Protocol of the Session on December 8, 2016

Artikel 3 wendet sich zugleich an die heimische Bevölkerung und betont deren wichtige Rolle bei der Integration von Migrantinnen und Migranten. Im gegenseitigen Verhältnis zueinander sind Rücksichtnahme und Toleranz die Basis und die Brücke zwischen den unterschiedlichen Kulturen. Ich möchte mich heute auch noch einmal explizit bei den vielen Ehrenamtlichen, die in diesem Gesetz auch erwähnt sind, für die Leistungen bedanken, die sie hier erbringen. Ich möchte mich bei ihnen bedanken, dass sie Migrantinnen und Migranten dazu bewegen, selbst ehrenamtlich tätig zu sein. Das ist eine ganz neue Qualität der Integration. Das wollen wir auch fördern. Ich möchte mich auch bei Herrn Dr. Fahn bedanken, der die prozentualen Anteile angesprochen hat.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Er hat auch angesprochen, was die Ehrenamtlichen hier alles leisten.

Schließlich wird auch die staatliche Verwaltung angesprochen, das Ihre zur Verwirklichung der Integrationsziele beizutragen. Migrantinnen und Migranten werden in dem ihnen abverlangten Bemühen unterstützt, sich mit den in der heimischen Bevölkerung vorherrschenden Umgangsformen, mit den Sitten und Gebräuchen vertraut zu machen. Dadurch soll keinesfalls eine Assimilierung stattfinden. Ich betone das noch einmal. Ich habe das auch schon in meinem Eingangsstatement gesagt. Die eigene Lebensweise und Kultur soll nicht aufgegeben werden. Für die Integration ist es jedoch hilfreich, sich damit vertraut zu machen, wie die Menschen hier in unserem Lande leben.

(Beifall bei der CSU)

Danke schön. – Wir haben noch eine Zwischenbemerkung von Herrn Kollegen Scheuenstuhl.

Frau Ministerin, mich würde interessieren, wie Ihre Meinung ist: Ist die Einbürgerung von Ausländerinnen und Ausländern, die die Voraussetzungen dafür erfüllen, von öffentlichem Interesse? Das heißt, steht es für Sie, für den Freistaat und damit auch für mich, im öffentlichen Interesse, dass wir die Menschen, die die Voraussetzungen dafür erfüllen, einbürgern?

(Thomas Kreuzer (CSU): Das ist wieder eine Frage!)

Menschen, die eine gute Bleibeperspektive haben, wollen wir integrieren. Einbürgern ist eine ganz andere Sache. Nach der Genfer Flüchtlingskonvention haben die Leute für drei Jahre ein Aufenthaltsrecht. Dann reden wir weiter.

(Beifall bei der CSU – Harry Scheuenstuhl (SPD): Ist das ein Vorteil oder nicht?)

Das muss man dann entscheiden.

Danke schön. – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Damit ist die Aussprache geschlossen. Wir kommen jetzt zur Abstimmung. Auch hier ist vorweg über die hierzu einschlägigen Änderungsanträge der Fraktionen abzustimmen. Abgestimmt wird über die Nummer 4 des Änderungsantrags der SPD-Fraktion auf Drucksache 17/13211 und über die Nummer 2 des Änderungsantrags der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN auf Drucksache 17/13416.

Mit der Nummer 4 des SPD-Antrags soll der Artikel 3 neu gefasst werden. Inhaltlich verweise ich auf die genannte Drucksache. Der federführende Ausschuss empfiehlt die Ablehnung. Wer entgegen dem Ausschussvotum der Nummer 4 des SPD-Änderungsantrags zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um sein Handzeichen. – Das sind die SPD-Fraktion, die FREIEN WÄHLER und das BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Gegenstimmen! – Das ist die CSU-Fraktion. Stimmenthaltungen? – Keine Stimmenthaltungen. Die Nummer 4 des Antrags ist damit abgelehnt.

Mit der Nummer 2 des Änderungsantrags der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sollen in Artikel 3 Absatz 3 Satz 2 die Wörter "an der Leitkultur" durch die Wörter "an den Werten der Bayerischen Verfassung und des Grundgesetzes" ersetzt werden. Der federführende Ausschuss empfiehlt auch hier die Ablehnung. Wer entgegen dem Ausschussvotum der Nummer 2 des Änderungsantrags des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um sein Handzeichen. – Das sind die FREIEN WÄHLER und das BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Gegenstimmen! – Das ist die CSU-Fraktion. Stimmenthaltungen? – Bei Stimmenthaltung der SPD-Fraktion ist die Nummer 2 des Änderungsantrags abgelehnt.

Bei Artikel 3 empfiehlt der federführende Ausschuss Zustimmung mit der Maßgabe, dass in Artikel 3 ein neuer Absatz 3 eingefügt wird und im neuen Absatz 6 der Satz "Er unterstützt die ehrenamtliche Arbeit vor Ort durch geeignete Angebote, insbesondere zur Information und Koordinierung." angefügt wird. Inhaltlich verweise ich auf Nummer 3 der Beschlussempfehlung. Wir treten in die namentliche Abstimmung ein. Fünf Minuten.

