Protocol of the Session on December 8, 2016

und die Dritte Lesung – das Angebot ist Ihnen unterbreitet worden – an einem anderen Tag durchführen. Sie haben dies im Ältestenrat abgelehnt. Jetzt legen Sie die Arbeit nieder.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Diese Form der Arbeitsverweigerung entspricht nicht unserem Verständnis von einem soliden Parlamentarismus, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Sie sagen, es entstünde ein Schaden für die Demokratie. Aus meiner Sicht ist es schädlich, wenn Parlamentarier sagen: Wir sprechen über Integration auf Parteitagen stundenlang, wir machen Leitanträge, wir gehen in die Bierzelte; im Parlament, wo Widerspruch zu erwarten ist, machen Sie sich aber plötzlich vom Acker. Was ist das für ein Selbstverständnis?

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

So zeigt sich im Laufe der Debatte für uns vor allen Dingen eines: Sie sind Widerspruch nicht gewöhnt. Die absolute Mehrheit seit 2013 hat zu einer Arroganz der Macht geführt,

(Widerspruch bei der CSU)

sodass Sie tatsächlich der Auffassung sind, der CSUFraktionsvorsitzende hält hier eine "kracherte" Rede, und die Plenardebatte ist beendet. So funktioniert Demokratie nicht. Das lassen wir Ihnen nicht durchgehen.

(Anhaltender Beifall bei der SPD und den GRÜ- NEN)

Jetzt hat sich noch der Parlamentarische Geschäftsführer der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, auch unter Berufung auf § 113 der Geschäftsordnung, zu Wort gemeldet. Ich bitte um Aufmerksamkeit.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Parlamentarier, die das Reden zu einem wichtigen Gesetzentwurf einstellen, stellen sich selbst ein Armutszeugnis aus.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Dieses Verhalten wird der bisherigen Debatte nicht gerecht. Wir haben bisher eine lange, aber sehr erns

thafte Debatte zu diesem Thema quer durch alle Fraktionen geführt. Alle Rednerinnen und Redner haben hier zur Sache geredet. Sie haben nicht filibustert, sondern sie haben sehr ernsthaft geredet. Es gab Zwischenbemerkungen aus allen Fraktionen. Das zeigt, dass alle, die hier geredet haben, dieses Thema ernstgenommen haben. Sie haben sich ernsthaft damit auseinandergesetzt. Wenn jetzt par ordre du Mufti gesagt wird, jetzt beenden wir die Debatte, jetzt wird nicht mehr geredet, dann zeugt das von einem unparlamentarischen Verhalten der CSU-Fraktion bzw. deren Fraktionsvorsitzendem.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Die Geschäftsordnung ist so, wie sie ist. Sie wird hier nur angewendet. Übrigens haben wir auch im Ältestenrat immer wieder gezeigt, dass wir flexibel sind. Wir haben Angebote gemacht. Wir haben zum Beispiel auf die Einzelberatung unseres Gesetzentwurfs verzichtet. Es ging uns immer darum, ein Verfahren durchzuführen, das für alle machbar ist. Wir haben auch angeboten – Kollege Halbleib hat es im Ältestenrat gemacht –, die Dritte Lesung zu vertagen. Die Dritte Lesung muss nicht unbedingt im Anschluss an die Zweite durchgeführt werden. Sie sollen auch noch einmal Zeit zum Nachdenken haben, um noch etwas zu verändern. Die Verschiebung der Dritten Lesung war unser Angebot. Damit würden wir wertvolle Zeit gewinnen, und das würde der ganzen Debatte guttun. Wir würden damit Zeit gewinnen. Wir könnten dann weiter über dieses Thema reden.

Klar ist natürlich auch, dass bei Ihnen die Nerven blank liegen.

(Lachen bei der CSU)

Sie fürchten wohl die Nacht; denn am jetzigen Zeitpunkt kann es nicht liegen. Wir debattieren öfter bis 22, 23 oder auch 24 Uhr. Das halten wir alle konditionell noch ganz gut aus.

