowohl der Bürgermeister als auch der Landrat das nicht mitmachen wollen. Sie wissen ganz genau, dass im Hintergrund Salzburg mit einer großen Bettenkapazität liegt. Umgekehrt aber können die Österreicher aus Gründen der Bezahlung nicht nach Deutschland kommen. Deshalb sind die Kliniken inzwischen notleidend geworden. Gerade in Bad Reichenhall stimmt der alte Witz über Ehefrauen von Chirurgen, der wie folgt lautet: Sie sind Witwen, deren Mann im Krankenhaus noch lebt. Zu unmöglichen Bedingungen und unmöglichen Bezahlungen, die aber nicht auf Berchtesgaden beschränkt sind, wird an solchen Kliniken eine Totalausbeute gemacht.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Dr. Kränzlein.

(Klaus Steiner (CSU): Das ist aber alles falsch!)

Herr Steiner, ich kann Ihnen jetzt nicht mehr das Wort erteilen. Sie können sich aber noch regulär zu Wort melden, denn Ihre Fraktion hat noch neun Minuten Redezeit. – Unser nächster Redner ist Herr Kollege Dr. Vetter. Bitte schön.

Sehr geehrte Frau Vizepräsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Zukunft unserer Kinder in ganz Bayern und damit auch unsere Zukunft sichern, dafür stehen wir FREIE WÄHLER. Gerade in der Gesundheitspolitik ist eine nachhaltige Politik für die Menschen in Bayern besonders wichtig. Es geht um unsere Gesundheit, um eines der höchsten Güter, die wir haben. Nach unserer Meinung bietet der Entwurf der Staatsregierung zum Doppelhaushalt einiges an Verbesserungspotenzial. Aus unserer Sicht bringt es nichts, wenn überall Baustellen eröffnet werden,

aber keine Baustelle zum Abschluss gebracht wird. Das Gesundheitsministerium hat mit den in den letzten Jahren ergriffenen Maßnahmen sicher einige Themen behandelt. Ich erwähne die Versorgung der psychisch Kranken mit einem geplanten PsychischKranken-Hilfe-Gesetz. Ich erwähne die finanzielle Situation der Krankenhäuser, die flächendeckende Versorgung mit Hausärzten, die Förderung der bayerischen Heilbäder, um nur einige Maßnahmen zu nennen. Diese Themen sind in den letzten zwei, drei Jahren angeschnitten worden. Wirkliche nachhaltige Lösungen wurden aber noch nicht gefunden. Exemplarisch nenne ich die Hebammenversorgung.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Eine flächendeckende und bedarfsgerechte Versorgung mit Haus- und Fachärzten ist für gleichwertige Lebensverhältnisse in Bayern unabdingbar. Wir haben es heute schon gehört. Ohne einen Hausarzt vor Ort ist das Ausbluten des ländlichen Raums nicht mehr fern. Inzwischen ist ein Drittel der Hausärzte – wir haben es auch schon gehört – älter als 60 Jahre. Damit ist absehbar, dass in den kommenden Jahren eine erhebliche Anzahl an Hausärzten ihre Praxis aus Altersgründen aufgeben wird. Die Nachbesetzung – das sehe ich bei mir vor Ort alle paar Wochen – ist in vielen Regionen Bayerns unsicher. Uns fehlen im Moment Ärzte, die sich im ländlichen Raum niederlassen wollen. Die Auswirkungen für die Kommunen sind dabei immens.

Ich möchte bei der Gelegenheit auch unseren Gesetzentwurf erwähnen, der in die richtige Richtung gegangen wäre, mit dem es uns vielleicht gelungen wäre, mehr Abiturienten zu finden, die sich für die ärztliche Versorgung auf dem Land bereit erklärt hätten. Es war unser Gesetzentwurf zur Lockerung des Numerus clausus, damit diejenigen Medizin studieren können, die anschließend wirklich Arzt werden und Dienst am Patienten leisten wollen. Dieser Gesetzentwurf wurde vor etwa einem Jahr von der CSU abgelehnt.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Bis überhaupt Maßnahmen vonseiten des Gesundheitsministeriums zu erkennen waren, hat es gedauert. 2011 gab es nur vollmundige Versprechungen des damaligen Gesundheitsministers für finanzielle Entlastungen. Geschehen ist nicht viel. Das Adjektiv "vollmundig" hätte ich bei Ihnen, Frau Ministerin, nicht gebraucht.

Jetzt kommen seit den letzten Jahren langsam einzelne Initiativen aus dem Gesundheitsministerium, so zum Beispiel die finanzielle Förderung von Niederlassungen im ländlichen Raum und die Schaffung von Studienplätzen für Studierende, die an einer Landarzt

tätigkeit interessiert sind. Wir müssen uns aber schon fragen, warum diese wichtigen Themen derart schleppend in Angriff genommen werden, und auch nur auf nachdrückliches Drängen der Opposition.