(Namentliche Abstimmung von 18.36 bis 18.41 Uhr)

Die Zeit ist um. Wir schließen die Abstimmung. Ich darf Sie bitten, wieder Platz zu nehmen. Wir fahren in der Tagesordnung fort.

Ich rufe auf:

Artikel 4 "Deutsche Sprache"

hierzu:

Änderungsantrag der Abgeordneten Markus Rinderspacher, Doris Rauscher, Hans-Ulrich Pfaffmann u. a. und Fraktion (SPD) hier: Nummer 5 (Drs. 17/13211)

und

Änderungsantrag der Abgeordneten Margarete Bause, Ludwig Hartmann, Christine Kamm u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) hier: Art. 4 - Kosten für Sprachkurse und Dolmetscher (Drs. 17/13418)

und

Änderungsantrag der Abgeordneten Thomas Kreuzer, Josef Zellmeier, Markus Blume u. a. (CSU) hier: Nummer 3 (Drs. 17/13604)

Die Redezeit der Fraktionen beträgt 24 Minuten. Erster Redner ist der Kollege Thomas Huber.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Der Artikel 4 des heute zur Abstimmung stehenden Bayerischen Integrationsgesetzes behandelt ein zentrales Thema. Ohne dieses Thema wird und kann die Integration der zu uns kommenden und bleibeberechtigten Menschen nicht gelingen. Das zentrale Thema ist der Erwerb der deutschen Sprache. In diesem Gesetz fördern wir den Spracherwerb und fordern ihn auch explizit ein. Wir sind der Meinung, dass es eine Bringschuld ist, die deutsche Sprache zu erlernen.

(Beifall bei der CSU)

Im Gesetzestext heißt es:

Nur wer deutsch spricht, kann sich vollumfänglich in das öffentliche Leben und Arbeiten einfügen. Eigenes Engagement beim Spracherwerb liegt daher im wohlverstandenen Eigeninteresse der Migrantinnen und Migranten.

Es geht um folgende zwei Zauberwörter, nämlich um "vollumfänglich" und um "eigenes Engagement". Wir wollen, dass sich die zu uns kommenden Menschen aus eigenem Willen vollumfänglich integrieren. Dazu gehört ganz elementar, dass man sich mit seinem Nachbarn auch über alltägliche Dinge wie die Mülltrennung auf Deutsch unterhalten kann. Die Mülltrennung gibt es in den meisten Herkunftsländern nicht oder nicht so wie bei uns. Die Menschen sollen miteinander reden können. Wir wollen nicht, dass sich die Menschen nach der Arbeit und in ihrer Freizeit nur in ihrer Muttersprache unterhalten. Das würde ihnen keine Integration in unsere Gesellschaft und Kultur ermöglichen. Im Sozialausschuss haben wir vom Kollegen Arif Taşdelen erfahren, dass es heute noch Migrantinnen und Migranten aus ehemaligen Gastarbeiterfamilien gibt, die sich seit langer Zeit in Deutschland aufhalten, ohne jedoch richtig Deutsch zu sprechen. Das wollen wir für die Zukunft verhindern.

Warum das so wichtig ist, das hat im 19. Jahrhundert bereits der Kulturpolitiker und Schriftsteller Berthold Auerbach formuliert. Ich zitiere ihn:

Eine fremde Sprache lernen und gut sprechen, gibt der Seele eine innere Toleranz. Man erkennt, dass alles innerste Leben sich auch noch anders fassen und darstellen lasse, man lernt, fremdes Leben achten.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, genau darum geht es uns. Es geht uns um gegenseitige Toleranz und um Achtung.

(Beifall bei der CSU)

Deshalb hat die Staatsregierung im Gesetzentwurf postuliert, dass sich derjenige, der volljährig ist und sich in den vorangegangenen sechs Jahren mindestens drei Jahre ständig in Deutschland aufgehalten hat, mit jedermann in deutscher Sprache angemessen verständigen können soll. Dass dies wirklich elementar ist, bedarf doch eigentlich keiner Erklärung.

Deshalb verstehe ich auch nicht, wie irgendjemand hier in diesem Hohen Haus Kritik daran üben kann, dass wir auch eine Evaluierung vornehmen möchten. Schließlich werden für die Sprachförderung erhebliche bayerische staatliche Mittel aufgewandt. Allein für das Jahr 2016 waren das 17 Millionen Euro für Deutschkurse, Sprachpatenprogramme, Projekte und Sprachkurse. Im Übrigen haben im letzten Jahr allein 15.000 Menschen davon profitiert. An dieser Stelle möchte ich allen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern ganz herzlich danken, die Deutschkurse und Sprachpatenprojekte angeboten und erfolgreich durchgeführt haben. Ihnen gebührt ein herzliches Vergelts Gott.

(Beifall bei der CSU)

Im Übrigen war Bayern das erste Bundesland, das Deutschkurse eingeführt hat. Dies sei nur der Vollständigkeit halber gesagt.

