Protocol of the Session on December 13, 2016

Seitens der SPD sage ich aber auch: Nicht alles, was gut gemeint ist, ist automatisch auch gut gemacht. Die SPD wird sich in den nächsten Monaten sehr genau anzuschauen haben, ob die sogenannte DobrindtMaut nach den vielen Veränderungen der letzten Monate und Jahre am Ende überhaupt noch einen Sinn ergibt. Der Bundesrechnungshof hat intensive Zweifel angemeldet, ob die Maut am Ende nicht doch ein Draufzahlgeschäft ist. Das Versprechen der CSU von Mehreinnahmen für die Infrastruktur endet womöglich bei Mehrausgaben für Staat, Bürger und Autofahrer. Das darf nicht sein. Herr Ministerpräsident, ziehen Sie dieses Projekt besser zurück, bevor es letztlich in einer Blamage endet.

(Beifall bei der SPD)

Das Jahr 2016 wird vielen Bürgerinnen und Bürgern – so fürchte ich – nicht als ein Jahr der Neuerungen, der gesetzgeberischen Innovation, der Verbesserung der Lebensqualität in Erinnerung bleiben. Vielen Menschen in Deutschland wird es vielmehr als ein Jahr des politischen Streits und der politischen Zwietracht in Erinnerung bleiben, und zwar aus einem Grund: Die CSU, die kleinste Partei des Deutschen Bundestages, ist nicht als Regierungspartei, sondern vorwiegend als Opposition gegen die eigene Bundesregierung und die eigene Bundeskanzlerin in Erscheinung getreten. Der ständige Streit zwischen CSU und CDU lenkt von den wichtigsten, den zentralen Entscheidungen in unserem Lande ab. Er zeigt aber auch: Die SPD ist der konstruktive Teil der Bundesregierung. Deshalb können wir damit relativ gelassen umgehen.

(Karl Freller (CSU): Das ist eine Haushaltsdebatte!)

Aber es ist unverkennbar: Zehn Monate vor der Bundestagswahl hat die CSU der Unionskanzlerkandidatin Angela Merkel ein Auftrittsverbot in Bayern verpasst.

(Zurufe von der CSU: Haushalt, Haushalt!)

Um ein Pfeifkonzert für die eigene Spitzenkandidatin zu vermeiden, musste sie beim CSU-Parteitag drau

ßen bleiben – ein in der politischen Historie der Bundesrepublik einmaliger Vorgang.

(Beifall bei der SPD)

So stehen weniger die guten gemeinsamen Entscheidungen im Vordergrund. Die Demontage der deutschen Bundeskanzlerin durch die Christlich-Soziale Union zeigt Wirkung. Sie hat den letzten Rest an Autorität verloren. Das Ansehen der Kanzlerin ist schwerstens beschädigt.

(Karl Freller (CSU): Wir sind beim Haushalt!)

Sie genießt keinerlei Rückhalt mehr. Sehr zu unserem Bedauern fehlt es ihr an Führungsstärke, der Schwesterpartei in Bayern Grenzen aufzuzeigen.

(Beifall bei der SPD)

So war die CSU ganz offensichtlich in der deutschen Bundesregierung in vielen Bereichen zu einer konstruktiven Kooperation nicht willens. In Bayern gibt es für die Regierungspartei der absoluten Mehrheit ohnehin keine echte Notwendigkeit der Zusammenarbeit. Eines ist klar: Die absolute Mehrheit verführt definitiv zur Selbstüberschätzung, zum Hochmut, zur Trägheit. Die Regierung verlagert ihre politische Energie weg vom Regieren hin zum Marketing in eigener Sache. Wichtige Probleme werden vertagt, die Regierung konzentriert sich vorwiegend auf Machterhalt und Machtausbau. So ist die Bayerische Staatsregierung im Jahr 2016 mehrfach auf Kollisionskurs mit dem Grundgesetz und unserer Bayerischen Verfassung geraten. Wir freuen uns sehr, als diejenigen, die in der Tradition des Vaters der Bayerischen Verfassung stehen, Wilhelm Hoegner, dass Sie, Herr Ministerpräsident, die Bayerische Verfassung heute noch einmal gewürdigt haben. Etwas mehr Respekt vor der Bayerischen Verfassung in der täglichen Politik wäre allerdings durchaus angebracht.