Gerade bei der flächendeckenden Hausarztversorgung drängt sich der Verdacht auf, dass man wichtige Strukturreformen scheut und lieber den Geldbeutel öffnet. Auch wenn eine finanzielle Förderung von Ärzten in unterversorgten oder von Unterversorgung bedrohten Gebieten sinnvoll ist – das bestreiten wir gar nicht –, werden dadurch die zugrundeliegenden strukturellen Probleme nicht behoben.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie es mich noch einmal in aller Deutlichkeit sagen: Von einer bayerischen Gesundheitsministerin erwarte ich, dass sie in der Gesundheitspolitik eine klare Marschroute vorgibt, sich für die Belange der bayerischen Bevölkerung einsetzt – das tut sie – und zudem Strukturreformen nicht scheut.

Die Altersverteilung der Hausärzte – bei den Fachärzten sieht es nicht viel besser aus – ist seit Jahrzehnten bekannt. Es fehlt immer noch an einer effektiven Strategie. Die Aktionen erschöpfen sich in befristeten Förderprogrammen. Ebenso hat sich – wir haben es schon gehört – die finanzielle Situation der bayerischen Krankenhäuser in den vergangenen Jahren zugespitzt.

Die bayerischen Heilbäder geraten durch den europäischen Wettbewerbsdruck und die Zurückhaltung der Krankenkassen bei der Genehmigung von Kuren zunehmend in finanzielle Bedrängnis. Auch an dieser Situation hat sich in den letzten Jahren im Grunde nichts geändert. Es gibt zwar wieder ein Förderprogramm, aber keine langfristigen Lösungen.

Bei der Versorgung der psychisch Kranken schaut es ähnlich aus. Ein Entwurf für ein modernes PsychischKranken-Hilfe-Gesetz mit flächendeckender Krisenintervention liegt noch immer nicht vor. Die Finanzierungsfragen scheinen nicht geklärt zu sein. Das ist keine zukunftsweisende Gesundheitspolitik im Sinne der FREIEN WÄHLER.

Einen besonders wichtigen Aspekt möchte ich an dieser Stelle betonen: Das Gesundheitsministerium hat unseres Erachtens in den vergangenen Jahren immer wieder Politik an den Betroffenen vorbei gemacht. Verbände, Fachleute und Betroffene sind weder frühzeitig noch ausreichend eingebunden worden. Dieser Mangel hat sich zum Beispiel bei der Neuordnung des Bayerischen Rettungsdienstgesetzes gezeigt. Die Ärzteverbände waren zunächst nicht gefragt worden, was zur Folge hatte, dass den Hausärzten auf einmal die Möglichkeit genommen werden sollte, Ärztliche

Leiter Rettungsdienst zu werden. Auch beim Bayerischen Krebsregistergesetz hätte man sich viele Diskussionen ersparen können, wenn die betroffenen Ärzte und diejenigen, die das Register betreuen, frühzeitig in den Entscheidungsprozess eingebunden worden wären.

Zur Pflegekammer wird mein Kollege Prof. Bauer noch Stellung nehmen.

Kolleginnen und Kollegen, das Ganze wird nun mit der Verlagerung des Gesundheitsministeriums nach Nürnberg auf die Spitze getrieben. Diese Entscheidung wurde von oben herab – Frau Ministerin, Sie können am wenigsten dafür – über die Köpfe der Betroffenen hinweg getroffen. Rechtlich ist dieses Vorgehen vielleicht zulässig. Politisch ist dieser Stil allerdings längst überholt. Er entspricht nicht den Erfordernissen einer gelebten Demokratie.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Der Umzug verursacht erhebliche Kosten. In den Doppelhaushalt sind dafür 2,7 Millionen Euro für 2017 und 2,9 Millionen Euro für 2018 eingestellt worden. Zusätzlich gibt es eine Verpflichtungsermächtigung über 7,5 Millionen Euro. Eine hausinterne Umfrage hat ergeben, dass nur 10 % der Mitarbeiter des Ministeriums in Nürnberg arbeiten wollen.

Auch in der Sache ist die Entscheidung fragwürdig. Ein Ministerium ist sicherlich zentral, in München, besser aufgehoben, und sei es nur, um die Entscheidungswege kurz zu halten. Ich kann mir die Entscheidung nicht erklären. Ich kenne aus den letzten Jahren bundesweit, europaweit oder weltweit keinen Präzedenzfall. Ein Ministerium wird aus der Landeshauptstadt verlagert, mit dieser Entscheidung steht Bayern wieder einmal allein da.