Der Entwurf für das neue Gesetz sieht selbstverständlich auch vor, dass der Staat Migrantinnen und Migranten in den ersten sechs Jahren nach ihrer Einreise nach Deutschland in ihren Bemühungen unterstützt, die deutsche Sprache in Wort und Schrift zu erlernen. Im zu beschließenden Gesetzentwurf steht aber auch, dass derjenige, der aus selbst zu vertretenden Gründen das im Rahmen einer gewährten Förderung mindestens erwartbare Sprachniveau nicht erreicht, vorbehaltlich anderweitiger Bestimmungen nach Maßgabe einschlägiger Förderrichtlinien zur angemessenen Erstattung von Förderkosten verpflichtet werden kann. Dazu gehört auch, dass seit

Langem in Bayern lebenden Menschen, die die deutsche Sprache nicht beherrschen, die Kosten für die Heranziehung eines Dolmetschers oder Übersetzers durch Behörden auferlegt werden können. Hier bin ich wieder beim Beispiel vom Kollegen Taşdelen. Diese Selbstbeteiligung ist bewusst als Kann-Bestimmung gestaltet, um zu hohe Übersetzerkosten für schon lange in Bayern lebende Menschen zu vermeiden.

Damit wollen wir die zu uns kommenden Menschen motivieren, aber nicht verpflichten. Wir wollen sie dazu motivieren, die deutsche Sprache auch wirklich zu lernen; denn sie ist nicht nur die Voraussetzung für gelingende Integration, sie ist auch die Voraussetzung für den beruflichen Erfolg der zu uns kommenden Menschen, für ihre Zukunft in unserem Land und für das gesellschaftliche Miteinander. Erfolgreiche Kommunikation braucht Sprache, und zwar unsere gemeinsame Sprache. Diese ist Deutsch.

Danke schön. Bitte bleiben Sie am Rednerpult. Wir haben eine Zwischenbemerkung der Kollegin Wild.

Sehr geehrter Herr Kollege Huber, ich gebe Ihnen natürlich recht, dass das Erlernen der Sprache ein ganz zentraler Bestandteil ist. Sprache ist nun einmal der Schlüssel zur Welt, mit Sprache kann ich meine Gedanken, meine Kritik und meine Vorstellungen zum Ausdruck bringen. Wenn ich das aber so betone, wie Sie das gerade eben getan haben, dann muss ich auch einfordern – das ist in Ihrem Artikel 4 nicht gegeben –, dass das Fördern und das Fordern in einem sehr guten Gleichgewicht sind. Wie sieht es aus, wenn es vor Ort nicht genügend Sprachförderangebote und Alphabetisierungskurse gibt? Ich habe nicht einmal das Recht, das einzuklagen. Auch hier gilt wieder der Haushaltsvorbehalt. Sie können hier nicht großzügig formulieren, dass wir das unterstützen wollen, wenn die Möglichkeiten nicht entsprechend umfangreich vorhanden sind.

In einem weiteren Punkt widerspreche ich Ihnen. Hier bin ich in gewisser Weise Fachfrau. Auch die Akzeptanz und das Fördern der nichtdeutschen Muttersprache sind von enormer Bedeutung, gerade im vorschulischen und im schulischen Bereich. Nur wenn ich meine Muttersprache gut oder exzellent beherrsche, kann ich eine zweite Sprache gut erlernen. Das ist anerkannt, und das sollten Sie hier zur Kenntnis nehmen.

Weiter vermisse ich in Ihren Ausführungen, wie es mit Menschen mit besonderem Unterstützungsbedarf aussieht. Ich denke hier an die Menschen mit Behinderung, mit Körperbehinderung, mit Sprachbehinde

rung, mit Hörbeeinträchtigung. Wie gehen Sie damit um? – Das finde ich hier nicht.

(Beifall bei der SPD)

Frau Kollegin, diese Angebote stehen in Artikel 4. Ich muss ihn mir schnell einmal kurz herholen. – Der erste Satz ist die programmatische Aussage, die ich vorhin erklärt habe. In den Absätzen 2 bis 4 versuchen wir, zum Erwerb von Sprachkenntnissen zu motivieren. Sie haben recht: Sprachförderung und Frühförderbereich kommen in den nächsten Artikeln. Wir kommen mit den Artikeln 5, 6, 7 ff. in den kompletten Bildungsbereich: Frühförderung, Sprachförderung, auch zu den Schulen. Ich denke, dass die Grundlage in diesem Integrationsgesetz gut durchdacht und in einzelnen Artikeln angegeben ist. Sie sagen, dass die Angebote nicht überall in gleichem Maße bestehen; da gebe ich Ihnen recht. Aber ich sage Ihnen auch: Integration ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Wir als Staat setzen mit diesem Integrationsgesetz den Rahmen dafür, dass so etwas möglich wird.

(Beifall bei der CSU)

Für die Umsetzung sind alle gesellschaftlichen Schichten, auch alle staatlichen und kommunalen Ebenen gleichermaßen mitverantwortlich.