(Thomas Kreuzer (CSU): Wir haben noch 20 Einzelberatungen!)

Daher verstehe ich, dass Sie nervös sind und in die Zukunft blicken.

Der Grund ist aber der, dass es Ihnen lästig ist, dass wir immer wieder über dieses Gesetz diskutieren, weil Sie feststellen, dass Sie sich in einigen Punkten verrannt haben und die Argumente nicht mehr durchhalten können. Deswegen wollen Sie darüber nicht mehr diskutieren.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Wir haben Angebote zur Verkürzung der Debatte gemacht. Auf Reden zu verzichten, ist kein Angebot, das eines Parlamentariers würdig ist. Wir werden uns mit diesem Gesetz weiterhin sachlich auseinandersetzen und sachliche Beiträge bringen.

(Anhaltender Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wir fahren in der Tagesordnung fort, und zwar mit der Beratung des Artikels 8 – "Hochschulen". Nächste Rednerin ist Frau Osgyan vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Bitte schön, Frau Osgyan, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen. Es ist 22 Uhr. Wir haben lange beraten. Wir haben in vielen Punkten gut beraten. Meine Vorrednerin von der CSU war beim Punkt Hochschulen. Ich muss betonen – Sie haben es alle immer wieder angemerkt –: Integration ist ein wichtiges Thema. Jetzt wird in Bayern von der Staatsregierung erstmals ein Integrationsgesetz vorgelegt. Von uns kam schon ein Entwurf, von der SPD kam schon vor Längerem ein Gesetzentwurf. Das Gesetz ist wirklich überfällig; denn wir haben in Bayern seit mindestens 50 Jahren Migration. Wenn man zurückschaut, haben wir eigentlich schon seit Jahrhunderten Migration.

Jetzt komme ich wieder zurück zu den Hochschulen. Hochschulen sind seit Jahrhunderten ein Träger der Integration. Deswegen muss ich Ihnen, Frau Kaniber, widersprechen. Die Integration ist keine neue Aufgabe, die auf die Hochschulen zukommt. Im Mittelalter gab es bereits berühmte Universitäten wie Oxford, Bologna und Kairo. Dort sind junge Menschen aus ganz vielen Ländern zusammengekommen und haben Wissen untereinander ausgetauscht. Migration und Integration ist eine Grundkompetenz der Hochschulen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Menschen blieben oft dort, wo sie studiert haben. Sie haben neues Wissen mitgebracht. Dadurch ist unsere Kultur erst richtig entstanden.

Kolleginnen und Kollegen, die Wissenschaft kennt keine Grenzen. Ich glaube, die Freiheit von Forschung und Lehre beschreibt das genaue Gegenteil einer Leitkultur. Sie ist evidenzbasiert. Neue Erkenntnisse lösen alte Erkenntnisse ab. Immer wieder müssen Dinge infrage gestellt werden, um weiterzukommen und um Wissen zu erweitern. Deswegen sind Hochschulen auch heute noch mit die wichtigsten transnationalen Begegnungsorte. Ich glaube, für die

bayerischen Hochschulen ist das seit jeher eine ihrer wichtigsten Aufgaben. Deswegen haben sie die Herausforderungen der Integration sehr früh erkannt, haben Programme aufgelegt und sich um Geflüchtete gekümmert, um die Migrantinnen und Migranten. Sie haben das ganz selbstverständlich getan, noch bevor es in einem Gesetz als ihre Aufgabe festgeschrieben wurde.

Ich denke, das können wir anerkennen. Wir müssen anerkennen, dass die Hochschulen ihren Beitrag leisten. Sie haben gehandelt. Als Politiker müssen wir uns nun überlegen, was unser Beitrag dazu sein soll.

Wir dürfen den Willen zur Integration nicht mit rechtlichen Einschränkungen vorgeben und einen Riegel vorschieben. Wir müssen die Hochschulen vielmehr in ihren neuen Aufgaben adäquat unterstützen; dazu gehört auch die finanzielle Seite.