(Beifall bei der SPD)

Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hat erst vor wenigen Wochen die gesetzgeberische Vortäuschung einer Volksbefragung – sie war als ein Kampfinstrument der bayerischen Regierung gegen die Opposition gedacht – für nichtig und verfassungswidrig erklärt. Das Instrument – ich zitiere die Entscheidung – erweitert das Staatsgefüge um ein neues Element, das geeignet ist, das von der Verfassung vorgegebene Kräfteverhältnis der Organe und ihrer Gestaltungsspielräume zu beeinflussen. – Auf Deutsch: Das Gericht ließ es der CSU nicht durchgehen, sich ein zusätzliches Instrument des Machterhalts und des Machtausbaus zu schaffen. Das ist ein Rückschlag für

Sie selbst, Herr Ministerpräsident. Ich finde aber, das ist ein schöner Erfolg für die Demokratie in Bayern.

(Beifall bei der SPD)

In meiner Amtszeit als Fraktionsvorsitzender der SPD hier im Hohen Hause ist das nun schon die dritte erfolgreiche Klage vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof. So viel zu Ihrem Respekt vor der Bayerischen Verfassung. In den Jahren zuvor wurde bereits die Resonanzstudienaffäre vom Gericht aufgeklärt. Dabei ging es um Umfragen zum Nutzen der CSU auf Kosten der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler. Kurz darauf wurde die sogenannte Verwandtschaftsaffäre mehrerer Kabinettsmitglieder behandelt, die das Gericht ebenso wie die Opposition im Parlament gegenüber der Öffentlichkeit transparent dargestellt wissen wollte.

Meine Damen und Herren, wer die Entscheidungen des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs über die Jahre hinweg verfolgt, erkennt sehr schnell: Immer wieder wird die CSU dabei ertappt, wie sie sich den bayerischen Staat an der einen oder anderen Stelle regelrecht zur Beute machen will. Wir widersetzen uns dieser Arroganz der Macht.

(Unruhe bei der CSU)

Eines muss klar sein: Bayern ist nicht die CSU, und die CSU ist nicht Bayern. Diese Gleichung geht nicht auf. Wir werden den Freistaat nicht einer einzelnen Partei überlassen.

(Lebhafter Beifall bei der SPD)

Auch beim zweiten zentralen Gesetz dieser Wahlperiode neben dem wichtigen verfassungswidrigen Gesetz zur sogenannten Volksbefragung steht infrage, ob es verfassungskonform ist. Das sogenannte Integrationsgesetz ist ein Ausgrenzungsgesetz. Deshalb erkläre ich für die SPD, dass wir uns gezwungen sehen, auch in diesem Fall das Verfassungsgericht zur Überprüfung des Gesetzes anzurufen. Zugleich gilt mein Dank den Kolleginnen und Kollegen des Hohen Hauses, die dieses Gesetz mit Kompetenz und Glaubwürdigkeit in der letzten Woche intensiv beraten haben.

(Beifall bei der SPD)

Tatsächlich ging es in den letzten Monaten, mindestens aber eineinhalb Jahren sehr viel um Flüchtlingspolitik, um Asylpolitik und um Ausländerpolitik. Sie haben mit einer Verfassungsänderung für das Jahr 2018 angekündigt, das Thema Ausländerpolitik in den Mittelpunkt der Wahlauseinandersetzung rücken zu wollen. Andere Themen, die für Bayern wich

tig sind, bleiben dabei unterbelichtet, vor allem die soziale Spaltung in unserem Land: Auf 3.500 Einkommensmillionäre in diesem Land kommen mittlerweile 1,8 Millionen Menschen an oder unterhalb der Armutsgrenze, Herr Ministerpräsident. Es ist aber Auftrag der Bayerischen Verfassung, dafür zu sorgen, dass sich diese Kluft nicht weiter vertieft. Wenn ich mir aber den bayerischen Staatshaushalt ansehe, kann ich nicht erkennen, dass hier der Bayerischen Verfassung wirklich Rechnung getragen wird.

Wir sagen als SPD: Bayern wird gerechter, wenn wir die Menschen mit unteren und mittleren Einkommen entlasten. Gleichzeitig müssen wir dafür sorgen, dass Konzerne wie Starbucks ebenso Steuern zahlen wie das familienbetriebene Café um die Ecke. Heute zahlt jeder Handwerker deutlich mehr Steuern und Abgaben als Apple und Google, weil die sich arm rechnen. Das muss sich ändern. Für uns ist es ein Unding, wenn Finanzminister Söder sich im europäischen Steuerstreit an die Seite des amerikanischen Konzerns Apple stellt. Die Großen lässt man laufen, die Kleinen schröpft man. Dieses Söder‘sche Gesetz darf nicht die Leitlinie für die Steuerpolitik Bayerns bleiben, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Solche Steuervermeidungsstrategien großer Konzerne rauben dem Gemeinwesen enorme Beträge. Da müssen wir ran.