Als FREIER WÄHLER begrüße ich eine Behördenverlagerung grundsätzlich. Aber ein Ministerium sollte nicht verlagert werden. Wenn schon eine Verlagerung erfolgt, dann in den ländlichen Raum, um gleichwertige Lebensverhältnisse im gesamten Freistaat zu schaffen, aber doch nicht in eine andere Großstadt mit den damit verbundenen Kosten.

Was meine ich mit Strukturen und Strategien? Ich habe mir exemplarisch vier Beispiele herausgesucht.

Erstens. Wir müssen in der Gesundheitspolitik in Bayern und im Bund die Schnittstelle ambulant/stationär beseitigen. Die Sektorentrennung führt zu großen Problemen. Herr Kollege Kränzlein hat auf die Situation in den Notaufnahmeeinrichtungen hingewiesen. Die dortigen Probleme hängen sicherlich mit der Sektorentrennung zusammen.

Zweitens. Wir müssen uns mehr Gedanken darüber machen – dazu fordere ich auch das Gesundheitsministerium auf –, wie wir die konservative Medizin stärken können. Im Moment ist die Vergütung so geregelt, dass eine Bandscheibenoperation genauso teuer ist wie die konservative Behandlung eines Patienten mit Bandscheibenproblemen über einen Zeitraum von 100 Jahren. Diese Diskrepanz ist nicht akzeptabel. Das Problem muss endlich angegangen werden.

Wir FREIEN WÄHLER sind der Auffassung, dass wir uns wesentlich intensiver um die Prävention statt um "Reparaturen" im Gesundheitswesen kümmern sollten. 1 bis 2 % der Mittel fließen in die Prävention, der Rest fließt in "Reparaturen". Wenn dieses Verhältnis in anderen Branchen anzutreffen wäre, dann hätten sie einiges falsch gemacht.

Zum Schluss erinnere ich daran, dass wir nach wie vor eine Zwei-Klassen-Medizin – private Krankenkassen und die Gesetzliche Krankenversicherung – haben. Vor einigen Wochen stellten wir einen Antrag, um die Übernahme der Gesundheitskosten anerkannter Asylbewerber zu regeln. Um nicht falsch verstanden zu werden: Wir sind dafür, dass anerkannte Asylbewerber auch in Bayern eine richtige Gesundheitsversorgung erhalten. Wer aber übernimmt die Kosten? Die Gesetzliche Krankenversicherung! Die privaten Kassen – und damit auch die Beamten – werden wieder außen vor gelassen. Ich habe nicht verstanden, wie unser Antrag auf Beteiligung aller an der Übernahme der Gesundheitskosten anerkannter Asylbewerber, zum Beispiel durch Mittel aus dem Steuertopf, von der Mehrheitsfraktion abgelehnt werden konnte. Das ist eine Baustelle für die Zukunft.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Ich habe leider nicht mehr die Zeit, weitere Zahlen zu nennen; das hätte ich gern gemacht.

Wir FREIEN WÄHLER fordern eine nachhaltige Gesundheitspolitik, die auch einmal den Mut zu Strukturveränderungen aufbringt, die die Interessen der Menschen ernst nimmt und die die Menschen frühzeitig in politische Entscheidungen einbindet. – Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Danke schön, Herr Dr. Vetter. – Der nächste Redner ist Herr Kollege Leiner. Bitte schön, Herr Leiner.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Ministerin, ich muss es viel härter ausdrücken als meine Vorredner – bisher sind die Staatsregierung

und auch Ihr Ministerium fast mit Samthandschuhen angefasst worden –: Das Trauerspiel um die bayerische Gesundheitspolitik geht weiter.

(Beifall bei den GRÜNEN – Lachen bei der CSU)

Mit der Gründung des Ministeriums für Gesundheit und Pflege war die Hoffnung verbunden, dass dieser für die Menschen so wichtige Bereich deutlich gestärkt wird. Leider müssen wir nach drei Jahren feststellen: Dem ist nicht so.

Schon Minister Söder – – Er ist leider nicht mehr da.

(Zuruf von der CSU: Doch, hier sitzt er! – Staats- minister Dr. Markus Söder sitzt in der letzten Reihe der CSU-Fraktion und befindet sich im Ge- spräch mit Abgeordneten)

Ach, dort ist er. Wunderbar! Ich hätte ihn fast nicht gefunden.

(Allgemeine Heiterkeit)

Schon damals – als Umweltminister war er auch für die Gesundheit zuständig – kündigte er viel an, erreichte aber wenig bis gar nichts.

(Beifall bei den GRÜNEN und Abgeordneten der SPD)

Als bestes Beispiel dafür steht die Ankündigung, eine Pflegekammer in Bayern einzurichten. Frau Christa Stewens widmete sich noch ernsthaft und intensiv den anstehenden Problemen. Frau Haderthauer hat dies leider in keiner Weise fortgesetzt.