Wenn ich nun höre, das sei Aufgabe des Bundes, dann ist das einfach zu leicht gesagt. Da macht sich der Freistaat an dieser Stelle wirklich einen schlanken Fuß; denn ansonsten sind Bildung und Forschung originäre Aufgaben der Hochschulen im Freistaat.

Immerhin fließen 10 % des Staatshaushaltes in die Hochschulen. Insofern sind die 1,7 Millionen Euro Beitrag nicht zu hoch angesetzt, um die Hochschulen in diesem Sinne zu fördern.

Dennoch – der Freistaat duckt sich weg. Er gibt Geld, aber es geht im Grunde darum, zu koordinieren, aktiv zu fördern und Programme aufzulegen.

Was im Gesetzentwurf steht, geht im Grunde nur dahin: Die Hochschulen können Programme auflegen und Sprachkurse anbieten. Das machen sie schon die ganze Zeit. Wie es finanziert und koordiniert werden soll und wie es aktiv befördert werden könnte, ist im Gesetz nicht enthalten.

Ich glaube, das ist einfach ein Laisser-faire; es ist kein aktives Befördern von Integration. Und das ist nicht mein Politikverständnis.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Andere Bundesländer sehen das auch so. BadenWürttemberg, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen haben längst vorgemacht, was wir immer wieder in unseren Anträgen gefordert haben, nämlich Stipendienprogramme für Geflüchtete zu öffnen und zentrale Informationsplattformen und Anlaufstellen für internationale Studierende zu schaffen.

Die Zeugnisanerkennung sollte einheitlich geregelt werden. Dass entsprechende Verfahren eingeführt

werden, hat die Kultusministerkonferenz letztes Jahr beschlossen. Ich weiß nicht, ob Bayern das mittlerweile umgesetzt hat.

Es geht um auskömmlich finanzierte Sprachkurse. Das ist nicht nur wichtig für die Studierenden, sondern auch für die Lehrenden, die in den Sprachzentren häufig prekär beschäftigt sind.

Abgesehen davon hat Baden-Württemberg jetzt ein Programm aufgelegt, um gefährdete Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus der Türkei zu unterstützen. Auch da könnte sich Bayern eine Scheibe abschneiden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

In der Bayerischen Verfassung steht: "Jeder Bewohner Bayerns hat Anspruch darauf, eine seinen erkennbaren Fähigkeiten und seiner inneren Berufung entsprechende Ausbildung zu erhalten." Unsere Verfassung unterscheidet da nicht zwischen Ausländern und Migranten mit deutschem Pass und Bildungsinländern und Bildungsinländerinnen.

Eine letzte Anmerkung – auch hier haben wir ein riesiges Defizit –: Bei den Menschen mit Hochschulzugangsberechtigung haben Ausländerinnen und Ausländer der ersten Generation eine höhere Quote als gebürtige Deutsche. Dagegen haben Ausländerinnen und Ausländer der zweiten Generation, also Bildungsinländer und Bildungsinländerinnen, die unser Schulsystem durchlaufen haben, eine signifikant niedrigere Quote bei der Zugangsberechtigung. Das zeigt eindeutig: Unser Bildungssystem benachteiligt Migranten und Migrantinnen strukturell. Da müssen wir ansetzen, damit wir allen jungen Menschen überhaupt die Chance geben, ihr Potenzial entsprechend ihren Fähigkeiten zu entfalten. Das tut Bayern gut, und das tut Deutschland gut. Darauf müssen wir hinarbeiten. Wer junge Menschen systematisch und strukturell ausgrenzt, der spaltet. Wer spaltet, der schwächt die Gesellschaft. Zusammenhalt macht uns stark. Gemeinsam gewinnen wir.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank. – Nächster Redner ist der Kollege Rosenthal von der SPD.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Anfangszitat passt sehr gut zu dem, was wir nach dieser Unterbrechung als Anfangsdebatte gehabt haben.