Als Familienpartei Bayerns ist es uns als SPD ein besonderes Anliegen, die Familien in Bayern zu entlasten. Das kann und muss nicht nur über die Steuer geschehen. Sie haben gesagt, dass Herr Schäuble von einer Steuersenkung von 15 Milliarden Euro nach der Bundestagswahl gesprochen hat. Das wäre im Übrigen eine Steuerentlastung für eine Durchschnittsfamilie mit zwei Kindern auch in Bayern von etwa 25 bis 35 Euro im Monat. Tatsächlich – es ist richtig – müssen wir auch an die Mittelschicht, an die Leistungsträger unserer Gesellschaft denken. Wir als SPD sagen: Wir haben es auch landespolitisch in der Hand, und Bayern wird gerechter, wenn Eltern beispielsweise von Kindergartengebühren entlastet werden. Die Entlastungswirkung für Familien ist hierdurch viel größer als bei einer Veränderung des Steuersystems durch Herrn Schäuble. Wenn nämlich beispielsweise wie in Rheinland-Pfalz künftig der Staat die Kindergartengebühren übernimmt, anstatt sie den Familien zu überlassen, entlastet das die Familien um 150, 200, 250 oder 300 Euro und mehr, und das jeden Monat, meine Damen und Herren. Das ist eine Politik der sozialen Gerechtigkeit.

(Beifall bei der SPD)

Ziel muss es sein, jedem Kind Zugang zu guten frühkindlichen Bildungsangeboten zu ermöglichen, unabhängig von seiner Herkunft und von der Größe des Geldbeutels seiner Eltern. In den ersten Lebensjahren werden die Grundlagen für eine erfolgreiche Entwicklung und Bildungsbiografie gelegt. Das haben zahlreiche Studien in der Vergangenheit nachgewiesen. Kindertageseinrichtungen sind Bildungseinrichtungen; sie müssen daher aus unserer Sicht wie der Schulbesuch kostenfrei sein.

(Beifall bei der SPD)

Und tatsächlich haben wir gerade in diesem Bereich sehr großen Nachholbedarf. Der Bildungsmonitor 2016 des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln hat im Auftrag der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft – beides ganz gewiss keine sozialdemokratischen Vorfeld-Organisationen – dargestellt, dass auch bei Qualität und Quantität von Kinderbetreuungseinrichtungen in Bayern deutlich mehr geschehen muss. So heißt es mit Blick auf den Freistaat in der Studie wörtlich: "Der Anteil der Kindergarten- und Grundschulkinder in Ganztagseinrichtungen ist im bundesweiten Vergleich sehr niedrig." Der Bildungsmonitor zeigt auf, dass der Anteil der ganztags betreuten Kinder zwischen drei und sechs Jahren im Jahr 2015 einen Wert von 34 % erreichte, während im Bundesdurchschnitt 44 % aller Kinder dieser Altersgruppe ganztags betreut werden. Von den zehn Städten und Landkreisen mit der bundesweit niedrigsten Quote betreuter Kinder unter drei Jahren lagen im Übrigen letztes Jahr tatsächlich acht in Bayern: Stadt Straubing, Stadt Kaufbeuren, Landkreis Regen, Landkreis Kelheim, Landkreis Traunstein, Landkreis Freyung-Grafenau, Landkreis Unterallgäu und das Berchtesgadener Land mit dem bundesweit niedrigsten Anteil an betreuten Kindern von 13 %.

(Gudrun Brendel-Fischer (CSU): Dort betreuen eben die Eltern selber ihre Kinder!)

Tatsächlich, liebe Kolleginnen und Kollegen, können wir jeden Euro nur einmal ausgeben und dürfen Finanzmittel nicht krass fehlsteuern. Solange es diese eklatanten Lücken im System der frühkindlichen Bildung gibt, ist das Betreuungsgeld, das Sie hier heute noch einmal gepriesen haben, Herr Ministerpräsident, und für das Sie bis zum Jahr 2021 mehr als eine Milliarde Euro ausgeben wollen, eine krasse Fehlinvestition. Wir brauchen dieses Geld an anderer Stelle.

(Beifall bei der CSU)

Das Betreuungsgeld sehen wir als Prämie für das Fernhalten von Bildungschancen.

(Gudrun Brendel-Fischer (CSU): Es gibt auch schlaue Eltern in Bayern!)

Dieses Geld müsste in 20.000 Kita-Plätze investiert werden, die in Bayern fehlen, in 11.000 Erzieherinnen und Erzieher, die in Bayern fehlen und die auch zu wenig verdienen. Parallel dazu werden wir eine Qualitätsoffensive auf den Weg bringen müssen; denn für uns gilt das Postulat in der Bayerischen Verfassung: "Kinder sind das köstlichste Gut eines Volkes". Das hat der Sozialdemokrat Wilhelm Hoegner in die Verfassung geschrieben. Wir nehmen das als Arbeitnehmer- und Familienpartei Bayerns sehr ernst, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Überrascht bin ich, wenn Sie die Bayerische Verfassung zitieren und dabei einen ganz zentralen Artikel weglassen, nämlich das Verfassungspostulat, dass es Aufgabe des Freistaats und seiner Kommunen ist, für billige Volkswohnungen im Freistaat Sorge zu tragen.

(Beifall bei der SPD)

Deshalb sagen wir: Um den Druck auf Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, auf Familien, auf Rentner zu senken, müssen wir für bezahlbares Wohnen in unserem Land mehr tun. Wohnen ist in Bayern heute bereits teurer als in den meisten anderen Bundesländern. Im Vergleich der Flächenstaaten belegt Bayern nach einer Immonet-Studie aus dem Jahr 2014 hinter Hessen Rang 2. Dabei ist vor allem das Mietpreisniveau in den Großstädten und Boomregionen stetig gestiegen. So liegen sechs der fünfzehn deutschen Großstädte, die zwischen 2009 und 2014 die stärksten Mietpreisanstiege zu verzeichnen hatten, in Bayern: Ingolstadt, Fürth, Würzburg, Augsburg, Nürnberg und Regensburg. Ein Ende ist nicht in Sicht. Die 2015 veröffentlichte Wohnungsmarktprognose 2030 des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung sagt für die bayerischen Metropolregionen steigende Wohnflächennachfragen von zum Teil über 10 % bis 2030 voraus.

Vor diesem Hintergrund und angesichts dieser Entwicklungen braucht es einen Staat, der fähig und willens ist, zum Wohle der Bewohnerinnen und Bewohner regulierend in den bayerischen Wohnungsmarkt einzugreifen, einen Staat also, der es sich zum Ziel setzt, bezahlbaren Wohnraum für alle zu schaffen, zumal das auch eine Vorgabe unserer Bayerischen Verfassung ist, einen Staat, der Bautätigkeit fördert, Kommunen wirkungsvoll unterstützt und eine Wohnungspolitik betreibt, die sich der sozialen Gerechtigkeit verpflichtet fühlt. Die aktuelle Wohnungsnot im Freistaat – nach unseren Berechnungen fehlen mindestens 100.000 Wohnungen in den nächsten fünf

Jahren – ist ganz wesentlich auf die jahrelange Untätigkeit der Staatsregierung in der Wohnungspolitik zurückzuführen. So wurde die GBW, die ehemals staatseigene Immobilientochter der Landesbank, 2013 ohne Not von der Staatsregierung privatisiert, mit der Folge, dass die 85.000 Mieterinnen und Mieter der GBW gezwungen waren, teils drastische Mieterhöhungen hinzunehmen, obwohl ihre Wohnungen einstmals von der öffentlichen Hand gefördert worden waren.

Der Haushaltsplan für die Jahre 2017 und 2018, den wir in diesen drei Tagen beraten, sieht trotzdem nicht etwa einen Aufwuchs der Mittel für die Wohnraumförderung vor, sondern einen deutlichen Rückgang der Landesmittel von 160 Millionen Euro in 2015 auf 87 Millionen Euro in 2017. Das ist nahezu eine Halbierung. Wir als SPD wollen in den kommenden fünf Jahren 100.000 zusätzliche bezahlbare Wohnungen in den bayerischen Ballungsräumen und Boomregionen, aber auch im ländlichen Raum schaffen, um den Bedarf in Bayern decken zu können. Ein erster kraftvoller Schritt könnte endlich im neuen Doppelhaushalt erfolgen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD)

Es ist an uns, dies jetzt umzusetzen.

Schaffung billiger Volkswohnungen, wie es in der Bayerischen Verfassung heißt, Herr Ministerpräsident: Verfassungsauftrag nicht erfüllt. Und tatsächlich ist es an uns in der deutschen Bundesregierung, das von Ihnen heute hier vorgeschlagene Baukindergeld, ursprünglich eine Idee der SPD-Ministerin Hendricks, tatsächlich noch in dieser Legislaturperiode umzusetzen. Wir befürchten, Sie machen das sogenannte Baukindergeld zum Wahlkampfschlager der Jahre 2017 und 2018. Der Vorschlag wurde von der SPD-Ministerin unterbreitet. Lassen Sie uns das Baukindergeld noch in dieser Legislaturperiode gemeinsam beschließen, wenn Sie es wirklich ernst meinen.